Dr. Jana Pinka - Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

031. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 17.03.2016
Rede von MdL Dr. Jana Pinka zum Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drs 6/3955 „BraunkohleVerkaufsverhandlungen: Sächsische Interessen wahren, Perspektiven für die Lausitz eröffnen,
Folgekosten begrenzen.“
Auszug Protokollmitschrift / Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Verkaufsprozess der Braunkohlesparte von Vattenfall ist auf der Zielgeraden angekommen. Da
der Freistaat aber weder Eigentümer der Braunkohlelagerstätten noch Betreiber der Kraftwerke
ist, hat er, so meint man, keinen Einfluss auf die Verhandlungen und kann dem Treiben vermeintlich nur tatenlos zusehen. Dem ist aber nicht so.
Wir wissen seit gestern offiziell, dass zwei tschechische Energieunternehmen Interesse signalisiert
haben, Vattenfall zu kaufen. Die EPH, die schon die MIBRAG in Sachsen-Anhalt besitzt, und das
Unternehmen Czech Coal haben ein Angebot abgegeben. Bieterpreise sind nicht in die Öffentlichkeit gelangt. Aber letztens kursierten Zahlen zum Verkehrswert Vattenfalls - in die Diskussion gebracht durch tschechische Analysten. Das "Svenska Dagbladet", eine bedeutende schwedische
Tageszeitung, berichtete, dass die Lausitzer Sparte nur noch 200 bis 300 Millionen Euro wert sei.
Ein Analyst erklärte dem Blatt sogar, dass vielleicht noch
nicht einmal dieser Preis zu erzielen sei und dieser nahe null liegen könnte; denn die Regierung in
Stockholm, die dem Konzern ein striktes Screening verordnet hatte, wollte das schmutzige Erbe im
Osten Deutschlands einfach nur noch loswerden.
Nun kann man alles, was bis gestern bekannt wurde, als normalen Verkaufspoker abtun. Aber eines zeichnet sich ab: Vattenfall wird offenbar zum Spottpreis verschleudert. Was hat das mit dem
Antrag zu tun, und warum wollen wir, dass die Staatsregierung sächsische Interessen wahrt?
Es gibt eine Reihe von Pflichten und Anforderungen, die im Rahmen einer Braunkohleplanung an
das bergbautreibende Unternehmen Vattenfall gestellt wurden. Wie sieht es mit der Erfüllung
aus? Ich habe zum Beispiel einmal nachgefragt, was denn aus den Vattenfall auferlegten Naturschutzmaßnahmen geworden ist. Die Erfahrung aus den laufenden Tagebauen zeigt, dass die
naturschutzrechtlich gebotenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht funktionieren.
Zahlreiche Umsiedlungen schützenswerter Pflanzen waren nicht erfolgreich. Ein BirkhuhnVorkommen in Nochten, eine in Deutschland streng geschützte Tierart, auf der Roten Liste als
stark eingestuft, wurde komplett ausgerottet. Insbesondere die Ökowasserzuführung an naturschutzfachlich wertvolle Gebiete funktioniert bereits jetzt nicht. Die ehemaligen Sümpfgebiete
leiden unter Wasserstress, deren Pflanzenartengesellschaften durch die Austrocknung bereits naturschutzfachlich entwertet sind. Im Tagebau Nochten werden aktuell Quellgebiete für naturschutzfachlich wertvolle Bereiche abgebaggert, und durch das neue Abbaugebiet Nochten 2 würden auch die letzten Quellgebiete von FFH-Gebieten komplett vernichtet.
Anhand der bislang ergriffenen Maßnahmen ist absehbar, dass sich diese künstliche Wasserzuführung kaum kompensieren lässt. Wir wissen auch seit Langem um die
Probleme hoher Sulfatgehalte. Sulfidhaltige Sande werden durch die Sümpfung von Tagebauen,
also das Freimachen von Grubenbauen von Wasser belüftet. Dabei verwitterten diese Sulfide wie
Pyrit und Markasit und es entsteht eine Eisen(II)- haltige Sulfatlösung. Eisen(ll)-Sulfat ist gesundheitsschädlich. Es führt zu Hautreizungen und kann Magen, Darm, Leber und das Herz-KreislaufSystem akut schädigen.
Wer von der Staatsregierung überbringt der Lausitz die Nachricht, ab jetzt Kinder von Bächen fernzuhalten - Gesundheitsgefahr? Obwohl überall Grubenwasserreinigungsanlagen diese Sümpfungswässer aufbereiten, haben wir ein Sulfatproblem im Grundwasser, im Oberflächenwasser
und sogar in Trinkwasserschutzzonen. Die letzten Trinkwasserfassungen in den Nordräumen der
Landkreise Görlitz und Bautzen sind kurz vor der Außerbetriebnahme. Zum Sulfatproblem kommt
die Verockerung der Spree, die sich bis zur Talsperre Spremberg zieht, wo unser Nachbarland
Brandenburg mit den Folgen kämpft.
Warum ist das alles so gekommen? Der Freistaat ist in den letzten Jahren seiner Kontrollaufgabe
nicht ausreichend nachgekommen. Die praktizierte Überwachung, ob die wasseremissionsschutzoder naturschutzrechtlichen Vorgaben, Auflagen und Forderungen eingehalten und Folgeschäden
reduziert werden, hat nicht ausgereicht. Es beginnt schon mit der Datenhoheit. Der Freistaat verlässt sich lieber zum Großteil auf Daten von Vattenfall oder der LMBV, anstatt selber gründlich zu
messen. Wir wissen, dass das Bund-Länder-Unternehmer LMBV für die Sanierung der Braunkohlebergbaufolgen bisher 10 Milliarden Euro investiert hat, um diese Folgeschäden auch in der Lausitz
zu beseitigen. Wir wissen, dass nach Auslaufen der Braunkohleverstromung und infolge des anschließenden Grundwasseranstiegs vielleicht wieder großräumige Sperrungen von Tagebaukippen,
die Versauerung des Grundwassers, die Verockerung der Spree drohen.
Nun denkt man, der Freistaat sichert sich für diese Zeiten ab, sonst fällt dem Steuerzahler die Last
zu. Aber der Freistaat profitiert weder von einer Feldes- noch einer Förderabgabe. Er verzichtet
auf eine Wasserentnahmeabgabe in Höhe von 3 Millionen Euro pro Jahr, und er hat von Vattenfall
nicht einen Cent an Sicherungsleistungen eingefordert. Genau das habe ich kürzlich abgefragt gern nachzulesen in der Drucksache 6/3492. Die Frage war: Inwieweit wurden bislang gegenüber
den Braunkohlebergbauunternehmen Vattenfall und MIBRAG in verbindlicher Weise Sicherheitsleistungen für den Fall einer möglichen Insolvenz gemäß § 56 Abs. 2 Bundesbergbaugesetz festgelegt?
Die Antwort: Bislang wurden gegenüber den Braunkohlebergbauunternehmen Vattenfall und MIBRAG gemäß § 56 Abs. 2 Bundesberggesetz keine Sicherheitsleistungen für den Fall einer möglichen Insolvenz festgelegt.
Mein Fazit: Vattenfall zieht sich zurück. Das Unternehmen hat Auflagen des Braunkohleplanes
nicht erfüllt. Es zeichnet sich ein Ramschverkauf ab, und Sicherheitsleistungen gibt es nicht. Wie
gehabt: Gewinne aus dem Raubbau an Natur und Umwelt werden privatisiert, Schäden und Folgekosten auf die Allgemeinheit, den Steuerzahler, abgewälzt. Damit muss endlich einmal Schluss
sein!
(Beifall bei den LINKEN)
Daher unsere Forderungen: Erstens. Es muss zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs, also möglicherweise in den nächsten Wochen, eine Status-quo-Schadensbilanz der Tätigkeit Vattenfalls und
der Folgeschäden für Natur, Umwelt, Landschaft und Klima her. Nun werden hier einige sicher in
den Saal rufen, Vattenfall würde sicherlich alle Rechte und Pflichten an den neuen Eigner
übertragen. Dann antworte ich Ihnen: Was gibt Ihnen die Sicherheit für solche Vermutungen?
Zweitens. Umgehend sind monetäre Rückstellungen für eine künftige Sanierung der Braunkohlegebiete von Vattenfall als Sicherungsleistungen einzufordern. Wenn der Freistaat seine Forderungen nicht auf den Käufer der Vattenfall Mining AG übertragen kann, müsste eine zukünftige Sanierung der Schutzgüter aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden. Im Übrigen sollte
die Staatsregierung mittlerweile wissen, was auf sie zukommen kann, wenn sie nicht fordernd eingreift.
Drittens. Der Freistaat muss unverzüglich seine Forderungen an den neuen Eigentümer kommunizieren, zum Beispiel bezüglich einer Wasserentnahmeabgabe auf Sümpfungswässer, und der Freistaat muss endlich damit beginnen, sein eigenes Messnetz im Grundwasser bzw. Oberflächenwasser zu verbessern. Im Übrigen, was die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes von ihrem Rohstoffminister, also Ihnen, Herr Dulig, erwarten können, ist, nicht zu zögern, sich in diesen Verkaufsprozess aktiver einzumischen, alles dafür zu tun, die Interessen der Sächsinnen und Sachsen,
der Lausitzerinnen und Lausitzer und insbesondere der Sorbinnen und Sorben auch für die nächsten Generationen gegenüber Vattenfall und künftigen Erwerbern zu wahren.
Ich würde im Sinne der Lausitzer Bevölkerung offen mit dem sozialen Strukturproblem umgehen.
Dazu gehört, das Braunkohleverstromungsgeschäft ordentlich abzuwickeln, für ökologische Auswirkungen Verantwortlichkeiten und zukünftige Sanierungskosten einzufordern, die Kommunen
vor Ort zu unterstützen, denen auch eine große Bürde auferlegt wird, zum Beispiel bei der Gestaltung und dem Abschluss von Verträgen der Gemeinden für die Umsiedlung von Menschen.
Spätestens dann, wenn Sie beobachten und sehen, dass etwas dermaßen schiefläuft wie dieser
Verkaufsprozess, müssen alle rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, um den Verkauf und die
damit verbundenen vielschichtigen schädlichen Folgen für Natur, Umwelt, Landschaft, Klima und
damit auch für die dort lebenden Menschen abzuwenden - im Notfall auch durch Versagung der
geplanten Veräußerung des Bergwerkseigentums von Staats wegen, um dann mit dem Altunternehmen Vattenfall vielleicht gemeinsam einen Weg zu finden, aus der Braunkohleverstromung bis
2040 auszusteigen.
Hierzu hat der Freistaat Mittel und Möglichkeiten. Auf der Grundlage des § 23 Bundesberggesetzes kann er die Genehmigung des Verkaufs versagen, wenn der Veräußerung Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen. Dass dafür massive Gemeinwohlgründe schon jetzt vorliegen,
habe ich eingangs umfassend genannt. Und das ist, Herr Staatsminister Dulig, im Übrigen wirkliche
Interessensvertretung für die betroffen Menschen in Sachsen, wie meine Fraktion
und ich sie verstehen.
Ich persönlich habe auch schon mehrfach gesagt, dass Sächsinnen und Sachsen von den hiesigen
Bodenschätzen noch einen Vorteil haben sollen. Das geht nur, wenn wir wieder selbst über unseren Grund und Boden bestimmen und selbstbestimmt unsere Zukunft gestalten Und da bei uns
der Rohstoffminister auch für Innovationen und die Wirtschaft zuständig ist, würde ich an seiner
Stelle auch endlich beginnen, Lösungen für eine Strukturentwicklung in der Lausitz zu diskutieren
und hierfür Geld zur Verfügung zu stellen.
Und weil uns in Sachsen eigentlich Innovation so wichtig ist, frage ich Sie, Herr Dulig, warum wir
uns nicht an der gerade gegründeten Brandenburger Innovationsregion Lausitz GmbH beteiligen
und zwar nicht nur über ein Gastmandat im Beirat der GmbH, das über die IHK Dresden von einer
Beigeordneten aus dem Landkreis Görlitz wahrgenommen wird. Das ist eindeutig zu wenig.
Und warum denken Sie nicht über eine aktive Ansiedlung von Forschungseinrichtungen - sagen wir
mal im Ländergrenzbereich Schwarze Pumpe - nach, wenn Sachsen dort schon 2,3 Millionen Euro
in die wirtschaftsnahe Infrastruktur bis zum Ende des Jahres investieren will?
Beispielhaft könnten wir auch jetzt noch Vattenfall motivieren, den Verkaufsprozess einzustellen
und das Unternehmen dabei zu unterstützen, in eine Neuausrichtung der Energieregion Lausitz im
erneuerbaren Bereich zu investieren, indem es in den Ausbau und die Integration der erneuerbaren Energien nebst Speichern in Sachsen einsteigt.
Zum Abschluss möchte ich noch ein paar Worte zu dem von Ihnen, meistens von Herrn Krauß getroffenen Aussagen machen: DIE LINKE will gut bezahlte Arbeitsplätze vernichten, wenn wir einen
mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung fordern. Ich sage Ihnen, Herr Krauß, wenn
Sie und auch die Damen und Herren der CDU wie bisher weitermachen nach dem Motto "Augen
zu und durch", dann haben Sie und Ihre CDU die Lausitzer Arbeitsplätze auf dem Gewissen.
(Proteste aus der CDU)
Das Ende der Braunkohle ist nicht nur in Sicht, sondern es beschleunigt sich schneller, als es Ihnen
lieb sein kann. Es wird in der Lausitz spätestens in 25 Jahren nur noch Braunkohlesanierungsbergbau geben. Die Braunkohle wird dann als Bodenschatz weder verstromt noch anderweitig genutzt
werden. Bis dahin haben wir verdammt wenig Zeit. Alle gemeinsam hier im Hohen Hause haben
die besondere Pflicht, die Lausitz auch bei Industriearbeitsplätzen neu aufzustellen, wenn uns diese Region am Herzen liegt. Und das nicht nur mit warmen Worten.
Auch wenn Sie es nicht mehr hören können oder wollen: Die Energiewirtschaft in Sachsen braucht
verlässliche politische Rahmenbedingungen, um den Prozess des Braunkohleausstiegs sowohl für
die beteiligten Unternehmen als auch für die Beschäftigten planbar und die begleitende Entwicklung gestaltbar zu machen. Diese Rahmenbedingungen können nur durch uns als Gesetzgeber und
die Staatsregierung als vollziehende Gewalt vorgegeben, garantiert und vor allem auch
finanziell abgesichert werden.
Stellen wir uns alle gemeinsam dieser Verantwortung und nehmen Sie unseren Antrag als einen
ersten Schritt, um der Lausitz eine Zukunftsperspektive zu bieten.
(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)