ESBL bildende Bakterien - neue Gefahr oder Panikmache?

Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene
ESBL bildende Bakterien - neue Gefahr
oder Panikmache?
Antibiotika resistente Keime in unseren
Lebensmitteln – welches Risiko besteht wirklich?
Roger Stephan
Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene
Vetsuisse-Fakultät
Universität Zürich, Schweiz
www.ils.uzh.ch
Hygienetagung 25. September 2015
Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene
Multiresistente Bakterien in der
Lebensmittelkette: eine Situationsanalyse
Beispiel ESBL-bildende Enterobacteriaceae und
MRSA
Roger Stephan
Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene
Vetsuisse-Fakultät
Universität Zürich, Schweiz
www.ils.uzh.ch
Hygienetagung 25. September 2015
Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene
Schlagzeilen
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Was kann ich mit einem Antibiotikum?
Krankheiten behandeln, die von Bakterien
ausgelöst werden, nicht aber jene von Viren!
Welche Gefahr besteht?
Das Bakterium verändert sich = Antibiotikumresistenz („natürlicher Prozess“); Selektion solcher
Bakterien
Diese Fähigkeit kann z.T. auch übertragen werden!
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Fachliche Bewertung
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Fachliche Bewertung
-> Bewertung:
• Es ist ein relevantes Problem!
• Es braucht dringend Interventionsmassnahmen
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Auf den Punkt gebracht:
− Die Selektion von antibiotikaresistenten Bakterien
hängt immer direkt oder indirekt mit der
Anwendung einer Wirksubstanz zusammen...
− Je mehr eingesetzt, desto wahrscheinlicher...
− Je breiter die Wirkung eines Antibiotikums, desto
schwerwiegender eine Resistenz dagegen...
− Resistenzproblematik entwickelt sich im Bereich
„Spitalumfeld“ und „livestock assoziiert“ zum Teil
unabhängig....
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Antimicrobial resistance: global report on surveillance 2014
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Davies et al. 2010. MMBR 74:417-433
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β-Lactam-Antibiotika
Der Wirkmechanismus besteht in der Hemmung der Peptidoglykansynthese
bei der Zellteilung. Das heisst, ß-Laktame hemmen den Aufbau der
bakteriellen Zellwand durch Bindung an Penicillinbindende Proteine (sog.
PBP).
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Agenda
• Problemerfassung am Beispiel ESBL-bildender
Enterobacteriaceae
• Was ist das?
• Situationsanalyse Lebensmittelkette
• Komplexität an einem Beispiel
• Problemerfassung am Beispiel MRSA
• Was ist das?
• Situationsanalyse Lebensmittelkette
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Agenda
• Problemerfassung am Beispiel ESBL-bildender
Enterobacteriaceae
• Was ist das?
• Situationsanalyse Lebensmittelkette
• Komplexität an einem Beispiel
• Problemerfassung am Beispiel MRSA
• Was ist das?
• Situationsanalyse Lebensmittelkette
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DQS (de quoi s‘agit il?)
ESBL bedeutet Extended Spectrum Beta-Lactamasen und ist ein Phänomen
der Multiresistenz gramnegativer Bakterien, das am häufigsten bei
Escherichia coli und Klebsiella-Stämmen auftritt. Der Wirkmechanismus
besteht darin, dass von den Bakterien Enzyme gebildet werden, welche
Penicilline und Cephalosporine (1-4) zerstören.
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DQS (de quoi s‘agit il?)
Phänotyp (Synergieeffekt mit Clavulansäure (Beta-Lactamasen Inhibitor))
Genotyp: SHV, TEM, CTX-M und weitere ... (sehr divers!!!)
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Mechanismus in der Regel plasmidgebunden...
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“hospital associated”
“livestock associated”
•
bis 2005: vor allem ein nosokomiales Problem (mit Ausbrüchen)
•
seit 2006: ständig zunehmende Bedeutung in der “general community”
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Agenda
• Problemerfassung am Beispiel ESBL-bildender
Enterobacteriaceae
• Was ist das?
• Situationsanalyse Lebensmittelkette
• Komplexität an einem Beispiel
• Problemerfassung am Beispiel MRSA
• Was ist das?
• Situationsanalyse Lebensmittelkette
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Situation Mensch
5.8% positiv
Geser et al. 2012
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Situation Nutztier
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Kotproben
59 Mastschweine (15% positiv)
63 Kälber (25% positiv)
61 Rinder (2% positiv)
93 Geflügelherden (63% positiv)
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Fleisch
104 Hackfleischproben (Rind/Schwein) (0% positiv)
Milch
100 Bestandesrohmilchproben (0% positiv)
67 Mastitismilchen (1.5 % positiv)
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Fleisch
75 Proben (73% positiv)
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Situation Süsswasserfische
139 Süsswasserfische (18.7% positiv)
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Importgemüse (Dominican Republic, India, Thailand and Vietnam)
169 Proben (25.4% positiv)
Zurfluh et al. 2015
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Importgemüse (Thailand and Vietnam)
blaOXA-181
51, 000kb
IncX3-type
Zurfluh, Poirel, Nordmann, Stephan, accepted
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Aussagen
• Der gesunde Mensch ist Träger von ESBL-bildenden (multiresistenten) Erregern
• Das gesunde Nutztier (inkl. Fisch) ist Träger von
ESBL-bildenden (multiresistenten) Erregern
• Tierische und pflanzliche Lebensmittel können
ESBL bildende (multiresistente) Erreger zum
Mensch bringen
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Agenda
• Problemerfassung am Beispiel ESBL bildender
Enterobacteriaceae
• Was ist das?
• Situationsanalyse Lebensmittelkette
• Komplexität an einem Beispiel
• Problemerfassung am Beispiel MRSA
• Was ist das?
• Situationsanalyse Lebensmittelkette
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Anschuldigungen/Postulate, die aufgrund solcher
Ergebnisse in der „öffentlichen Meinung“ im
Raum stehen:

Hohe Rate: bedeutet Missbrauch von Antibiotika in der
Produktionskette (in der Schweiz)

Hohe Rate: bedeutet das Tier ist die Ursache für das
Problem beim Menschen
aber...
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Anschuldigungen/Postulate, die aufgrund solcher
Ergebnisse in der „öffentlichen Meinung“ im
Raum stehen:

Hohe Rate: bedeutet Missbrauch von Antibiotika in der
Produktionskette (in der Schweiz)

Hohe Rate: bedeutet das Tier ist die Ursache für das
Problem beim Menschen
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Grundlagen
− Auf Stufe Mast wird in der Schweiz nur höchstens
jede 10. Herde behandelt (-> Selektionsdruck tief!)
− Eingesetzte Wirksubstanzen: Fluorochinolon (ca 90%);
Rest: Suphonamid/Trimethoprim; Amoxicillin; Thylosin)
− Und dennoch: sehr hohe Prävalenz von E. coli
ESBL Bildnern auf preharvest (Tiere) und harvest
Stufe (Fleisch)
Im Ausland
In der Schweiz
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Welche Fragen stellen sich daraus in Bezug auf
die Prävention:
− Vertikale Übertragung möglich?
− Konsequenz: Problem wird mit Mastelternküken „eingekauft“
− Coselektion über andere AB Resistenzen?
− Konsequenz: Einsatz anderer Antibiotikaklassen müssen kritisch
hinterfragt werden.
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Vertikale Übertragung
blaCTX-M-1
Chicken-60
108, 660kb
50.9% GC
content
IncI1-type
Legetiere
Eintagsküken: ESBL+
Masttiere
Mekonium: ESBL+
Masttiere: ESBL+
Zurfluh et al. 2014
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Anschuldigungen/Postulate, die aufgrund solcher
Ergebnisse in der „öffentlichen Meinung“ im
Raum stehen:

Hohe Rate: bedeutet Missbrauch von Antibiotika in der
Produktionskette (in der Schweiz)

Hohe Rate: bedeutet das Tier ist die Ursache für das
Problem beim Menschen
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Geser et al. 2012
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Bewertung aus Sicht Lebensmittelsicherheit

Lebensmittel können sein/sind Vektoren von ESBL–
bildenden Enterobacteriaceae

Problem bei Aufnahme in den Darm („Ort des Geschehens“)

ist ein lebensmittelhygienisches oder ein food safety
Problem
muss
als Hazards in ein HACCP Konzept eines
Betriebes einfliessen
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Intervention auf Stufe Küche...
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Agenda
• Problemerfassung am Beispiel ESBL bildender
Enterobacteriaceae
• Was ist das?
• Situationsanalyse Lebensmittelkette
• Komplexität an einem Beispiel
• Problemerfassung am Beispiel MRSA
• Was ist das?
• Situationsanalyse Lebensmittelkette
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Methicillin resistente S. aureus (MRSA)
ein S. aureus der….
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DQS (de quoi s‘agit il?)

Hospital-associated (ha-)MRSA

Erstmals in den 1960er in Spitälern aufgetreten
 nosokomiales Problem


in den 1990er dramatischer Anstieg weltweit

Klonale Komplexe: CC5, CC8, CC22, CC30, CC45 etc.
Community-associated (ca-)MRSA

Seit 1980er ausserhalb Spitälern gefunden

Häufig im Zusammenhang Sport, Schulen, Militär, etc.

Klonale Komplexe: CC1, CC8, CC59, CC80 etc.
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DQS (de quoi s‘agit il?)

Livestock-associated (la-)MRSA

Assoziiert mit Nutztieren

in letzter Zeit vermehrt nachgewiesen
(v.a. Schweine, aber auch Kälber und Geflügel)

Hauptlinie: CC398 / ST398

Erste Isolierung von ST398 bei Schweinen und
Menschen auf einem Niederländischen Betrieb in 2005 1
1) Voss
et al. 2005
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Situation Schweiz
Nasentupfer
800 Mastschweine (10 positive)
300 Kälber (3 positive)
400 Rinder (1 positiv)
148 Schweinebauer
133 Tierärzte (4 positive)
179 Schlachthofmitarbeiter
460 Lebensmittelproben
142 Mastitisstämme (2 positive)
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Situation Schweiz
Schwein:
ST398 / t034 / V
Vets:
ST398 / t011 / IV
ST398 / t034 / V
ST8 / t064 / IV
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Situation international
ST398 / t011
ST398 / t034
ST398 / t034
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Methicillin resistente S. aureus (MRSA) Fakten

im nationalen Monitoringprogramm
Trend
alarmierend (Schweinepopulation)
Schwein:
ST398 / t034 / V
2012
2009
1.25%
18%
(Bestandesebene)
(Bestandesebene)
Huber et al. 2010
ARCH-VET 2012
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Bewertung aus Sicht Lebensmittelsicherheit

Lebensmittel können Vektoren von MRSA sein, aber...

Nicht ein primäres Lebensmittelsicherheitsproblem
•

S. aureus: Enterotoxinproblematik
MRSA hat eine Bedeutung in Bezug auf Haut und
Schleimhautkolonisation (daraus mögliche Infektion)

MRSA ist ein Veterinary Public Health (VPH) „Problem“
•
ST 398 hat eine starke host adaptation
•
„Human to Human“ bei ST 398 selten beschrieben
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Intervention auf Stufe Küche...
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und zum Schluss noch dies...
− Antibiotikaresistenzen sind heute eine wirklich ernsthafte
Problematik/Bedrohung (but don‘t panic!)
− Es ist nicht mehr die Frage, ob wir etwas machen müssen...
− Die Lebensmittelkette ist ein Verbreitungsweg...
(Kreuzkontaminationen, genussfertige Lebensmittel)
− Multiresistente Bakterien (z.B. ESBL-bildende
Enterobacteriaceae) sind biologische Hazard‘s und müssen in
HACCP Konzepten von Betrieben erfasst sein
− Multiresistente Bakterien (z.B. ESBL-bildende
Enterobacteriaceae) müssen, wenn relevant, auch Teil der
Eigenkontrollen, Lieferantenspezifikationen sein
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Herzlichen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!