Das Tüpfelchen aufs i

Kunst im öffentlichen Raum
>Das Tüpfelchen aufs i
Schon von Weitem ist ein rosa Pünktchen zwischen den Bäumen zu sehen. Aus der Nähe ist einem die
über zwei Meter hohe Schale nicht so geheuer: Sie könnte ja umkippen. Dann würden 4‘000 Liter Wasser in einem
Schwall auf den Quai platschen. Noch fliesst das Wasser
aber wie Kuchenglasur die glatte Oberfläche hinab. Man
muss diese glänzende, glitschige «Haut» einfach anfassen und die Wasserfäden ablenken. Dann verschwindet
das Wasser unter der Schale, während es oben dauernd
über den Rand läuft. Das Geheimnis ist eine Pumpe, die
das Wasser immer wieder in Umlauf bringt.
Der General Guisan-Quai wurde 2002–2003 umgebaut und verschönert. Als «Tüpfelchen aufs i» fehlte nur noch ein Kunstwerk. Eigentlich war der Künstler
Christoph Haerle der Meinung, an diesem schönen Ort
am See brauche es gar keine Kunst. Trotzdem wollte er
etwas machen: Ein Werk, das andere Gefühle auslöst, als
wenn man den See und die Berge bewundert. Hier sollte ein Kunstwerk hin, das man mit allen Sinnen erleben
kann.
ist es ein toller Kontrast zu den grünen Blättern und zum
blauen See.
Die Schale heisst übrigens Ganymeds Schwester.
Ganymed, das ist der Junge mit Adler, das Kunstwerk
auf der Bürkliterrasse. Ganymed hebt den Arm in die Luft
und erzählt uns von seinem Flug zum Himmel. Haerle
hat sein Kunstwerk Ganymeds Schwester genannt, weil
es eine einfache, ruhige und sanfte Form hat und keine Geschichten erzählt. Trotzdem sind die Kunstwerke
verwandt, beide haben Bewegung als Thema: Ganymed
gegen aussen zum Himmel, die Schale gegen innen, wohin das Wasser immer wieder zurückfliesst. Geschwister
sind ja manchmal sehr verschieden und gehören doch
zur gleichen Familie.
Text: Maya Burtscher
Das hat Haerle so probiert: Er täuscht mit seinem
Kunstwerk Gefahren vor, die gar keine sind. Schliesslich drückt enorm viel Wasser gegen die Schalenwand.
Sie bricht aber nicht auseinander, weil die Schale aus
12 Tonnen Beton gemacht ist. Trotzdem wirkt sie leicht
und weich, weil das Licht auf der glitzernden Oberfläche
tanzt und so den rosa Farbton immer wieder verändert.
Gross und Klein möchten das rosa-nasse Riesending erforschen – trotz etwas Bammel am Anfang.
In den städtischen Verwaltungsabteilungen und
der Kunstkommission überlegte man lange, wo genau
die Schale aufgestellt werden sollte. Zum Test wurde ein
riesiger Ballon zwischen den Baumreihen hin und her
gerollt. Die rundgeschnittenen Baumkronen sehen selber ein bisschen aus wie Kugeln. Das «Bazooka-» oder
«Schweinchen-Rosa» finden einige Leute kitschig. Dabei
www.zh.museumslupe.ch
© GeoZ
>> Kunst
Christoph Haerle (*1958), Ganymeds Schwester,
2003, eingefärbter und versiegelter Beton, Höhe
2.18 m, Durchmesser 3 m, Wasserinhalt: 4‘000
Liter, Gewicht ohne Wasser: 12 t. General GuisanQuai, Uferpromenade zwischen Bürkliterrasse und
Arboretum
>> Verweis
Hermann Hubacher (1885–1976), Ganymed, 1946–
52, Bronze, ca. 340 x 210 x 90 cm, Bürkliterrasse.
Foto: Dolores Linggi