Kein Verstoß des Mitbestimmungsgesetzes gegen

LG München I, Beschluss v. 27.08.2015 – 5 HK O 20285/14
Titel:
Kein Verstoß des Mitbestimmungsgesetzes gegen Unionsrecht
Normenketten:
AEUV Art. 45
AEUV Art. 18
Art. 45 AEUV
Art. 18 Abs. 1 AEUV
Art. 45 Abs. 2 AEUV
AEUV Art. 45
Leitsatz:
1. Diese Vorschriften des MitbestG sind wirksam und verstoßen insbesondere nicht gegen
höherrangiges Unionsrecht. Da die Mitbestimmungsgesetze das Wahlverfahren auf betrieblicher
Ebene verankern, sind Arbeitnehmer in anderen Betrieben als in Deutschland belegenen von der
unternehmerischen Mitbestimmung ausgeschlossen. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass
ein Arbeitnehmer sich einen Wechsel zu einer ausländischen Tochtergesellschaft nur deshalb
entgehen lässt, weil er dadurch das aktive Wahlrecht für den Aufsichtsrat der
Konzernobergesellschaft verliert. Die Regelung setzt schon abstrakt keine Verhaltensanreize, um
freizügigkeitsrelevant zu sein. (Leitsatz der LSK-Redaktion)
Schlagworte:
Freizügigkeit, Diskriminierung/Mitbestimmung, Aufsichtsrat, Aufsichtsratszusammensetzung,
Wahlverfahren, Diskriminierung, Mitbestimmung, anderer als in Deutschland belegener Betrieb,
Arbeitnehmer, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Diskriminierungsverbot
Fundstellen:
AG 2016, 49
ZIP 2015, 1929
LSK 2015, 410873
NZG 2015, 1275
Tenor
I.
Der Antrag auf Feststellung, der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin müsse nach § 96 Abs. 1 Var. 6 AktG
zusammengesetzt werden, wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Geschäftswert wird auf € 50.000,- festgesetzt.
Gründe
I.
1. Die Antragsgegnerin, an der der Antragsteller im Juli 2014 drei Aktien erwarb, ist die deutsche
Muttergesellschaft eines internationalen Handels- und Dienstleistungskonzerns mit den Kernsegmenten
Agrar, Energie und Bau. Zum 30.9.2014 beschäftigte die Antragsgegnerin in Deutschland 11.900 und in
Europa insgesamt 15.361 Arbeitnehmern; weltweit waren an diesem Stichtag insgesamt 16.873 Mitarbeiter
für sie tätig. Ihr Aufsichtsrat besteht aus 16 Mitgliedern, von denen die eine Hälfte die Anteilseigner und die
andere Hälfte die Arbeitnehmer stellen. Mit Schreiben vom 17.7.2014 (Anlage ASt 2) teilte der Antragsteller
der Antragsgegnerin mit, er vertrete die Auffassung, der Aufsichtsrat sei unrichtig zustande gekommen bzw.
falsch besetzt.
2. Mit seinem Antrag vom 21.10.2014 (Bl. 1/11 d. A.) begehrt der Antragsteller die Feststellung, der
Aufsichtsrat der Antragsgegnerin sei nicht nach den für ihn maßgeblichen Vorschriften zusammengesetzt
und dürfe sich nur aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre zusammensetzen. Das
Mitbestimmungsgesetz dürfe wegen des sich aus ihm ergebenden Ausschlusses der Belegschaften in der
Europäischen Union vom aktiven und passiven Wahlrecht nicht angewandt werden, weil darin ein Verstoß
gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 45 AEUV und das allgemeine europäische
Diskriminierungsverbot liege. Der Verlust des Wahlrechts für und in den Aufsichtsrat mache einen Wechsel
in eine europäische Tochtergesellschaft weniger attraktiv, worin eine Beschränkung der Freizügigkeit
deutscher Arbeitnehmer liege. Dies bedeute auch einen Verstoß gegen das europäische
Diskriminierungsverbot, weil eine mittelbare Diskriminierung sich daraus ergebe, dass in ausländischen
Betrieben und Tochtergesellschaften typischerweise Arbeitnehmer beschäftigt seien mit der
Staatsangehörigkeit des jeweiligen Mitgliedsstaates. Ein rein nationaler Sachverhalt könne hier nicht
angenommen werden angesichts der grenzüberschreitenden Dimension bei einem Konzern mit
Arbeitnehmern in anderen europäischen Mitgliedstaaten. Eine europarechtskonforme Auslegung komme
nicht in Betracht, solange nicht geklärt sei, welches Ergebnis das Unionsrecht der Artt. 18, 45 AEUV
gebiete. An der Statthaftigkeit des Statusverfahrens könne kein Zweifel bestehen, weil es genüge, wenn
sich der Vorstand und ein anderer Beteiligter über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates
auseinandersetzen würden. Auch gehe es dem Antragsteller nicht um die Klärung „abstrakter“
Rechtsfragen.
Hilfsweise beantragt der Antragsteller die Vorlage des Verfahrens an den Europäischen Gerichtshof, weil
der Ausgang des Verfahrens wesentlich von der Auslegung der Verträge abhänge und dies möglichst rasch
geklärt werden müsse.
3. Die Antragsgegnerin beantragt demgegenüber die Zurückweisung des Antrags. Zur Begründung beruft
sie sich im Wesentlichen darauf, der Antrag stelle sich bereits als rechtsmissbräuchlich dar, weil gerade der
Erwerb der Aktien unmittelbar vor dem Anschreiben an den Vorstand und die ähnliche Vorgehensweise in
einem vor dem Landgericht Landau in der Pfalz geführten Verfahren belege, dass es ihm nur um die
Klärung abstrakter Rechtsfragen gehe. In jedem Fall aber könne der Antrag keinen Erfolg haben, weil
bereits kein Verstoß gegen Unionsrecht vorliege. Zum einen fehle schon der grenzüberschreitende Bezug,
angesichts der Anstellung inländischer Arbeitnehmer bei einer inländischen Gesellschaft unter der Geltung
nationaler Rechtsvorschriften. Ein Art. 45 Abs. 2 AEUV unterliegendes Wegzugshindernis lasse sich nicht
bejahen, nachdem der Wegfall der Wahlberechtigung keinen einer Marktzugangsverweigerung
gleichkommenden Nachteil bedeute. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot bestehe schon wegen
der fehlenden Binnenmarktrelevanz nicht. Zudem ergebe sich keine Schlechterstellung des Einzelnen
aufgrund unterschiedlicher Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Doch selbst bei Europarechtswidrigkeit
führe eine europarechtskonforme Auslegung zu keinem Erfolg des Statusverfahrens, weil dann auch die
ausländischen Arbeitnehmer berücksichtigt werden müssten, so dass der Aufsichtsrat immer noch aus 16
Mitgliedern bestünde; dann aber sei das Statusverfahren nicht statthaft, weil die Beurteilung über die
rechtmäßige Anwendung des aktiven und passiven Wahlrechts den Wahlanfechtungsverfahren gem. §§ 21,
22 MitbestG vorbehalten sei.
Die Antragsgegnerin hält eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht für angezeigt, weil zum einen
kein Verstoß gegen Unionsrecht vorliege und selbst bei einer anderen Beurteilung diese zur mangelnden
Statthaftigkeit des Statusverfahrens führe.
4. Soweit den weiteren Antragsberechtigten eines Statusverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem
Antrag gegeben wurde, haben sie hiervon keinen Gebrauch gemacht.
5. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten wird Bezug genommen auf die
gewechselten Schriftsätze samt Anlagen. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.
II.
1. Das Statusverfahren nach §§ 98 ff. AktG ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
a. Das Verfahren ist als Statusverfahren zulässig.
(1) Die Statthaftigkeit resultiert aus § 98 Abs. 1 AktG, weil streitig ist, ob sich der Aufsichtsrat der
Antragsgegnerin nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes oder ausschließlich nach denen des
Aktiengesetzes zusammensetzt, nachdem der Antragsteller die Auffassung vertritt, die Vorschriften des
Mitbestimmungsgesetzes verstießen gegen die Vorgaben des Europarechts. Dabei ist allerdings im
Statusverfahren vorrangig auf die Vorschriften über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und nicht über
die Wahlbestimmungen abzustellen.
(2) Als Aktionär ist der Antragsteller antragsbefugt im Sinne des § 98 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Dem kann nicht
entgegengehalten werden, er habe die Aktien erst wenige Tage vor der Antragstellung erworben, mit der er
im Wesentlichen abstrakt die Frage der Vereinbarkeit des Mitbestimmungsrechts mit höherrangigem
Europarecht klären lassen wolle. Das Aktiengesetz knüpft in seinem § 98 Abs. 2 Nr. 3 die
Antragsberechtigung ausschließlich an die Aktionärsstellung an und gibt jedem Aktionär die Möglichkeit, die
Zusammensetzung des Aufsichtsrats überprüfen zu lassen. An weitere Voraussetzungen ist die
Antragsbefugnis nicht geknüpft (vgl. BGH NZG 2012, 421, 422 = AG 2012, 288 = ZIP 2012, 669 = MDR
2012, 787; LG Frankfurt NZG 2015, 683, 684 = Der Konzern 2005, 234, 235; Habersack in: Münchener
Kommentar zum AktG, 4. Aufl. § 98 Rdn. 15).
b. Der Antrag ist indes nicht begründet, weil sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der
Antragsgegnerin nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes beurteilt, nachdem die
Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 MitbestG erfüllt sind. Aufgrund dieser Vorschrift ist der Aufsichtsrat einer
Aktiengesellschaft nach Maßgabe der Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes zu bilden, wenn diese in
der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Dies ist unstreitig der Fall, nachdem die
Antragsgegnerin zum 30.9.2014 deutschlandweit insgesamt 11.900 und europaweit 15.361 Mitarbeiter im
Konzern beschäftigt, wie sich aus dem Quartalsbericht für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2014
ergibt und wie dies hinsichtlich der deutschlandweiten zahlen vom Antragsteller auch nicht bestritten wurde;
hinsichtlich der europaweiten Zahlen ist er von rund 15.400 Mitarbeitern ausgegangen. Angesichts dessen
greift § 7 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG ein, wonach sich der Aufsichtsrat aus je acht Aufsichtsratsmitgliedern der
Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammensetzt. Diese Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes sind
wirksam und verstoßen insbesondere nicht gegen höherrangiges Unionsrecht. Da die
Mitbestimmungsgesetze das Wahlverfahren auf betrieblicher Ebene verankern, sind Arbeitnehmer in
anderen Betrieben als in Deutschland belegenen von der unternehmerischen Mitbestimmung
ausgeschlossen (vgl. LG Berlin AG 2015, 587, 588 = ZIP 2015, 1291, 1293 = DB 2015, 1588, 1589; Fischer
NZG 2014, 737, 738; Krause AG 2012, 485, 488; für den Bereich des BetrVG ebenso BAG NZA 2000,
1119, 1121).
(1) Ein Verstoß gegen die durch Art. 45 AEUV garantierte Arbeitnehmerfreizügigkeit kann allerdings nicht
bejaht werden. Innerhalb der Union ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aufgrund von Art. 45 Abs. 1
AEUV gewährleistet; diese umfasst gem. Art. 45 Abs. 2 AEUV die Abschaffung jeder auf der
Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in
Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Es ist dabei in der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt, dass sämtliche Vertragsbestimmungen über die
Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung von beruflichen Tätigkeiten aller Art im Gebiet
der Gemeinschaft erleichtern sollen und solchen Maßnahmen entgegenstehen, die die
Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie eine Erwerbstätigkeit in einem anderen
Mitgliedstaat ausüben wollen (vgl. insb. EuGH NJW 1996, 505, 509 f. = WM 1996, 910, 920 = JZ 1996, 248,
251 = NZA 1996, 191, 196 - Bosman; EuZW 1999, 380, 383 - Terhoeve). Auch haben In diesem
Zusammenhang die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten insbesondere das unmittelbar aus dem Vertrag
abgeleitete Recht, ihr Herkunftsland zu verlassen, um sich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in einem
anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten. Daher stellen unterschiedslos anwendbare
Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, sein
Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen,
Beeinträchtigungen seiner Freiheit dar. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn sie den Zugang der
Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt beeinflussen (vgl. EuGH NZA 2000, 413, 414 - Graf; auch Forsthoff in:
Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Erg.Lfg. September 2010, Art. 45
AEUV Rdn. 223 f.). Davon kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden. Die Kammer vermag nicht zu
erkennen, dass ein Arbeitnehmer sich einen Wechsel zu einer ausländischen Tochtergesellschaft nur
deshalb entgehen lässt, weil er dadurch das aktive Wahlrecht für den Aufsichtsrat der
Konzernobergesellschaft verliert. Die Regelung setzt schon abstrakt keine Verhaltensanreize, um
freizügigkeitsrelevant zu sein (vgl. LG Berlin AG 2015, 587, 590 = ZIP 2015, 1291, 1294 = DB 2015, 1588,
1591; LG Landau NZG 2014, 229 = AG 2014, 376 = ZIP 2013, 2107 f.; Krause AG 20012, 485, 490;
Bungert/Leyendecker-Langner DB 2014, 2031, 2032; Seibt DB 2015, 1592; Mense/Klie DStR 2015, 1508,
1512). Doch selbst wenn der Arbeitnehmer ein Aufsichtsratsmandat hatte und dieses verliert, vermag dies
ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen, weil der maßgebliche Grund nicht der Grenzübertritt ist,
sondern das Ende der Zugehörigkeit als Arbeitnehmer eines im Inland gelegenen Betriebs. Dieses ist dann
nicht anders zu beurteilen als ein Sachverhalt, bei dem es zum Verlust des deutschen
Kündigungsschutzrechts kommt, wenn ein Arbeitnehmer in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen
Union mit weniger stark ausgeprägten Kündigungsschutzregelungen wechselt, worin kein Verstoß gegen
die Arbeitnehmerfreizügigkeit gesehen werden kann (vgl. Krause AG 20012, 485, 490). Zudem kann nicht
außer Acht gelassen werden, dass auch die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat primär den
Interessen der Aktiengesellschaft und nicht denen der Arbeitnehmer verpflichtet sind.
(2) In den Regelungen der §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG kann kein Verstoß gegen das
europarechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV gesehen werden, auch wenn den in
ausländischen Tochtergesellschaften beschäftigten Arbeitnehmern weder das aktive noch das passive
Wahlrecht zusteht. Das Wahlverfahren knüpft nämlich an den Betrieb als tatsächlich organisatorische
Einheit an, weshalb sich die Anwendbarkeit des jeweiligen Rechts insoweit nach dem Realstatut, also dem
Recht des belegenen Heimatortes bestimmt. Nach Art. 18 Abs. 1 AEUV ist unbeschadet besonderer
Bestimmungen der Verträge - also des Vertrags über die Europäische Union und des AEUV (Art. 1 Abs. 2
Satz 1 AEUV) - in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit
verboten. Die Regelung verpflichtet Mitgliedstaaten, Personen, die sich in einer durch das
Gemeinschaftsrecht geregelten Situation befinden, nicht anders als Inländer zu behandeln (vgl. EuGH NJW
1997, 3299, 3300).
Zwar wird teilweise in der Literatur die Auffassung vertreten, die fehlende Beteiligung der Arbeitnehmer von
im Ausland ansässigen Tochtergesellschaften einer deutschen Obergesellschaft führe zu einer mittelbaren
Diskriminierung, weil es sich bei deren Arbeitnehmern überwiegend um ausländische Staatsangehörige
handele (vgl. Hellwig/Behme AG 2009, 261, 265; dies. in: Festschrift für Peter Hommelhoff, 2012, S. 343,
355; Habersack AG 2007, 641, 648).
Dieser Ansicht des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot kann indes nicht gefolgt werden. Ein
unmittelbarer Verstoß liegt schon deshalb nicht vor, weil die Regelungen im Mitbestimmungsgesetz gerade
nicht unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfen (vgl. LG Berlin AG 2015, 587, 588 f. = ZIP 2015,
1291, 1293 = DB 2015, 1588, 1590). Aber auch eine mittelbare Diskriminierung kann nicht angenommen
werden. Eine solche liegt vor, wenn das Unterscheidungskriterium zu einem gleichen Regelungserfolg führt
wie das der Staatsangehörigkeit. Es muss mithin die getroffene Regelung zu einem weitgehend gleichen
Ergebnis wie eine Differenzierung aufgrund der Staatsangehörigkeit führen. Maßgeblich ist dabei, dass die
„große Mehrzahl“ der von der Norm geregelten Fälle Ausländer erfasst (vgl. EuGH NJW 1994, 1271 = WM
1994, 956, 957 = IPrax 1994, 439, 440 = JZ 1994, 1165 = ZZP 108[1995], 109, 111 - Mund & Fester/Hartrex
Internationaal Transport; von Bogdandy in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union,
Kommentar, Erg.Lfg. September 2010, Art. 18 Rdn. 13 ff.). Vorliegend führt die Anknüpfung der
Mitbestimmungsvorschriften an den inländischen Beschäftigungsort für gleiche oder vergleichbare
Sachverhalte nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen. Die deutsche Konzernmuttergesellschaft als
Obergesellschaft auch ausländischer Unternehmen bildet keine hinreichende „Klammer“, um den
inländischen Wahlen zu den Arbeitnehmervertretern in deren Aufsichtsrat eine grenzüberschreitende
Qualität zu verleihen, welche zur unmittelbaren Anwendbarkeit des europäischen Primärrechts führen
könnte. Lediglich wegen der Beherrschung durch eine deutsche Gesellschaft können ausländische
Unternehmen samt deren Belegschaften nicht ohne Weiteres dem deutschen Mitbestimmungsstatut
unterfallen. Das Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, außerhalb
ihrer eigenen Regelungskompetenz für eine Gleichbehandlung der Bürger anderer Staaten der
Europäischen Union Sorge zu tragen. Es ist weithin anerkannt, dass das unionsrechtliche
Diskriminierungsverbot die Mitgliedstaaten nicht zu einer umfassenden Harmonisierung ihrer
Rechtsordnungen zwingt, weil anderenfalls die den Mitgliedstaaten verbleibende Gesetzgebungskompetenz
ausgehöhlt würde (vgl. von Bogdandy in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union,
Kommentar, Erg.Lfg. September 2010, Art. 18 Rdn. 9 und 53 f.). Unter Beachtung dieser
Ausgangsüberlegungen kann eine Diskriminierung nicht angenommen werden. Dagegen spricht schon die
Tatsache, dass für nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaften, die in ihrem Heimatland auch
ihren Sitz haben, auch in allen anderen Rechtsbeziehungen ihr Heimatrecht gilt. Befinden sie sich aber in
einem Arbeitsverhältnis nach ihrem Heimatrecht und haben sie nicht die Absicht, dieses zu verlassen,
befinden sie sich nicht in einer durch das Gemeinschaftsrecht geprägten Situation, in der das
europarechtliche Diskriminierungsverbot beachtet werden müsste (vgl. LG Berlin AG 2015, 587, 589 = ZIP
2015, 1291, 1294 = DB 2015, 1588, 1590 unter Hinweis auf EuGH NJW 1997, 3299, 3300; LG Landau NZG
2014, 229 = AG 2014, 376 = ZIP 2013, 2107; Seibt DB 2015, 1592; Krause AG 2012, 485, 492 f.;
Bungert/Leyendecker-Langner DB 2014, 2031, 2032; Hellwig/Behme AG 2015, 333, 340; ebenso Oetker in:
Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15.l Auf. Einl Rdn. 6). Ein Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 AEUV lässt
sich auch nicht aus dem Argument herleiten, ausländische Belegschaften würden durch deren
Benachteiligung bei konzernweiten Unternehmensentscheidungen benachteiligt. Auch hier gilt, dass die
Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat dem allgemeinen Unternehmenswohl und nicht dem Schutz konkreter
Belegschaftsinteressen verpflichtet sind (so LG Berlin AG 2015, 587, 589 = ZIP 2015, 1291, 1294 = DB
2015, 1588, 1590). Zum anderen ist empirisch kaum nachweisbar, dass es bei einer Strukturveränderungen
in supranationalen deutschen Unternehmen regelmäßig zu einer Bevorteilung der inländischen Standorte
käme, auch wenn dies aus wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll ist (so LG Berlin AG 2015, 587, 589 =
ZIP 2015, 1291, 1294 = DB 2015, 1588, 1590 m. w. N.).
(3) Eine Ausweitung der Anwendung der Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes auf in der
Europäischen Union ansässige Tochtergesellschaften der Antragsgegnerin stünde auch im Widerspruch zu
grundsätzlichen Wertungen der Rechtssetzung. Aufgrund des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips ist es
dem deutschen Gesetzgeber nämlich verwehrt, in die Rechtssetzungsbefugnis anderer Staaten der
Europäischen Union einzugreifen. Daher verbietet sich die Verknüpfung von Aufsichtsratswahlen zu einer
deutschen Gesellschaft mit einer ausländischen Betriebsverfassung, bei der eine fremde
Gesetzgebungskompetenz besteht. Der deutsche Staat könnte die Einhaltung einer Regelung, die den
Beschäftigten ausländischer Tochtergesellschaften eine gesicherte Rechtsposition verschaffen würde, nicht
durchsetzen. Angesichts der damit verbundenen Rechtsunsicherheiten ist das Territorialitätsprinzip
durchaus geeignet, die derzeitige Rechtslage zu rechtfertigen (vgl. LG Berlin ZIP 2015, 1291, 1295 = DB
2015, 1588, 1591; Fischer NZG 2014, 737, 739). Dies zu ändern wäre angesichts des
Gewaltenteilungsgrundsatzes Aufgabe des Gesetzgebers, nicht der Gerichte.
Daher konnte der Antrag keinen Erfolg haben, weil der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nach den für sie
maßgeblichen Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes zutreffend zusammengesetzt ist.
c. Eine Vorlage an den Europäische Gerichtshof gem. Art. 267 Abs. 1 AEUV entsprechend dem Hilfsantrag
des Antragstellers kommt nicht in Betracht. Die Kammer sieht keinen Verstoß gegen unionsrechtliche
Vorgaben. Die Vorlagepflicht, die ohnehin nur die letzte Instanz trifft, entfällt unter anderem dann, wenn die
richtige Auslegung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein
Raum mehr bleibt („acte claire“; vgl. BGHZ 185, 30, 41 = NJW 2010, 3783, 3786). Die Auslegung des
Gemeinschaftsrechts beruht vor allem auch auf der hierzu ergangen Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs; von daher besteht für die Kammer kein Anlass, das eingeräumte Ermessen dahingehend
auszuüben, das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.
2. Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 23 Nr. 10 GNotKG, wonach die Gesellschaft die
Kosten trägt, soweit diese nicht dem Antragsteller auferlegt werden. Für eine Auferlegung der
Gerichtskosten auf den Antragsteller besteht indes kein Anlass, weil der zulässige Antrag nicht
offensichtlich unbegründet ist, auch wenn der zu einer Europarechtswidrigkeit des Mitbestimmungsgesetzes
führenden Argumentation des Antragstellers nicht gefolgt werden konnte. Eine Erstattung außergerichtlicher
Kosten findet aufgrund der Vorschrift des § 99 Abs. 6 Satz 2 AktG nicht statt.
3. Die Entscheidung über den Geschäftswert ergibt sich aus § 75 GNotKG.