Der Winter naht. Man kündigt uns eine lange Frostperiode...unserer

Die FGTB informiert
Der Winter naht. Man kündigt uns eine
lange Frostperiode...unserer Löhne an!
Der Grund: eine Lohnnorm nahe 0%
Stéphane BALTHAZAR, Wirtschaftswissenschaftler der Form' Action André Renard
Ein Artikel der Online-Zeitschrift www.dautresreperes.be
Der Monat Oktober wurde durch zwei wichtige Mobilisierungen charakterisiert, die durch die
Gewerkschaften ausgerufen wurden: die große nationale Demonstration in
Gemeinschaftsfront am 7. Oktober in Brüssel, gefolgt von einem Generalstreik am 19.
Oktober, verordnet allein durch die FGTB. Ziel der Arbeitnehmergewerkschaften: an die
Sorge und die Unzufriedenheit ihrer Mitglieder gegenüber den sozio-ökonomischen und
steuerlichen Maßnahmen zu erinnern, die durch die Regierung Michel seit ihrem Amtsantritt
im Oktober 2014 angenommen wurden. Aber auch zu versuchen, den Druck auf die föderale
Exekutive zu erhöhen, in der Hoffnung, die Lockerung oder selbst die Streichung einiger
dieser Maßnahmen zu verhandeln. Endlich, mehr im Geheimen: die Gewerkschaftstruppen
vor Beginn der Wahlkampagne massiv zu mobilisieren, um gestärkt aus den nächsten
Sozialwahlen (Anfang Mai 2016) hervorzugehen.
Unter den am schwersten verdaulichen Maßnahmen der "Schwedenkoalition" stehen der
Indexsprung sowie die Umsetzung eines Projektes eines überberuflichen Abkommens (ÜA)
durch die Föderalregierung, welches die Lohnnorm auf...0% für 2015 festlegt. Und für 2016
auf kaum 0,5% der Bruttolohnmasse, die gesamten Kosten für den Arbeitgeber, alle Lasten
einbegriffen. Man kann auch sagen, zweimal nichts! Wegen der Weigerung der Arbeitgeber,
über die Streichung des durch die Regierung Michel verlangten Indexsprungs zu reden, hat
die FGTB, im Gegensatz zu CSC und CGSLB, diese X-te radikale Maßnahme, die darin
besteht die Löhne in Belgien dauerhaft einzufrieren, kategorisch abgelehnt. Und hat eine
Beschwerde zur Annullierung dieser Maßnahme beim Verfassungsgerichtshof eingereicht,
denn "sie stellt einen Verstoß gegen das fundamentale Recht auf kollektive Verhandlungen
dar und ist eine Quelle von Ungleichheiten".
Der Prozess der Festsetzung der Lohnnorm 2015 - 2016
Diese Weigerung der FGTB, ein ÜA zu unterzeichnen ist jedoch keine Premiere. Eine
ähnliche Situation ergab sich bereits 2005: die Föderalregierung unter Guy Verhofstadt hatte
entschieden, das ÜA 2005 - 2006 auf die Sektoren und Unternehmen des Landes
anzuwenden, obschon die sozialistische Gewerkschaft das durch die Gruppe der Zehn 1
diskutierte Projekt des Abkommens abgelehnt hatte. Als kleine Anekdote: die Lohnnorm,
welche die FGTB abgelehnt hatte, betrug damals...4,5%! In weniger als zehn Jahren haben
die Zeiten sich sehr geändert, was die Lohnpolitik in Belgien anbelangt2.
Alle zwei Jahre werden die Sozialpartner via die Zehnergruppe aufgefordert, ein Abkommen
zu verhandeln, welches die Höchstgrenze für die Entwicklung der Lohnkosten in den
Unternehmen festlegt (man spricht von "Lohnnorm"). Die Norm basiert auf einem
technischen Bericht des Zentralen Wirtschaftsrates, der die Höchstgrenzen für die
Entwicklung der Lohnkosten in Nominalwerten empfiehlt. Kommt es innerhalb von
höchstens zwei Monaten nicht zu einem Abkommen zwischen den Sozialpartnern, zwingt die
(föderale) Regierung ihnen oft "ihre" Lösung auf, die auf diesem Bericht beruht. Diesen Weg
bevorzugt die Regierung Michel I. Zu Unrecht, denn ihr Projekt eines königlichen Erlasses ist
beim Staatsrat (Abteilung Gesetzgebung) durchgefallen; insbesondere, weil es eine
unterschiedliche Norm für jedes der beiden Jahre des Projektes des ÜA festlegte. Nämlich:
0% für 2015 und höchstens 0,5% für 2016.
Die FGTB hat eine Beschwerde zur Annullierung dieser
Maßnahme beim Verfassungsgerichtshof eingereicht, denn
"sie stellt einen Verstoß gegen das fundamentale Recht auf
kollektive Verhandlungen dar und ist eine Quelle von
Ungleichheiten".
Bemerken wir, dass es das Gesetz vom 26. Juli 1996 betreffend "die Förderung der
Beschäftigung und der vorbeugenden Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit" ist, welches die
Möglichkeit der Anpassung der Entwicklung der Lohnkosten erlaubt. Und dies um zu
versuchen, zu große Abweichungen im Verhältnis zu Deutschland, Frankreich und den
Niederlanden zu vermeiden. Die drei hauptsächlichen Handelspartner Belgiens und, darüber
hinaus, seine drei größten Konkurrenten.
Durch den Staatsrat dazu gezwungen, ihr Projekt zu überdenken, hat die Föderalregierung es
vorgezogen, ein unabhängiges spezifisches Gesetz zu erlassen. Also setzt das Gesetz vom 28.
April 2015 ausnahmsweise die praktischen Modalitäten der Lohnnorm für die Jahre 2015
und 20163 fest. Eine Maßnahme, die offiziell am 30. April 2015 in Kraft getreten ist.
Das Gesetz über die Lohnnorm vom 28. April 2015
Auf wen ist es genau anwendbar? Auf die Arbeitgeber und Arbeitnehmer des "Privatsektors",
also all jene, die dem Gesetz vom 5. Dezember 1968 über die kollektiven Arbeitsabkommen
und die paritätischen Kommissionen unterliegen. Aber auch - und das ist neu im Vergleich zu
den früheren Maßnahmen betreffend die Lohnnorm - auf die öffentlichen
Wirtschaftsunternehmen, die dem Gesetz vom 21. März 1991 (Artikel 1 § 4) unterliegen. Dies
betrifft Belgacom, Belgocontrol, Bpost, Infrabel und die SNCB.
In der Praxis wird der Respekt der Lohnnorm auf Ebene des Arbeitgebers kontrolliert. Ein
Arbeitgeber ist entweder eine natürliche oder eine juristische Person. Und es wird
ausdrücklich auf die juristische Einheit verwiesen und nicht auf die technische
Betriebseinheit oder auf jede andere Art der Unterteilung oder des Zusammenschlusses eines
Unternehmens.
Die Modalitäten der Umsetzung der Lohnnorm 2015 - 2016
Konkret wird die Höchstgrenze der Entwicklung der Lohnkosten für 2015 auf 0% festgesetzt.
Während in 2016 Lohnerhöhungen gewährt werden dürfen über den Umweg von
Verhandlungen auf Sektoren- oder Unternehmensebene. Aber nur in den folgenden
Höchstgrenzen:

0,5% der Bruttolohnmasse, alle sozialen Beiträge und Lohnbelastungen für den
Arbeitgeber eingeschlossen;

0,3% der Nettolohnmasse, ohne zusätzliche Kosten für den Arbeitgeber.
Mit anderen Worten, ohne Einschränkung dieser unbedeutenden Lohnerhöhungen, die auf
Grund des Gesetzes vom 28. April 2015 erlaubt sind, ist es die Erhöhung der
durchschnittlichen Stundenlohnkosten (pro Arbeitnehmer, in Vollzeitäquivalenten) des
Unternehmens, die die festgesetzten Normen nicht überschreiten darf, und nicht die
Lohnkosten pro individuellem Arbeitnehmer. Die Bezeichnung "Lohnkosten" umfasst
natürlich den Lohn, sowie alle Komponenten des Lohnes: den 13. Monat, die Beiträge zur
Sozialsicherheit, eventuelle Boni (in Verbindung mit den Ergebnissen), die Kosten der
Mahlzeitschecks, die Kosten der Krankenhausaufenthaltsversicherung, Zuschüsse des
Arbeitgebers in den Fahrtkosten, die Arbeitgeberbeiträge der Gruppenversicherung, usw.
Artikel 10 des Gesetzes vom 28. April 2015 zeigt die Elemente auf, die in der Berechnung der
Entwicklung der Lohnkosten nicht berücksichtigt werden:
-
Die Erhöhung der Lohnmasse durch Ansteigen der Anzahl beschäftigter Personen in
Vollzeitäquivalenten;
-
Die Beiträge, die im Rahmen des Regimes der Zusatzpensionen gezahlt werden und
die Bedingungen des Gesetzes vom 28. April 2003 und des entsprechenden
Steuerregimes erfüllen, und Beiträge für gewisse zusätzliche Vorteile im Bereich der
sozialen Sicherheit;
-
Gewinnbeteiligungen;
-
Zahlungen in Aktien oder Anteilen oder Geld an die Arbeitnehmer4;
-
Oder auch die einmaligen Innovationsprämien (wie in Artikel 28 des Gesetzes vom 3.
Juli 2005 über die verschiedenen Vorschriften betreffend die Sozialkonzertierung
aufgeführt).
Die Arbeitgeber verfügen so über zumindest begrenzte Spielräume in der Lohnpolitik, die sie
führen können. Besonders um Mitarbeiter mit nützlichen oder seltenen Fähigkeiten zu
belohnen oder zu versuchen, sie im Unternehmen zu halten, oder auch qualitativ hochwertige
Mitarbeiter anzuwerben. Die Kaufkraft der Arbeitnehmer ihrerseits stagniert oder sinkt
(wegen der Inflation, die sicher gering ist, aber im September 2015 wieder über 1% gestiegen
ist5).
Die drei großen Gewerkschaften des Landes haben gemeinsam
eine Beschwerde gegen diese ungerechte und für das
Wirtschaftswachstum kontraproduktive Maßnahme
eingereicht.
Eine wichtige Präzisierung: die Konventionen mit dem Ziel, das Lohngefälle zwischen
Männern und Frauen im Rahmen des neuen Gesetzes über das Lohngefälle abzubauen,
dürfen ebenfalls erlaubt werden. Das gleiche betreffend die eventuelle Erhöhung der
Lohnkosten, die durch die Erhöhung der Löhne "Jugendliche" entstehen, die im KAA N° 43
und N° 50 des Nationalen Arbeitsrates vorgesehen sind und die Pläne "Kollektivbonus" im
Rahmen des KAA N° 90 des NAR. Außerdem dürfen die Vorteile, die dem Personal in den
zwei vorhergehenden Jahren (2013 und 2014) gewährt wurden, weiter in 2015 und 2016
gewährt werden; eventuell in alternativer Form, aber ohne dass es die Form einer neuen
Lohnerhöhung annehmen könnte. Dies sind sogenannte Elemente "außerhalb der
Spielräume". Jede Überschreitung der betreffenden Norm kann, neben der vollständigen
Nichtigkeit des Abkommens (Intersektoriel, sektoriel, Unternehmen oder individuell),
welches eine Lohnerhöhung gewährt die sie überschreitet, zu einer Geldstrafe zwischen 250
und 5.000 € zu Lasten des Arbeitgebers führen. Zu multiplizieren mit der Zahl der
betroffenen Arbeitnehmer! Beachten wir, dass das Gesetz von April 2015 die Anwendung der
bestehenden Barema ebenso wie die Indexierung der Löhne und Entschädigungen garantiert.
Wenn daher eine Lohnerhöhung im Rahmen eines Baremensystems gewährt werden muss,
muss es sich ausschließlich um Barema handeln, die vor dem 1.1.2015 anwendbar waren.
Wäre nur schon "Tauwetter"
Sobald sich die föderale Regierungskoalition im Oktober 2014 gebildet hatte, hat man sich
auf Gewerkschaftsseite auf das Schlimmste vorbereitet. Was die Zukunft der öffentlichen
Unternehmen und Dienste und der sozialen Sicherheit (insbesondere was die Renten, das
Arbeitslosengeld und die Gesundheitspflege angeht) betrifft, auf dem Gebiet der Steuerpolitik
(immer ungerechter in Belgien), aber auch was die Lohnpolitik und die Kaufkraft angeht.
In dieser Eigenschaft war noch keine Regierung so "stark" seit den 1980er Jahren. Ohne
Komplexe und brutal hat die "Schwedenkoalition", die durch die...N-VA geführt wird, in
kaum einem Jahr mehrere ungerechte Maßnahmen ergriffen, zum Schaden der großen
Mehrheit der Lohnempfänger und der Sozialhilfeempfänger des Landes: eine Nulllohnnorm oder quasi null - zu der ein Indexsprung gekommen ist (die drei großen Gewerkschaften des
Landes haben gemeinsam eine Beschwerde gegen diese ungerechte und für das
Wirtschaftswachstum kontraproduktive Maßnahme eingereicht) und eine deutliche
Erhöhung der Verbrauchssteuer. Wetten wir, dass diese Frostperiode der Löhne und der
Kaufkraft nicht bis 2019 dauern wird, dem Jahr der nächsten Parlamentswahlen.
Fußnoten
"Gruppe der Zehn": es handelt sich um den hohen Ort der Sozialkonzertierung in Belgien,
wo sich die Vertreter der drei großen Gewerkschaften der Arbeitnehmer des Landes (FGTB,
CSC, CGSLB), der Vertreterorganisationen der Arbeitgeber (FEB und Mittelstand), sowie die
flämische Lobby der Landwirte, der Boerenbond, treffen.
1
Präzisieren wir, dass bis 2008 die Lohnnorm festgelegt wurde unter Einschluss der
Indexierungen und der Erhöhungen der Barema. 2009 - 2010 hatte man sich eher für eine
"Nettoformel" entschieden (von 250 Euro, also 125 Euro netto Erhöhung für jedes der beiden
Jahre, zusätzlich zu den Indexierungen und Baremenerhöhungen, die damals noch immer
garantiert waren).
2
Im Laufe der Perioden 2011 - 2012 und 2013 - 2014 waren die Sozialpartner, die in der
Gruppe der Zehn versammelt waren, nicht zu einer Einigung in dieser Sache gekommen, so
dass die Lohnnorm in zwingender Weise durch die Föderalregierung festgelegt wurde.
Jedoch blieben die Indexierungen und Baremenerhöhungen im Laufe dieser Jahre
garantiert, zusätzlich zur Norm, die durch die politische Welt (Regierung) festgelegt wurde.
Was nicht der Fall ist für 2015 und 2016. (Siehe nachfolgend)
3
In Anwendung des Gesetzes vom 22. Mai 2001 betreffend die Regimes der Beteiligung der
Arbeitnehmer an den Gewinnen und dem Kapital der Handelsgesellschaften.
4
F.ö.D.
Wirtschaft
(Statistics
http://statbel.fgov.be/fr/statistiques/chiffres/economie/prix_consommation
5
Belgium):
Bibliographie (Quellen)
LaLibre.be, "Les salaires mis à la diète en 2015 et 2016", 30. Januar 2015
La Libre Entreprise, "La norme salariale 2015 - 2016 enfin connue", 30. Mai 2015
Gesetz vom 28. April 2015 (in Kraft getreten am 30. April 2015), Belgisches Staatsblatt vom
30.4.2015
Trends Tendances (Belga), "Le coût de la main-d'œuvre a baissé en Belgique au 2ème
trimestre", 21.9.2015
Trends Tendances, "La FGTB veut la mort de la norme salariale, idéologique, illégitime et
inutile", 30.10.2015
F.ö.D. Beschäftigung, Arbeit und Sozialkonzertierung, "Die Lohnnorm für 2015 und 2016"
http://www.emploi.belgique.be
http://www.groups.be
http://www.sdworx.be/fr