im Serum von euthyreoiden hospitalisierten und ambulanten Patienten

TSH-, FT3- und FT4-Konzentrationen
im Serum von euthyreoiden hospitalisierten
und ambulanten Patienten
Die Frage, inwieweit die Algorhythmen der Schilddrüsenlabordiagnostik auch bei hospitalisierten und ambulanten
Patienten mit einem breiten nicht-endokrinologischen Krankheitsspektrum verlässlich angewandt werden können, ist
von grosser Wichtigkeit für den klinisch tätigen Arzt. Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, welche labordiagnostischen Besonderheiten bei Ausschluss von Schilddrüsenfunktionsstörungen für intensivpflichtige Patienten sowie
für Patienten mit Herzerkrankungen, rheumatischen Erkrankungen, Typ2 Diabetes Mellitus bzw. Nierenerkrankungen
berücksichtigt werden müssen. Dabei sollen spezifische und allgemeine Einflussfaktoren auf die Konzentration der
Serumparameter an TSH, FT3 und FT4 aus einer eigenen Studie und aus Literaturzitaten dargestellt und miteinander
verglichen werden.
1. Einflussfaktoren auf die Serum ­TSH-Konzentration
Die Verteilung der TSH-Konzentrationen von Patienten aus der
Intensivtherapie (ICU), von Patienten mit Herz (HD)- und rheumatischen Erkrankungen (RD) sowie von Patienten mit Diabetes
Mellitus (DM) bzw. Niereninsuffizienz (KI) ist in der folgenden
Abbildung dargestellt:
5
TSH [mU/L]
4
3
2
1
0
ICU
HD
RD
Patientengruppe
DM
KI
Es lässt sich eine deutliche Verminderung der TSH-Werte bei
ICU- und RD-Patienten gegenüber allen denen der anderen
Patientengruppen erkennen. Die Serumkonzentrationen der
HD-, der DM- und der KI-Gruppe zeigen dagegen nur geringe
Unterschiede in der medianen Konzentration. Folgende Ursachen
kommen für die Veränderung der TSH-Konzentration in den
einzelnen Patientenkollektiven in Frage:
Allgemeine Einflussfaktoren
TSH verringernde Faktoren sind ein akuter Status der Erkrankung (Infektionen, etc.), ein ausgeprägt schwerer (preterminaler)
Krankheitsverlauf (z.B. Sepsis), chirurgische Eingriffe, aber auch
Fasten und Rauchen. Als weitere potentiell TSH verringernde
Faktoren kommen vor allem Medikamente wie Dopamin, Heparin, Calcium-Antagonisten und nichtsteroidale Antirheumatika
(NSAR) in Frage.
Leberzirrhose und Hypercholesterinämie können zur Erhöhung
von TSH-Werten führen. Weitere potentiell TSH erhöhende
Faktoren sind Stress bzw. Menopause. Auch können die TSHKonzentrationen durch die Gabe von Lithium, Beta-Blockern und
Opioiden erhöht werden.
• Rheumatische Erkrankungen:
Glukokortikoide und NSAR führen zur Verminderung des basalen
TSH-Spiegels. Dieser Zusammenhang scheint die Tendenz zu niedrigeren Werten in der RD-Gruppe zu erklären.
2. Einflussfaktoren auf die Serum FT4-Konzentration
Die Verteilung der FT4-Konzentrationen von Patienten aus der Intensivtherapie (ICU), von Patienten mit Herz (HD)- und rheumatischen
Erkrankungen (RD) sowie von Patienten mit Diabetes Mellitus (DM) bzw.
Niereneinsuffizienz (KI) ist in der folgenden Abbildung dargestellt:
35
FT4 [pmol/L]
30
25
• Diabetes Mellitus:
Die TSH-Konzentrationen der Diabetiker sind unauffällig. Relativ
hohe TSH-Werte von fast 5 mU/L finden sich im Serum von einzelnen
Patienten, was im Zusammenhang mit einer Hypercholesterinämie
stehen kann.
15
10
5
0
ICU
HD
RD
DM
Es lässt sich eine deutliche Verminderung des FT4 im Serum einer
Reihe von ICU-Patienten erkennen, aber auch Patienten mit KI ­zeigen
einen Trend zu niedrigeren Werten als Patienten mit HD, DM und RD. In
allen Patientengruppen scheint bei einer mehr oder weniger relevanten
Menge von FT4-Ergebnissen die erwartete Anzahl an Datenpunkten
über der 97,5 Perzentile von Blutspendern übertroffen zu werden.
Diese Erhöhung tritt besonders in den Gruppen ICU, HD und KI auf.
Ausserdem erkennt man eine ausgeprägte interindividuelle Varianz der
FT4-Konzentrationen bei Patienten mit ICU und KI. Folgende Ursachen
kommen für die Veränderungen von FT4-Werten in Frage:
sivtherapie (ICU), von Patienten mit Herz (HD)- und rheumatischen
Erkrankungen (RD) sowie von Patienten mit Diabetes Mellitus (DM) bzw.
Niereninsuffizienz (KI) ist in der folgenden Abbildung dargestellt:
Allgemeine Einflussfaktoren
Krankheiten, bei denen eine FT4-Erhöhung beschrieben wurde, sind
Anorexia nervosa, dekompensierte Leberzirrhose bzw. akute psychiatrische Erkrankungen. Die Gabe von Beta-Blockern, Heparin, ASS und
NSAR kann ebenfalls zur FT4-Erhöhung führen. Furosemid kann auch
während der immunologischen Nachweisreaktion interferieren und
eine Erhöhung der FT4-Werte bewirken.
Verminderte FT4-Werte im Serum wurden nach Gabe von Medikamenten wie Fenclofenac, Furosemid, Lithium, Propranolol, Phenobarbital,
Phenylbutazon oder Phenytoin beobachtet.
• Herzerkrankungen
Durch die multiple Medikation der Patienten kann es zur Beeinflussung
der Schilddrüsenhormonkonzentration durch einzelne Medikamente
kommen. So lassen sich durch eine verminderte Umwandlung von T4
zu T3 durch Beta-Blocker wie Propranolol möglicherweise einzelne
höhere FT4-Spiegel innerhalb dieser Patientengruppe erklären.
• Niereninsuffizienz:
Chronisches Nierenversagen führt zu einem Absinken der Konzentration
an FT3 und FT4. Dies erklärt den Trend zu verminderten FT4-Werten
in der KI-Gruppe. Ein Anstieg des FT4 wird nach Hämodialyse beobachtet, der im Zusammenhang mit der Heparingabe stehen kann.
• Herzerkrankungen
Durch die multiple Medikation der Patienten kann es in dieser Gruppe
vor allem aufgrund von Wechselwirkungen der Medikamente mit
den Schilddrüsenhormonen zu einem Absinken des FT3-Spiegels
kommen, z.B. durch herabgesetzte periphere Umwandlung von T4
zu T3 bei Beta-Blockern (Propranolol).
• Niereninsuffizienz:
Chronisches Nierenversagen führt zu einem Absinken der Konzentration an freien Hormonen.
12.5
10.0
KI
Patientengruppe
Die Verteilung der FT3-Konzentrationen von Patienten aus der Inten-
• Niereninsuffizienz:
Der Einfluss der Dialyse auf TSH ist umstritten, in Einzelfällen kann
es aber zur Erhöhung der TSH-Konzentration kommen.
Spezielle Einflussfaktoren bei Patienten mit
• Intensivtherapie
Die Verringerung der FT4-Konzentration durch das „Euthyroid-SickSyndrom“ tritt bei ICU-Patienten auf, wenn die Erkrankung lebensbedrohlich bzw. äusserst schwerwiegend ist. Dabei kommt es zu einer
zentralen Downregulation des Hormons und zur gleichzeitigen Verminderung von FT3 und vor allem im finalen Stadium auch von FT4.
20
3. Einflussfaktoren auf die Serum FT3-Konzentration
FT3 [pmol/L]
Spezielle Einflussfaktoren bei Patienten mit
• Intensivtherapie
Die Verringerung der TS H-Konzentration durch das
­„Euthyroid-Sick-Syndrom“ ist typisch für ICU-Patienten. Durch
die lebensbedrohliche Erkrankung kommt es zu einer zentralen
Downregulation des Hormons und zur gleichzeitigen Verminderung
von FT3 und vor allem im finalen Stadium auch von FT4.
7.5
5.0
2.5
0
ICU
HD
RD
DM
KI
Patientengruppe
Es lässt sich eine deutliche Verminderung der FT3-Werte bei ICU-Patienten
erkennen. Patienten mit KI zeigen einen Trend zu niedrigeren Werten
als Patienten mit HD, RD und DM. Einzelne Seren von Patienten der
HD zeigen eine Tendenz zu verminderten Konzentrationen. Folgende
Ursachen kommen für die Veränderung der FT3-Werte in den einzelnen
Patientenkollektiven in Frage:
Allgemeine Einflussfaktoren
Einflüsse, die zu niedrigen FT3-Konzentrationen führen können, sind
ein akuter Status der Erkrankung (Infektionen etc.) oder ein ausgeprägt schwerer (preterminaler) Krankheitsverlauf (z.B. Sepsis) sowie
zunehmendes Alter. Als weitere FT3 verringernde Faktoren können
chronisches Nierenversagen, chirurgische Eingriffe, die Gabe von
Glukokortikoiden bzw. Beta-Blockern eine Rolle spielen.
Als FT3 erhöhende Faktoren ist Verdrängung aus der Plasmaeiweissbindung durch NSAR oder ASS beschrieben. Auch posttraumatischer
Stress kann als FT3 erhöhender Faktor eine Rolle spielen.
Spezielle Einflussfaktoren bei Patienten mit
• Intensivtherapie
Die Verringerung der FT3-Konzentration durch das „Euthyroid-SickSyndrom“ ist typisch für ICU-Patienten. Durch die lebens­bedrohliche
Erkrankung kommt es zu einer zentralen Downregulation des Hormons und zur gleichzeitigen Verminderung von FT3 und vor allem
im finalen Stadium auch von FT4.
4. Zusammenfassung
Untersuchung der Seren von 100 Personen, die keine ­SD-Funktionsstörung
Pathologische Konzentrationen der SD-Parameter TSH, FT4 und FT3 im
aufweisen, 2-3 Proben mit pathologischer SD-Hormonkonzentrationen
Serum von Nicht-Schilddrüsen-Patienten weisen in der Regel auf eine
über bzw. unter der Referenz­bereichsgrenze auffallen.
manifeste oder subklinische Störung der SD-Funktion hin. Darüber hinaus
kann aber auch (neben prä-analytischen oder analytischen Faktoren) die
In einer Studie wurde die Verteilung der SD-Hormonkonzentrationen
Grunderkrankung des Patienten oder deren Therapie zu pathologischen
bei Patienten mit klinisch unauffälliger Schilddrüse und schweren inten-
Konzentrationen an TSH, FT4 und FT3 führen, ohne dass die Schilddrü-
sivtherapiepflichtigen Erkrankungen (ICU), Herz­erkrankungen (HD),
senfunktion beeinträchtigt ist. Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass
Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (RD), Typ2 Diabetes
für die Erstellung von Referenzbereichen der SD-Parameter die 2,5 und
Mellitus (DM) und Niereninsuffizienz (KI) untersucht. Die Ergebnisse
97,5 Perzentile der Hormonkonzentrationen von SD-gesunden Probanden
sind in der folgenden Tabelle dargestellt und können wie folgt zusam-
berechnet werden. Durch diese statistische Vorgehensweise müssen bei der
mengefasst werden:
TSH
(mU/L)
Median
Perzentil
FT3
(pmol/L)
Median
2,5 - 97,5
Perzentil
FT4
(pmol/L)
Median
2,5 - 97,5
Perzentil
2,5 - 97,5
ICU (n=111)
0,80
0,05 - 3,33
3,13
1,34 - 5,56
15,8
6,19 - 22,75
HD (n=100)
1,20
0,41 - 3,21
4,80
2,73 - 6,48
17,3
13,91 - 22,42
RD (n=99)
1,01
0,20 - 3,13
4,81
3,46 - 6,23
17,1
13,12 - 21,63
DM (n=109)
1,41
0,30 - 3,97
4,57
3,73 - 5,88
16,9
12,91 - 23,42
KI (n=112)
1,40
0,20 - 3,35
4,02
2,62 - 5,32
16,1
11,30 - 22,80
1 Bei einem Grossteil der Patienten im kritischen Krankheitszustand,
wie z.B. nach schweren Operationen oder bei Infektionen, fanden wir,
bedingt durch das sogenannte „Euthyroid-Sick Syndrom“, erniedrigte
Konzentrationen von TSH, FT3 und in besonders schweren Fällen
auch an FT4.
2 Patienten mit Herzerkrankungen zeigten normale TSH und FT4 Konzentrationen, während das FT3 wahrscheinlich medikamentös-bedingt
(Beta-Blocker?) bei einzelnen Patienten zu niedrigeren Werten tendierte.
3 Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises sind durch therapiebedingte Gaben an synthetischen Glokokortikoiden und NSAR
charakterisiert, was im Serum von einigen Patienten möglicherweise
zur erniedrigten TSH-Konzentration führte.
4 Die SD-Hormonparameter der Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus
waren nahezu alle im Referenzbereich zu finden. Hypercholesterinämie könnte in einigen wenigen Fällen zu einer leichten Erhöhung
der TSH-Werte geführt haben.
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5 Ein Teil der Patienten mit Niereninsuffizienz zeigte bei normalen
TSH-Konzentrationen verminderte Werte an FT3 bzw. FT4.
6 Darüber hinaus fällt auf, dass eine deutliche Anzahl an Patienten
aus allen Diagnosegruppen höhere FT4-Konzentrationen (siehe 97,5
Perzentile) als die obere Referenzwertgrenze aufwies.
Diagnostische Algorhythmen auf der Basis von TSH-, FT3- und FT4Messungen im Serum lassen sich bei hospitalisierten und ambulanten
Patienten mit einem breiten nicht-endokrinologischen Krankheitsspektrum in den meisten Fällen auch zuverlässig für den Ausschluss von
SD-Erkrankungen verwenden. Dabei müssen jedoch spezielle krankheitsbedingte Einflussfaktoren auf die jeweilige Hormonkonzentration
für die Interpretation der Laborwerte berücksichtigt werden.
Danksagung:
Diese Broschüre entstand unter massgeblicher Mitarbeit
von Herrn Prof. Dr. J. Kratzsch und candid. med. T. Kussmaul, Universität Leipzig.
05550971001 0309 - x.x XX
Patienten
Gruppe