Gefährliche Keime

Gefährliche Keime
Antibiotikaresistente Bakterien im Schweinefleisch
August 2015
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Die Ausgangssituation
Antibiotika zählen zu den Wunderwaffen der heutigen Medizin. Sie heilen bakterielle Infektionen, die
noch vor wenigen Jahrzehnten tödlich waren. Auch Operationen sind ohne den Einsatz von Antibiotika
kaum vorstellbar. Doch was, wenn das Mittel einmal aufhört zu wirken? Bereits im Jahr 1945 warnte
der Erfinder von Penicillin, der schottische Bakteriologie Alexander Fleming, vor den Folgen eines
unkontrollierten Gebrauchs des Medikaments. Er behält, wie es scheint, Recht. Rund 25.000 Menschen
in der Europäischen Union sterben jährlich an durch multiresistente Bakterien, darunter MRSA
(Methicillin-resistentem Staphylocccus aureus) und andere, verursachten Infektionen.1 Der Grund
dafür liegt nicht alleine in der Humanmedizin, wo das Medikament oft unnötig verschrieben oder nicht
konsequent eingenommen wird. Schuld daran ist auch der massenhafte Einsatz in der industriellen
Nutztierhaltung. Je mehr Antibiotika verabreicht werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass
sich resistente Bakterien bilden.
In Österreich werden derzeit jährlich 55 Tonnen Antibiotika für die landwirtschaftliche Tierhaltung
vertrieben und 45 Tonnen Antibiotika in der Humanmedizin (exkl. Spitäler) abgegeben.
Betriebsspezifische Erfassungen des Antibiotikaeinsatzes erfolgen in der Schweinehaltung erst seit
Anfang 2015.
Das Österreichische Gesundheitsministerium, aber auch andere Institutionen und NGOs in Österreich
und Europa haben in den letzten Jahren Fleisch auf multiresistente Keime hin testen lassen. Die
Ergebnisse waren durchwegs problematisch.
Greenpeace Österreich hat im August 2015 Schweinefleisch aus dem österreichischen Handel auf
MRSA und ESBL getestet. Rund ein Viertel der Proben wurden positiv getestet, das heißt,
antibiotikaresistente Bakterien (MRSA, ESBL-Bildner oder ESBL/AmpC-bildende E. coli) wurden
nachgewiesen. Schweinefleisch ist das beliebteste Fleisch der Österreicher, der jährliche Verbrauch
liegt hier bei 55,4kg pro Kopf. Pro Jahr werden in Österreich ca. 5,4 Mio. Schweine geschlachtet.
Was wurde getestet?
Getestet wurde Schweinefleisch aus österreichischen Supermärkten, das als Frischfleisch in Plastik
abgepackt erhältlich ist. Die Produkte wurden in den Supermärkten Billa, Hofer, Spar, Zielpunkt und
Lidl eingekauft. Eine Probe stammt aus der Fleischerei Mosshammer in Graz. Alle Proben entstammen
konventioneller Schweinehaltung, Bioschweinefleisch wurde aufgrund des geringen Marktanteils in
Österreich (unter zwei Prozent) nicht getestet. Die Schweinefleischproben entsprechen einem
Querschnitt der in Österreich gekauften Produkte (Schweinsschnitzel, Karree-Steak, Schweinefleisch
gewürfelt, faschiertes Schweinefleisch etc.).
Worauf wurde getestet?
Methicillin-resistenter Staphylocccus aureus (MRSA)
MRSA sind multiresistente Keime, die die Haut und Schleimhaut von Mensch und Tier besiedeln
können. Über offene Stellen können diese Bakterien in die Haut eindringen und Haut- und
1
European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) and European Medicines Agency (EMEA).
ECDC/EMEA Joint Technical Report — The bacterial challenge: time to react. Stockholm, 2009 (p. 13),
http://ecdc.europa.eu/en/publications/Publications/0909_TER_The_Bacterial_Challenge_Time_to_React.pdf
Weichteilinfektionen auslösen. Weitere mögliche Erkrankungen sind Lungenentzündungen,
Harnwegsentzündungen und Blutvergiftungen (NLGA, 2012).
Extended Spectrum Beta-Laktamase (ESBL)
Bei ESBL handelt es sich, im Gegensatz zu MRSA nicht um einen bestimmten Bakterientyp. Vielmehr
geht es hierbei um die Fähigkeit von Bakterien Enzyme auszubilden, die bestimmte Antibiotika
unwirksam machen. Bakterien mit dieser Eigenschaft können die meisten Antibiotika, die zur Klasse
der so genannten Betalaktame gehören, ausschalten. Dazu zählen auch für die Humanmedizin
besonders wichtige Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme). Dadurch werden
Infektionen mit ESBL-Bildnern schlecht behandelbar, können einen schweren Verlauf nehmen und
stellen mittlerweile ein gravierendes Gesundheitsproblem dar.
Die Testergebnisse:
Insgesamt wurden 11 Schweinefleischproben analysiert. In einer Probe wurden ESBL-bildende E.coliBakterien nachgewiesen. In zwei weiteren Proben wurde MRSA festgestellt.
Bezeichnung
Produzent
MRSA
Schweineschnitzel
Wiesentaler
Karree Steak
Wiesentaler
Schweineschnitzel
Hofstädter
Karreesteak
Hofstädter
Kaiserschnitzel
TANN
Karree Steak
TANN
Schweineschnitzel
Alpenhof
Karree Steak
Alpenhof
positive
Faschiertes
Mosshammer
positive
Schweineschnitzel
Schirnhofer
Karree Steak
Schirnhofer
ESBL
positive
Warum finden sich multiresistente Keime im Schweinefleisch?
Die Massentierhaltung in ihrer aktuellen Form bedeutet ein enormes Gesundheitsrisiko und viel Stress
für die Tiere: Wenig Platz, viele Tiere auf kleinem Raum, nicht natürliche Böden (z.B. Spaltenböden, die
für entzündete Klauen sorgen) und ein frühes Wegreißen der Jungtiere von den Müttern
(Immunsystem der Jungen ist noch nicht vollständig entwickelt) machen die Schweine sehr anfällig für
Krankheiten wie Infektionen. Dadurch ist ein hoher Einsatz von Medikamenten notwendig. Derzeit
wird in der Regel die Herdenbehandlung praktiziert, das heißt, erkrankt ein Tier, wird die gesamte
Herde behandelt (so genannter metaphylaktischer Einsatz). Durch den hohen Einsatz von Antibiotika
kommt es zu vermehrter Resistenzbildung bei Bakterien, die sich wiederum im Schweinefleisch finden
lassen.
Was sind die Auswirkungen auf den Menschen?
Der massive Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung ist verstärkt dafür verantwortlich, dass
Antibiotika-Resistenzen weltweit zunehmen. Das stellt für die Humanmedizin ein gravierendes
Problem dar, denn ohne wirksame Medikamente könnte die Menschheit zurück in eine postantibiotische Ära geworfen werden. Gewöhnliche Infektionen und einfache Verletzungen könnten
wieder eine tödliche Bedrohung werden. Nicht nur Personen, die eng mit den Tieren arbeiten, wie
Landwirte und Tierärzte sind gefährdet, sondern potentiell jeder, der Fleisch konsumiert und vor allem
mit rohem Fleisch hantiert.
Patienten, die in der Tierhaltung oder im veterinärmedizinischen Bereich tätig sind, gelten bei
Einliefung in Spitäler als Risikopatienten und sollten auf Besiedlung durch resistente Bakterien
untersucht werden. Diesbezüglich gibt es in Österreich aber nur Empfehlungen, die Handhabung
obliegt den einzelnen Spitälern. Bei Untersuchungen in Deutschland zeigte sich, dass 77-86% der in
MRSA-positiven Tierhalteanlagen tätigen Landwirte nasal mit MRSA besiedelt sind.
Was fordert Greenpeace?
Wir fordern grundsätzlich einen verantwortungsvolleren Umgang mit Antibiotika. Wir wollen, dass uns
die hochwirksamen Medikamente auch in Zukunft zur Verfügung stehen.
Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Eindämmung des übermäßigen Antibiotika-Einsatzes in
der Landwirtschaft. Die EU diskutiert derzeit ein Tierarzneimittel-Verordnungspaket, das die Chance
bietet, eine substantielle Reduktion des Antibiotikaverbrauchs zu erreichen. Dazu müssen die Vorlagen
der EU-Kommission aber in wesentlichen Punkten nachgebessert werden.
Konkret fordern wir:
Antibiotika gezielt nur zur Behandlung kranker Tiere einsetzen
Der prophylaktische Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung ist zwar bereits seit 2006 verboten, doch
diese Regelung wird durch den so genannten metaphylaktischen Einsatz (ein Tier ist krank, die ganze
Herde wird behandelt) ausgehöhlt. Wir fordern eine Abkehr von der Herdenbehandlung hin zur
Behandlung des konkreten kranken Tiers.
Kein Einsatz von Reserveantibiotika in der Tierhaltung
Reserveantibiotika sind hoch wirksame Medikamente, die nur im Notfall eingesetzt werden sollen –
als letzte Mittel gegen resistente Bakterien. Dennoch werden Reserveantibiotika in der Tierhaltung
auch zur Herdenbehandlung eingesetzt. Das hat zur Folge, dass diese äußerst wichtigen Medikamente
für die Menschen unwirksam werden können.
Kein Handel mit Tierarzneimitteln über das Internet; Verschreibungspflicht für Antibiotika
Wird der Handel mit Tierarzneimitteln über das Internet ermöglicht, öffnet das eine Schleuse für den
Arzneimittelmissbrauch und macht zugleich eine systematische Überwachung der AntibiotikaVerwendung unmöglich.
Schlupflöcher schließen und Anreize vermindern
Wir fordern eine Abkehr von sämtlichen Schlupflöchern und Anreizen, die den Missbrauch und
verantwortungslosen Einsatz verstärken. Dazu zählen beispielsweise Erleichterungen für beschränkte
Märkte oder Werbung für den Verkauf von Antibiotika.