JURISTISCHE FAKULTÄT MÜNCHENER EXAMENSTRA INING PROBEKLAU SUR SCHWERP UN K TBEREICHE WS 2015/ 16 Schwerpunktbereich 9 Teil A (50 %) Beantworten Sie knapp, aber in ganzen Sätzen, folgende Fragen: Frage 1: Worin zeigen sich die Besonderheiten der Gemeinsamen Außen - und Sicherheitspolitik (GASP) auch nach dem Vertrag von Lissabon gegenüber den anderen Politiken der Europäischen Union (Unterschiede nur erwähnen und mit Normen belegen)? Was ist die rechtspolitische Ursache dafür? Zeigen Sie die rechtspolitische Ursache anhand von zwei Beispielen auf (nur Fälle und knapp den Inhalt benennen). (Insgesamt 11 BE) Frage 2: Welche Bedeutung hat die Europäische Menschenrechtskonvention nach dem gegenwärtigen Stand für das Unionsrecht (knappe Erörterung mit Normen)? Was wird sich nach einem Beitritt der EU zur EMRK ändern? Kann der EuGH den Beitritt der EU zur EMRK gerichtlich überprüfen? Wenn ja, in welchem Verfahren? (Insgesamt 11 BE) Frage 3: Nach dem deutschen Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien (EEG) ist für sog. „Grünstrom“ (d.h. Strom aus erneuerbaren Energien), der in Deutschland erzeigt wird, von den Stromabnehmern ein über dem Marktpreis liegender Preis zu bezahlen. Die EU-Kommission sieht darin einen Verstoß gegen EU-Recht. Trifft dies zu? (15 BE) Frage 4: Welche drei Prüfungsmaßstäbe hat das Bundesverfassungsgericht gegenüber Begründungs- und Vollzugsakten von Unionsrecht entwickelt. Unter welchen Voraussetzungen werden sie aktiviert? (Nur die Maßstäbe und ihre Einsatzvoraussetzung nennen und sehr knapp erläutern). (8 BE) Bitte wenden! LUDWIG-MAXIMILIANS -UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 2 VON 6 Beantworten Sie die unten gestellten Fragen zu folgendem Fall 1: Da mehrere Mitgliedstaaten voneinander abweichende Bestimmungen über die sog. Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus erlassen haben, wurde vom Europäischen Parlament und vom Rat 2006 eine Richtlinie beschlossen, die die Mitgliedstaate n bis 2008 verpflichtet, alle Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, ohne den Inhalt der Kommunikation bis zu zwei Jahre zu speichern, damit ggf. die nationalen Behörden darauf zurückgreifen können. Fragen zu Fall 1: 1. Worauf könnte diese Richtlinie gestützt werden? 2. Gegen welche Grundrechte könnte die Richtlinie tatbestandlich aus welchen Gründen verstoßen? 3. Welche Intensität des Prüfungsmaßstabs hat der EuGH bei der Prüfung der Richtlinie aus welchem Grund angelegt? 4. Was müsste von wem bei der Beschränkung der Grundrechte beachtet werden? 5. Was läge möglicherweise vor, wenn auch der Inhalt der Kommunikation ohne konkreten Anlass gespeichert werden dürfte? 6. Könnte ein Mitgliedstaat, der die Richtlinie 2013 noch nicht umgesetzt hat, in einem Vertragsverletzungsverfahren sich damit rechtfertigen, dass die Richtlinie gegen EU-Grundrechte verstößt? 7. Muss die Richtlinie nach dem Urteil des EuGH vom 8.4.2014, das sie wegen Verstoßes gegen EU-Grundrechte ohne auf Art. 264 Abs. 2 AEUV zurückzugreifen für nichtig erklärt hat, noch umgesetzt werden? 8. Warum hat das Bundesverfassungsgericht das deutsche Umsetzungsgesetz zur Richtlinie für verfassungswidrig erklärt, ohne den EuGH anzurufen? Was ist daran eventuell problematisch? (Insgesamt 35 BE) Bitte wenden! LUDWIG-MAXIMILIANS -UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 3 VON 6 Fertigen Sie ein Kurzgutachten zu folgendem Fall 2: Der deutsche Staatsangehörige A hat aus Polen ein dort zugelassenes Gerät, das vor Radarkontrollen warnt, nach Deutschland eingeführt. Der Besitz dieses Gerätes ist in Deutschland nicht verboten, jedoch ist sein Einsatz in Kraftfahrzeugen zur Warnung vor Radarkontrollen mit einem Bußgeld von 100 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat bewehrt. Als A bei einer Polizeikontrolle mit dem in seinem PKW eingebauten und betriebsbereiten Radarwarngerät angetroffen wird, wird dies mit einem Bußgeld von 100 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat geahndet. A klagt dagegen und wendet ein, dass eine solche Regelung mit dem EU-Binnenmarkt unvereinbar sei. Zu Recht? Sekundärrechtliche Vorschriften bleiben außer Betracht. (20 BE) Insgesamt 100 BE: Bitte Zeit einteilen (für diesen Teil sind 150 Minuten vorgesehen) und auf Bewertungseinheiten und Bearbeitungshinweise ac hten! Bitte wenden! LUDWIG-MAXIMILIANS -UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 4 VON 6 Teil B (50%) Im Jahr 2010 brechen im „Kaiserreich der sieben Völker des Südens“ schwere Unruhen aus. In Rohan, das seit beinahe 150 Jahren eine Provinz des Kaiserreichs ist und in dem etwa 15 % seiner Bevölkerung leben, ruft daraufhin die Provinzregierung die unabhängige „Republik Rohan“ aus. Wenige Wochen später wird sie als neuer Staat in die UN aufgenommen. Zugleich gibt sie eine Unterwerfungserklärung nach Art. 36 Abs. 2 IGH -Statuts ab. Fünf weitere Provinzen folgen dem Beispiel Rohans. Allein in Gondor, das mit 45 % der Bevölkerung und 60 % der Landfläche die größte Provinz des Kaiserreichs ist und in dessen Gebiet auch die Hauptstadt liegt, gibt die Provinzregierung keine Unabhängigkeitserklärung ab. Allerdings erklärt sie den Kaiser und seine zentrale Regierung für abgesetzt und sich selbst zur einzigen demokratisch legitimierten Staatsgewalt in Gondor. Sie nennt sich selbst von da an Regierung des „Freistaat Gondor“. In der UN übernimmt sie den Sitz des Kaiserreichs, ohne dass irgendein anderer Staat widerspricht. Nach der langen politischen und kulturellen Dominanz durch die gondorische Mehrheit im Kaiserreich bemüht die junge Republik Rohan sich, die rohanische Kultur und Sprache wieder zu neuem Leben zu erwecken. Anfang 2011 erlässt sie ein Gesetz, nach dem der Schriftverkehr mit Behörden, der Unterricht an den staatlichen Schulen und die Lehre an den staatlichen Universitäten ausschließlich in rohanischer Sprache erfolgen sollen. Auch Privatleute müssen bei allen öffentlichen Veranstaltungen und in für die Öffentlichkeit bestimmten Mitteilungen allein die rohanische Sprache benutzen. Dies ruft in den Grenzregionen Protest hervor. Dort ist Gondorisch die allgemeine Umgangssprache. Auch der Premierminister von Gondor kritisiert die Sprachenpolit ik Rohans scharf. Sie stelle eine massive, systematische Menschenrechtsverletzung dar. Es sei zu befürchten, dass es zu weiteren Repressionen gegen die gondorische Minderheit kommen werde und die rohanische Führung letztlich alle Gondorer vollständig assimilieren oder vertreiben werde. Er ruft daher den UN Sicherheitsrat an und bittet diesen um die Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen. Der Sicherheitsrat setzt für den 29.8.2012 eine Sondersitzung an. Der Botschafter der Republik Rohan bittet darum, bei d ieser Sitzung die Sprachpolitik seiner Regierung erläutern zu dürfen. Während Frankreich dieses Anliegen unterstützt, wollen die übrigen Mitglieder Rohan nicht auch noch ein Forum für die Verbreitung seiner diskriminierenden Ideologie bieten. Sie verweigern daher dem Botschafter den Zutritt zum Sitzungssaal. Der französische Vertreter hält dieses Vorgehen für untragbar und verlässt empört den Saal. Bitte wenden! LUDWIG-MAXIMILIANS -UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 5 VON 6 Unter den verbleibenden Mitgliedern des Sicherheitsrats setzt sich schnell die Auffassung durch, dass der aufkommende Konflikt schon im Keim erstickt werden müsse. Daher solle der Republik Rohan nicht nur eine andere Sprachenpolitik vorgeschrieben werden. Vielmehr müsse durch die sofortige Föderalisierung Rohans sichergestellt werden, dass die gondorische Minderheit angemessen an der Ausübung der Staatsgewalt beteiligt werde und so ihre Identität bewahren könne. Auch müssten dem rohanischen Volk, das schließlich die gegenwärtige Regierung Rohans gewählt habe, die Folgen dieser diskriminierenden Politik unmissverstä ndlich klargemacht werden. Diese Folgen müssten für jeden Staatsbürger Rohans fühlbar werden. Gegen Rohan sei daher ein vollständiges Wirtschaftsembargo zu verhängen, das jeden rohanischen Bürger empfindlich treffe. Die anwesenden Sicherheitsratsmitglieder beschließen daher einstimmig die Resolution 1001: „Der Sicherheitsrat, tief besorgt über die andauernde Unterdrückung gondorischsprachigen Minderheit in der Republik Rohan, der handelnd nach Kapitel 7 der Charta, 1. beschließt, dass die Republik Rohan ihr Staatsgebiet in Bundesstaaten gliedern soll, die jeder über ein vom Volk direkt gewähltes Parlamenten verfügen und denen zumindest die Kompetenz für die Sprach-, Kultur-, Wissenschafts- und Schulpolitik übertragen wird, 2. beschließt, dass bis zur Befolgung des Punkt 1 dieser Resolution durch die Republik Rohan alle UN-Mitgliedstaaten die Einfuhr aller aus der Republik Rohan stammenden Waren in ihr Staatsgebiet verhindern.“ Rohan lehnt eine Föderalisierung ab. Sie würde die Identität der Republik Rohan als rohanischer Nationalstaat in Frage stellen und so die jahrhundertelange gondorische Assimilationspolitik fortschreiben. Der Premierminister von Gondor weist seine Zöllner daher an, die Res. 1001 umzusetzen und Waren aus Rohan nicht mehr über die Grenze zu lassen. Viele andere Staaten folgen seinem Beispiel. Aufgrund dieses Embargos fallen viele Unternehmen in Rohan, deren Produktion auf den Weltmarkt ausgerichtet ist, in Konkurs. Die Arbeitslosigkeit steigt von 10% auf 70%. Die Versorgung der rohanischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten bleibt zwar gesichert. Sonstige Verbrauchsgüter, die über das Lebensnotwendige hinausgehen, kann sich die ganz überwiegende Mehrheit aber mangels Devisen nicht mehr leisten. Da die Lage sich immer weiter verschlimmert, entschließt sich die Regierung von Rohan schließlich dazu, rechtlich gegen das Embargo vorzugehen. Am 5.9.2014 erhebt sie vor dem IGH Klage gegen Gondor. Das Gericht solle Bitte wenden! LUDWIG-MAXIMILIANS -UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 6 VON 6 feststellen, dass Gondor durch das Verbot der Einfuhr von Gütern aus Roha n in sein Staatsgebiet gegen Völkerrecht verstoße. Indem Gondor versuche, Rohan eine bestimmte Staatsform aufzuzwingen, mische es sich in dessen innere Angelegenheiten ein und verletze darüber hinaus das Selbstbestimmungsrecht des rohanischen Volkes. Darüb er hinaus verletzte das Embargo die Menschenrechte der leidenden rohanischen Bevölkerung. Gondor hält den IGH hingegen schon für unzuständig. Es habe selbst niemals eine Unterwerfungserklärung zum IGH abgegeben. Und die allgemeine Unterwerfungserklärung des undemokratischen Kaiserreichs von 1954 könne wohl kaum für und gegen die demokratische Regierung des Freistaates wirken. Im Übrigen sehe sie schon nicht, inwiefern sie gegen Völkerrecht verstoßen haben soll. Schließlich sei sie nicht verpflichtet, mit Ro han oder irgendeinem anderen Staat Handel zu treiben. Jedenfalls aber habe der Sicherheitsrat das Embargo beschlossen. An dessen Beschlüsse sei Gondor gebunden. Auch der IGH könne die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der Beschlüsse des Sicherheitsrats nicht in Frage stellen. Frage: Hat die Klage Aussicht auf Erfolg? Zur Klarstellung: Weder war das Kaiserreich Mitglied des Sicherheitsrats, noch sind Gondor oder Rohan dies geworden. Abgabe: ausschließlich im Klausurtermin Besprechung: 05.02.2016, 14-16 Uhr, Raum 025, Ludwigstraße 28, Rgb. Rückgabe und Korrektorensprechstunde: nach Ankündigung auf Homepage der Bitte wenden!
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