Aufs Make-up kommt es an

STUTTGART UND UMGEBUNG
Donnerstag, 29. Oktober 2015
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„Salome“: Ein Blick
ins Nähkästchen
Filmbiografie
über Frida Kahlo
Zweimal ist in dieser Spielzeit eine „Salome“-Produktion an der Oper zu sehen, die auf dem Schauspieltext von
Oscar Wilde basiert: Zum einen als
Oper von Richard Strauß, zum andern
als Ballett des Stuttgarter Hauschoreographen Demis Volpis. Am Sonntag, 1.
November, sprechen Volpis und der
russische Opern-Regisseur Kirill Serebrennikov (Bild) um 11 Uhr im Opernhaus über die verschiedenen Herangehensweisen von Oper und Ballett an
Foto: Dominique Brewing
denselben Stoff.
Das Kulturzentrum Laboratorium
zeigt heute um 20.30 Uhr einen Film
der Regisseurin Julie Taymor über die
mexikanische Malerin Frida Kahlo
(1907 - 1954). Ihr politisches Engagement und ihre unkonventionelle Lebensweise ließen Kahlo zu einer Ikone
der Frauenbewegung werden. Kahlo
hatte familiäre Wurzeln in Pforzheim.
Der Film zählt zur Veranstaltungsreihe „Word Wide Women“. Am Freitag tritt die spanische Sängerin AmFoto: Guillermo Kahlo
paro Sanchez auf.
Briefmarken aus aller Welt
Heute beginnt in Sindelfingen die internationale
Briefmarken-Börse. Über 100 Aussteller präsentieren
sich bis Samstag bei der Messe Sindelfingen. Geboten werden Briefmarken, aber auch Zubehör wie Pinzetten, Lupen oder auch moderne Softwareprodukte
Foto: Messe Sindelfingen
(www.briefmarken-messe.de).
Land richtet Stelle
für Erstaufnahme
in Stuttgart ein
Veranstalter von Halloween-Partys setzen auf unterschiedliche Konzepte
Das Land schafft in Stuttgart
Aufs Make-up kommt es an
drei Erstaufnahmestellen für
Flüchtlinge. Darunter eine langfristige. Der Mietvertrag läuft
zunächst fünf Jahre.
DOMINIQUE LEIBBRAND
Stuttgart. Die Tage werden kälter,
womit die Behörden noch mehr als
sonst unter Druck stehen, für die ankommenden Flüchtlinge Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Um
alle „gut durch den Winter zu bekommen“, wird das Land in Absprache mit der Stadt daher gleich drei
Erstaufnahmestellen mit mehr als
2000 Plätzen für Asylbewerber in
Stuttgart eröffnen, wie OB Fritz
Kuhn (Grüne) und der Ministerialdirektor im Integrationsministerium,
Wolf-Dietrich Hammann, gestern
ankündigten.
An einem der Standorte soll langfristig eine Erstaufnahme eingerichtet werden – in einer ehemaligen Logistikhalle der Post in der Ehmannstraße nahe des Bahnhofs. Auf
11 000 Quadratmetern will das
Land zunächst 1000 Asylbewerber
einmieten. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass mehr Menschen
hinzukämen, sagte Hammann. Geplant sei, die Halle auf fünf Jahre anzumieten. Dass in Stuttgart, wie in
der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe (LEA), alle Verfahrensschritte vom Asylantrag bis
zum Entscheid geregelt würden,
passiere wahrscheinlich eher nicht.
Es sei jedoch nicht auszuschließen,
dass einzelne Schritte wie Registrierung und Gesundheitsuntersuchung in der Halle vollzogen würden. „Stand heute“, so Hammann.
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In den beiden anderen Einrichtungen kommen voraussichtlich
nur vorübergehend Asylbewerber
unter: Zum einen wird das Land im
Reitstadion in Bad Cannstatt winterfeste Zelte errichten, in denen ab
Mitte November rund 1000 Menschen einquartiert werden. Da der
Platz für das Kindersommerferienprogramm und später für das Volksfest als Logistikfläche gebraucht
wird, lautet der Plan, die Zelte im
Juni 2016 wieder abzubauen. In einer Turnhalle der Universität Stuttgart auf dem Campus in Vaihingen
soll hingegen bereits Ende Januar
wieder Schluss sein. 150 Zugereiste
sollen dort Unterschlupf finden –
danach wird die Halle für schriftliche Prüfungen gebraucht.
Dafür, dass die Stadt dem Land
mit Flächen entgegenkommt, muss
sie selbst weniger Flüchtlinge aufnehmen, wie der Erste Bürgermeister, Michael Föll, ankündigte. Für
dieses Jahr bedeutet das bis zu 250
Asylbewerber in der kommunalen
Unterbringung weniger. „Das entlastet uns“, sagte Föll. Es bedeute jedoch nicht, dass man Entwarnung
geben könne. Bis zum Jahresende
fehlten der Stadt immer noch Betten für bis zu 800 Menschen. Aktuell
leben 5435 Zugereiste in Stuttgart.
Im November und Dezember werden der Kommune zudem jeweils
1200 Flüchtlinge per Königsteiner
Schlüssel zugewiesen.
Als Reaktion auf die Flüchtlingsproblematik vor Ort hat OB Kuhn
nun einen Verwaltungsstab für eine
bessere Absprache und schnellere
Entscheidungen eingerichtet. Von
seinem Parteikollegen, dem Tübinger OB Boris Palmer, der mit der Aussage „Wir schaffen das nicht“
Schlagzeilen gemacht hatte, distanzierte er sich. Das sei demotivierend. Kuhn: „Wir gehen vom Gelingen, nicht vom Scheitern aus.“
In Stuttgart gehen an diesem
Samstag etliche Halloween-Partys über die Bühne. Manche Veranstalter bestehen auf Kostüm,
andere nicht. Ansonsten gibt’s
Feuershows, Rock’n’Roll, Neonschminke und Särge.
NADINE WINTER
Stuttgart. „Heidi Klum von Botnang“ wird die 31-jährige Antje Kraschnitz von ihren Freundinnen genannt. Blond und schlank ist die
Stuttgarterin zwar, der Grund für
den schmeichelnden Spitznamen
ist ein anderer: „Seit Jahren trage
ich die widerlichsten Outfits“, erklärt sie amüsiert. Antje ist wie das
deutsche Topmodel Heidi Klum Halloween-Liebhaberin. 2011 hat die
gelernte Visagistin und HobbySchneiderin ihr erstes Kostüm
selbstgemacht: einen grünen Anzug
im Hindu-Göttinnen- Look mit acht
Armen und einem blutigen Finger
als Accessoire. Ein ähnliches Outfit
trug Klum 2008 auf ihrer Halloween-Party in New York.
Gefeiert haben die Freundinnen
meist auf der größten Party Stuttgarts, im SI-Centrum. 2014 im Kollektiv-Look, als Horrorschwestern
der gelben Minions. Am Samstag
wird Antje als Werwolf auftauchen:
„Das Outfit ist langweilig, dieses
Jahr kommt es auf das Make-up
an“, verrät sie. Die 31-Jährige wird
sich großer Konkurrenz stellen müssen, im SI-Centrum werden 4000
Gäste erwartet. Die 21,80 Euro teuren Tickets sind seit drei Wochen
ausverkauft – ein Rekord. Im Internet werden die Karten inklusive Feuershow und
Schminkstation zu Preisen von bis zu 70 Euro
angeboten. „Die Verkleidungen
sind das Highlight und der Grund,
warum so viele kommen“, vermutet
Simone Männl, Pressechefin des SICentrums.
Auch andernorts in Stuttgart finden an diesem Samstag HalloweenPartys statt. Siele Yemane, Veranstalter der Halloween-Party „Süsses
oder Saures“, die 2015 erstmals im
„Perkins Park“ auf dem Killesberg
stattfindet, hat jedoch andere Erfahrungen als Simone Männl vom SICentrum gemacht: Die Stuttgarter seien in Sachen Kostüme
eher zurückhaltend. Um
den Schwaben ihre
Scheu zu nehmen,
wird unter den erwarteten 1700 Gästen
eine Reise nach London für das beste
Kostüm vergeben.
„Unser Ziel ist,
dass die Hälfte
nicht im Normalo-Look
kommt“, so
Yemane. Der
Eintritt kostet
zwölf
Euro.
Sechs Euro
zahlen Männer, um ins
„Penthouse“ in
Stuttgart-Feuerbach zu kommen.
Oder sie verkleiden sich als Frau,
denn die wird bis zur Geisterstunde
umsonst hereingebeten. „Der Rummel um Halloween wird immer stärker“, schätzt Sonja Botterhuis aus
der Geschäftsleitung des „Penthouse“ die Lage ein. Das Motto in
der
Diskothek
lautet „Mexikanische To-
tenmasken“. Neben Gogo-Tänzerinnen gibt es blut-rote WillkommensGetränke für die erwarteten 2000
Gäste. Kreativer sind die Flyer mit
ausgefallen geschminkten Monster-Gesichtern.
Die Kostüme würden individueller, hat Joachim Petzold, Partyveranstalter im „Club Zollamt“, beobachtet. Er garantiert für Samstag volles
Haus. Ob mit oder ohne Kostüm
spielt dabei nicht die größte Rolle.
Toleranz ist im „Zollamt“
wichtiger und deswegen heißt es bei Petzold:
„Verkleidet ist klasse,
unverkleidet auch.“ Vorrangig sollten „die Ohrläppchen Gänsehaut
bekommen“ und das durch vier Musikstile auf vier Floors. Karten gibt
es für zehn Euro an der Abendkasse
oder für acht im Vorverkauf.
Der Opa unter den Partys ist der
„Rock’n’Roll-Halloween“ im Goldmarks am Charlottenplatz. Seit 16
Jahren setzen die Veranstalter auf
eine Live-Band, 2015 sind es die
„Whiskey Daredevils aus Ohio“, die
Country-Punk-Rock spielen. Nicht
zu vergessen die „liebevolle Deko inklusive Original-Sarg“, sagt Veranstalter Robin Bauer und lacht. Was
er schade findet: „Wir haben den
Eindruck, dass die Verkleidungslust
der Besucher abgenommen hat.“
Karten kosten im Vorverkauf 14,60
Euro.
Wer es kuschelig mag, geht in die
„Schräglage“ in der City. In den kleinen Club passen 70 Leute, gespielt
wird wie immer: Hip-Hop. Für Halloween wird das Restaurant in eine
Disco umfunktioniert. Eventmanager Wolfgang Spohn beruhigt: „Wer
sich spontan verkleiden will, kann
sich Neon-Schminke ins Gesicht
schmieren.“ Die wird in der
Schwarzlicht-Disco ausgelegt. Das
Beste: der Eintritt ist frei.
Model-Mama Heidi Klum hat
dem „People“- Magazin derweil verraten, dass sie an Halloween 2015
„eine Art Männerfantasie“ sein
wird. Hobby-Schneiderin Antje Kraschnitz ist sich sicher: „Heidi geht
als Kim Kardashian.“ Nicht ganz so
sicher ist sie sich bei der Frage nach
den Ursprüngen von Halloween:
„Das kam aus Amerika.“ Freundin
Ina sagt: „Ist doch egal, Halloween
ist ein klasse Anlass zum Feiern.“
Totenfest im Museum
Hausaltar Wer Halloween mit Kultur verbinden will, der ist an diesem Sonntag im
Linden-Museum richtig. Dort wird das mexikanische Totenfest „Dia de los Muertos“
gefeiert. Los geht’s um 11 Uhr. Auf dem
Programm stehen Mariachi-Musik, Führungen und ein Vortrag, Mitmach-Aktionen
für Kinder und die süße Überraschung „Piñata“. Im Museum ist eine Ofrenda, ein
Hausaltar zum Totengedenken, zu sehen.
Hintergrund: Am „Dia de los Muertos“ kehren die Seelen der Toten zurück und feiern
mit den Lebenden ein farbenfrohes Fest.eb
Gruselig: Besucher
der
HalloweenParty vom vergangenen Jahr im
Stuttgarter SICentrum.
Foto: Iannone
Heiße Schinkenwurst aus dem Kessel
Die Wirte des Gasthauses „Zum Engel“ in Dätzingen legen Wert auf ländliche Traditionen
Seit 1760 ist der „Engel“ im Heckengäu-Dorf Dätzingen in der
Hand der Familie Heinkele. Sie
sorgt für regionale Kost in der
gemütlichen Wirtschaft.
könnte. Christoph Heinkele (38),
der jetzige Inhaber, ist froh darüber,
dass sein Großvater an die Wirtschaft eine Metzgerei angegliedert
hat. So hat er sein Auskommen wie
auch sein Bruder Dominik (42), der
in Weil der Stadt eine Filiale der
Metzgerei leitet, und die Eltern Doris und Werner. Gemeinsam betreiben sie noch einen Partyservice.
Damit bleibt die Wirtschaft lebensfähig, und die Heinkeles setzen
RAIMUND WEIBLE
Grafenau. Sie werden weniger, die
charakteristischen Dorfwirtshäuser. Wirtschaften, in denen es sich
gemütlich einkehren lässt und wo
es frisch gekochte, regionale Kost
gibt zu moderaten Preisen. Dätzingen, ein zur Gemeinde Grafenau
zählendes Dorf im Kreis Böblingen,
darf sich glücklich schätzen. Hier
gibt es mit dem „Engel“ noch ein
mit Stil geführtes Lokal, das alle Voraussetzungen einer guten Dorfwirtschaft erfüllt.
Wahrscheinlich wäre auch der
„Engel“ zu, wenn sich der Betrieb
nicht auf drei Standbeine und auf
motivierte
Nachfolger
stützen
„Engel“- Wirt Christoph Heinkele (rechts) mit seinen Eltern.
Foto: Helmut Ulrich
die Tradition fort: Der „Engel“ ist
Gehring in Ostelsheim stammt, die
seit 1760 in Familienhand. Wo früGänse vom Bauern Rott in Aidlinher die Scheuer der Poststation
gen oder die Kartoffeln von den
stand, ist jetzt die Metzgerei samt
Kauffmanns aus Döffingen – „das
Laden untergebracht. Daneben beist bei uns so gewachsen“, sagt
findet sich der vertäfelte, gepflegte
Christoph Heinkele. Früher schon
Wirtsraum, wo die Gäste an vier Tisei das im „Engel“ ganz normal geschen Platz finden. Holzfiguren von
wesen – „man hat es nur nicht nach
Dominik Heinkele veraußen getragen“. Die Wirtschönern den Raum. Auf
schaft ist zudem Mitglied
dem beweglichen Schild
der Initiative „Schmeck
seitlich über der Theke
den Süden“, die auch die
sind die beiden TagesgeHerkunft der Rohware
richte angeschrieben. Am RESTAURANT- kontrolliert.
Dienstag etwa gab es SiedStammgäste bevorzuTIPP
fleisch mit Wiener Zwiegen außer dem Rostbrabelsoße und Bratkartoffeln für 6,90
ten die Heckengäulinsen mit Saiten
Euro, und, wie jeden Dienstag,
oder die gebackenen Leberspätzle.
Schlachtplatte für 7,20 Euro.
Ganz Metzgerei-typisch ist die
Die Heinkeles gehören zu den Hegroße Vesperkarte im „Engel“ mit
ckengäu-Köchen, die sich verpflichSpezialitäten wie Schweinskopften, dass sechs Gerichte auf der
sülze. Jeden Donnerstag ist nach
Karte aus regionalen Zutaten besteDorftradition
Maultaschen-Tag.
hen. Dieses Kriterium erfüllt der
Aber ab 17 Uhr gibt es auch heiße
„Engel“ mit Leichtigkeit. Dass das
Schinkenwurst frisch aus dem KesSchweinefleisch von der Familie
sel und Fleischkäse aus der Röhre.