Mythen, Fakten, Argumente

Transatlantische Handelsund Investitionspartnerschaft ( TTIP )
Mythen, Fakten, Argumente
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
Abteilung Außenwirtschaftspolitik
BDI-Hintergrundpapier
TTIP: Mythen, Fakten, Argumente
3
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
4
»Von TTIP profitiert nur die Großindustrie.«
6
»Das hohe Verbraucher- und Umweltschutzniveau der EU ist in Gefahr.
Die Erleichterungen bei Regulierungen und Standards funktionieren nur,
indem Standards gesenkt werden.« 8
»TTIP untergräbt europäische Gesundheitsstandards
bei gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln und Hormonfleisch.«
10
»TTIP wird unsere hohen Arbeitsstandards in Deutschland aushöhlen.«
13
»TTIP braucht keine Investitionsschutzklauseln. Ganz im Gegenteil sind diese gefährlich,
denn sie ermöglichen es US-Investoren, europäische oder deutsche Gesetzgebung,
etwa im Umwelt- und Sozialbereich, zu kippen.« 16
»TTIP führt zu Privatisierungen im Bereich der Wasserversorgung, Gesundheit und Bildung.«
18
»TTIP schwächt die bäuerliche Landwirtschaft in der EU.« 19
»TTIP schadet dem multilateralen Handelssystem wie auch Drittstaaten.«
20
»TTIP wird hinter verschlossenen Türen verhandelt.« 21
Impressum
22
4
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TTIP: Mythen, Fakten, Argumente
Vorwort
Im Juni 2013 fiel der offizielle Startschuss für die Verhandlungen über ein Transatlantisches
Handels- und Investitionsabkommen (TTIP). Die erste Verhandlungsrunde fand im Juli 2013
statt, im Februar 2014 wurde in der sogenannten »Stocktaking Exercise« eine erste Bilanz
der Verhandlungen gezogen. Die EU und die USA versprechen sich aus einer vertieften transatlantischen Integration erhebliche ökonomische Wachstums- und Beschäftigungseffekte.
In den letzten Monaten sind die Verhandlungen jedoch zunehmend in die Kritik geraten.
Zivilgesellschaftliche Gruppen warnen davor, dass TTIP zu sinkenden Schutzstandards für
Verbraucher und die Umwelt führen sowie die gesetzgeberische Souveränität der EU (einschließlich ihrer Mitgliedstaaten) und der USA einschränken würde. Die Gewinne kämen nur
großen Unternehmen zugute, nicht jedoch der Bevölkerung. Stelle man die Risiken von TTIP
den möglichen wirtschaftlichen Gewinnen gegenüber, so würden erstere deutlich überwiegen.
Was ist dran an diesen Vorwürfen? Die Sorgen der Bevölkerung sind ohne Zweifel ernst zu
nehmen. Ein genauer Blick auf die Mandate der EU und der USA, die Positionspapiere der
Verhandlungspartner sowie die bisherigen Verhandlungen zeigt gleichwohl, dass viele der
genannten Befürchtungen unbegründet sind.
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6
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»Von TTIP profitiert nur die Großindustrie.«
Fakt ist: Nicht nur große Unternehmen, sondern auch
kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Verbraucher würden von TTIP profitieren – und zwar von
einem umfassenden Abkommen deutlich mehr als von
einem Abkommen, in dem nur Zollsenkungen vereinbart werden. Denn nichttarifäre Handelshemmnisse
stellen im transatlantischen Handel die größten Hindernisse dar und bergen somit auch das größte Potenzial für Kostenreduzierungen, die allen Unternehmen
wie auch Verbrauchern zugutekommen.
KMU würden insbesondere durch ein »tiefes Abkommen« mit Vereinfachungen bei Regulierungen und
Standards entlastet: Denn im Gegensatz zu Großunternehmen können sich vor allem KMU den bürokratischen Aufwand und die administrativen Kosten,
die durch unterschiedliche Regulierungen und Standards entstehen, häufig nicht leisten. Diese Fixkosten
sind vor allem für den kleinen Mittelstand Markteintrittsbarrieren. Beispielsweise berichtete ein FritteuseHersteller aus Baden-Württemberg, dass er, um ein
Gerät im Wert von 10.000 Euro in die USA zu exportieren, zunächst ca. 2000 Euro in Tests und Zulassungen investieren muss. Da es sich um individualisierte
Produkte handelt, ist der Export in die USA nicht
mehr profitabel.
Laut dem Verhandlungsmandat der EU soll TTIP
zudem mehr Transparenz im Wettbewerbsrecht oder
auch bei der öffentlichen Vergabe schaffen. Auch davon würden KMU profitieren, die oftmals nicht auf
große Rechtsabteilungen zurückgreifen können.
Der deutsche Mittelstand ist zudem hochinnovativ
und investiert umfassend in Forschung und Entwicklung. KMU sind daher anfällig für Verletzungen geistiger Eigentumsrechte und würden von einem stärkeren
Schutz geistigen Eigentums, der im Abkommen verhandelt werden soll, profitieren. Erleichterungen bei
der Zollabfertigung und Zollsenkungen würden KMU
sowohl beim Export als auch beim Import erhebliche Einsparungen ermöglichen.1 Junge Unternehmen
könnten zudem durch offenere Märkte von Anfang
an einen größeren Kundenkreis bedienen, insbesondere, wenn noch Erleichterungen im digitalen Handel
durch TTIP geschaffen werden. Die EU und die USA
planen darüber hinaus ein eigenes Kapitel zu KMU
im Abkommen, um diese durch TTIP in besonderer
Weise zu entlasten.2 Zum Ende der vierten Verhandlungsrunde erklärte der EU-Chefunterhändler Ignacio
Garcia-Bercero:
»Kleinere Unternehmen beschäftigen sowohl
in der EU als auch in den USA die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer. In der EU
entfallen zwei Drittel aller Arbeitsplätze in der
Privatwirtschaft auf Kleinunternehmen. Sie
machen 99 Prozent sämtlicher Unternehmen
in der EU aus und bilden somit das Rückgrat
unserer Volkswirtschaften. Das TTIP würde ihnen dabei helfen, zu expandieren, indem es auf
beiden Seiten des Atlantiks Beschäftigung und
Wachstum schafft.« 3
Ignacio Garcia-Bercero, EU-Chefunterhändler für TTIP
Auch die Verbraucher würden von TTIP profitieren:
Verbraucher profitieren zum einen von günstigeren
Produkten. Diese resultieren nicht nur aus Zollsenkungen, sondern auch daraus, dass Standards und Regulierungen – wo möglich – gegenseitig angepasst werden.
Die zusätzlichen Kosten für doppelte Produktzulassungen, Testverfahren und Konformitätsprüfungen liegen
bei der Einfuhr in die EU laut einer Studie des niederländischen Instituts Ecorys im Durchschnitt bei 21,5
Prozent. Im Bereich Kosmetika verteuern nichttarifäre
Handelshemmnisse die Produkte um durchschnittlich
ca. 35 Prozent, bei Kraftfahrzeugen um ca. 26 Prozent,
bei Textilien und Bekleidung um ca. 19 Prozent und bei
Nahrungsmitteln und Getränken um ca. 57 Prozent.4
Ebenso werden viele Produkte, die aus der EU in die
USA eingeführt werden, durch nichttarifäre Barrieren
stark verteuert. Durch TTIP könnten diese Kosten zugunsten der Verbraucher spürbar gesenkt werden.5
Nach Schätzungen des Centre for Economic Policy
Research (CEPR) könnten einem vierköpfigen P rivathaushalt als Folge eines umfassenden Abkommens
bis zu 545 Euro pro Jahr mehr zur Verfügung stehen.5
Dieser Effekt t ritt l angfristig e in, d .h. e twa 1 0 J ahre
nach Inkrafttreten des Abkommens. Grundlage der
CEPR-Berechnung ist die Annahme, dass 100 Prozent
aller Zölle, 25 Prozent aller nichttarifären Handelshemmnisse im Güter- und Dienstleistungshandel sowie 50 Prozent aller nichttarifären Handelshemmnisse
im öffentlichen B eschaffungswesen ab gebaut we rden.
Auch wenn es schwierig ist, den Wohlfahrtsgewinn für
den Verbraucher exakt zu prognostizieren, zeigt die
Studie, dass das verfügbare Einkommen durch TTIP
steigen würde.
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Von TTIP profitieren alle Regionen und alle Berufsgruppen in Deutschland: Eine Studie des ifo Instituts
und der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass alle Bundesländer mit Exportsteigerungen in die USA rechnen
können. Diese Studie geht von einer »tiefen Liberalisierung« aus. Als Vergleichsgröße dienen die Handelseffekte von bereits bestehenden Handelsabkommen. Der
größte Beschäftigungszuwachs ist laut der Studie in
Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern
zu erwarten, die bereits jetzt das höchste Exportniveau
haben. Die positiven Jobeffekte im produzierenden
Gewerbe 7 verteilen sich auf alle Beschäftigungsgruppen. Den größten Anteil am Beschäftigungszuwachs
haben Beschäftigte mit mittlerem Qualifikationsniveau
(Schulabschluss und/oder Berufsausbildung), etwa in
der Metallbearbeitung und in der Herstellung chemischer Erzeugnisse. Aber auch für Geringqualifizierte
(kein Schulabschluss), etwa in der Metallbearbeitung,
der Nahrungsmittelindustrie oder der Tabakverarbeitung, würden weitere Arbeitsplätze entstehen.8
Laut einer weiteren Studie des ifo Instituts würden bei
einer »tiefen Liberalisierung« die durchschnittlichen
Reallöhne in Deutschland langfristig um gut 2 Prozent
im Vergleich zum Niveau von 2010 steigen. Grundlage
für die Reallohnsteigerungen sind höhere Exporte deutscher Firmen in die USA. So führen mehr Ausfuhren zu
mehr Produktion, infolge dessen die Nachfrage nach
Arbeitskräften und somit auch die Löhne steigen. Dies
würde im Übrigen nicht nur den Arbeitnehmern zugutekommen, sondern auch dem Staat mehr Steuereinnahmen bescheren.9
Wie groß die ökonomischen Effekte sein werden, hängt
letztlich davon ab, wie ambitioniert und umfassend das
Abkommen ist. Fest steht: Der Ausbau der transatlantischen Handels- und Investitionsbeziehungen wird zu
mehr und gut bezahlten Arbeitsplätzen auf beiden Seiten des Atlantiks führen und Unternehmen in die Lage
versetzen, Produkte und Dienstleistungen zu günstigeren Preise anzubieten.
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7
EU-Kommission, Transatlantic Trade and Investment Partnership.
The Opportunities for Small and Medium-Sized Enterprises, März
2014,
<http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/march/tradoc_152266.pdf> (eingesehen am 19.3.2014).
2
Europäische Kommission, Vierte Gesprächsrunde über Freihandelsabkommen EU-USA endet in Brüssel: Verhandlungsführer untersuchen, wie KMU die Vorteile des TTIP besser nutzen können,
Pressemitteilung, 14.3.2014, <http://europa.eu/rapid/press-release_
IP-14-272_de.htm> (eingesehen am 22.4.2014).
3
Europäische Kommission, Vierte Gesprächsrunde über Freihandelsabkommen EU-USA endet in Brüssel: Verhandlungsführer untersuchen, wie KMU die Vorteile des TTIP besser nutzen können,
Pressemitteilung, 14.3.2014, <http://europa.eu/rapid/press-release_
IP-14-272_de.htm> (eingesehen am 22.4.2014).
4
Koen G. Berden et al. (Ecorys), Non-Tariff Measures in EU-US Trade
and Investment – An Economic Analysis, 2009, S. 23-24, <http://
trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2009/december/tradoc_145613.
pdf> (eingesehen am 25.2.2014); Klaus Günter Deutsch, Atlantische Einheit im weltweiten Wettbewerb. TTIP in Perspektive, DB
Research, August 2013, S. 11, <http://www.dbresearch.de/PROD/
DBR_INTERNET_EN-PROD/PROD0000000000317986/Atlantische
+Einheit+im+weltweiten+WettbewerbProzent3A+TTIP+in+Perspekti
ve.pdf> (eingesehen am 25.2.2014).
5
Europäische Kommission, In Focus: Transatlantic Trade and Investment Partnership: Questions and Answers, <http://ec.europa.
eu/trade/policy/in-focus/ttip/questions-and-answers/index_
de.htm> (eingesehen am 28.11.2013).
6
Joseph Francois et al. (Centre for Economic Policy Research), Reducing Trans-Atlantic Barriers to Trade and Investment, März
2013, S. vii, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/march/
tradoc_150737.pdf> (eingesehen am 25.2.2014).
7
Der Dienstleistungssektor wurde in der Bertelsmann-Studie aufgrund der fehlenden Datenbasis nicht berücksichtigt.
8
Gabriel Felbermayr et al. (ifo Institut/Bertelsmann Stiftung), Bundesländer, Branchen, Bildungsgruppen – Wirtschaftliche Folgen eines
Transatlantischen Freihandelsabkommens für Deutschland, 2013,
<http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-ED230291002F3FE4/bst/xcms_bst_dms_38862_38869_2.pdf> (eingesehen
am 25.2.2014).
9
Gabriel Felbermayr et al. (ifo Institut/Studie im Auftrag des BMWi),
Dimensionen und Auswirkungen eines Freihandelsabkommens
zwischen der EU und den USA, Januar 2013, <http://www.bmwi.
de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/dimensionenauswirkungen-freihandelsabkommens-zwischen-eu-usa,property=
pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf> (eingesehen am
25.2.2014).
1
8
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»Das hohe Verbraucher- und Umweltschutzniveau der EU
ist in Gefahr. Die Erleichterungen bei Regulierungen und Standards
funktionieren nur, indem Standards gesenkt werden.«
Fakt ist: Sowohl der EU-Handelskommissar Karel De
Gucht wie auch der US-Handelsbeauftragte Michael
Froman haben das »right to regulate in the public
interest« immer wieder hervorgehoben. So betonte
De Gucht am 18. Februar 2014 in Washington:
»Viele Menschen befürchten, dass die TTIP zu
einer Aufweichung der Standards in der EU
führen wird. Ich sage dazu ganz klar, dass es
keine geringeren Standards geben wird, weder
beim Verbraucherschutz noch bei Umwelt- und
Datenschutz oder der Nahrungsmittelsicherheit.
Diese Dinge werden nicht verhandelt. In diesen
Fragen gibt es kein Geben und Nehmen.« 10
EU-Handelskommissar Karel De Gucht
absenken wird. Auch die USA wollen laut Präsident
Obama keine Absenkung ihrer Standards zulassen.12
Fortschritte in der regulatorischen Zusammenarbeit
können dadurch erzielt werden, dass bestehende
Standards gegenseitig anerkannt werden, sofern nachgewiesen werden kann, dass der Standard der anderen Seite einen ähnlich hohen Schutz für den Verbraucher und die Umwelt garantiert. Das Verfahren der
gegenseitigen Anerkennung bietet sich beispielsweise
in der Automobilbranche an: Auf beiden Seiten des
Atlantiks sind Autos grundsätzlich sehr sicher. Es gibt
allerdings unterschiedliche Standards z.B. für Blinker,
Airbags, Spiegel etc. und es werden unterschiedliche
Crash Test Dummies beim Testen neuer Modelle benutzt. Diese verschiedenen Standards und Regulierungen führen zu Modellmodifikationen für beide Märkte,
durch die letztlich unnötige Kosten entstehen.
Froman machte beispielsweise bereits im September
2013 deutlich:
Eine gegenseitige Anerkennung von Standards soll jedoch nicht erfolgen, wenn diese nicht dasselbe Schutzniveau garantieren.
»[…] lassen Sie es mich klar sagen: Nichts, was
wir versuchen durch TTIP zu erreichen, soll die
Bestimmungen, welche in unseren beiden Systemen getroffen wurden, um das angemessene
Maß an Gesundheit, Sicherheit und Umweltschutz herzustellen, untergraben. Wenn wir über
Regulierungen und Standards sprechen, dann
sprechen wir darüber, wie man die Unterschiede zwischen zwei gut regulierten Märkten überbrücken kann, und nicht darüber, eine breite
Deregulierungsagenda in Gang zu setzen.« 11
Ein Bereich, in dem sich die EU und USA bereits erfolgreich auf die gegenseitige Anerkennung von Standards geeinigt haben, ist in der Luftfahrtindustrie zu
finden: Im Mai 2011 trat das Abkommen zwischen
der EU und den USA über die Zusammenarbeit bei
der Regelung der Sicherheit der Zivilluftfahrt in Kraft.
Dieses verringert den technischen und bürokratischen
Aufwand und somit die Kosten für die Luftfahrtbranche. Im Abkommen einigten sich die Parteien auf die
gegenseitige Anerkennung von Zertifizierungsfeststellungen im Bereich Konstruktion, Herstellung und Instandhaltung. Zudem wurde auch der Austausch von
verschiedenen Informationen, die die Luftfahrtsicherheit betreffen, vereinbart. So sollen unter anderem
plötzlich auftretende Sicherheitsprobleme gemeinsam
gelöst werden.13 Darüber hinaus beschlossen die transatlantischen Partner im Jahr 2012 in einem weiteren
Abkommen die gegenseitige Anerkennung ihrer »Air
Cargo Security Regimes«, also der Sicherheitsregeln
zur Abwicklung von Frachtgut. Von der schnelleren
Abwicklung profitieren nicht nur die Luftfrachtunternehmen, sondern auch Kunden.14
US-Handelsbeauftragter Michael Froman
TTIP darf die regulatorische Autonomie der EU und
der USA nicht in Frage stellen – darin sind sich nicht
nur die Verhandlungspartner einig. Auch die deutsche
Wirtschaft hat kein Interesse an einem Abkommen,
das Standards senkt. Denn »Made in Germany« ist
ein weltweit anerkanntes Qualitätssiegel, das nicht
verwässert werden darf. Jeder Staat hat das Recht,
Vorschriften zum Schutz der Verbraucher, der Gesundheit, der Umwelt und des Klimas zu erlassen,
und zwar mit den hohen Schutzstandards, die er für
notwendig hält. Die Europäische Kommission betont,
dass sie die hohen Standards, die beispielsweise im
Lebensmittel- oder Umweltbereich bestehen, nicht
Auch im Bereich Elektromobilität wird die regulatorische Zusammenarbeit bereits auf der Grundlage
hoher Standards vorangetrieben: Ende 2011 legten
die EU und USA mit einer gemeinsamen Absichtserklärung zur Kooperation im Bereich Elektromobi-
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9
lität und intelligente Stromnetze (»smart grids«) den
Grundstein für die Schaffung zweier »EU-US Interoperability Centres«, eines in den USA und eines in der
EU. Durch die beiden Zentren soll die Entwicklung
gemeinsamer Standards für die Elektromobilität und
für »smart grids« vorangetrieben werden. Das USamerikanische Zentrum wurde 2013 in der Nähe von
Chicago eröffnet. Die europäische Schwestereinrichtung soll in diesem Jahr an zwei Standorten, in den
Niederlanden und Italien, eröffnet werden.15
Unter TTIP wollen sich zudem beide Seiten dazu verpflichten, den jeweiligen Partner bei neuen Regulierungen frühzeitig zu informieren und zu konsultieren,
damit neue Handelshürden gar nicht erst entstehen
und Redundanzen von vornherein vermieden werden
können. Dabei bleibt die gesetzgeberische Souveränität der EU und der USA gleichwohl unangetastet.
Europäische Kommission, Einen Gang zulegen: Presseerklärung
von EU-Handelskommissar Karel De Gucht nach Zwischenbilanz
mit dem US-Handelsbeauftragten Michael Froman zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), 18.2.2014,
<http://europa.eu/rapid/press-release_STATEMENT-14-12_de.htm>
(eingesehen am 16.4.2014).
11
Office of the United States Trade Representative, Remarks by U.S.
Trade Representative Michael Froman on the United States, the
European Union, and the Transatlantic Trade and Investment
Partnership, 30.9.2013, <http://www.ustr.gov/about-us/press-office/speeches/transcripts/2013/september/froman-us-eu-ttip> (eingesehen am 16.4.2014) (Übersetzung: Autor).
12
Euractiv, TTIP: Obama sichert EU Verbraucherschutz zu, 27. März
2014, http://www.euractiv.de/sections/europakompakt/ttip-obamasichert-eu-verbraucherschutz-zu-301178
13
Europäische Union, Bahnbrechendes Abkommen EU-USA über
Sicherheit in der Zivilluftfahrt tritt in Kraft, Pressemitteilung,
1.5.2011,<http://europa.eu/rapid/press-release_IP-11-516_de.htm>
(eingesehen am 24.2.2014).
14
Europäische Kommission, EU-US Security Agreement Allows Cheaper and Faster Air Cargo Operations, Pressemitteilung, 1.12.2012,
<http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-544_en.htm> (eingesehen am 20.3.2014).
15
Joint Research Centre, E-vehicles and Smart Grids: First EUUS Interoperability Centre Inaugurated, 18.7.2013, <http://
ec.europa.eu/dgs/jrc/index.cfm?id=1410&dt_code=NWS&obj_
id=17390&ori=RSS> (eingesehen am 19.3.2014).
10
10
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»TTIP untergräbt europäische Gesundheitsstandards bei
gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln und Hormonfleisch.«
Fakt ist: Bisher gab es noch kein Freihandelsabkommen der EU, durch welches Gesundheitsstandards
gesenkt wurden. So wurde etwa im Abkommen mit
Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) kürzlich festgelegt, dass Kanada nur
Fleisch von Rindern, die nicht mit Wachstumshormonen behandelt wurden, in die EU exportieren darf. Die
EU-Kommission sagt deutlich, dass dies auch bei TTIP
nicht anders sein wird. Jede Seite wird weiterhin diejenigen Gesundheits- und Hygienestandards aufrechterhalten oder einführen können, die sie aus Gründen
des Schutzes der Konsumenten und der Umwelt für
notwendig hält. So verlangt es auch das Verhandlungsmandat der Kommission, wie das Bundesministerium
für Wirtschaft und Energie (BMWi) darlegt:
»Orientierung dabei gibt das im Juni 2013 beschlossene Verhandlungsmandat, das folgende
Maßstäbe setzt: […] Das Niveau der internen
Rechtsvorschriften und Normen der Vertragsparteien in den Bereichen Umweltschutz, Arbeitsrecht oder Gesundheitsschutz und Sicherheit
am Arbeitsplatz […] [muss] gewahrt werden.« 16
BMWi
Sowohl die Mehrheit im EU-Parlament als auch die
Mehrheit der Bevölkerung lehnt eine Lockerung der
europäischen Standards im Bereich Lebensmittelsicherheit und Gesundheit vehement ab. Da TTIP
vom Europäischen Parlament verabschiedet und
wahrscheinlich auch von den EU-Mitgliedsstaaten
ratifiziert werden muss, ist es somit höchst unwahrscheinlich, dass die EU die Importrestriktionen
etwa für genetisch veränderte Organismen oder für
Fleisch von Tieren, die mit Hormonen behandelt
wurden, lockern oder Zulassungsverfahren vereinfachen wird.
1. Beispiel: Genetisch veränderte Organismen (GVO)
Die Zulassung von GVO ist in der EU streng geregelt
und erst möglich, nachdem die Europäische Behörde
für Lebensmittelsicherheit (EFSA) den Fall geprüft,
die EU-Kommission einen Vorschlag vorgelegt hat
und die Mitgliedstaaten sich mit »doppelter Mehrheit« für die Zulassung ausgesprochen haben. An
diesem Verfahren wird sich laut EU-Kommission
durch TTIP nichts ändern:
»Über grundlegende Gesetze wird nicht verhandelt werden. Dazu gehören Gesetze über GVO,
zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der
Menschen, der Gesundheit und des Wohlergehens von Tieren oder der Umwelt und der Verbraucherinteressen.« 17
EU-Kommission
Zuständig für die Prüfung von Lebensmitteln ist in
der EU die EFSA. GVO werden in der EU nur nach
einer genauen Risikobewertung zugelassen. Anträge
auf Zulassung von GVO, die bei den nationalen Behörden eingehen, werden an die EFSA weitergeleitet.
Diese Anträge müssen unter anderem bereits Studien
über die Sicherheit dieses GVO, vergleichende Analysen des GVO (z.B. der Inhaltsstoffe) sowie einen
Vorschlag für die Kennzeichnung des Lebens- oder
Futtermittels enthalten.
Die EFSA bewertet die Sicherheit neuer GVO auf
wissenschaftlicher Basis und spricht dann eine Empfehlung an die Kommission und die Mitgliedstaaten
aus. Alle Anträge auf Prüfung von GVO-Lebens- oder
Futtermitteln, die bei der EFSA eingehen, sind öffentlich einsehbar. In die Beratungen der EFSA werden auch die nationalen Behörden und das Referenzlabor der EU miteinbezogen. Die EFSA empfiehlt
nur dann die Zulassung eines GVO-Lebens- oder
Futtermittels, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass
es genauso sicher ist wie ein vergleichbares Produkt
ohne GVO – sowohl im Hinblick auf die Umwelt
und Biodiversität als auch auf die gesundheitliche
Unbedenklichkeit für Mensch und Tier. Dabei folgt
die EFSA dem Vorsorgeprinzip (»precautionary principle«). Demnach wird der Verkauf eines Produktes
oder seine Verwendung eingeschränkt, wenn das Risiko (in diesem Fall von GVO) für die Gesundheit
von Menschen, Tieren, Pflanzen oder für die Umwelt
nicht genau abgeschätzt werden kann und Grund
zur Annahme besteht, dass das Produkt nicht frei
von Risiken ist. Das Vorsorgeprinzip ist auch im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV) festgeschrieben (Art. 191):
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11
2. Beispiel: »Hormonfleisch«
»Die Umweltpolitik der Union zielt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union auf
ein hohes Schutzniveau ab. Sie beruht auf den
Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf
dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit
Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip.«
AEUV, Art. 191, Abs. 2
Mit der EFSA-Stellungnahme befasst sich im nächsten Schritt die Kommission. Sie legt den Mitgliedstaaten einen Entscheidungsvorschlag vor. Über diesen
stimmen dann die Mitgliedsstaaten zuerst im »Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette«, dann in
einem sogenannten Beschwerdeausschuss ab. In den
Ausschüssen ist jeweils eine qualifizierte Mehrheit erforderlich, die dann erreicht ist, wenn mindestens 55
Prozent der Mitgliedstaaten (15 von 28) zustimmen
und gleichzeitig 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentiert sind (»doppelte Mehrheit«). Kommen die
Mitgliedstaaten zu keiner Einigung, so wird der Entscheidungsvorschlag der EU-Kommission umgesetzt.
Zulassungen von GVO sind auf 10 Jahre begrenzt.18
Derzeit sind in der EU insgesamt 55 GVO zugelassen.19
Zugelassene Produkte müssen gekennzeichnet werden, sodass der Verbraucher entscheiden kann, ob er
Produkte mit GVO kauft oder nicht. Die Kennzeichnungspflicht gilt für Produkte, die entweder GVO
enthalten oder aus GVO bestehen, wie Mais oder Sojaschrot. Sie gilt zudem für Produkte, die aus GVO hergestellt wurden, selbst aber keine nachweisbaren GVO
mehr enthalten, wie z.B. Maiskeimöl oder Lecithin
aus gentechnisch verändertem Soja.20
Das beschriebene Verfahren basiert in erster Linie auf
der Europäischen Richtlinie 2001/18/EG und den
darauf beruhenden nationalen Gentechnikgesetzen in
den Mitgliedsstaaten sowie der Europäischen Verordnung 1829/2003 für gentechnisch veränderte Lebensund Futtermittel. An diesem Verfahren wird sich laut
EU-Kommission durch TTIP nichts ändern.
Bei der WTO wurde bereits mehrfach Klage gegen die
EU aufgrund des de-facto-Importverbots von GVO eingereicht. Diese haben bislang nicht dazu geführt, dass die
EU Importquoten oder Zulassungsverfahren gelockert hat.
In den USA werden bei Masttieren häufig Wachstumshormone eingesetzt. In der EU ist der Einsatz
dieser Hormone dagegen verboten. Nun wird befürchtet, dass die USA in den TTIP-Verhandlungen auch
auf den Markzugang für Fleisch von Tieren, die mit
Wachstumshormonen behandelt wurden, bestehen
werden. Das Verbot von solchem Fleisch ist, wie auch
das Verbot von »Chlorhühnchen«, laut der Kommission nicht verhandelbar und wird nicht Gegenstand
von TTIP sein:
Ȇber die strengen Vorschriften der EU wird
nicht verhandelt – weder über diejenigen über
Hormone noch die zum Schutz des Lebens und
der Gesundheit der Menschen, der Gesundheit
und des Wohlergehens von Tieren oder der
Umwelt und der Verbraucherinteressen.« 21
EU-Kommission
Fleisch von Rindern, die mit Hormonen behandelt
wurden, war bereits Gegenstand eines WTO-Streitschlichtungsverfahrens. Die USA hatten 1996 Klage
bei der WTO eingereicht, nachdem die EU bereits über
Jahre den Import von »Hormonfleisch« eingeschränkt
und schließlich komplett verboten hatte. 1997 urteilte
schließlich das WTO-Streitschlichtungspanel, dass
das Importverbot der EU nicht auf wissenschaftlichen
Erkenntnissen beruhe und daher nicht rechtmäßig sei.
Auch nachdem die EU Berufung eingelegt hatte, blieb
die WTO bei ihrem Urteil.
Statt dem Urteil der WTO zu folgen, entschied die EU,
lieber Vergeltungsmaßnahmen der USA in Kauf zu
nehmen. Die EU und die USA konnten sich allerdings
nach jahrelangen Verhandlungen 2009 auf einen
Kompromiss einigen: Dieser beinhaltet die Erhöhung der Marktzugangsquote für US-amerikanisches
Fleisch von Rindern, welche nicht mit Hormonen
behandelt wurden; das Importverbot auf »Hormonfleisch« wird beibehalten.
12
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TTIP: Mythen, Fakten, Argumente
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)/Sigmar Gabriel, Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) Abkommen: Ziele und Bedingungen für die Berücksichtigung von
Nachhaltigkeit, Arbeitnehmerrechten und die Gewährleistung
der Daseinsvorsorge, S. 1, <http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/
PDF/S-T/ttip-abkommen-ziele-und-bedingungen-schutzstandards
,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf> (eingesehen am 17.4.2014).
17
Europäische Kommission, TTIP: Häufig gestellte Fragen, <http://
ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/questions-and-answers/index_de.htm> (eingesehen am 16.4.2014).
18
Transgen, Zulassung in der EU: Der lange Weg vom Antrag bis
zur Entscheidung, <http://www.transgen.de/recht/gesetze/641.
doku.html> (eingesehen am 10.2.2014); Umweltbundesamt (Österreich), Zugelassene Genetisch Veränderte Organismen (GVO),
<http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/gentechnik/zulassungen/> (eingesehen am 10.2.2014); Europäische Kommission,
TTIP: Häufig gestellte Fragen, <http://ec.europa.eu/trade/policy/infocus/ttip/questions-and-answers/index_de.htm> (eingesehen am
10.2.2014).
19
Transgen, Gentechnisch veränderte Pflanzen, Lebens- und Futtermittel: Zulassungen in der EU, <http://www.transgen.de/zulassung/gvo/> (eingesehen am 22.4.2014).
20
Umweltbundesamt (Österreich), Kennzeichnung, <http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/gentechnik/kennzeichnung/>
(eingesehen am 10.2.2014).
21
Europäische Kommission, TTIP: Häufig gestellte Fragen, <http://
ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/questions-and-answers/index_de.htm> (eingesehen am 16.4.2014).
16
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13
»TTIP wird unsere hohen Arbeitsstandards in Deutschland aushöhlen.«
Fakt ist: Das Verhandlungsmandat der EU untersagt
ausdrücklich, dass Arbeits- und Sozialstandards zur
Disposition gestellt werden. Bereits im Vorfeld der Verhandlungen haben sich die EU und die USA gemeinsam zu ihrem hohen Niveau auf dem Gebiet bekannt.
In einem Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung und
zu Sozialstandards sollen auf der Basis existierender
Freihandelsabkommen in TTIP Kernthemen adressiert
werden. 22
Die Europäische Kommission hat ihre detaillierte
Position zu Nachhaltigkeitsthemen wie Arbeits- und
Sozialstandards im Zuge der ersten Verhandlungsrunde veröffentlicht. 23 Wichtige Kernelemente sind:
–TTIP soll die Vertragsparteien nicht in ihrer Freiheit einschränken, eigene regulatorische Maßnahmen (z.B. Mindestlohn, Kündigungsschutz) aufrechtzuerhalten oder weiterzuverfolgen, wenn sie
mit internationalen Standards und Abkommen vereinbar sind.
Mit Blick auf die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung, dass TTIP
in Deutschland nicht nur zu mehr Arbeitsplätzen, sondern auch zu höheren Einkommen entlang aller Einkommensgruppen führen kann. 24 Auch eine Studie der
International Labour Organization (ILO) kommt zu
dem Ergebnis, dass präferenzielle Handelsabkommen
mehr und besser bezahlte Arbeitsplätze zur Folge haben: Handelsschaffung erhöht die Anzahl der exportierenden Unternehmen in einer Volkswirtschaft, die in
der Regel höhere Einkommen bezahlen. Die Vorteile
für Arbeitnehmer seien bei Freihandelsabkommen unter »natürlichen Partnern«, die bereits intensive Handelsbeziehungen unterhalten, besonders groß, weil
diese Abkommen zu mehr handelsschaffenden Effekten führen. 25 EU und USA sind ohne Zweifel solche
»natürlichen Partner«.
–TTIP soll den positiven Beitrag der Handelsvereinbarungen zur nachhaltigen Entwicklung maximieren.
–
Die Verhandlungspartner sollten einen umfassenden und ambitionierten Ansatz für Handel und
Nachhaltigkeit in einem integrierten Kapitel vereinbaren.
–Das Nachhaltigkeitskapitel in TTIP soll sicherstellen, dass die Ausweitung der Wirtschaftsaktivitäten
sozial- und umweltpolitische Maßnahmen nicht
untergräbt.
–TTIP soll dazu dienen, im Wettbewerbsrecht (etwa
mit Blick auf Sozial- und Umweltdumping) gemeinsam hohe Standards zu entwickeln, die dann besser
gegenüber Drittländern geltend gemacht werden
können.
–Zur Umsetzung, Überwachung und Durchsetzung
der Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards sollen starke Mechanismen eingeführt werden, die
auf Transparenz, regelmäßigem Dialog und enger
Zusammenarbeit aufbauen. Diese Mechanismen
sollen auch die Zivilgesellschaft und unabhängige
Gutachten einschließen.
High Level Working Group on Jobs and Growth, Final Report,
11.2.2013, S. 5, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/february/tradoc_150519.pdf>.
23
Europäische Kommission, EU – US Transatlantic Trade and Investment Partnership. Trade and Sustainable Development. Initial
Position Paper, 16.7.2013, S. 2, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/
docs/2013/july/tradoc_151626.pdf>.
24
Global Economic Dynamics/ Bertelsmann Stiftung, Wirtschaftliche
Folgen eines Transatlantischen Freihandelsabkommens (THIP)
für Deutschland, Oktober 2013, <http://www.ged-shorts.de/wpcontent/uploads/2013/10/TTIP_II_de1.pdf>.
25
International Labor Office, Preferential Trade Agreements and the
Labour Market, 2012, S. 31, <http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/
public/---ed_emp/documents/publication/wcms_177246.pdf> .
22
BDI-Präsident Ulrich Grillo zu TTIP:
Der deutschen Industrie geht es darum, ein Abkommen mit hohen
Standards zu schaffen. TTIP ist kein Deregulierungsprojekt. Ziel ist
nicht, Sozial-, Arbeits- oder Gesundheitsstandards zu senken. Produkte
»made in Germany« sind weltweit aufgrund ihrer Qualität gefragt, insofern profitieren wir von hohen Standards. Im Übrigen haben auch
die Amerikaner kein Interesse daran, ihre Standards zu senken.
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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
Abteilung Außenwirtschaftspolitik
BDI-Hintergrundpapier
TTIP: Mythen, Fakten, Argumente
»TTIP braucht keine Investitionsschutzklauseln.
Ganz im Gegenteil sind diese gefährlich, denn sie ermöglichen
es US-Investoren, europäische oder deutsche Gesetzgebung,
etwa im Umwelt- und Sozialbereich, zu kippen.«
Fakt ist: Investitionsschutz- und -förderverträge (IFV)
sind ein wichtiges Instrument, um Direktinvestitionen im Ausland (ADI) zu fördern, indem Investoren
vor Risiken abgesichert werden und über Schiedsverfahren die Schlichtung von Investitionsstreitigkeiten ermöglicht wird. IFV erlauben dem Investor,
bei Vertragsverletzungen im Zielland der Investition
vor internationalen Schiedsgerichten zu klagen. Die
Schiedssprüche sind endgültig und bindend. Schiedssprüche können gleichwohl den Gesetzgeber nicht
zwingen, ein Gesetz zurückzunehmen. Vielmehr geht
es um eine Entschädigung des Investors.
Investitionen sind ein wichtiger Faktor für Wirtschaftsund Beschäftigungswachstum. Die deutschen Direktinvestitionen im Ausland haben sich seit 2000 fast
verdoppelt und sind seit 1990 um das Fünffache gewachsen.26 2011 betrug der Bestand deutscher Direktinvestitionen im Ausland 1,1 Billionen Euro.27 Deutsche
Unternehmen sind über ihre Investitionen mittelbar
oder unmittelbar Arbeitgeber von rund 6,3 Millionen
Menschen (2011) im Ausland.28 Die wachsende Bedeutung der ADI zeigt sich beispielsweise daran, dass
die deutsche Automobilindustrie seit 2009 mehr Automobile im Ausland produziert als aus Deutschland
ausgeführt werden. Gerade die Zwei-Säulen-Strategie
»Export aus Deutschland« sowie »Vor-Ort-Produktion
mittels Investitionen in zentralen Wachstumsländern«
stellt einen wichtigen Erfolgsfaktor der deutschen
Automobilindustrie für mehr Wachstum dar.
ADI fließen aber nur, wenn Investoren darauf vertrauen können, dass sie vor politischen Risiken geschützt
sind. Zu den potenziellen Risiken im Ausland gehören Verstaatlichungen, Enteignungen (einschließlich
indirekter Enteignung), Verletzung von Zusagen,
Krieg, Revolution, Aufruhr, terroristische Akte, Zahlungsverbote, Moratorien, Konvertierungs- und Transferprobleme. IFV können diese Risiken senken und
so Wachstum fördern. Denn sie bieten vier zentrale
Garantien: An erster Stelle ist der Schutz vor Diskriminierung zu nennen. Zweitens wird der Investor vor
kompensationsloser Enteignung geschützt, wozu auch
die indirekte Enteignung gehört. Drittens schützt ein
IFV vor unbilliger und ungerechter Behandlung. Und
viertens wird der freie Transfer von Kapital garantiert.
Die meisten IFV definieren, welche Investoren und
welche Art von Investitionen unter das Abkommen
fallen. Neuere IFV beinhalten zudem Klauseln, die
das Recht des Staates unterstreichen, im öffentlichen
Interesse, beispielsweise zum Schutz von Gesundheit
und Umwelt, regulierend tätig zu werden.
Deutschland ist ein Pionier des völkerrechtlichen
Investitionsschutzes und verfügt mit 139 IFV, von denen 131 in Kraft getreten sind, über die größte Anzahl
dieser Verträge. Sie bilden eine wichtige Grundlage
des Erfolgs der deutschen Wirtschaft. Mit dem Vertrag
von Lissabon ist die Kompetenz über den Abschluss
von IFV an die EU übergegangen. Diese verhandelt
zurzeit ein IFV mit China. Das Handelsabkommen mit
Kanada (CETA), das in den kommenden Monaten unterzeichnet werden soll, ist das erste Handelsabkommen der EU, das ein umfassendes Investitionskapitel
enthält. Und auch in TTIP werden Investitionsschutz
und Marktzugang für Investitionen verhandelt.
IFV sind ursprünglich entstanden, um Investitionen
in weniger entwickelte Länder mit schlecht funktionierenden Rechtssystemen zu schützen. Dadurch
wurden ADI teilweise überhaupt erst möglich gemacht. Aber auch in einem Abkommen mit einem
hoch entwickelten Land wie den USA, welches ein
verlässliches Rechtssystem besitzt, ist es sinnvoll, Investitionsschutz einschließlich eines Investor-StaatSchiedsmechanismus zu verhandeln. Dafür gibt es
eine Reihe von Gründen:
–Erstens kann man durch ein ausgereiftes Investitionsschutzkapitel mit den USA einen globalen Standard schaffen, welcher als Vorlage für neue IFV dienen kann.
–Zweitens können in TTIP die Defizite bestehender
IFV angegangen werden.
–Drittens können so auch bestehende IFV von EUMitgliedstaaten mit den USA verbessert werden,
welche durch das Investitionsschutzkapitel in TTIP
ersetzt würden.
–Viertens wäre es aus EU-Sicht politisch schwierig,
zwischen Länder zu diskriminieren, wobei mit einigen ein Investor-Staat-Schiedsverfahren vereinbart
wird, mit anderen hingegen nicht. Eine einfache Unterscheidung zwischen OECD- und Nicht-OECDLändern ist hier nicht zielführend, wie allein das
Beispiel Mexiko zeigt. Mexiko ist OECD-Land. In
der Rangliste aller bisherigen Schiedsverfahren
liegt es auf Platz vier. Ein Schutz von Investitionen
ist hier unabkömmlich. Die EU verhandelt derzeit
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Abteilung Außenwirtschaftspolitik
ein Investitionsabkommen mit China, welches aus
Sicht europäischer Unternehmen unbedingt ein
Investor-Staat-Schiedsverfahren beinhalten sollte.
Das Ergebnis der TTIP-Verhandlungen wird auch
das Investitionsabkommen mit China beeinflussen.
BDI-Hintergrundpapier
TTIP: Mythen, Fakten, Argumente
17
haben am 27. März begonnen und dauern drei Monate an. Im engen Austausch mit der Zivilgesellschaft,
Wirtschaft und Wissenschaft will die Kommission die
angestrebte Reform der Investitionsvereinbarungen
voranbringen.
–Fünftens kann es auch in den USA zur Diskriminierung ausländischer Investoren kommen. Das
Risiko, dass US-Gerichte durch TTIP geschaffenes
Völkerrecht nur bedingt oder verzögert anerkennen könnten, ist nicht auszuschließen. Es könnte
also sein, dass ein europäischer Investor in den
USA, der sich auf eine Vereinbarung im Rahmen
von TTIP beruft, vor einem US-Gericht keinen Erfolg hat. Ein Investor-Staat-Schiedsmechanismus
würde dem Investor zusätzliche Sicherheit geben.
Insgesamt wurden bis 2012 weltweit 514 Fälle bekannt, von denen bislang 244 Fälle abgeschlossen
wurden. Bei den bisher abgeschlossenen 244 Schiedsverfahren wurde in 42 Prozent der Fälle zugunsten der
Staaten entschieden und in 31 Prozent zugunsten der
Investoren. 27 Prozent der Fälle wurden beigelegt.29
Am häufigsten richteten sich Schiedsverfahren bislang gegen Argentinien, Venezuela, Ecuador und Mexiko. Deutschland wurde bisher zweimal vor einem
Schiedsgericht verklagt.30 Die meisten der weltweit
erfassten Fälle wurden von US-Klägern initiiert (123
Fälle bzw. 24 Prozent aller bisher erfassten Fälle).
Nimmt man alle EU-Mitgliedstaaten zusammen, sind
Investoren aus EU-Ländern die häufigsten Kläger. Innerhalb der EU nutzten deutsche Investoren solche
Schiedsinstanzen neben niederländischen und britischen Investoren am häufigsten. Deutsche Investoren
haben bisher insgesamt 27 Mal geklagt.
Investitionsschutzverträge und Investor-Staat-Schiedsverfahren sind wichtige Instrumente zum Schutz deutscher Investitionen im Ausland, weisen jedoch eine
Reihe von Problemen auf. Mangelnde Transparenz,
ungenaue Rechtsbegriffe, Anfälligkeit für missbräuchliche Klagen, fehlender Berufungsmechanismus –
dies sind nur einige der Probleme von InvestorStaat-Schiedsverfahren.
Die EU hat diesen Reformbedarf erkannt. Ende Januar
2014 setzte die Kommission die Gespräche zum
Investitionsschutz im Rahmen der TTIP-Verhandlungen aus, um Konsultationen mit der Zivilgesellschaft
und Wirtschaft durchzuführen. Die Konsultationen
Deutsche Bundesbank, Makroökonomische Zeitreihen, via <http://
www.bundesbank.de/Navigation/DE/Statistiken/Zeitreihen_Datenbanken/Makrooekonomische_Zeitreihen/makrooekonomische_zeitreihen_node.html> (eingesehen am 26.3.2014).
27
Deutsche Bundesbank, Bestandserhebung über Direktinvestitionen. Statistische Sonderveröffentlichung 10, 2013, S. 25, <http://
www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Statistische_Sonderveroeffentlichungen/Statso_10/statso_10_bestandserhebung_ueber_direktinvestitionen_2013.pdf?__
blob=publicationFile>.
28
Deutsche Bundesbank, Bestandserhebung über Direktinvestitionen. Statistische Sonderveröffentlichung 10, April 2013, S. 6,
<http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Statistische_Sonderveroeffentlichungen/Statso_10/statso_10_bestandserhebung_ueber_direktinvestitionen_2013.pdf?__
blob=publicationFile>.
29
UNCTAD, Recent Developments in Investor State Dispute Settlement (ISDS), Mai 2013, S. 1, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaepcb2013d3_en.pdf> (eingesehen am 26.2.1014).
30
Laut der UNCTAD-Datenbank gab es drei Fälle gegen Deutschland.
Der dritte Fall wurde vorzeitig abgebrochen.
26
18
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BDI-Hintergrundpapier
TTIP: Mythen, Fakten, Argumente
»TTIP führt zu Privatisierungen im Bereich
der Wasserversorgung, Gesundheit und Bildung.«
Fakt ist: Eine Privatisierung der öffentlichen Versorger ist laut EU-Kommission und ihrem Verhandlungsmandat nicht zu befürchten. Privatisierungen werden
von Regierungen selbst und nicht durch Freihandelsabkommen beschlossen.
satz zu den US-Einzelstaaten geschlossen implementiert, einschließlich des neuesten EU-Mitglieds Kroatien.
»[D]er besondere Status von öffentlichen Dienstleistungen in der EU ist fest im EU-Vertrag verankert und wird nicht angetastet. Daher wird die EU
auch nicht das Recht von Gemeinden, die Wasserversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge anzubieten, zur Verhandlung stellen.« 31
EU-Kommission
Im WTO-Dienstleistungsabkommen (General Agreement on Trade in Services, GATS) ist zudem eine
Beschränkung des Marktzugangs für den Bereich der
öffentlichen Daseinsvorsorge vorgesehen. Dadurch
ist es der EU erlaubt, Monopole für die öffentliche Daseinsvorsorge bis hin zur Gemeindeebene zu wahren.32
Im Rahmen von TTIP ist eine gegenseitige Öffnung
der öffentlichen Beschaffungsmärkte geplant, die aber
nicht zu Privatisierungen führt. Vielmehr geht es darum, dass europäische Anbieter bei der öffentlichen
Auftragsvergabe in den USA gegenüber US-amerikanischen Bietern nicht benachteiligt werden sollen,
und umgekehrt. Zur öffentlichen Auftragsvergabe
gibt es bereits ein WTO-Abkommen (das Government
Procurement Agreement, GPA). Von diesem sind jedoch 13 US-Bundesstaaten ausgenommen. Dazu gehören beispielsweise Indiana, Ohio oder auch New
Mexiko. In zahlreichen Bundesstaaten gibt es Ausnahmen für die öffentliche Vergabe bei bestimmten
Stahlarten, Kraftfahrzeugen und Kohle. Dies ist beispielsweise in Illinois, Michigan und Pennsylvania
der Fall. Bundesstaaten, die das GPA nicht unterzeichnet oder Ausnahmen festgelegt haben, können
entsprechend zwischen ausländischen und heimischen Anbietern sowie ausländischen und inländischen Gütern und Dienstleistungen diskriminieren.
Europäische Unternehmen erhoffen sich also durch
TTIP auch unterhalb der bundesstaatlichen Ebene
besseren Zugang zum öffentlichen Beschaffungsmarkt der USA zu bekommen. Die europäischen
Beschaffungsmärkte sind bereits sehr offen. Die EUMitgliedstaaten haben das GPA der WTO im Gegen-
Europäische Kommission, EU-US-Handelsabkommen: Hier sind die
Fakten, 18.2.2014, S. 2, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/
december/tradoc_152030.pdf> (eingesehen am 26.2.2014).
32
Europäische Kommission, Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) – aktueller Stand der Verhandlungen, 19.3.2014, S. 5, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/
march/tradoc_152274.pdf>
31
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BDI-Hintergrundpapier
TTIP: Mythen, Fakten, Argumente
19
»TTIP schwächt die bäuerliche Landwirtschaft in der EU.«
Fakt ist: Im Landwirtschaftsbereich haben sowohl
die EU als auch die USA offensive Interessen. Die
USA möchten mehr Grunderzeugnisse wie Getreide
und Soja in die EU exportieren, während die EU mehr
höherwertige Lebensmittel wie Wein, Käse und Schokolade in die USA ausführen möchte. Ein offensives
Interesse der EU ist die Anerkennung von in der EU
geschützten geografischen Herkunftsangaben auch in
den USA (z.B. Bayerisches Bier, Schwäbische Spätzle,
Nürnberger Bratwürste oder Parmaschinken).
deutlich und kommt sowohl Verbrauchern als auch
Bauern zugute. Mit Kanada, der Schweiz und Japan
hat die EU solche Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Bioproduktzertifizierungen ebenfalls
abgeschlossen.
Gerade auf landwirtschaftliche Produkte erheben die
USA und die EU immer noch teilweise sehr hohe Zölle.
Der durchschnittliche US-Zoll auf Milchprodukte
liegt bei knapp 20 Prozent. Bei Getränken und Tabak liegt der Durchschnittszoll bei 14 Prozent. Auch
Zollspitzen sind sehr hoch. So liegt der höchste Zoll
bei Früchten, Gemüse und Pflanzen in den USA bei
132 Prozent; in der Produktgruppe Ölsamen, Fette
und Öle liegt er bei 164 Prozent und in der Gruppe
Getränke und Tabak sogar bei 350 Prozent. 33 Von einer Öffnung der Märkte für landwirtschaftliche Güter
profitiert also auch die EU.
Überdies gibt es auch in den USA eine große Nachfrage nach »Bioprodukten«, also nach Lebensmitteln, die aus ökologischem Anbau stammen. Das USamerikanische Landwirtschaftsministerium hat ein
»Organic«-Siegel entwickelt, um Produkte aus ökologischem Anbau zu zertifizieren. Um dieses Siegel
zu erhalten, müssen Bauernhöfe und Weiterverarbeitungsunternehmen eine Reihe von Kriterien erfüllen.
Unter anderem sollen sie natürliche Rohstoffe und
die Biodiversität erhalten und die Gesundheit und das
Wohlbefinden von Tieren fördern. Weitere Voraussetzungen sind Freilandhaltung von Tieren, Verzicht auf
GVO, jährliche Inspektionen und eine strenge Trennung von Nahrungsmitteln aus ökologischem und
nicht-ökologischem Anbau im Produktionsprozess. 34
Die Zertifizierungsanforderungen für Bioprodukte
sind also auch in den USA sehr streng. Die EU und
die USA haben sich im Februar 2012 auf die gegenseitige Anerkennung ihrer Zertifizierungen für Bioprodukte geeinigt; im Juni 2012 trat das Abkommen in
Kraft. Dieses gilt für alle landwirtschaftlichen Produkte mit Ausnahme von Fisch und Meeresfrüchten sowie von Produkten, die Antibiotika enthalten (sowohl
die EU als auch die USA verwenden teilweise Antibiotika in der landwirtschaftlichen Produktion). 35 Diese
gegenseitige Anerkennung erweitert den Markt für
europäische wie für US-amerikanische Bioprodukte
WTO, Tariff Profile USA, <http://stat.wto.org/TariffProfile/WSDBTariffPFView.aspx?Language=E&Country=US> (eingesehen am 10.2.2014).
34
U.S. Department of Agriculture, Organic Agriculture, <http://www.
usda.gov/wps/portal/usda/usdahome?contentidonly=true&contenti
d=organic-agriculture.html> (eingesehen am 25.2.2014).
35
Europäische Kommission, European Union and United States agree to Historic New Partnership on Organic Trade, Pressemitteilung, 15.2.2012, <http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-138_
en.htm> (eingesehen am 22.4.2014); »EU, US deal seen boosting
trade in organic goods«, in: Reuters, 15.2.2012, <http://www.reuters.
com/article/2012/02/15/eu-us-organic-idUSL5E8DF22D20120215>
(eingesehen am 22.4.2014).
33
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BDI-Hintergrundpapier
TTIP: Mythen, Fakten, Argumente
»TTIP schadet dem multilateralen Handelssystem
wie auch Drittstaaten.«
Fakt ist: Der multilaterale Weg ist und bleibt der
Königsweg für die weitere Handelsliberalisierung.
Die Einigung auf ein WTO-Abkommen auf Bali hat
gezeigt, dass die USA und die EU auch auf multilateraler Ebene weiter verhandeln und stark an einer
weiteren multilateralen Handelsliberalisierung interessiert sind. Dennoch gibt es bei wichtigen Themen
der WTO-Agenda (z.B. Marktzugang für Investitionen
und Dienstleistungen, Regeln für Wettbewerbspolitik,
Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte) derzeit
keine Fortschritte. So erklärt die EU-Kommission:
»Die EU bleibt bei ihrer klaren Präferenz für ein
weltweites, multilaterales Abkommen als Ziel –
solange jedoch die Verhandlungen in Genf hier
keine Perspektive eines Abschlusses in absehbarer Zukunft zeigen, ist es notwendig auch bilateral voranzugehen.« 36
Standard einigen können, ergeben sich zudem auch
für Produzenten in Drittstaaten unmittelbar positive
Effekte, indem diese nicht mehr für zwei unterschiedliche Regulierungssysteme produzieren müssen, sondern dem gemeinsamen Standard folgen können.
Drittländer könnten zudem von TTIP profitieren,
wenn es gelingt, einfache Ursprungsregeln zu entwickeln. Ursprungsregeln legen die zollrechtliche
Herkunft eines Produkts fest. Wenn Ursprungsanforderungen zwischen verschiedenen Handelsräumen
unterschiedlich gestaltet sind und mit zu komplexen
Vorschriften geregelt werden, wird es gerade für mittelständische Unternehmen schwierig, von Zollvergünstigungen Gebrauch zu machen. Die deutsche Wirtschaft
setzt sich daher, mit Ausnahme weniger Sektoren, für
ein Freiverkehrsprinzip (d.h. Wegfall präferenzieller
Ursprungsregeln) oder zumindest eine Vereinfachung
der Ursprungsregeln ein.
EU-Kommission
Bilaterale Abkommen wie TTIP können daher den
multilateralen Prozess sinnvoll ergänzen, indem sie
Regeln entwickeln, die über bestehende WTO-Standards hinausgehen. Diese Regeln könnten dann eine
Grundlage und einen Impuls für den multilateralen
Prozess darstellen. Wichtig ist dabei, dass die Ergebnisse von TTIP WTO-konform sind. Wenn dies gelingt,
würde das multilaterale Handelssystem vom TTIP
profitieren.
Dass Brasilien auf ein Freihandelsabkommen mit der
EU dringt, und dass der ehemalige WTO-Generalsekretär Lamy fordert, die WTO müsse auch über regulatorische Handelshemmnisse verhandeln können,
sind erste Anzeichen dafür, dass die TTIP-Verhandlungen bereits jetzt Liberalisierungseffekte jenseits des
transatlantischen Raums auslösen.
Daneben ist es wichtig, TTIP so zu gestalten, dass es
möglichst keine negativen Auswirkungen für Drittländer gibt. Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass durch
ein Präferenzabkommen handelsumleitende Effekte
entstehen, die zu negativen Auswirkungen für Länder führen, die nicht Teil des Abkommens sind. Das
Risiko negativer Effekte kann jedoch reduziert werden. So sollte das Abkommen offen sein: Drittländer
sollten die Möglichkeit haben, TTIP beizutreten. Dort,
wo sich die EU und die USA auf einen gemeinsamen
Europäische Kommission, Deutschland und TTIP. Die geplante Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der Europäischen
Union und den Vereinigten Staaten (TTIP), S. 7, <http://ec.europa.
eu/deutschland/pdf/131003_country_fiche_de.pdf>(eingesehen am
17.4.2014).
36
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BDI-Hintergrundpapier
TTIP: Mythen, Fakten, Argumente
21
»TTIP wird hinter verschlossenen Türen verhandelt.«
Fakt ist: Transparenz ist die Grundlage für eine
faktenbasierte Diskussion. Es ist daher zu begrüßen,
wenn möglichst viele Informationen über die Verhandlungen öffentlich gemacht werden. Zugleich ist
es in internationalen Verhandlungen üblich, nicht
alle Verhandlungsdokumente offenzulegen.
Der Verhandlungsprozess ist dadurch jedoch keineswegs undemokratisch oder geheim: Die Kommission,
die auf der Grundlage eines Mandats des Europäischen Rates die Verhandlungen führt, informiert die
Mitgliedstaaten und den Handelsausschuss des Europäischen Parlamentes vor und nach jeder Verhandlungsrunde. Die Mitgliedsstaaten und nationalen Parlamente, somit auch Bundestag und Bundesrat, haben
Zugang zu einer Vielzahl an Dokumenten. 37
»Die Bundesregierung führt durch das BMWi
auf breiter Basis eine Beteiligung sowohl der
Wirtschaftsverbände als auch von Akteuren
der Zivilgesellschaft durch, um alle relevanten
Aspekte einzubeziehen. Stellungnahmen und
Positionspapiere aller Verbände, Gewerkschaften und interessierter Organisationen fließen
gleichermaßen in die Meinungsbildung und Positionierung der Bundesregierung ein. […] Der
Bundesregierung ist nicht bekannt, dass Mitglieder von BUSINESSEUROPE oder anderen
in Brüssel tätigen Gruppen Zugriff auf weitergehende Informationen zu den Verhandlungen
haben.« 39
Nach Abschluss der Verhandlungen müssen EU-Rat
und -Parlament dem Abkommen zustimmen. Zudem
ist es wahrscheinlich, dass es sich bei TTIP um ein
»gemischtes Abkommen« handeln wird. Bei einem
gemischten Abkommen teilt die EU ihre Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten, und die einzelnen
Mitgliedstaaten sind ebenfalls Vertragsparteien. Ein
gemischtes Abkommen liegt vor, wenn der Inhalt des
Abkommens in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten hineinreicht. In einem solchen Fall ist auch
die Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten notwendig. Im Falle Deutschlands müsste der Deutsche Bundestag ein Vertrags- oder Zustimmungsgesetz verabschieden. Durch die kontinuierliche Einbindung und
die Zustimmung der gewählten Volksvertreter und
Regierungen zu einem Abkommen ist dessen demokratische Legitimität somit sichergestellt.
Zudem hat die EU-Kommission ein beratendes Gremium ins Leben gerufen – die TTIP Advisory Group –
welcher Vertreter aus NGOs, Gewerkschaften und
Wirtschaft angehören. Dieses Gremium wird die
Kommission im weiteren Verlauf der Verhandlungen beraten und teilweise (auf vertraulicher Basis)
auch Zugang zu Verhandlungstexten bekommen. 38
Vertreter der Industrie haben darüber hinaus keinen privilegierten Zugang zu nicht-öffentlichen Dokumenten, weder auf der deutschen noch auf der
europäischen Ebene. So antwortete die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Abgeordneten
der Fraktion Die Linke:
Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion der SPD – Drucksache 17/14724
– Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft,
24.9.2013, <http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/147/1714787.
pdf> (eingesehen am 26.2.2014).
38
Europäische Kommission, Press release: Expert group to advise
European Commission on EU-US trade talks, 27.1.2014, <http://
europa.eu/rapid/press-release_IP-14-79_en.htm> (eingesehen am
10.2.2014). Mitglieder der Advisory Group: <http://trade.ec.europa.
eu/doclib/docs/2014/january/tradoc_152102.pdf> (eingesehen am
10.2.2014).
39
Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/258 – Verhandlungen zum EU-USA-Freihandelsabkommen, 28.1.2014, <http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/118/
003/1800351.pdf> (eingesehen am 16.4.2014).
37
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Abteilung Marketing, Online und Veranstaltungen
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Das Druckteam Berlin
www.druckteam-berlin.de
Verlag
Industrie-Förderung GmbH, Berlin
Bildnachweis
Cover: Gina Sanders / fotolia.com
Seite 05: Dmitry Ersler / fotolia.com
Seite 14-15: finecki / fotolia.com
Stand
April 2014
BDI-Publikations-Nr. 0005
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