Big Data in HR: Viel Potenzial, wenig Akzeptanz

18
TITELTHEMA
Von Big Data zu Smart Data
Stefanie Hornung, Moritz Meißner
Big Data in HR: Viel Potenzial, wenig Akzeptanz
© Thommy Weiss/PIXELIO – pixelio.de
Roboter rekrutieren zukünftig neue Mitarbeiter . Software-Programme lesen aus, welche Führungsprinzipien zum
Erfolg führen . Und Algorithmen liefern die Information, wann jemand kündigen möchte – noch bevor es der Mitarbeiter selbst weiß . In den Medien werden die Möglichkeiten von Big Data, der Analyse von Daten, die Bewerber und
Mitarbeiter produzieren oder die in der Personalabteilung anfallen, bisweilen als Gruselkabinett eines maschinendominierten Zukunftsszenarios präsentiert . Was sich für viele Menschen beängstigend anhört, ist meist viel weniger
spektakulär – und kann für Mitarbeiter und Unternehmen klare Vorteile bringen, solange der Schutz persönlicher
Daten gewahrt bleibt und die Analysen auf fundiertem HR-Wissen aufbauen . Personaler erhalten dadurch Informationen über Erfolgsprinzipien im Human-Resource-Management und können bessere Entscheidung bei der Auswahl
und Entwicklung von Beschäftigten treffen .
Kurz gefasst:
Personal, Tools und Budgets
als größte Hürden
Inwiefern Unternehmen heute schon ih­
re Daten nutzen, um daraus Erfolgskrite­
rien für ihre Personalarbeit abzuleiten,
und was sie in Zukunft planen, hat die
Trendstudie „Big Data in HR“ untersucht.
Ein Schwerpunkt des Forschungsprojekts
war der Einsatz von Big Data für die Per­
sonalauswahl und ­entwicklung, zum
Beispiel im Zusammenhang mit Assess­
ment Centern. Dazu hat spring Messe
Management in Kooperation mit der
Humboldt­Universität zu Berlin und dem
Institut IQP Ende 2014 und Anfang 2015
Unternehmensvertreter befragt. Das Er­
gebnis ist ernüchternd:
wissensmanagement 5/2015
69 Prozent der Teilnehmer war die Be­
deutung von Big Data zumindest grob
bekannt. Gefragt wurde hier nach der
Definition des ITK­Branchenverbands
BITKOM („Big Data bezeichnet die wirt­
schaftlich sinnvolle Gewinnung und
Nutzung entscheidungsrelevanter Er­
kenntnisse aus qualitativ vielfältigen
und unterschiedlich strukturierten In­
formationen, die einem schnellen Wan­
del unterliegen und in bisher unge­
kanntem Umfang anfallen.“). Obwohl
also den meisten Befragten das Kon­
zept geläufig war, maßen nur 31 Pro­
zent dem Thema im Personalbereich
einen mittleren Stellenwert im eigenen
Unternehmen bei. 15 Prozent der Be­
fragten bescheinigten, dass Big­Data­
•
•
•
In einer aktuellen Studie haben
spring Messe Management, die
Humboldt-Universität zu Berlin
und das Institut IQP die Nutzung
von Big Data im Bereich Human
Resources untersucht.
Unternehmen haben Bedeutung
von Big Data für den Bereich Human Resources erkannt, bisher
mangelt es jedoch an der konkreten Umsetzung.
Gründe dafür liegen unter anderem in Budget- und Ressourcenfragen. Zudem fehlt es (noch) an
entsprechenden Fähigkeiten und
Werkzeugen.
TITELTHEMA
Von Big Data zu Smart Data
7 = sehr hohen Einfluss
6 = hohen Einfluss
5 = eher hohen Einfluss
4 = mittleren Einfluss
3 = eher geringen Einfluss
2 = geringen Einfluss
1 = keinen Einfluss
6
5
4
4,64
4,34 4,18 4,11
4,09 3,97 3,83 3,68 3,65 3,59
3
3,38 3,13
3,08 2,98
2
1
(28 Prozent mit Leitungsfunktion, 19 Pro­
zent ohne) tätig, 24 Prozent als Führungs­
kraft im Unternehmen und 17 Prozent als
Berater (sieben Prozent extern, 10 Prozent
intern). 12 Prozent gaben andere Funkti­
onen an.
im Recruiting­Prozess über bestimmte
vordefinierte Algorithmen die Rede. Fast
ebenso große Bedeutung hat heute
schon Big Data in der Personalentwick­
lung (Stellenwert 4,16), gefolgt von Per­
sonalcontrolling und strategischem Per­
sonalmanagement (jeweils 4,13).
Einsatzfelder der Zukunft:
Mitarbeiterbindung legt am
stärksten zu
Nach Meinung der Befragten werden die
Top­Themen Personalauswahl und ­ent­
wicklung auch in den kommenden fünf
Jahren weiter leicht an Bedeutung zule­
gen. Den stärksten Zuwachs in der Wich­
tigkeit sehen die Studienteilnehmer jedoch
bei Mitarbeiterbindung (+18 Prozent),
betrieblichem Gesundheitsmanagement
(+15 Prozent) und Performance Manage­
ment (+14 Prozent). 20 Prozent der Un­
ternehmensvertreter gaben an, dass sie
aktuell schon ein Big­Data­Projekt in HR
Aktuell liegt die Personalauswahl als zen­
trales Anwendungsfeld im HR­Bereich
der Unternehmen vorne (Stellenwert von
4,68 auf einer Skala von eins bis sieben).
Dies deckt sich mit der öffentlichen
Wahrnehmung des Themas, denn in
Medienberichten ist zumeist von der Se­
lektion und Vorauswahl von Bewerbern
© Thommy Weiss/PIXELIO – pixelio.de
Die 254 Teilnehmer – zu nahezu glei­
chen Anteilen Männer und Frauen –
waren im Durchschnitt 44 Jahre alt
(Median: 45) und kamen zu 85 Prozent
aus Deutschland (die übrigen aus Öster­
reich und der Schweiz), insgesamt aus
mehr als 200 verschiedenen Unterneh­
men. 47 Prozent waren als Personaler
7
rs
on
al
Fe
hl mit
en
B
de ig
To Dat
ol
a
sz
K
ur om
Fe
pe
hl
D
en
at
t
en en
de
z
Fe Feh sam en
f a rti le
m
ch gk n
lu
d
ng
Sc ger eite es
hn ec n, Bu
h
itt t um dg
st au
el sz D et
l
W
Fe enp uw ate
id
h
ro e n
er
st lend ble rten
än
m
e
Au at
Fe de
fk ik
Ke hle bei
l
är
in nd m
un
B
K e
g
Fe ein on Da etr
i
eb
hl b se te
en ez n n
s
r
W
de og s, w gru at
id
Tr en el nd
er
an w ch la
st
än
s e e g
d U pa rd D e
W e b mg ren en ate
ei a zk so n
id
n
Fe erst den g ult llen
m ur
hl
än
en
de Mit it D im
W
de
be arb ate
id
Da
er
ei n
id
te
st
er
än ten
rn
F
s
de
üh
ch
ut
ru
in
ng
Pe zri
c
rs
on htli
n
al
ab ien
te
ilu
ng
Dass die Befragten mangelnde Expertise
als Hürde für den Einsatz von Big Data
angeben, ist besonders überraschend.
Obwohl rund 21 Prozent einen (wirt­
schafts­)psychologischen Hintergrund
mitbringen, schreiben sich lediglich 12 Pro­
zent eine große oder gar sehr große
Expertise in Sachen Big Data zu. Offen­
sichtlich fehlen selbst Vertretern der
Profession, die im Studium explizit Me­
thoden der Validierung mit Daten ge­
lernt haben sollten, die nötigen Kompe­
tenzen. Folglich meiden sie entweder im
Studium alles, was mit Statistik­Metho­
den oder Datenanalysen zu tun hat,
oder die Ausbildung an den Universitä­
ten konzentriert sich auf andere The­
men. Möglicherweise liegt die Ausbil­
dung bei vielen auch schon zu weit
zurück, so dass entsprechende Weiter­
bildungen vonnöten wären.
In vielen Unternehmen mangelt es an der Expertise für
Big Data in HR, aber auch fehlende Tools und Budgets
verhindern entsprechende Projekte .
Pe
bezogene HR­Aktivitäten bei ihnen im
Betrieb durchgeführt werden – neun
Prozent sahen die Personalabteilung
dabei eher stark oder stark involviert.
Als Hinderungsgründe für den Einsatz
von Big­Data­Ansätzen in HR benann­
ten die Teilnehmer insbesondere fehlen­
des Personal mit entsprechenden Kom­
petenzen, das Fehlen von nötigen Tools
und die geringen Budgets.
19
wissensmanagement 5/2015
20
TITELTHEMA
planen, während bei 44 Prozent keine
solche Planung anstand.
Mit Potenzialanalysen den
Berufserfolg vorhersagen
Besondere Aufmerksamkeit schenkte die
Studie der Frage, ob die Befragten mit
Big­Data­Methoden die Ergebnisse von
Potenzialanalysen aus Quellen wie bei­
spielsweise Assessment Centern, Persön­
lichkeitstests oder Interviews überprüfen
oder in Zukunft überprüfen möchten.
Schließlich sind diese Methoden für viele
Betriebe ein nicht unerheblicher Kosten­
faktor, so dass es wichtig erscheint zu
erfahren, ob sie damit überhaupt in der
Lage sind, beruflichen Erfolg vorherzusa­
gen. Diese Fragestellung wurde auch
deshalb gewählt, weil dafür im Grunde
schon „Small Data“ genügen, was im
Gegensatz zu Big Data nur die Samm­
lung und fachlich korrekte Auswertung
von Daten bezeichnet, die bereits heute
im Potenzialanalyseprozess anfallen.
Auf die Frage, ob überhaupt jemals eine
Validierung stattgefunden hat – also ob
der Zusammenhang zwischen dem Ergeb­
nis eines Potenzialanalyseinstruments und
dem beruflichen Erfolg der mit diesem Ins­
trument ausgewählten Personen statistisch
geprüft worden ist – antworteten 14 Pro­
zent der StudienteilnehmerInnen mit Ja.
13 Prozent verneinten dies zwar, planen es
aber zumindest. Hingegen gaben 55 Pro­
zent der Befragten an, dass dies bis dato
noch nicht erfolgt und auch nicht geplant
sei. Diese Zurückhaltung ist insofern sehr
überraschend, da nach Ansicht der Befrag­
ten die Vorteile derartiger Validierungen
enorm sind. Allen voran wird die Möglich­
keit gesehen, die Zufriedenheit der Mitar­
beiter zu erhöhen (Stellenwert von 5,7 auf
einer Skala von eins bis sieben). Dahinter
steckt offensichtlich die Überlegung, dass
die Mitarbeiterzufriedenheit langfristig nur
durch eine Passung von Kompetenzprofil
des Mitarbeiters zum Stellenprofil im Un­
ternehmen zu gewährleisten ist. Als weite­
ren Vorteil nennen die Studienteilnehmer
eine höhere Leistungsfähigkeit der Beleg­
schaft (5,4) – das dürfte auch Entscheider
außerhalb von HR interessieren. Schluss­
lichter bilden Einsparpotenziale in Perso­
nalauswahl (4,6) und Personalentwicklung
(4,3).
Die stärksten Risiken sehen die Unter­
nehmensvertreter in der möglichen Ver­
wissensmanagement 5/2015
Von Big Data zu Smart Data
letzung von Persönlichkeitsrechten (5,2)
und etwaigen Datenschutzmängeln
(5,0). Dieses Ergebnis ist verständlich,
denn: Datensammlung und ­analyse
können immer nur so gut sein wie die
Absichten, Kompetenzen und Sorgfalt
derjenigen, die dies verantworten.
Fazit
Als erstes Fazit aus den Ergebnissen der
Studie lässt sich festhalten: Die Zahl der
Unternehmensvertreter, die aktuell schon
Big Data in HR anwenden, ist nicht
überraschend hoch, gleichwohl besteht
durchaus eine starke Affinität zu dem
Thema. Allerdings ist der hohe Anteil
der Studienteilnehmer, der zukünftig
nicht einmal den Einsatz von Big Data
im Personalmanagement plant, alarmie­
rend. Dies gilt insbesondere für das
Schwerpunktthema Potenzialanalysen.
Hier drängt sich die Vermutung auf,
dass viele HR­Verantwortliche an lieb
gewonnenen Methoden und Tools fest­
halten möchten, die ihnen vermeintlich
das Standing im Unternehmen sichern.
Vielleicht steckt bei der Zurückhaltung
eine Portion Angst dahinter, dass diese
Werkzeuge sich bei genauer Analyse als
nicht mehr zeitgemäß oder schlichtweg
unwirksam erweisen. Nach einer „Schwä­
chung der Rolle von HR“ als Hindernis­
grund für Big Data in HR gefragt, war
die Zustimmung allerdings nicht auffäl­
lig hoch.
Arbeitsmarktanalysen zeigen, dass im­
mer mehr Arbeitgeber Datenanalysten
und Business Intelligence Agents suchen.
Setzt sich diese Ignoranz Big Data gegen­
über tatsächlich durch, besteht die Ge­
fahr, dass das Thema durch Externe oder
andere Unternehmensbereiche besetzt
wird. So sind jetzt schon häufig Mitarbei­
ter aus IT, Controlling oder Vertrieb in
diesem neuen Berufsfeld tätig. Zudem
wird immer wieder Kritik an Personalern
laut, sie könnten ihren Wertschöpfungs­
beitrag für Unternehmen nicht belegen.
Zahlen und Fakten blieben im Hoheitsge­
biet von Geschäftsführung oder Control­
ling, während sich HR schönen Modellen
und netten Instrumenten für Personal­
auswahl und ­entwicklung widme. Diese
Kritik könnten Personalmanager mit dem
Einsatz von Big­Data­Instrumenten Lü­
gen strafen. Mit Datenanalysen – und
zwar auch oft schon mit Small Data –
würden sie die Bedeutung ihrer Arbeit
für Organisationen messbar machen
statt sich auf Tradition und Bauchgefühl
zu verlassen.
Die Autoren
Stefanie Hornung gehört seit mehr als acht Jahren als
Pressesprecherin zum Team der Zukunft Personal, Europas
größter Messe für Personalmanagement, und der regionalen Fachmessen PERSONAL Nord und Süd. Dafür beschäftigt sie sich intensiv mit neuen HR-Trends und ist länderübergreifend mit Personal-Experten aus Theorie und Praxis
im Austausch. Die ehemalige Chefredakteurin des OnlinePortals HRM.de verfasst Fachartikel und Interviews für
verschiedene HR-Magazine.
[email protected]
Moritz Meißner ist Diplom-Kaufmann und M. A. Wirtschaftspsychologie mit Weiterbildungen in Qualitäts-,
Projekt- und Personalmanagement (u. a. Inhaber Lizenz A
DIN 34330). Aktuell ist er Exist-Stipendiat und freiberuflicher Projektmitarbeiter am Institut IQP, wo er an der Entwicklung und Konzeption von ACs und DCs mitwirkt und
verschiedene Unternehmen bei der Durchführung von
Anforderungsanalysen betreut. Darüber hinaus unterstützt
er im Rahmen von Coachings Nachwuchsführungskräfte
und Führungskräfte.
[email protected]