Predigt an Reminiszere 2007 Joh 8, 21-30: Wer bist du? Jesus sprach zu den Juden: 21 Ich gehe hinweg, und ihr werdet mich suchen und in eurer Sünde sterben. Wo ich hingehe, da könnt ihr nicht hinkommen. 22 Da sprachen die Juden: Will er sich denn selbst töten, dass er sagt: Wohin ich gehe, da könnt ihr nicht hinkommen? 23 Und er sprach zu ihnen: Ihr seid von unten her, ich bin von oben her; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt. Darum habe ich euch gesagt, dass ihr sterben werdet in euren Sünden; denn wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, werdet ihr sterben in euren Sünden. 25 Da fragten sie ihn: Wer bist du denn? Und Jesus sprach zu ihnen: Zuerst das, was ich euch auch sage. 26 Ich habe viel von euch zu reden und zu richten. Aber der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, und was ich von ihm gehört habe, das rede ich zu der Welt. 27 Sie verstanden aber nicht, dass er zu ihnen vom Vater sprach. 28 Da sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und nichts von mir selber tue, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich. 29 Und der mich gesandt hat, ist mit mir. Er lässt mich nicht allein; denn ich tue allezeit, was ihm gefällt. Als er das sagte, glaubten viele an ihn. Liebe Gemeinde, wer von euch erinnert sich noch an die Fernsehsendung „Was bin ich?“ mit Robert Lembke? Vier Personen hatten die Aufgabe durch geschickte Fragen den Beruf der jeweils geladenen Gäste herauszufinden. An jedem Abend gab es dann auch einen Ehrengast. Irgendeine prominente Persönlichkeit. Sie durfte zunächst keinen Laut von sich geben. Dem Rateteam wurden dann die Augen verbunden. „Wer sind sie?“ wollten sie wissen. Eine knifflige Aufgabe, die nicht immer gelöst wurde. In unserem Bibelabschnitt wird fast die gleiche Frage gestellt. Wer bist du denn? (V 25) wollen Menschen von Jesus wissen. Blöde Frage könnte man jetzt sagen. Ihr habt es doch viel leichter als die Ratendenden bei der Quizsendung von Robert Lembke. Mit unverbundenen Augen können sie sehen, was Jesus tut und hören, was er sagt. Wie er einen langjährigen Kranken gesund macht und 5000 Menschen zu essen gibt. Wie er von sich selbst behauptet: „Ich bin das Brot des Lebens!“ „Ich bin das Licht der Welt!“. All das spricht doch eine klare Sprache und zeigt deutlich, dass Jesus der Sohn Gottes ist - oder? Nein. Tut es nicht. Außergewöhnliche Dinge haben ja schließlich viele Menschen getan und wer ist nicht schon alles mit großartigen Behauptungen aufgetreten. Hier ist es anders als beim Fernsehquiz. „Wer bist du?“ fragt nicht bloß nach Jesu Worten und Taten, sondern nach seiner Person. Wie sollen wir deine Reden und Zeichen verstehen? Auf welchem Hintergrund, in welchem Zusammenhang steht das alles? Jesus selbst deutet zwei Möglichkeiten an. „Ihr seid von unten her, ich aber bin von oben her“ (V 22) unterstreicht er. Von unten her bedeutet: Jesus wird verstanden als einer von uns. Das muss gar nicht abwertend oder ablehnend gemeint sein, sondern kann mit tiefer Bewunderung einhergehen. Jesus, ein großartiger Mensch - vielleicht der Bedeutendste, der jemals gelebt hat. Eine „Predigt“ für Menschen, die Jesus nur von unten her, also unter den Bedingungen dieser Welt verstehen, könnte dann folgendermaßen lauten: "Liebe Freunde in der Erinnerung an Jesus! Wir sind hier zusammengekommen, um unseres Herrn und Meisters zu gedenken. Wir beugen uns in Ehrfurcht vor seiner Lehre und seiner Art zu leben. Wir müssen auch heute noch - 2000 Jahre nachdem er über diese Erde ging - staunen, wie selbstlos, wie friedliebend, wie gut und freundlich er sein konnte. Darin wird er uns immer ein Vorbild bleiben. Was er erdulden musste hat er nicht verdient: Leiden und Sterben, Verfolgung und den schändlichen Tod am Kreuz. Sein Sterben ist ein großes Unglück. Um so mehr darf das, was er lehrte und wofür er stand nicht aufhören. Lasst uns ihm nachleben. Lasst uns gut sein, Nächstenliebe üben, Frieden halten und standhaft in den Tod gehen. Ihm, dem Meister Jesus, wollen wir für sein gutes Beispiel danken und seiner immerdar gedenken." Diese Ansprache klingt flüssig und eingängig, denn die Vorstellungen von Jesus bleiben ganz innerhalb unserer diesseitigen Welt. Doch wird man damit Jesu eigenem Anspruch absolut nicht gerecht. „Ich bin von oben her.“ betont er. Das heißt doch: Wenn ihr wirklich wissen wollt, wer ich bin, müsst ihr mich von Gott her begreifen. Er sagt es sogar noch viel krasser: „Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, werdet ihr sterben in euren Sünden.“ Diese Worte müssen wir sehr aufmerksam lesen: „Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin“ (V 28). Hinter dieser eigenartigen Formulierung steckt die Geschichte vom brennenden Dornbusch aus dem Alten Testament. Mose wird von Gott nach Ägypten geschickt. Er soll das Volk Israel herausführen aus der Sklaverei. Doch Mose traut sich nicht. Was soll er denn bloß sagen, wenn seine Landleute ihn fragen: „Wie heißt denn der Gott, der dich zu uns schickt? - Herr, was soll ich dann denn bloß sagen?“ Gott antwortet: „Ich bin, der ich bin heißt mein Name“. Auf hebräisch Jahwe. „ICH BIN“ - diese Formulierung taucht nicht nur in der Unterredung Gottes mit Mose am brennenden Strauch auf, sondern immer wieder spricht der Herr in der Bibel so von sich: „Ich bin Gott, und sonst kein Helfer“ oder „Ich bin der Herr, der dich aus Ägypten geführt hat“. Dabei wird für „ICH BIN“ eine ungebräuchliche Formulierung im Hebräischen verwendet. Das brachte es mit sich, dass die spezielle Aussage „ICH BIN“ automatisch für Gott reserviert war. Und Jesus verwendet dieses „ICH BIN“ für sich! Was Jesus hier sagt, heißt also nichts anderes als: „Ich bin Gott - und es entscheidet sich alles daran, ob ihr mich als Gott in Person anerkennt“. Wohlgemerkt: nicht als Halbgott mit erstaunlichen Fähigkeiten, nicht als religiösen Führer mit starker Verbindung zum Himmel, sondern als den Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat, der die Geschicke dieser Welt in seiner Hand hält, der Macht hat über alle Mächte. „Wer bist du denn?“ Wir merken: An der Beantwortung dieser Frage entscheidet sich alles. Jesus eine bewundernswerte, vorbildliche Person oder Jesus, der lebendige Gott. Das ist weit mehr als eine Anschauungssache, die man so oder auch anders betrachten kann. Hier geht es um eine Entscheidung, von der meine und deine Seligkeit abhängt. „Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, werdet ihr sterben in euren Sünden.“ (V 24) warnt Jesus. Ohne ihn wird unsere Schuld an uns kleben bleiben. Denn kein Mensch tut, was Gott will, denkt seine Gedanken, spricht seine Worte. Wir sind von Gott getrennt. Ohne Jesus bleibt diese Trennung auf ewig. „Wer bist du?“ Jesus verrät den Menschen nicht nur, wer er ist, sondern auch, worin das Ziel seines Wirkens besteht: „Wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und nichts von mir selber tue, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich.“ (V 28) Jesus spielt hier auf seine eigene bevorstehende Passion an. Dort wird sich in der größten Widersprüchlichkeit zeigen, wer er wirklich ist. „Ihr werdet den Menschensohn erhöhen, hinauf ans Kreuz.“, weiß Jesus. Er sieht dem qualvollen, schmerzhaften, langem Sterben auf Golgatha ins Auge. „Verflucht ist, wer am Kreuz hängt!“ (Gal 3,13) so lautete das Urteil über einen Gekreuzigten. Verflucht von Gott und verflucht von den Menschen. Ganz unten. Erniedrigt. Tiefer geht es nicht! Und trotzdem nennt Jesus seine Kreuzigung „Erhöhung“. Warum? Weil am Kreuz so deutlich wie nirgendwo anders wird, dass Jesus ganz und gar den Willen seines himmlischen Vaters tut, dass der Vater und der Sohn „eins“ sind, dass Gott selbst sich ins Leiden und Sterben hinablässt, um uns Menschen zu erlösen. Staunend stehe ich am Kreuz. Was hat er erlitten, um mir den Weg in den Himmel zu öffnen! Der ICH BIN gibt sich für seine Kinder hin. Gott selber geht ans Kreuz. ER besiegt für uns den Tod in der Auferstehung Jesu zu Ostern und besiegelt diesen Triumph durch seine Himmelfahrt in der Erhöhung zur Rechten des Vaters. Wer bist du denn? Jesu Antwort ist klar. ICH BINs - Gott selbst. Wer mich sieht, sieht den Vater. Wer mich hört, hört seine Worte. Wer wissen möchte, wie Gott ist, muss mich kennen lernen. Seine Antwort ist klar. Unsere Antwort müssen wir ihm immer wieder geben und ihn hineinlassen. Wer bist du? Diese Frage wird nicht nur in Fernsehshows gestellt. Sie ist alltäglich: Es klingelt an der Türe. Du fragst in der Sprechanlage: „Ja hallo, wer ist da?“ Und es kommt die Antwort: „Ich bin’s!“ Du erkennst den Freund an der Stimme, am Tonfall, hörst den fröhlichen Singsang: „I-C-H bin’s!“ Und du öffnest die Tür. Darum geht es beim Glauben: Jesus erkennen und ihm die Tür zum eigenen Leben öffnen, ihn hereinbitten und damit Gottes Gegenwart erfahren. Gleich, im Abendmahl klingelt er bei uns an, sagt „I-C-H bin’s!“ und wir dürfen ihn aufnehmen in uns. Wie gut. Herzlich Einladung! Pastor Klaus Bergmann evangelisch-lutherische St. Michaelsgemeinde (SELK), Wolfsburg-Westhagen
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