Kolleginnen und Kollegen, Einigkeit ist unsere Stärke! Herausgeber: DKP und Gruppe KAZ www.betriebsaktiv.de l 15. März 2016 Siemens: Kolleginnen und Kollegen haben Irrsinn des Kapitalismus auszubaden .......... 3 Arbeitszeit: Wir schenken den Kapitalisten Milliarden.................................................. 3 Krankenkassenbeiträge: Verdeckte Lohndrückerei beenden...................................... 5 Asyl: Wer im Stich lässt seinesgleichen, lässt ja nur sich selbst im Stich............................ 5 Zugunglück Bad Aibling: Schuldiger gefunden – Aktionäre zufrieden...................... 8 Streikrecht erkämpfen – Leiharbeit verbieten Ortsvorstand der IG Metall in Bremen verweigert Unterstützung im Kampf gegen Leiharbeit. M it einem Transparent wurden am 16. Februar die BMW-Kollegen vor dem Münchner Werk empfangen: „Streikrecht erkämpfen – Leiharbeit verbieten!“ Der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD als Veranstalter wollte die Kollegen über den Kampf der Daimler-Kollegen in Bremen informieren. Zeitgleich fand im dortigen Arbeitsgericht eine denkwürdige Verhandlung statt. Die Daimler-Kollegen hatten im Dezember 2014 gegen Fremdvergabe und für die Übernahme aller Leiharbeiter gestreikt. Die IG Metall-VerLesen Sie weiter auf Seite 2 ´ Statt Jubiläumsfeier Rauswurf Ali nach fünf Jahren als Leiharbeiter bei BMW rausgeworfen. A li T. konnte das 100jährige Jubiläum nicht mitfeiern.1 Er wird auch das so genannte Jubiläumsgeld nicht bekommen. Er schuftete als Leiharbeiter am Band, fünf Jahre lang. Ali hat dazu beigetragen, dass BMW von einem Rekordjahr zum anderen eilte. Nun ist er raus, von einem Tag auf den anderen, wie das bei Leiharbeitern so üblich ist. Er hatte einen Arbeitsunfall, bei dem er sich am Fuß verletzte. Der lange Krankenstand war das Aus für Ali. Auf Draht berichtete, wie er dauernd versucht hatte, fest angestellt zu werden. Wie er immer wieder vertröstet wurde von einer Ankündigung zur nächsten: „Wir übernehmen Leiharbeiter in Festanstellung!“ Damit halten die BMW-Kapitalisten die Kollegen bei Laune. Wir fragten ihn nach dem Betriebsrat, der dazu ja auch was Lesen Sie weiter auf Seite 2 ´ 2 15.3.2016 Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Verteiler von Auf Draht. Das ist die Zeitung der DKP und der Gruppe KAZ für die Münchner Betriebe. Ich bin Mitglied der IG Metall und war lange Jahre Betriebsrat in einem SiemensBetrieb. Wir haben uns heute hier versammelt, um nichts Geringeres als das Streikrecht zu verteidigen. Das tut man am besten, indem man es sich nimmt – und streikt. Das haben die Kollegen von Daimler in Bremen gemacht, indem sie vor einem Jahr gegen Leiharbeit und Fremdvergabe in den Streik traten. Nun kämpfen sie vor Gericht gegen die Abmahnungen. Es geht um das elementare Recht der Arbeiter, notfalls ihre Arbeitskraft zu verweigern. Dafür gehört ihnen unsere Solidarität! Sie streikten auch für die VW-Arbeiter, für die MAN-Arbeiter, für die BMW-Arbeiter. Denn auch ihr, die BMW-Belegschaft, seid gespalten in Stammarbeiter und Leiharbeiter. Leiharbeit bedroht die Existenz. Das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ wird zunichte gemacht. Die Bedrohung von täglichem Rausschmiss unterläuft das geltende Arbeitsrecht. Was ist zu tun? Rein in die IG Metall! Sie ist die Organisation, die dazu da ist, alles Trennende aufzuheben, was uns vom Kampf gegen das Kapital abhält. Sie ist die elementare Organisation der Arbeiterklasse. Sie vereint die Arbeiter der größten Fabriken dieses Landes, ob Daimler, VW oder BMW. Nun ist da vieles nicht in Ordnung in dieser Gewerkschaft. Es ist ein Skandal, dass die IG Metall den Kampf der Daimler-Kollegen nicht unterstützt. Trotz alledem und gerade darum noch einmal: Rein in die IG Metall! Den Kopf raus strecken und fordern: Leiharbeit muss verboten werden! Machen wir die Gewerkschaften wieder zu einer Kampforganisation der Arbeiterklasse! Solidarität mit den kämpfenden Kollegen von Daimler in Bremen! ´Fortsetzung von Seite 1 Streikrecht erkämpfen - Leiharbeit verbieten trauensleute hatten aus den Werkshallen heraus den Streik organisiert. Darauf wurden von den Daimler-Kapitalisten 761 Abmahnungen ausgesprochen. Der zuständige IG-Metall-Ortsvorstand verweigerte die Übernahme des Streiks wie auch des Rechtsschutzes. 32 Kollegen hatten gegen die Abmahnungen geklagt. Zum Zeitpunkt der Kundgebung vor BMW hatte das Arbeitsgericht Bremen sein Urteil schon gesprochen. Über ein Smartphone, das verstärkt wurde, erfuhren wir: Die Abmahnungen seien rechtens; über die Frage des Streikrechts wurde nicht verhandelt. Die Richter wagten nicht, über die Rechtsprechung der 1960er Jahre hinaus zu denken. Die lässt nur Streiks um Tariffragen zu und kommt dem Kapital sehr entgegen. Kollegen, die bei der Verhandlung in Bremen dabei waren, ließen uns über Smartphone wissen: Sie sind entschlossen, nicht nur in die nächste Instanz und bis hin zum Europäischen Gerichtshof zu gehen. Sie werden den Kampf um das Streikrecht auch weiter in der Öffentlichkeit führen! Während der Kundgebung sprachen zu den Kollegen auch Vertreter anderer Organisationen, die vor BMW verteilen. Die Rede des Auf-Draht-Verteilers ist im Kasten links abgedruckt. nkrn ´Fortsetzung von Seite 1 Statt Jubiläumsfeier Rauswurf zu sagen hätte. Man brauche schon gute Beziehungen, sonst geht nichts, antwortete da Ali. Er wurde Mitglied der IG Metall und war dabei, wenn die Gewerkschaft vors Tor rief, auch beim Aktionstag gegen Leiharbeit im Jahr 2012. Ali ist jetzt knapp 50 und auch für seine Leiharbeitsfirma nicht mehr interessant. Was er jetzt mache? „Arbeitsamt“ kommt als knappe Antwort. Mit Arbeitslosengeld 100 Jahre BMW kein Grund zum Jubeln Viel wird geschrieben und geredet in diesen Tagen über das Münchner VorzeigeUnternehmen. Die BMW-Kollegen werden mit Würstl und einem Jubelgeld abgespeist, das sie schon tausendfach erarbeitet haben. Die Familie Quandt, die 46 Prozent des BMW-Aktienkapitals besitzt, konnte in den letzten 10 Jahren fast 4,8 Milliarden Euro aus der Konzernbelegschaft pressen. Die nächsten 100 Jahre müssen anders werden! Wir von Auf Draht wollen den Kolleginnen und Kollegen von BMW und anderen Betrieben die Möglichkeit geben, die Geschichte des Konzerns aus einem anderen Blickwinkel kennenzulernen. In einer Online-Sondernummer ist nachzulesen, wie die Quandts durch Ausbeutung von KZ-Häftlingen und durch Kriegsgewinne und dem mageren Pflegerinnenlohn seiner Frau werden die beiden nun drei Kinder in Ausbildung durchzubringen haben. Kaum ist die VIP-Party vorbei, wird es in den Chefetagen schon wieder krachen: Eine Rekorddividende zum Jubiläum! Mögen die Champagnerkorken ins Auge gehen! nkrn 1 Der Name des Kollegen ist der Redaktion bekannt. zu ihrem Reichtum kamen. Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie Monopolkapital entsteht. Die legendäre „Rettung von BMW“ Ende der 1950er Jahre wird beschrieben, als das angeschlagene Unternehmen fast von Daimler Benz geschluckt wurde. Wie das ging, hatte nicht wenig zu tun mit Franz Josef Strauß und dem Wiederaufstieg des deutschen Militarismus. Schließlich wird das Erfolgsrezept der Quandts enthüllt. Soviel sei vorweggenommen: Es beruht trotz aller „Freude am Fahren“ bis heute auf der vieltausendfachen Ausbeutung der Arbeiter. Lest die Geschichte von BMW! Sie kann auf der Webseite „www.betriebsaktiv.de“ der DKP München heruntergeladen werden. 3 15.3.2016 ✍ Wieder Stellenabbau bei Siemens Kolleginnen und Kollegen haben Irrsinn des Kapitalismus auszubaden. IG Metall reagiert und kündigt Widerstand an. N och läuft der Interessensausgleich für die letzte Kündigungswelle, da gibt Siemens-Boss Kaeser bekannt: Weitere 2.500 Stellen werden gestrichen, davon 2.000 in deutschen Siemensbetrieben. Betroffen ist der Bereich Prozessindustrie/ Antriebe. Nürnberg trifft das mit 750 Stellen am härtesten. 700 sollen in Ruhsdorf bei Passau abgebaut werden. Mit dabei sind viele Facharbeiter. Zynisch rechnen die Siemensmanager dagegen auf, dass doch 3.000 Neueinstellungen geplant seien, allerdings in anderen Bereichen. Die abgestürzten Ölpreise vermasseln das Geschäft mit Betriebsmitteln für För- deranlagen. Zu erinnern ist an den Kauf der Anlagenfirma Dresser-Rand (USA) für sieben Milliarden Euro, die jetzt wie Blei im Siemensregal liegt. Soviel zur Wirtschaftskompetenz des deutschen Leitkonzerns. Weil es eine kapitalistische Wirtschaft ist, haben das in der Regel die Kollegen auszubaden. „Die IG Metall reagierte mit scharfer Kritik und kündigt Widerstand an“. (Siemens Dialog 10.3.2016) Kolleginnen und Kollegen, stürmt den Wittelsbacher Platz! nkrn Wir schenken den Kapitalisten Milliarden Arbeitszeiten wie vor 50 Jahren. Soll Arbeitszeitpolitik vom Kapitalistenverband Gesamtmetall abhängig sein? A uf 42 Stunden ist die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit für alle vollzeitbeschäftigten Lohnabhängigen 2014 in der BRD gestiegen.1 Nach Aussage der Bundesagentur für Arbeit war daran 2014 jeder, der in der Gesamtwirtschaft arbeitet, mit im Schnitt 48,9 Überstunden beteiligt. Dabei hat er 27,8 Stunden für nichts, ohne Gegenleistung in Form von Geld oder Freizeitausgleich, geschuftet. „Arbeitszeitverfall – das Milliardengeschenk an die Arbeitgeber“ hat die IGM-Führung dazu in einer Mitteilung festgestellt. An einem Beispiel auf der Basis von 16,75 Euro Stundenlohn wird dabei ausgerechnet, dass die rund 3,7 Millionen Beschäftigten den Metall- und Elektrokapitalisten 2014 „Arbeitszeit im Wert von 1, 72 Milliarden Euro geschenkt“ haben.2 Was die 42-Stunden-Woche bedeutet Dem Kapital ist es damit gelungen, alle unterhalb der 40-Stunden-Woche tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeitverkürzungen in der Realität mehr oder weniger auszuhebeln. Nach dem WSI-Tarifkalender liegt die bei 37,6 Stunden wöchentlich. Bis 42 sind das knapp 4,5 Stunden Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit. Auf die in der Metall- und Elektroindustrie seit dem 1. Oktober 1995 geltende 35-Stunden-Woche Lesen Sie weiter auf Seite 4 ´ Leserbrief „Ist das alles, was unseren IGM-Vertretern einfällt?“ Das muss ich nach über 61jähriger Mitgliedschaft und vielen ehrenamtlichen Funktionen in der IG Metall einmal fragen. Da unterschreiben – wie im Fall des Betriebs Océ in Poing – der 1. Bevollmächtigte von Rosenheim und der Bezirksleiter der IG Metall in Bayern einen Haustarif, der die Belegschaft zwingt, über 10 Jahre 3 Stunden wöchentlich ohne Lohn fürs Kapital zu schuften. Und dann werden nochmals 6 Jahre Vertragsverlängerung bis 2021 oben drauf gepackt, so als ob 10 Jahre nicht schon viel zu viel wären. Das ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich sicher im Betrieb bemüht haben, die mit diesem Vertrag verbundene erneute Demütigung und ebensolche Demoralisierung der Belegschaft zu verhindern. Niemand kann IGM-Vertreter zwingen, im Voraus 6 Jahre Lohnverzicht und statt die 35- die 38-Stunden-Woche zu unterschreiben. Damit werden die eigenen Tarifverträge, die 35-StundenWoche, gleich 16 Jahre unterlaufen und für die Océ-Belegschaft für diesen Zeitraum ausgeschlossen. Und niemand erzähle mir, damit würde Standort- und Beschäftigung gesichert und das ließe sich auch noch 6 Jahre voraussehen. Je nach Situation bzw. wie es dem Kapital gerade passt, fliegen uns diese Verträge vor die Füße. Was bei Océ passiert ist, hat nach meinem Verständnis nichts mit verantwortungsvoller Gewerkschaftsarbeit und gewerkschaftlichem Kampf zu tun. Der heißt in solchen Fällen: Über Lohnverzicht wird nicht mehr verhandelt, und solche Verträge oder Regelungen werden nicht unterschrieben. Hierbei ist die IGMBezirksleitung im Betrieb vor Ort und informiert und stärkt Belegschaft und Betriebsrat bei Betriebs- und Abteilungsversammlungen den Rücken und mobilisiert sie zur Gegenwehr. Das ist auch bei einer Belegschaft von etwa 1.000 mit einem relativ hohen Organisationsgrad keine Frage des Könnens, sondern des politischen Wollens. Die Océ-Belegschaft, die Mitglieder der IGM sollen und müssen dafür sorgen, dass ihr Fall in den Gremien bis zum Vorstand der IGM diskutiert wird, damit es 2021 nicht wieder um die nächsten 6 Jahre Vertragsverlängerung geht. Dabei gilt, Verträge können auch von uns vorzeitig gekündigt und neu verhandelt werden, wenn wir im Betrieb dazu die notwendige Kraft entwickeln! Ludwig Jost, München 4 15.3.2016 ´Fortsetzung von Seite 3 Wir schenken den Kapitalisten Milliarden gerechnet macht das sogar die Kleinigkeit von 7 Stunden wöchentlich. Das ist ein Ausdruck für die Schrittmacherdienste, die gerade die IGM-Führung bei dieser Entwicklung geleistet hat. Dabei ist die 42 eine Größenordnung, die mit der 42,5-Stunden-Woche zuletzt 1962, also vor weit über 50 Jahren, im Metall- und Elektrobereich gegolten hat. Der Kampf gegen die Metall- und Elektrokapitalisten zur Durchsetzung der 35-Stunden-Woche hat hierbei 28 Jahre, von 1967 mit noch 40 Stunden bis Oktober 1995 gedauert. Mit der 42-Stunden-Woche in 2014 haben die Kapitalisten sich die 40 mit 2 Stunden oben drauf, in 19 Jahren zurückgeholt. Bei der Verlängerung der Arbeitszeit haben außer der IGM noch Andere Zugeständnisse gemacht. So wurde z. B. die Wochen-Arbeitszeit im Bauhauptgewerbe von 39 auf 40, bei der Deutschen Bahn AG von 38 auf 39 und im öffentlichen Dienst sowie bei Bund und Gemeinden in Westdeutschland von 38,5 auf 39 Stunden bei den Tarifauseinandersetzungen der letzten Jahre wieder angehoben. Der AchtStunden-Tag und die tariflich vereinbarte Wochen-Arbeitszeit stehen dabei für viele Lohnabhängige nur noch auf dem Papier. Der Kapitalverband BDA hat die in den Betrieben geübte Praxis – im Arbeitsrecht: Betriebliche Übung – zur Gesetzesvorlage gemacht. 3 Die Bundesregierung wurde aufgefordert, den Acht-Stunden-Tag aus dem Arbeitszeitgesetz zu streichen und durch eine wöchentliche Höchstarbeitzeit zu ersetzen. Was dann für den Arbeitstag und die Arbeitswoche bedeuten würde: Ende offen!4 „Neue Arbeitszeitpolitik“ – abhängig von Gesamtmetall? Beim Beschluss des IGM-Gewerkschaftstags im Oktober 2015, Bundeswehreinsätzen mit UNO-Mandat zuzustimmen, ist den Delegierten offensichtlich der Blauhelm so tief über Augen und Ohren gerutscht, dass ihr Wahrnehmungsvermögen entscheidend getrübt wurde. Mit der Verabschiedung des Leitantrags (EL3.001) des IGM-Vorstands „Neue Arbeitszeitpolitik“ haben sie nämlich beschlossen: „Bis zum nächsten Gewerkschaftstag sind Arbeitszeitfragen zentrale tarifpolitische Themen für die Metall- und Elektroindustrie und alle weiteren Branchen. Welche Konfliktthemen sich ergeben, wird nach der Wahrnehmung der Gesprächsverpflichtung zwischen Gesamtmetall und IG Metall deutlich werden.“ Diesen Beschluss müssen sich nicht nur alle Metallerinnen und Metaller, sondern alle Gewerkschaftsmitglieder, Betriebsräte und Belegschaften reinziehen und die Konsequenzen für die Arbeiterbewegung daraus diskutieren. Da beschließt die im DGB größte und stärkste Einzelgewerkschaft – wenn alle Kräfte mobilisiert werden –, im Angesicht der in aller Öffentlichkeit vorgetragenen Angriffe des Kapitals auf den Acht-Stunden-Tag und Mindestlohn: In vier Jahren – der nächste IGM-Gewerkschaftstag ist 2019 – fragen wir Gesamtmetall, also den größten Kapitalistenverband für den Metallbereich, „welche Konfliktthemen sich ergeben“. Bei dieser Entscheidung muss es den IGM-Delegierten gegangen sein wie der SPD mit dem Familiennachzug bei ihrem erneuten Angriff aufs Asylrecht: Sie haben es weder gelesen noch diskutiert. Sonst wäre ihnen aufgefallen, dass sie mit ihrem Beschluss die von ihnen in zahllosen Anträgen festgestellte Entwicklung in der BRD und in den Betrieben, die gesundheitlichen und sonstigen Folgen der total aus dem Ruder gelaufenen Arbeitszeit als „Konfliktthema“ aller Lohnabhängigen konsequenzlos „in die Tonne gekloppt“ haben. Und das mindestens für vier Jahre. nLJ 1 Statistisches Bundesamt 2016 2www.igmetall.de 3 Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände BDA 4 IGM-Mitteilung vom 24. Juli 2015 ❏ Ich will die gerne regelmäßig bekommen – bitte schickt mir immer die neue Ausgabe! ❏ Ich will die DKP kennen lernen – bitte schickt mir Informationsmaterial! ❏ Ich will die Gruppe KAZ kennen lernen – bitte schickt mir Informationsmaterial! Vorname und NameTel.: Straße, Postleitzahl und WohnorteMail: Bitte einsenden an: Auf Draht=c/o Jörg Högemann=Kellerstr. 28=81667 München 5 15.3.2016 A b dem Jahr 2004 führte die SPD-Regierung unter Bundeskanzler Schröder ein brutales Lohnsenkungs- und Sozialabbauprogramm durch. Durch Hartz IV wurden die Beitragseinnahmen der Krankenkassen zunehmend geschwächt. Zugleich weigerten sich die Regierenden, die Profite der Pharmaindustrie durch gesetzliche Einschränkungen ihrer Marktmacht einzuschränken. Für das Jahr 2016 ist die Bilanz für abhängig Beschäftigte schlecht. Während die Kapitalseite lediglich 7,3 Prozent als festgeschriebenen Betrag zahlt, werden wir um eben diesen Betrag – und zusätzlich um den Differenzbetrag, den Krankenkassen immer noch fehlenden Rest, erleichtert. Es handelt sich dabei um einen Zusatzbeitrag zwischen 0 und 1,3 Prozent. Die Höhe darf jede Kasse selbst festlegen. Welche Krankenkassen die Beiträge erhöhen müssen und wie diese letztendlich ausfallen werden, hängt von den jeweiligen Reserven ab. Ab dem Jahr 2016 wird der „Parität“ Verdeckte Lohndrückerei beenden IG Metall und Verdi erklären die Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung zum Ziel. Erklärungen allein werden aber nicht ausreichen. Zusatzbeitrag voraussichtlich um bis zu 0,3 Prozentpunkte steigen. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung prognostiziert für 2019 sogar eine Erhöhung auf 1,4 bis 1,9 Prozent. Für uns Versicherte bedeutet dies einen großen finanziellen Mehraufwand. Denn das Kapital muss sich lediglich am gesetzlichen Krankenkassenbeitrag von 14,6 Prozent zur Hälfte beteiligen. Diese Einsparungen der Kapitalseite muss man als verdeckte Lohnabsenkung betrachten – oder mit zusammengebissenen Zähnen als gesetzlich verbriefte Profiterhöhung einordnen. Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung herstellen! Nun erklärt der IG-Metall Vorstand, diesen Zustand nicht mehr widerstandslos hinnehmen zu wollen. In einem Positionspapier der IG Metall zur aktuellen Erhöhung der Zusatzbeiträge vom 2. Februar 2016 wird deshalb die Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung der Krankenkassen gefordert. Verdi-Vorsitzender Bsirske sagte dazu: „Wir müssen umgehend zur paritätischen Finanzierung zurückkehren. Wenn die Koalition nicht bald umsteuert, werden wir das zu einem zentralen Thema im nächsten Bundestagswahlkampf machen.“ Völlig absurd und unsozial sei es, dass Krankenkassen verpflichtet seien, in die Gesundheitsvorsorge in Betrieben zu investieren, aber die Versicherten das alleine bezahlen sollen.“ Denn diese Investitionen nutzen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleichermaßen.“ Bereiten wir uns also darauf vor, die Vorstandskollegen der Gewerkschaften beim Wort zu nehmen– wohl wissend, dass Erklärungen alleine da nicht ausreichen werden. nErnst Stadtler Wer im Stich lässt seinesgleichen ... Warum wir nicht der Hetze folgen dürfen, sondern für gleiches Recht für Alle eintreten müssen. E s ist nichts Neues in diesem Land, dass gegen Menschen, die aus anderen Ländern hierherkommen oder auch schon vor vielen Jahren hergekommen sind, gehetzt wird. Es ist auch nichts Neues, dass dabei die Begriffe „Ausländer“ und „kriminell“ immer wieder verknüpft werden. So wird seit Jahrzehnten Rassismus geschürt und das bürgerliche Recht unterhöhlt. Fast keiner stört sich mehr daran, dass für einen Teil der Bevölkerung Sondergesetze gelten. So konnte in dem Zuwanderungsgesetz von 2004 z. B. festgeschrieben werden, dass ein „Ausländer ausgewiesen wird“, wenn er wegen „Straftaten zu einer Frei- heits- oder Jugendstrafe von mindestens 3 Jahren verurteilt worden ist“. Der Boden wird bereitet Nun wurde dieses Sondergesetz noch einmal drastisch verschärft. Ausgewiesen werden sollen nun schon alle ohne deutsche Staatsbürgerschaft, wenn sie wegen Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von einem halben Jahr verurteilt worden sind, auch wenn diese auf Bewährung ausgesetzt ist. Voraussetzung für dieses schnelle und von demokratischem Widerstand ungebremste Gesetzgebungsverfahren war die unglaubliche Hetze nach der Silvesternacht in Köln, von der nach wie vor nicht geklärt ist, was genau da eigentlich vorgefallen ist. Doch es wurde das erreicht, was Politiker wie Seehofer schon seit Sommer 2015 unermüdlich androhen: „Die Stimmung kippt“. Das ist dann der Boden, auf dem Gesetze im Schnellverfahren durchgepeitscht werden können, auf dem demokratischen Kräften die Schneid abgekauft wird, lautstark gegen die immer drastischere Aushöhlung der bürgerlichen Demokratie zu protestieren. Und darum geht es. Lesen Sie weiter auf Seite 6 ´ 6 15.3.2016 ´Fortsetzung von Seite 5 Wer im Stich lässt seinesgleichen ... Denn der Kern einer bürgerlichen Demokratie ist, dass jeder gleiches Recht hat. Ob jemand arm ist oder reich, Arbeiter oder Kapitalist soll vor dem Gesetz genauso wenig eine Rolle spielen, wie Herkunft, Religion oder Hautfarbe. Was natürlich nicht heißt, dass es keine Ungleichheit gibt. Es verhindert nicht, dass sich eine winzige Schicht von Großkapitalisten den überwiegenden Teil des erarbeiteten Reichtums aneignen konnte und täglich weiter aneignet. Es verhindert nicht, dass diese winzige Klasse mit diesem Reichtum – den Fabriken, Maschinen, Gebäuden – die Macht in Händen hat. Gleiches Recht ist auch nichts, von dem man abbeißen kann: es schützt nicht vor geringem Lohn, nicht vor hoher Miete, es sichert weder Brot noch das Dach über dem Kopf. Doch wir brauchen es, um nicht zu rechtlosen Knechten zu werden, die von der Gnade und Wohltätigkeit, also von der Willkür, der Oberen abhängig sind. Wir brauchen es, um gemeinsam kämpfen, uns organisieren, streiken zu können. Das müssen wir schon alleine, um unsere Löhne sichern zu können und die Arbeitszeit nicht ins Unermessliche steigen zu lassen. Und wir müssen es, um gegen die Gefahr von Faschismus und Krieg antreten zu können. … lässt ja nur sich selbst im Stich Doch was ist, wenn ein Teil von uns nicht mitkämpft, weil das Damoklesschwert einer Ausweisung oder Abschiebung über den Kollegen schwebt? So manch einer wird nun denken, dass unser Kampf doch nichts mit Straftaten zu tun hat. Doch eine Straftat begeht man schneller, als man es sich vorstellen kann. So steht derzeit ein Münchner Stadtrat (Die Linke) vor Gericht, weil er auf einer Demonstration zwischen Polizei und kurdischen Kollegen vermittelnd eingreifen wollte, denen vorgeworfen wurde, Parolen zugunsten der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gerufen zu haben. Der Vorwurf gegen den Stadtrat: Schwerer Widerstand gegen die Staatsgewalt. In dem obigen gerade erst beschlossenen Gesetz ist als mögliche Straftat, die mit Ausweisung zu ahnden ist, ausdrücklich Gewalt gegen Polizeikräfte benannt. Doch unabhängig von den unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen: Wie werden sich denn Flüchtlinge, die einen Job bekommen haben, verhalten in einem gesellschaftlichem Klima, das von ihnen Wohlverhalten und Dankbarkeit verlangt? Die sich jetzt schon genötigt sehen, sich zu entschuldigen, wenn irgendein Flüchtling oder nur scheinbarer Flüchtling eine Straftat begeht? Wenn viele Deutsche das als Selbstverständlichkeit ansehen, obwohl sie selbst nie auf die Idee kämen, sich für die Straftaten irgendeines anderen Deutschen zu entschuldigen? Diese Kollegen werden sich wohl möglichst unauffällig verhalten, sich nicht gegen das Unterlaufen des Mindestlohns oder der Arbeitszeitregelungen zur Wehr setzen, um hier einigermaßen unbehelligt leben zu können. Und wer sollte ihnen das verübeln? „Mach meinen Kumpel nicht an“ Ungleiches Recht behindert und erschwert also unseren Kampf. Es spaltet und schwächt uns. Von daher ist es in unserem Interesse als Arbeiter, dass wir für gleiches Recht und gegen jegliche rassistische Hetze eintreten. Die in den 80iger Jahren von den französischen Kollegen übernommene gewerkschaftliche Losung muss wieder in die Betriebe, in die Gewerkschaften, auf die Straßen – im ganzen Land: „Mach meinen Kumpel nicht an!“ ngr Das deutsche Asylgesetz „Politisch Verfolgte genießen Asyl“ war einmal. Aus der antifaschistischen Grundidee wurde eine Geschichte der Ablehnung und Ausgrenzung. E in Willy Brandt wäre vermutlich niemals Bundeskanzler geworden, wenn er nicht die Möglichkeit gehabt hätte, Asyl in Schweden oder Norwegen zu erhalten. Er wäre von den Nazischergen in irgendeinem der zahllosen Konzentrationslager der Ermordung ausgeliefert worden. Willy Brand war einer von Hunderttausenden, denen die Aufnahmebereitschaft von über 80 Ländern das Überleben ermöglichte. Als Konsequenz daraus formulierte der Parlamentarische Rat bei der Erarbeitung des Grundgesetzes einen einfachen Satz in den Artikel 16 des Grundgesetzes: „Politisch Verfolgte genießen Asyl.“ Die Erkenntnis sollte nicht lange halten. Die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl und die damit einhergehende Entrechtung von Geflüchteten haben in Deutschland bereits seit den 1970er Jahren eine lange Tradition. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Entwicklungen und Veränderungen des Asylrechts in Deutschland gegeben werden. In den 1970er Jahren beantragte erstmals eine größere Zahl an Geflüchteten, vor allem aus Asien und Afrika, Asyl in Deutsch- 7 15.3.2016 land. Es kam zu Engpässen bei der Aufnahmekapazität in den Aufnahmestellen für Geflüchtete. Im Zuge dessen kamen die ersten Bestrebungen auf, das Asylrecht zu beschränken. Da das Grundrecht nur mit einer Zweidrittelmehrheit geändert werden kann, beschränkten sich die Restriktionen vorerst auf das Asylverfahren an sich. So wurde versucht, das Asylverfahren zu beschleunigen, den Grenzübertritt in die BRD zu erschweren, die Kriterien für das Recht auf Asyl zu verschärfen, abgelehnte Geflüchtete schneller abzuschieben und die Lebensumstände dieser zu verschlechtern. Ziel war, eine abschreckende Wirkung auf Menschen zu erwirken, welche gezwungen sind, ihre Herkunftsländer zu verlassen. Ende der 1970er Jahre wurden die neuen restriktiven Verwaltungsvorschriften vom Bundesinnenministerium erlassen. Als Nächstes wurde 1980 die Rechtswegegarantie mit dem sogenannten Beschleunigungsgesetz aufgehoben. Dies hatte zur Folge, dass die Entscheidungsgewalt über Asylanträge den einzelnen Beamten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) übertragen und die Widerspruchsmöglichkeiten beseitigt wurden. 1982 wurde dann das Asylverfahrensgesetz eingeführt, welches Gerichtsverfahren beschleunigte und die Regelunterbringung in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften sowie die „Residenzpflicht“ einführte. Die Residenzpflicht ist eine Auflage für in Deutschland lebende Asylbewerber und Geduldete. Sie verpflichtet die Betroffenen, sich nur in dem von der zuständigen Behörde festgelegten Bereich aufzuhalten. Ebenso wurde die medizinische Versorgung stark eingeschränkt. Geflüchtete hatten nunmehr keinen Rechtsanspruch auf ärztliche Behandlung oder Operationen. Ab 1986 galt für Geflüchtete dann ein fünfjähriges Arbeitsverbot. Zudem wurden die Regelungen für die Unterbringung in so genannten Gemeinschaftsunterkünften verschärft und die Anerkennung von Asylanträgen, die sich auf Notsituationen oder kriegerische Auseinandersetzungen beriefen, ausdrücklich ausgeschlossen. Zudem wurden so genannte Visasperren eingerichtet, um zu verhindern, das Geflüchtete mit dem Flugzeug nach Deutschland einreisen konnten. 1987 wurde dann das Asylverfahrensgesetz völlig neu gefasst. Nun wurde z. B. die Androhung von Folter im jeweiligen Herkunftsland nicht mehr als Grund für die Anerkennung eines Asylantrags gewertet. 1990 erzwang das Bundesverwaltungsgericht allerdings, dass Folter wieder als Asylgrund zählt. Den Höhepunkt der Beschneidung der Rechte von Geflüchteten bildete die Änderung des Grundgesetzes im Mai 1993. Zeitgleich mit den Pogromen in Rostock-Lichtenhagen und andernorts verabschiedeten CDU, CSU, FDP und SPD mit 521 gegen 132 Stimmen den sogenannten Asylkompromiss. Dem Rassismus, der sich ausgebreitet hatte, wurde damit eine gesetzliche Legitimation zugesprochen. Die Konsequenzen dieses Kompromisses waren für die Betroffenen weitreichend. So wurde ab 1993 ein Großteil der Geflüchteten vom Asylverfahren ausgeschlossen. Es gab zwar nach wie vor den Grundsatz, dass „politisch Verfolgte Asylrecht genießen“, aber es wurden massive Einschränkungen eingeführt. Auch fanden 1993 Einschnitte im Asylbewerberleistungsgesetz statt. Geflüchteten standen nur noch 80 Prozent Sozialleistungen zu. Sie erhielten außerdem erst dann einen Arbeitsplatz, wenn dieser nicht von einem deutschen oder einem Unionsbürger besetzt werden kann. Zeitgleich setzte eine Angleichung der Flüchtlingspolitik in den einzelnen EU-Staaten ein. Mit dem Abkommen von Schengen und weiteren Verträgen auf EU-Ebene wurde die Grundlage für das gesamteuropäische Grenzregime gegen Flüchtlinge geschaffen, das sich insbesondere durch eine massive Abschottung nach Außen, einer Ausweitung von Kontrolle und Überwachung und der stetigen Vorverlagerung der Außengrenzen profiliert. Eine der EU-Regelungen ist die sogenannte „Drittstaatenregelung“, die 1997 mit dem Abkommen von Dublin (Dublin I) in Kraft getreten ist. Diese besagt, dass Geflüchtete, die aus „sicheren“ Drittstaaten kommen, sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen können. Gleichzeitig wurden alle umliegenden Länder rund um Deutschland als „sichere“ Drittstaaten benannt. Somit können Menschen, welche Deutschland auf dem Landweg erreichen in die umliegenden Staaten zurückgeschoben werden, wo sie ihren Asylantrag stellen müssen. Wer auf dem Luftweg Deutschland erreicht, kann seitdem auf den Flughäfen festgehalten und dort für sogenannte „verkürzte Verfahren“ untergebracht werden. Die Einführung des sogenannten „Dublin II“-Gesetzes 2003 legte fest, dass grundsätzlich das Land für den Asylantrag zuständig ist, welches Geflüchtete in der EU zuerst betreten („Verursacherprinzip“). Aktuell wird die Dublin III-Regelung angewandt. Im Juni 2013 hat das Europäische Parlament dann neue Vorschriften für ein gemeinsames europäisches Asylsystem herausgegeben. Seit 2013 kommt es in Deutschland wieder zu massiven rassistischen Krawallen und Übergriffen auf Unterkünfte, in denen Geflüchtete leben. Einmal mehr stellt sich die Frage, in welcher Wechselwirkung alltäglicher und staatlich legitimierter Rassismus sich gegenseitig beeinflussen und miteinander wirken. Die schon weitgehen- de Entrechtung der Geflüchteten soll mit den beschlossenen Einschränkungen weiter vorangetrieben werden. Ausgrenzung, Abschottung und Abschiebung haben in Deutschland eine lange Tradition, welche sich fortsetzen wird, bis das Recht auf Asyl so eingeschränkt ist, dass es faktisch nicht mehr existiert. Im Februar 2016 wurde nun das sogenannte Asylpaket II vom Bundestag beschlossen, das eine weitere Einschränkung des Rechts auf Asyl und damit für schutzsuchende Menschen bedeutet. Umfangreiche Gesetze werden „Paket“ genannt: Paket – das klingt nicht unfreundlich, das klingt nach einer anständigen Versorgung des Adressaten. Im Fall des Asylpakets II ist das ein falscher Eindruck. Versorgt wird damit die Angst vor den Flüchtlingen; und anständig ist in diesem Paket wenig. Es ist ein Sammelsurium von untauglichen und missgriffigen Vorschriften. Es ist der Versuch der Regierungspolitik, Stärke dadurch zu demonstrieren, dass man elementare Rechte schwächt. Vor 23 Jahren hat die Politik, um Flüchtlingszahlen zu senken, das Asylgrundrecht verkleinert. Jetzt verkleinert sie, ohne dies ausdrücklich als Grundgesetzänderung zu benennen, weitere Grundrechte. Die Gesetzesbegründung müsste pointiert wie folgt lauten: „Grundrechte der Flüchtlinge sind aus Seife. Sie werden daher durch häufigen Gebrauch kleiner. Wenn viele Flüchtlinge sie in Anspruch nehmen, bleibt davon wenig übrig.“ Das Asylpaket suspendiert für bestimmte Flüchtlinge den Schutz der Familie. Der Rechtsschutz wird praktisch aufgehoben. Insgesamt wird der Schutz von Leben und Gesundheit von Flüchtlingen relativiert. (Heribert Prantl, www.süddeutsche.de, 25. Februar 2016) Es braucht Widerstand und Protest, um diese Tradition zu brechen und grenzenlose Solidarität aufzubauen. Es gilt damals wie heute: Alle Menschen sollten das Recht haben, dort zu leben, wo auch immer sie wollen. nRW Herausgeber: DKP und Gruppe KAZ Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes: Jörg Högemann=Kellerstr. 28=81667 München Mail: [email protected] www.betriebsaktiv.de Druck: Eigendruck im Selbstverlag 8 15.3.2016 Schuldiger gefunden – Aktionäre zufrieden Kaputte Glühbirnen, Funklöcher, Überstundenberge und Sparen für den Profit, das sind die Ursachen für die Bahnkatastrophe von Bad Aibling. Den Aktionären ist es egal. D as geht alles: Autos fahren ohne Eingriff des Menschen. Wie etwa vor kurzem ein Mercedes anlässlich des Jubiläums der ersten Fahrt eines Benzautos 1886. Aber in der Nähe von Stuttgart fuhr der selbst fahrende Daimler einfach nicht mehr weiter. Die Sensoren und das GPS hatten nicht versagt! Sie hatten einen Mann vor dem Fußgängerüberweg erkannt, der beharrlich auf sein Vorrecht verzichtete. Zwei Züge rasten ineinander – elf Tote, 85 zum Teil schwer Verletzte. Ein Fahrdienstleiter hatte mit einem Ersatzsignal die eingleisige Strecke freigegeben. Das gehöre zum Alltag eines Lokführers, in so einem Fall rauszufahren, sagte der bayerische Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) der Süddeutschen Zeitung.1 Weichen, Signale und Drähte seien fehleranfällig. Es reiche schon, wenn eine Glühbirne ausfällt. Das Ersatzsignal hatte alle Sicherungssysteme außer Kraft gesetzt, die das Unglück hätten verhindern können. Eine zwingende Absprache mit dem Fahrdienst- leiter ist in dem Fall nicht vorgesehen. Ein Funkspruch des Fahrdienstleiters, der den Irrtum bemerkt hatte, erreichte die Triebwagenführer nicht mehr, er ging ins Leere. Dazu hörte man im Bayerischen Fernsehen2, dass die Lokführer Listen über Funklöcher mit sich führten, in denen auch die Strecke Kolbermoor–Bad Aibling verzeichnet sei. Die Bahn als Betreiber des Schienennetzes gibt eine Verfügbarkeit des bahneigenen Digitalfunks mit 99 Prozent an.3 Wir erfuhren also: Es gibt anfällige Weichen und Drähte, durchgebrannte Glühbirnen und Funklöcher bei der Bahn. Alles Mängel, die unzeitgemäß sind angesichts von GPS, LED-Technik und Sensorik, über die heute jeder Mittelklasse-Pkw verfügt! Und da gibt es noch die Kollegen bei der Bahn. Ein Bahnexperte sprach bereits am Abend des Unglückstages im Bayerischen Fernsehen von der angespannten Arbeitssituation der Fahrdienstleiter. Jeder schiebt Überstundenberge vor sich her. Es sei normal, dass die Kollegen mehrere Wochenenden hintereinander Dienst tun müssten. Ein Ausfall wegen Krankheit steigere den Stress zusätzlich.4 So kann eine Situation entstehen, in der eine falsche Entscheidung getroffen wird. Die Bahn hat im Fahrdienstleiter ihren Schuldigen gefunden. Die Aktionäre – 40 Prozent beim Bund – werden weiter die Wirtschaftlichkeit von eingleisigen Strecken verteidigen, die fast die Hälfte des deutschen Netzes ausmachen. CSUVerkehrspolitiker werden weiter das VierAugen-Prinzip ablehnen, denn dann müsse man ja „mehrere tausend Fahrdienstleiter“ anstellen.5 Die Dividende ist eben wichtiger als elf Menschenleben. Das Leben des Kollegen aus dem Stellwerk ist zerstört. Auch er ist ein Opfer der Bahnkatastrophe von Bad Aibling. nkrn 1 Süddeutsche Zeitung, 19. Februar 2016 2 Sendung „quer“ vom 25. Februar 2016. 3 Sendung „quer“ vom 25. Februar 2016. (Das Funkloch wurde von der Bahn dementiert, Abendzeitung, 18. Februar 2016) 4 Rundschau Magazin, 9. Februar 2016 5 Süddeutsche Zeitung, 19. Februar 2016 Es gibt seit 2010 ein Zugkollisions-Verhinderungssystem (engl. RCAS), das nach Auskunft eines Wissenschaftlers des DLRForschungszentrums Pfaffenhofen den Zusammenstoß hätte verhindern können. (Süddeutsche Zeitung, 19. Februar 2016) Es arbeitet unabhängig von der bestehenden Bahn-Infrastruktur und ist vergleichbar mit dem seit Langem eingesetzten Kollisionswarnsystem (auch „Transponder“) im Flugverkehr. Sein Hauptbestandteil ist die Satellitennavigation. Die Einführung scheiterte bisher an bürokratischen Hürden wie z. B. einer Freigabe auf EU-Ebene. Und wohl auch am Profitstreben der Bahnkapitalisten.
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