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8 E u ro f ü r E
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S t u di E r E n
© Djuno Tomsni
piel,
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
*Für Studierende bis 29 Jahre. Gilt nicht für Premieren, Gastspiele & Sonderveranstaltungen.
Lust, mal wieder
neue Welten
zu entdecken?
Inhalt
Programmübersicht .......................................................................................... S. 4
Editorial & Impressum ...................................................................................... S. 6
aka-Specials ...................................................................................................... S. 7
Europäischer Filmpreis 2015............................................................................. S. 9
Elmar Offenwanger, Johannes Litschel, Jan Kuzior, Fabian Lutz
Being Charlie Kaufman...................................................................................... S. 13 Maarten Wissink
Satoshi Kon........................................................................................................ S. 18
Christian Iannarone
Im Osten geht die Sonne auf............................................................................. S. 23
Jan Kuzior
Twisted Realities................................................................................................ S. 27
Fabian Lutz
Geschwisterfilme............................................................................................... S. 31
Clara Limberg
Tarr .................................................................................................................... S. 35
Elmar Offenwanger
Einzelfilme......................................................................................................... S. 39
Kooperationsfilme ............................................................................................ S. 53
Studium generale.............................................................................................. S. 21
Der Akademische Filmclub an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg e.V. (kurz "aka") wurde
1957 gegründet. Er ist ein gemeinnütziger Zusammenschluss filmbegeisterter Studierender mit
dem Ziel, anderen Studis Filmgeschichte und -kunst zugänglich zu machen und selbst Filme zu
drehen. Dank unserer Projektoren (digital und 35 mm) bieten wir Bild sowie Ton in bester Kinoqualität. Um immer über die Filmszene auf dem Laufenden zu sein, beziehen wir Filmzeitschriften, haben eine umfangreiche Bibliothek angelegt und nutzen die Möglichkeit, Filmfestivals zu
besuchen. All dies wurde ehrenamtlich und weitgehend ohne Zuschüsse erarbeitet.
Lust bekommen, mitzumachen? Schaut doch einfach mal vorbei! Wir treffen uns in der Rheinstraße 12 um 20 Uhr, jeden ersten Montag im Monat während der Vorlesungszeit – oder sprecht
uns bei einer unserer Vorführungen an.
Wir freuen uns immer über neue interessierte Mitglieder! www.aka-filmclub.de
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Programmübersicht
Beginn: immer 20:00 Uhr (Ausnahmen sind gekennzeichnet)
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19.04. Das brandneue Testament Semestereröffnungsfilm!
Fr. OmU EP
20.04. Anomalisa
tba CK
21.04. Der große Irrtum
tba
EF
22.04. The Revenant
En. OmU EF
25.04. Stuttgarter Trickfilm-Festival Kurzfilmrolle
OV aka
26.04. 45 Years
En. OmU EP
27.04. Synecdoche, New York
En. OmU CK
28.04. Alki Alki
Dt. OV
EF
29.04. Der Marsianer
DF
EF
03.05. Ewige Jugend
En. OmU EP
04.05. Eternal Sunshine of the Spotless Mind
En. OmU CK
06.05. Den Menschen so fern
Fr. OmU
EF
09.05. Das Märchen der Märchen
En. OmU EP
10.05. Ex Machina Beginn: 19:00 Uhr!
En. OmU Koop
11.05. Being John Malkovich
DF CK
12.05. Das ewige Leben
Dt. OV
EF
13.05. Blood Diamond
tba Koop
23.05. Carol
En. OmU
EF
24.05. Katyn
tba Ost
25.05. Perfect Blue
Jap. OmU SK
30.05. Overgames In Anwesenheit des Regisseurs!
Dt. OV Koop
31.05. Wałęsa. Der Mann aus Hoffnung
tba Ost
01.06. Tokyo Godfathers
Jap. OmeU SK
02.06. Von Caligari zu Hitler In Anwesenheit des Regisseurs!
Dt. OV
EF
03.06. Die 120 Tage von Sodom
tba
EF
07.06. Oberst Kwiatkowski
tba Ost
Legende
DF=Deutsche Fassung, OmU=Original mit
deutschen Untertiteln, OmeU=Original mit
englischen Untertiteln, OV=Originalversion,
tba=to be announced
Filmreihen:
akaaka-Specials
EFEinzelfilme
KoopKooperationsfilme
EP
Europäischer Filmpreis
CK
Being Charlie Kaufman
SK
Satoshi Kon
Ost
Im Osten geht die Sonne auf
Tarr
Béla Tarr
TR Twisted Realities - Orientierungslosigkeit im Film
GesGeschwisterfilme
4
S. 10
S. 14
S. 39
S. 39
S. 8
S. 10
S. 15
S. 40
S. 41
S. 11
S. 16
S. 42
S. 12
S. 53
S. 17
S. 43
S. 53
S. 43
S. 24
S. 19
S. 54
S. 24
S. 19
S. 44
S.45
S. 25
EINTRITT UND MITGLIEDSCHAFT:
Soweit nicht anders angegeben, laufen alle Filme im
HS 2006. Der Eintritt beträgt regulär 1,50 Euro, bei
Sonderveranstaltungen kann es einen Aufpreis geben.
Der einmal pro Semester erforderliche Mitgliedsausweis
kostet 3,- Euro und ist an der Abendkasse erhältlich.
Studierende und Angehörige der Universität können
Mitglied werden. Der Mitgliedsausweis berechtigt
zum Kauf von Eintrittskarten für die Filmvorstellungen
während des Sommersemesters 2016.
Fehler bei den Terminangaben lassen sich zwar
vermeiden, kommen aber leider ab und zu vor. Wir
bitten deshalb schon im Voraus um Entschuldigung.
Sicherheitshalber: Aushang beachten!
Aktuelle Infos & Erinnerungsfunktion:
www.aka-filmclub.de
Programmübersicht
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08.06.Paprika
09.06. Brooklyn
10.06. Sátántangó Beginn: 18:00 Uhr!
13.06. Super 8 Festival Filmproduktion 10.-12. Juni!
14.06. Jasminum 15.06. Bridge of Spies
17.06. Die Werckmeisterschen Harmonien
20.06. Macbeth
22.06. Der Prozeß 23.06. Das andere Rom
24.06. The Man from London
27.06. The Big Short
28.06. Unsere kleine Schwester
29.06. Possession
05.07. Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa
08.07. Das Turiner Pferd
11.07. Der Klassenfeind
12.07. Sture Böcke
13.07. Der Tod weint rote Tränen
14.07. Steve Jobs
15.07. Die 12 Geschworenen
18.07. Orlando
19.07. Misunderstood
20.07 Wrong Semesterabschlussfilm!
Jap. OmU
En. OmU
tba
stumm
tba
En. OmU
tba
En. OmU
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It. OmU
En. OmU
En. OmU
Jap. OmU
En. OmU
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Ung. OmU
Slow. OmeU
Is. OmU
Fr. OmU
En. Omu
En. OmU
En. OmU It. Omu
En. Omu
SK
S. 20
EF
S. 45
Tarr
S. 36
aka S. 7
Ost S.26
EF S. 46
Tarr S. 36
EF S. 47
TR
S . 28
EF S. 48
Tarr S. 37
EF S.48
Ges S. 32
TR S. 28
Ges S. 32
Tarr S. 37
EF
S. 49
Ges S. 33
Tr S. 29
EF S. 50
EF S. 51
EF S. 51
Ges S. 34
TR S. 30
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Editorial & Impressum
Liebe Filmfreundinnen und Filmfreunde,
die Diskussion, ob ein Film notwendig sein sollte um gezeigt zu werden, ja sein muss und
was ihn erst dazu macht, hat uns Mitglieder des aka-filmclubs in letzter Zeit bewegt. Auch
die Frage nach der Notwendigkeit von Schönem hängt damit zusammen, wir als Cineasten
haben darauf unterschiedliche Antworten gefunden und auch unser Semesterprogramm für
den Sommer fällt einmal wieder sehr vielfältig aus. Vom amerikanischen Oscar-Gewinnerfilm
The Revenant (Ja, Leo hat ihn endlich) bis zum ungarischen 450-Minüter ist alles dabei, für
die EM-Verweigernden, Arthouseliebhabenden und Gelegenheitszuschauenden unter euch.
Intern spielte bei uns im vergangenen Semester, außer der eingänglichen Diskussion und dem Kampf mit der ein oder anderen Brandschutzverordnung, wieder einmal der anstehende umbaubedingte Umzug aus dem KGII im nächsten Jahr eine Rolle.
Außerdem sind auch bei uns refugees welcome, in Kooperation mit der Organisation Zusammen
leben e.V. wollen wir es Geflüchteten ermöglichen, bei und mit uns Filme zu schauen, sich zu treffen
und auszutauschen. In diesem Rahmen haben wir pro Filmvorführung 30 Freiplätze geschaffen.
(Informationen und die Möglichkeit, selbst mitzumachen findet Ihr unter
www.zusammenessen.de oder direkt bei uns)
Auch deshalb sind helfende Hände und interessierte Köpfe bei uns immer gerne gesehen und willkommen, damit wir auch in Zukunft ein spannendes und vielfältiges Programm präsentieren können.
Wir wünschen Euch ein gutes Sommersemester und freuen uns darauf, Euch bei uns zu begrüßen!
Euer aka-Vorstand
Impressum
Akademischer Filmclub an der Universität Freiburg e.V.
Mitglied im BKF (Bundesverband Kommunale Filmarbeit) e.V.
und im BJF (Bundesverband Jugend und Film) e.V.
Büro: Rheinstr. 12, 79104 Freiburg im Breisgau, Tel./Fax: 0761-28 15 13
E-Mail: [email protected], [email protected]
Homepage: www.aka-filmclub.de
Vorstand: Elmar Offenwanger, Meike Bischoff, Sebastian Petznick, Benjamin Peterle
Kuratorium: Prof. Dr. Andreas Voßkuhle (Jura), Prof. Dr. Heiner Schanz (Forst), Prof. Dr. Barbara Korte (Anglistik), Prof. Dr. Claudia Liebrand (Germanistik), Dr. Franz Leithold (UB)
Werbung: Nathalie Scheuer, Johannes Litschel, Clara Limberg
Filmartikel: Maximilian Becker (MB), Meike Bischoff (MBi), Lara Ellenberg (LE), Hannes Hummel (HH), Christian Iannarone (CI), Martin Koch (MK),
Natalie Kurz (NK), Jan Kuzior (JK), Clara Limberg (CL), Johannes Litschel (JL), Fabian Lutz (FL), Elmar Offenwanger (EO), Benjamin Peterle (BP),
Sebastian Petznik (SP), Angelique Presse (AP), Nathalie Scheuer (NS), Maarten Wissink (MW)
Filmbestellung: Angelique Presse, Johannes Litschel, Maximilian Becker
Redaktion: Hannes Hummel, Antje Lossin, Fabian Lutz, Phillip Maiwald, Natalie Kurz, Clara Limberg, Sebastian Petznick, Benjamin Peterle, Lara
Ellenberg, Maarten Wissink
Korrekturen: Hannes Hummel, Fabian Lutz, Phillip Maiwald, Natalie Kurz, Clara Limberg, Sebastian Petznick, Benjamin Peterle, Lara Ellenberg,
Maarten Wissink
Titelbild: Wrong (S. 30), Gestaltung: Phillip Maiwald
Druck: schwarz auf weiss - litho & druck GmbH, Freiburg im April 2016
Auflage: 5.000 Stück, kostenlose Verteilung an den Freiburger Hochschulen
Für den Inhalt der Artikel sind die jeweiligen Autoren verantwortlich.
Es gilt die Werbepreisliste Nr. 6 vom Dezember 2008.
Der aka-Filmclub dankt seinen Werbepartnern für ihre teils langjährige Unterstützung.
6
aka-Specials
SEMESTERERÖFFNUNGSFILM
Das brandneue Testament | Le tout nouveau
testament
Di, 19.04.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
Unser Semestereröffnungsfilm ist zugleich der Beginn der Filmreihe
Europäischer Filmpreis 2015. Den ausführlichen Filmartikel findet Ihr
auf S. 10.
72-STUNDEN-SUPER8-FESTIVAL
EXPOSED. Klappe die Siebte
Produktionstreffen: Fr, 10.06.2016 | 20:00 Uhr | aka-Büro, Rheinstraße 12
Spieltermin: Mo, 13.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
E
in Wochenende lang wird unser Büro in der
Rheinstraße der Dreh- und Angelpunkt des Freiburger Filmgeschehens: Da wird gedreht, gebastelt,
gepanscht, gemeinsam gekocht und gegessen. Es
heißt, so manch Eine bettet des nachts gar ihr müdes
Haupt auf den aka-Kissen...
Dreiminütige Meisterwerke auf acht Millimetern
entstehen hier von der ersten Idee bis zur Vorführung
– in 72 Stunden. Das heißt Filmcrew bilden, Drehbuch
entwickeln, spielen, filmen, selbst entwickeln und,
falls notwendig, schneiden. Also das Medium Film
hautnah und an einem Wochenende erleben. Gerne
experimentieren wir auch mit ungiftigen Entwicklern wie Instantkaffee, Vitamin-C-Pulver und Natron.
Nicht zu unterschätzen ist das den Film beeinflussende Medium Super 8 - so sieht der oder die
Filmemacher_in sein Werk erst nach der Entwicklung! Durch seine Wirkung und seinen Status wird
es zur Kunst und eine große Toleranz sorgt dafür, dass jeder Film etwas wird.
Am Montag um 20 Uhr werden die Filme mit Live-Vertonung im Hörsaal 2006 uraufgeführt!
Jeder und Jede, der oder die sich fürs Filmemachen interessiert, ist herzlich eingeladen, sich einzubringen – z.B. indem mensch mit millimetergenauen Bewegungen einigen Legomännchen Leben
einhaucht... MBI
7
aka-Specials
KURZFILMROLLE
Best of Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart 2015
Mo, 25.04.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Diverse B: Diverse K: Diverse M: Diverse D: Diverse P: Diverse V: DVD, OmU L: ca. 120 Min.
D
as Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart (kurz ITFS) findet jedes
Jahr im Frühjahr statt. Sechs Tage lang können Freunde des Animationsfilms allerlei Lang- und natürlich Kurzfilme sehen. Abgerundet
wird das Festival von zahlreichen zusätzlichen Veranstaltungen, die
zusammen mit dem vielseitigen Programm dafür sorgen, dass sowohl
Kinder als auch Erwachsene, Regisseure und Produzenten eine Plattform
zum Erlebnis und zur Diskussion rund um den Animationsfilm finden.
Im vergangenen Jahr kamen 80.000 Zuschauer nach Stuttgart. Rund
700 Filme wurden gezeigt. Damit ist das ITFS eines der wichtigsten
internationalen Filmfestivals und eines der bekanntesten im Bereich
der Animation.
Mittlerweile jährt sich das ITFS 2016 zum 23. Mal. Der aka hat wieder
die Möglichkeit, das Best of des letzjährigen Wettbewerbs zu zeigen.
Mit dieser Kurzfilmauswahl wollen wir Euch einen schönen Trickfilmabend bescheren, der sowohl ernstes als auch lustiges, experimentelles
wie auch klassisches Material aus aller Welt beinhaltet. Es wird Zeit,
den künstlerisch wertvollen Animationsfilmen wieder etwas mehr
Aufmerksamkeit zu schenken. Zu oft werden sie immer noch als reines Kindervergnügen verstanden, wo es doch manches interessante Projekt jenseits von Pixar und Co. da draußen gibt… Viel
Spaß mit dem Best of ITFS 2015!
Nähere Infos zum Festival und der Filmauswahl findet Ihr auf unserer Homepage und den
Flyern an der Abendkasse!
NK
SEMESTERABSCHLUSSFILM
Wrong
Mi, 20.07.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
Unser Semesterabschlussfilm ist zugleich das Finale
der Filmreihe Twisted Realities. Den ausführlichen
Filmartikel findet Ihr auf S. 30.
8
Europäischer Filmpreis
Europäischer Filmpreis 2015
N
un ist also schon wieder ein ganzes Jahr ins Land gegangen, seit wir
euch unsere Filmreihe zum Europäischen Filmpreis 2014 gezeigt haben. Und wie das so ist mit alljährlichen Veranstaltungen, wurde deshalb
auch schon wieder ein neuer, nun ja, Europäischer Filmpreis verliehen,
nämlich der Europäische Filmpreis 2015. Europäischer Filmpreis. So
ein unhandliches Wort; ich habe es letztes Jahr gesagt und ich sage
es heuer wieder: wenn der Preis noch "Felix" heißen würde wie in den
1990ern, dann wäre nicht nur dieser erste Absatz um Längen weniger
klobig ausgefallen, nein, der Europäische Filmpreis würde auch nicht
halb so technokratisch anmuten wie er es als "Europäischer Filmpreis"
tut. Die neue Statuette ist allerdings weiblich, also wohl eher kein Felix.
Wer hätte gedacht, dass "Europäischer Filmpreis" ein Frauenname ist...
Die ganze Technokratiegeschichte ist – und auch das bleibt wie 2014
– aber eine traurige Fehleinschätzung, denn eigentlich ist der verkappte Felix ein Preis mit enormem Potential: wo die Oscars mit Prunk und
Glamour protzen müssen, könnte er/sie sich selbstsicher zurücklehnen
und entspannt auf die pure cineastische Pracht weisen, welche sich
alljährlich (nicht so wirklich) in seinem Namen versammelt findet. Der...
Europäische Filmpreis... ist eigentlich die Champion's League des hiesigen
Filmbetriebs, das große Ringen der prestigeträchtigen Festivalsieger
und hochgelobten Landespreisträger um die Krone des Europäischen
Films. Man verzeihe den Kalauer, aber: ganz großes Kino.
Außerdem liefert so ein Preis dem geneigten Publikum genau die
Art Gelegenheit zur hitzigen Debatte um des Kaisers Bart, die es sich
für gewöhnlich nicht entgehen lässt; die Art Debatte, die man in allen
Medien landauf- und abwärts bezüglich der Oscars um die Ohren gehauen bekommt, ohne sich so richtig mit Inbrunst darauf einlassen zu
wollen. Aber wenn der neue Sorrentino die silberne Trophäe abräumt,
wie dieses Mal geschehen, dann hat man plötzlich allen Grund, es besser zu wissen: der letzte, La
Grande Belezza, das war doch der weit bessere Film! Und überhaupt, Victoria war eh besser, und lief
auch vor völlig ausverkauftem Haus im aka! Oder doch Ex Machina (S. 53)? Oder was abwegigeres,
Sture Böcke (S. 33)? Zeigen wir schließlich auch beide.
Kurzum: Es wäre jene eine bessere Welt, in welcher mehr Menschen vom Europäischen Filmpreis
wüssten. Deshalb also auch dieses Jahr wieder eine Reihe, mit dem Preisträger Ewige Jugend und
weiteren Perlen aus der langen Auswahlliste. Ich kann nur jedem empfehlen, sich mal intensiver mit
den Filmen zu befassen, die da für würdig erachtet werden, für den ganz großen Preis nominiert zu
sein. Champion's League Kino, ehrlich.
Und weil nicht nur ich das so sehe, haben wir uns entschieden, die Auswahl und Vorstellung der
Filme diesmal breit gestreut im aka zu verteilen. Jeder Film in dieser Reihe wurde von einem Akanauten ausgewählt, der der Meinung war, genau dieser Film sei die Art Perle, die man euch nicht
vorenthalten könne (und wir hatten noch eine ganze Reihe Perlen in der Hinterhand, so gut ist die
Vorauswahl). So sind es nun also neben Paolo Sorrentinos Ewige Jugend noch die vor Leben überlaufende Komödie Das brandneue Testament, das glänzend gespielte Ehedrama 45 Years, und der
bildgewaltige Reigen von Das Märchen der Märchen geworden. Lasst euch überzeugen und bleibt
dran am Europäischen Filmpreis, klobiger Nichtname hin- oder her.
Elmar Offenwanger
9
Europäischer Filmpreis
Das brandneue Testament | Le tout nouveau Testament
Di, 19.04.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Jaco Van Dormael B: Jaco Van Dormael, Thomas Gunzig K: Christoph Beaucarne M: An Pierlé
D: Benoît Poelvoorde, Pili Groyne, Yolande Moreau, Catherine Deneuve P: B/ F/ L 2015 V: BR, Fr. OmU
L: 113 Min.
G
ott (BP) lebt mit Frau Göttin (YM) und Tochter Éa (PG) in einer
mittelmäßigen Wohnung irgendwo in Brüssel. Ja, der Gott.
Und wäre er ein Mensch, so wäre er ein furchtbarer Mensch.
Irgendwann entschließt Éa, dass genug genug ist: Sie flieht entgegen Gottes Verboten aus der Wohnung in die echte Welt und
beginnt dort, neue Apostel um sich zu scharen. Wütend macht
Gott sich an die Verfolgung.
Vor ein paar Semestern haben wir euch mit Mr. Nobody bereits
einmal einen Film von Jaco Van Dormael gezeigt. Wer damals
schon Zuschauer war, der ahnt, was sich auch in Das brandneue
Testament vor den Augen des Publikums entfaltet – nämlich das
Leben in seiner ganzen Vielfältigkeit. Die ineinander verwobenen
Episoden über die neuen Apostel Éas sind nämlich genau deshalb
so skurril-komisch, weil sie auch um die Traurigkeit des Lebens
keinen Bogen machen – gute Komödie erwächst nunmal immer
aus Tragödien. Dazu kommt ein immenser Spaß am Erzählen
und die Bereitschaft, visuell auch mal den einen Schritt abseits
der ausgetrampelten Pfade zu gehen. So wird Das brandneue
Testament zu einem Film, den man so nicht erwartet, von dem
man aber hinterher froh ist, ihn gesehen zu haben. EO
Vorfilm: Borderline
R: Dustin Rees P: CH 2011 L: 7 Min.
E
s gibt Tage, da würdest du dich als Schweizer Grenzer am Liebsten umbringen. Aber das ist
leichter gesagt als getan...
45 Years
Di, 26.04.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R/B: Andrew Haigh K: Lol Crawley M: Conni Farr D: Charlotte Rampling, Tom Courtenay P: GB 2015
V: DCP, En. OmU L: 95 Min.
N
ach 45 Jahren ist manche Ehe ziemlich eingerostet. Nicht so bei Kate (CR) und Geoff (TC), die
ein eingeschworenes Paar sind und sich noch immer blendend verstehen. Sie stecken mitten
in den Vorbereitungen für ein großes Fest, um mit vielen Freunden den 45. Hochzeitstag zu feiern,
als Geoff einen Brief aus der Schweiz bekommt: In den Alpen wurde eine Leiche gefunden, bei der
es sich um seine erste Freundin und große Liebe handelt. Diese Nachricht reißt alte Wunden wie-
10
Europäischer Filmpreis
der auf und Geoff wird von den Geistern der
Vergangenheit eingeholt. Bei Kate machen
sich jedoch wie ein gefährliches Gift Gefühle
breit, die sie nach 45 Jahren schon längst als
vergessen glaubte: Eifersucht, Zweifel, Misstrauen. Unvermittelt und heftig wird die fast
ein halbes Jahrhundert dauernde Ehe in ihren
Grundfesten erschüttert.
Regisseur Andrew Haigh wählt für sein Beziehungsdrama eine ruhige, beobachtende
Erzählweise. So schafft er es, die schrittweise
Aushöhlung einer eigentlich vorbildlichen Beziehung mit Intensität und Empathie zu vermitteln.
Getragen wird der Ensemblefilm von den beiden Hauptdarstellern. Charlotte Rampling und Tom
Courtenay zählen zu den Altmeistern des britischen Kinos und wurden für 45 Years mit zig Preisen, u.a.
einer Oscar-Nominierung und dem Europäischen Filmpreis für die beste Hauptdarstellerin, belohnt.
JL
Vorfilm: 12 Jahre
R/B: Daniel Nocke P: D 2010 L: 4 Min.
Z
wei Hunde treffen sich zu einem finalen Trennungsgespräch nach 12 Jahren Beziehung. Dabei
kommen große Gefühle auf. Schließlich eskaliert die Lage auf groteske Weise.
Ewige Jugend | Youth
Di, 03.05.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R/B: Paolo Sorrentino K: Luca Bigazzi M: David Lang D: Michael Caine, Harvey Keitel, Rachel Weisz,
Paul Dano, Jane Fonda P: D/ F/ CH/ GB 2015 V: DCP, En. OmU L: 118 Min.
D
er beste europäische Film aus dem Jahre
2015: Der italienische Filmemacher Paolo
Sorrentino konnte mit seinem jüngsten Werk
nach seinem phänomenalen Erfolg mit La Grande
Bellezza aus 2013 wieder beim Europäischen
Filmpreis überzeugen. Erneut bekam sein
Film die begehrten Trophäen als bester Film,
für die beste Regie und den bester Darsteller
(Michael Caine).
Über Ewige Jugend sagte Sorrentino nach der
Premiere in Cannes: "Zukunft bedeutet Möglichkeiten zu haben. Und Möglichkeiten zu sehen,
ist das Wesen der Jugend." Im höheren Alter
legt uns unser körperlicher Zustand und die Gesellschaft nahe, dass wir kaum noch Möglichkeiten
haben. Im Film fragt sich Sorrentino: Ist das zwingend?
11
Europäischer Filmpreis
Der Ankerpunkt der Handlung ist Fred Ballinger (MC). Er ist alt und im Ruhestand. Viele Jahre war
er ein aktiver und gewürdigter Komponist, doch jetzt wirkt er eingeknickt, fast schon apathisch.
Fehlt ihm die Lebensenergie? Der Aufenthalt in dem luxuriösen Wellnesshotel Waldhaus im schweizerischen Flims zusammen mit seinem Freund und noch aktiven Regisseur Mick Boyle (HK) soll dies
beantworten. Mick strotzt, im Gegensatz zu Fred, noch vor Lebensenergie und nutzt die Zeit im
Hotel, um sein letztes Drehbuch zu beenden.
Die reflektierenden Gespräche über ihr eigenes Leben und die Beobachtungen über die zum
Teil sehr bizarren anderen Hotelgäste werden im Film durch wohlüberlegte Filmszenen, Humor,
ausgewählte Musik und großartige Kameraführung dargestellt. Das Ergebnis ist ein einmaliges
Gesamtkunstwerk.
JK
Vorfilm: A Single Life
R/B: Job, Joris & Marieke P: NL 2014 L: 2 Min. 15 Sek.
A
ls Pia eine geheimnisvolle Schallplatte abspielt, kann sie plötzlich durch ihr Leben reisen.
Das Märchen der Märchen | Il racconto dei racconti
Mo, 09.05.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Matteo Garrone B: Edoardo Albinati, Ugo Chiti, Matteo Garrone, Massimo Gaudioso K: Peter Suschitzky M: Alexandre Desplat D: Salma Hayek, Vincent Cassel, Toby Jones, John C. Reilly, Massimo Ceccherini,
Alba Rohrwacher, Hayley Carmichael, Bebe Cave P: I/F/GB 2015 V: BR, En. OmU L: 134 Min.
D
as Märchen der Märchen erzählt drei zauberhafte Geschichten, die leicht miteinander
verbunden sind. In der ersten versucht die
unfruchtbare Königin von Longtrellis (SH)
ein Kind zu bekommen und verspeist dafür
das Herz eines Seeungeheuers. Doch auch
ihre Magd kostet heimlich davon. In der
zweiten verliebt sich der König von Strongcliff (VC) in die Singstimme der alten Dora
(HC). Dora schläft mit ihm, verbirgt dabei
aber ihren faltigen Körper. Doch der König
errät ihr Geheimnis. Die dritte Geschichte
erzählt von der Prinzessin Violet (BC), deren
Vater (TJ) einen riesigen Floh als Haustier hält. Als das Tier stirbt, häutet er es und schreibt einen
Wettbewerb aus. Wer erraten kann, von welchem Wesen die Haut stammt, darf Violet heiraten. Es
kommt zu einer bösen Überraschung.
Matteo Garrones Fantasyfilm basiert auf der alten Märchensammlung Pentameron (1634-1636)
des italienischen Schriftstellers Giambattista Basile. Und das merkt man. Denn Das Märchen der
Märchen fühlt sich an wie ein Relikt, ein Schmuckstück aus einer fernen Epoche. So befremdlich und
grotesk manche Elemente aber auch sind, so schön erscheinen andere – faszinierend sind sie alle.
In prachtvollen Bildern wandeln verwunschene Schönheiten, Seeungeheuer, gierige und liebende
Menschen umher. Es ist eine Welt, die unerklärlich, aber gerade deshalb so packend ist. FL
12
Being Charlie Kaufman
Being Charlie Kaufman
B
rauchen wir überhaupt noch Drehbuchautoren? In
Zeiten in denen immer mehr Filme Scene-by-Scene
gedreht werden oder teilweise einfach von den Regisseuren selbst geschrieben werden. In einer Zeit, in der
mehr die Effekte und Musik im Vordergrund stehen
und gute Dialoge nicht mehr so wichtig erscheinen.
Braucht es da überhaupt noch ein gutes Drehbuch? Der
aka widmet dieser scheinbar aussterbenden Kunstform
diese Reihe, indem er sich mit einem der exzentrischsten
Vertreter dieser Zunft beschäftigt: Charlie Kaufman.
Um erst mal mit einem Gerücht aufzuräumen: Charlie
Kaufman existiert wirklich. Das Gerücht entstammt der
Zeit, als sein erster geschriebener Film Being John
Malkovich herauskam. Er lässt sich nicht gerne photographieren und, da alle sehr beeindruckt von diesem
Drehbuch waren (er wurde sogar für den Oscar nominiert)
dachten alle, dass es sich um ein Pseudonym handelt.
Sobald jemand von den üblichen gesellschaftlichen
Konventionen abweicht, wird man schnell als nicht
existierend abgestempelt. Außerdem gilt man sofort als
unfreundlich, wenn man sich nicht wie ein Kind über
eine Oscarnominierung freut. In fast jedem Interview
wird er übrigens gefragt, wieso er keine Interviews gibt, obwohl er dauernd Interviews gibt. Was
ihn mittlerweile ziemlich nervt.
Die Jahre nach Being John Malkovich waren sehr erfolgreich für ihn. Es gab eine zweite Oscarnominierung für Adaption, einen Film in dem er sich selbst spielt. Doch sein größter Triumph war
der Gewinn des Oscars für sein Drehbuch zu Eternal Sunshine of the Spotless Mind. Doch dann
wurde es abrupt still um ihn. Sein Regiedebüt Synecdoche, New York floppte gewaltig und die
Studios fanden eine Zusammenarbeit mit ihm von nun an zu riskant. Diese Zeit frustrierte ihn sehr,
er fragte sich oft, wieso andere Werke verfilmt wurden, während sein Stapel unverfilmter Drehbücher immer größer wurde. Schließlich ist es Kickstarter zu verdanken, dass er seinen zweiten Film
Anomalisa in die Kinos bringen konnte. Und wer weiß, nachdem dieser sehr viele positive Kritiken
bekommen hat, trauen sich die Studios wieder Charlie-Kaufman-Filme zu machen.
Maarten Wissink
13
Being Charlie Kaufman
Anomalisa
Mi, 20.04.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Charlie Kaufman, Duke Johnson B: Charlie Kaufman K: Joe Passarelli M: Carter Burwell D: David
Thewlis, Jennifer Jason Leigh, Tom Noonan P: USA 2015 V: DCP, tba L: 90 Min.
W
er war nochmal Charlie Kaufman? Gute Frage,
schließlich hat man seit 2008, als er sein Regiedebüt Synecdoche, New York herausbrachte, nichts
mehr von ihm gehört. Der Oscargewinner (Eternal
Sunshine of the Spotless Mind) wurde schlicht und
einfach vergessen. Dabei war er nicht untätig, nur
hat er niemanden gefunden, der seine Drehbücher
verfilmen wollte. Da Synecdoche ein wirtschaftlicher Flop war, hat sich schlicht niemand mehr
getraut sich an seine Werke zu wagen. So musste
er die Dinge schließlich selbst in die Hand nehmen
und finanzierte Anomalisa über Kickstarter, eine
Seite auf welcher Geld für Projekte von Künstlern
gespendet werden kann. Auf einmal war er wieder in aller Munde und sein Film wurde schließlich
auch für den Oscar nominiert, übrigens in der selben Kategorie wie Shaun das Schaf.
Michael Stone (DT), ein Sachbuchautor, kann sich nicht wirklich mit anderen Menschen beschäftigen. Sie interessieren ihn nicht, für ihn sehen einfach alle gleich aus. Außerdem kann er Aufregung
im seinem Leben nicht gebrauchen, sodass er eigentlich immer den gleichen Tagesablauf hat. Auf
einer Geschäftsreise auf der er sein neues Buch vorstellt lernt er Lisa (JJL) kennen, die erste Person,
die ihn interessiert. Eine Anomalie in seinem Leben. Oder wie er es ausdrückt, eine Anomalisa.
Charlie Kaufman schrieb das Drehbuch eigentlich als
Theaterstück unter dem Pseudonym Francis Fregoli,
nach dem gleichnamigen Syndrom, das alle Personen
gleich aussehen lässt. Dadurch werden passenderweise
alle andere Personen in Anomalisa von Tom Noonan synchronisiert. Die Figuren stammen aus 3D-Druckern und,
obwohl es sich um Puppen handelt, beinhaltet der Film
eine der realistischsten Sexszenen der Filmgeschichte.
MW
Vorfilm: Der Kleine Vogel und das Eichhörnchen
R/B: Lena von Döhren P: CH 2015 L: 5 Min.
E
inem kleinen Vogel wird vom Eichhörnchen die Gießkanne gestohlen, noch dazu erscheint ein hungriger
Fuchs. Eine wilde Jagd beginnt.
14
Being Charlie Kaufman
Synecdoche, New York
Mi, 27.04.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R/B: Charlie Kaufman K: Frederick Elmes M: Jon Brion D: Philip Seymour Hoffman P: USA 2008 V: DVD,
En. OmU L: 124 Min.
There’s a place I long to be.
A certain town that’s dear to me
Home to Mohawks and G.E.
It’s called Schenectady.
I was born there and I’ll die there.
My first home I hope to buy there.
Have a kid or at least try there.
Sweet Schenectady.
And when I’m buried and I’m dead,
Upstate worms will eat my head.
For every person that you know,
Once they’ll say goodbye and go.
Think we’ll see them soon, well no.
You won’t see them again.
But there’s always a last time
That you see everyone.
There is always a never again.
D
er Theaterregisseur Caden Cotard (PSH)
wird von niemanden verstanden und gewürdigt. Seine Frau versteht ihn nicht und ist
mit ihrer Kleinkunst beschäftigt und wandert
lieber mit seiner Tochter nach Berlin aus. Dabei
ist es sein Einziges, wahre Kunst zu kreieren,
die ihn unsterblich macht. Denn nichts fürchtet
er mehr als den Tod. Deswegen geht er wegen
jeder noch so kleinen Beschwerde sofort zum
Arzt. Nachdem er einen sehr hochdekorierten
Kunstpreis gewonnen hat, entschließt er sich von dem Preisgeld eine riesige Lagerhalle zu kaufen
und sein komplettes Leben als Theaterstück nachzuerzählen. Ein Lebenswerk.
Charlie Kaufmans Regiedebüt übers Sterben. Sterben mit dem Wissen, sein Leben damit verschwendet zu haben, sein Leben nicht gelebt zu haben. Sterben mit dem Wissen, dass niemand dich
verstanden hat. Sterben, ohne sein Lebenswerk vollendet zu haben. Dass der Tod unerwartet und
ohne Vorwarnung kommt. Eine ehrliche Auseinandersetzung, welche auf jegliche Schönfärbungen
verzichtet. MW
Vorfilm: Einundzwanzig
R: Martin Eichhorn P: D 2013 L: 4 Min.
Z
u verträumter Musik treten hier verschiedene Materialien zusammen, ergeben wilde, farbenfrohe
Kombinationen.
15
Being Charlie Kaufman
Eternal Sunshine of the Spotless Mind
Mi, 04.05.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Michel Gondry B: Charlie Kaufman K: Ellen Kuras M: Jon Brion D: Jim Carrey, Kate Winslet P: USA
2004 V: 35mm, En. OmU L: 108 Min.
EXT. BEACH - DAY 5
Later: Joel (JC) sits on a rock and pulls a big, tattered notebook from
his briefcase. He opens it and reads his last entry.
JOEL (V.O.)
January 6, 2001. Nothing much. Naomi and I coexisting. Roommates. Nothing.
Will it go on like this forever? My best guess? Yes. Under the entry is
a detailed drawing of a paranoid, wild-eyed man huddled in the corner
of a damp basement lit by a bare bulb on a cord. Joel notices something
odd: a great many pages have been torn out after the last entry. He
ponders it for a moment, then writes on the next page:
JOEL (V.O.) (CONT'D)
Valentine's Day 2003. First entry in two years. Where did those years
go? If you're not careful it gets away from you. And then it's over and
you're dead. And within a few years who even remembers you were here?
(thinks)
Called in sick today. Took the train out to Montauk.
(thinks)
Cold.
J
oel hat es echt nicht leicht. Endlich lernt
er nach der schlimmen Beziehung mit
Naomi eine Frau am Strand von Montauk
kennen, die nicht gleich von ihm wegrennen möchte: Clementine (KW). Doch
nach einer wundervollen Nacht auf einer
Eisschicht scheint sie nichts mehr von ihm
wissen zu wollen. Schlimmer noch, sie hat
bereits am selben Tag einen neuen Freund
gefunden. Was macht man nach solch niederschmetternden Ereignissen? Man geht
zum Erinnerungsdoktor und lässt sie sich
aus dem Gedächtnis löschen. Doch mit Erinnerungen ist es nicht so einfach...
Ein berührendes Drama über Liebe und den Umgang mit Rückschlägen, wofür Charlie Kaufman
verdient mit dem Oscar für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde. MW
Vorfilm: Rosarot
R/B: Ines Christine Geisser, Kirsten Carina Geisser P: D 2009 L: 1 Min.
Z
16
wei Menschen müssen erkennen, dass die rosarote Brille wunderbar, aber höllisch nutzlos ist.
Schließlich kommt es zum traurigen Fazit.
Being Charlie Kaufman
Being John Malkovich
Mi, 11.05.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Spike Jonze B: Charlie Kaufman K: Lance Acord M: Carter Burwell D: John Cusack, Cameron Diaz,
Catherene Keener, John Horatio Malkovich P: USA 1999 V:35mm, DF L: 112 Min.
INT. CHEERLESS ROOM - DAY
The room is bare, dusty. A ceiling fan turns. The wall clock ticks. Craig, 30 years old and small, sits at a collapsible card table. The only
item on the table is a book. Craig picks it up, looks at the jacket.
It's entitled "Sit." Craig opens the book. It reads: "sit sit sit sit
sit..." over and over, page after page. Craig closes the book. He begins
to stand, but thinks better of it, sighs. He looks at the book again.
It is now entitled "Die." He opens it up. "die die die die die..."
W
ollten Sie schon mal jemand anderes
sein? Auch wenn es nur 15 Minuten
sind und es sich bei der Person um John
Malkovich handelt? Craig (JC), ein erfolgloser Puppenspieler, möchte es, um seinem
langweiligen Leben zu entfliehen und um
seiner Kollegin Maxine (CK) zu gefallen.
Craigs Frau Lotte (CD) möchte es, um ihre
männliche Seite ausleben zu können und um
mit ihrer neuen Liebe Maxine zusammen sein
zu können. Maxine denkt nur ans Geld, fühlt
sich aber sehr zu Lotte hingezogen, jedoch
nur wenn sie in John Malkoviches Körper ist.
John Malkovich möchte, dass sein Körper in
Ruhe gelassen wird und wer ist dieser alte Mann, in dessen Bürogebäude sich das Portal zu John
Malkovichs Kopf befindet?
Being John Malkovich war Charlies Kaufmans erster Film, den er geschrieben hat, was ihm gleich
seine erste Oscarnominierung einbrachte. Dabei hielten sehr viele Studios dieses Skript für unverfilmbar. Entstanden ist es aus einer Zusammenarbeit mit sich selbst, er wollte aus zwei extrem
verschiedenen Ideen ein einziges Drehbuch schreiben. So wurde aus der Idee über einen Mann, der
eine Frau liebt, die nicht seine Frau ist, und dass jemand ein Portal im Kopf von einer Person findet,
Being John Malkovich. MW
Vorfilm: The Conservatory
R: Matilda Tristram P: GB 2008 L: 2 Min.
A
lt werden ist seltsam.
17
Satoshi Kon
Satoshi Kon
Das Spiel mit den Träumen
S
atoshi Kon (1946 - 2010) ist einer der großen Filmemacher der letzten 20 Jahre. Selbst wenn man
als westlicher Kinogänger noch keinen seiner Filme auf der großen Leinwand gesehen hat, sind
einem seine Bilder bereits begegnet. In Filmen wie Black Swan oder Inception wird sein direkter
Einfluss auf Hollywood-Schwergewichte wie Darren Aronofsky und Christopher Nolan deutlich
sichtbar. In nur einem Jahrzehnt schuf er vier Spielfilme und eine Fernsehserie, bevor er verfrüht
an Krebs starb.
Schon in seinem Erstlingswerk Perfect Blue (1997) sind die
Themen deutlich erkennbar, die sein gesamtes Werk konsequent umspannen. So befassen sich alle seine Filme damit wie
der moderne Mensch es schaffen kann, zwischen Realität und
Traumwelt eine eigene Identität zu finden. Es geht ihm um
unsere Existenz in der Welt, die Verbindung zu den Menschen,
mit denen wir diese teilen, sowie die virtuellen Identitäten und
Rollen, die wir kreieren um ihr zu entkommen.
So geht es in Perfect Blue um die Identitätskrise eines
Pop-Idols, das mit den eigenen und den gesellschaftlichen
Rollenvorstellungen ringt. Der bedrohliche Thriller vermischt
meisterhaft die Realität der Protagonistin mit den obsessiven
Erwartungen, die vom Publikum an sie herangetragen werden.
In Tokyo Godfathers, einer japanischen Weihnachtsgeschichte, geht es um drei Obdachlose, die ein ausgesetztes Baby zu
seiner Mutter zurückbringen wollen. Auf ihrer Reise durch die
Straßen Tokios werden alle drei immer wieder mit ihrer beschämenden Vergangenheit konfrontiert. Das gegenwärtige Leben
wird einem Leben gegenübergestellt, das sie bereits hinter sich
gelassen haben.
In Kons letztem Film Paprika scheinen sich alle Ideen und Themen zu einem visuellen Feuerwerk
zu verbinden. In der Welt von Paprika möchten die Protagonisten durch "Dreamsharing" ihre psychologischen Traumata gemeinsam verarbeiten. Die ansonsten zivilisierten Menschen müssen sich
mit ihren wilden und ungezähmten Traum-Personae auseinandersetzen.
Seine Themen bringt Kon mit einem visuellen Stil auf die Leinwand, der das gesamte Genre des
Anime auf ein neues Niveau hebt. Kon nutzt alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel aus, um seine
Welten realistisch zu vermitteln und den Betrachter in sie hineinzusaugen. Seine sensationellen
Schnitte und Auflösungen versetzen uns immer wieder in die Lage der Protagonisten, die sich zwischen Traum und Wachen, zwischen Gegenwart und Erinnerung, zwischen Identität und auferlegtem
Rollenbild zurechtfinden müssen. Nie kann man sich sicher sein, ob man wirklich sieht, was man zu
sehen glaubt. Am Besten überlässt man sich einfach dem meisterhaften Spiel des Regisseurs mit
den Träumen seiner Figuren, in der Gewissheit, dass man in guten Händen ist.
„But after going back and forth between the real world and the virtual world, you eventually find your
own identity through your own powers“ - Satoshi Kon
Christian Iannarone
18
Satoshi Kon
Perfect Blue | Pafekuto buru
Mi, 25.05.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Satoshi Kon B: Yoshikazu Takeuchi, Sadayuki Murai K: Hisao Shirai M: Masahiro Ikumi D: Junko
Iwao, Rica Matsumoto, Shinpachi Tsuji P: J 1997 V: DVD, Jap. OmU L: 81Min.
M
ima Kirigoe ist Sängerin der beliebten
Popgruppe “Cham”. Doch trotz ihrer
treuen Fangemeinde gelingt ihr leider nie
der große Durchbruch in der Musikbranche.
Aus diesem Grund entschließt sie sich dazu
die Band zu verlassen, um eine professionelle Schauspielkarriere anzufangen. Doch
kaum hat sie sich aus dem Musikgeschäft
zurückgezogen, wird sie von einem fanatischen Stalker heimgesucht. Dieser
scheint sie nicht nur auf Schritt und Tritt
zu verfolgen, sondern weiß seltsamerweise
auch bestens über ihre intimsten Gedanken Bescheid. Als es zu einem grausamen
Mordfall in ihrem näheren Umfeld kommt,
droht die junge Aktrice allmählich unter
dem psychologischen Druck, der auf ihr lastet, zusammenzubrechen. Merkwürdigerweise handelt
ihre erste Schauspielrolle in einem TV-Thriller von einer verfolgten Popkünstlerin, die im Rausch
des Wahnsinns Menschen ermordet. Da der Plot der Serie zunehmend Parallelen zu ihrem echten
Leben aufweist, verschwimmen für Mima allmählich die Grenzen zwischen Realität und Fiktion.
Satoshi Kons Regiedebut ist heute so aktuell wie 1997 und dennoch seiner Zeit voraus. Im Film
verschwimmen Realität und Wahn zu einem Nebel aus bestechend schönen Bildern. Das Rollenbild
der Frau in den visuellen Medien als Objekt männlicher Begierde und gesellschaftlicher Obsession
wird kunstvoll in Frage gestellt. CI
Vorfilm: Hug
R: Saki Iyori P: JPN 2013 L: 3 Min.
E
in kleines Filmchen über menschliche Nähe und weniger menschliche Nähe
Tokyo Godfathers | Tōkyō goddofāzāzu
Mi, 01.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Satoshi Kon B: Satoshi Kon, Keiko Nobumoto K: Katsutoshi Sugai M: Masafumi Mima D: Tôru Emori,
Yoshiaki Umegaki, Aya Okamoto P: J 2003 V: DCP, Jap. OmeU L: 88 Min.
A
ls drei Obdachlose auf den Straßen Tokios am Weihnachtsabend ein Baby im Müll finden, verändert sich ihr Leben für immer. Während das neue Jahr näher rückt, tun sich diese drei von
der Gesellschaft vergessenen Außenseiter zusammen, das Rätsel des ausgesetzten Mädchens zu
19
Satoshi Kon
lösen und das Schicksal seiner Eltern
zu ergründen. Auf ihrem langen Weg
werden sie durch scheinbar zufällige Ereignisse und Begegnungen gezwungen,
sich mit Ihrer eigenen schmerzlichen
Vergangenheit auseinanderzusetzen
und lernen dabei, ihrer gemeinsamen
Zukunft ins Auge zu sehen.
Im Vergleich zu seinen Vorgängern
ist Tokyo Godfathers wohl Kons geradlinigster Film, was nicht bedeutet,
dass die typischen surrealen Elemente
völlig fehlen. Doch geht es hier weniger um die Verbindung zwischen Realität und Erinnerung, Traum oder Wahn, als um die Konfrontation einer gegenwärtigen mit einer vergangenen
Identität. Wie es sich anfühlt, wenn man plötzlich mit einem bereits hinter sich gelassenen
Leben konfrontiert wird und welche Schlüsse sich für die Gegenwart daraus ziehen lassen
können, zeigt Kon sehr einfühlsam – eingebettet in ein ungewöhnlich weihnachtliches Tokyo.
CI
Vorfilm: Kleine Brötchen
R: Marcus Zilz P: D 2009 L: 4 Min.
M
anchmal würde man die eigene Unwissensheit gerne verbergen. Das gilt für Trickfilmfiguren
genauso wie für echte Menschen.
Paprika | Papurika
Mi, 08.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Satoshi Kon B: Seishi Minakami, Satoshi Kon K: Michiya Katou M: Susumu Hirasawa D: Megumi
Hayashibara, Tôru Emori, Katsunosuke Hori P: J 2006 V: DVD, Jap. OmU L: 90 Min.
I
n der nahen Zukunft wird die Behandlung
von psychischen Erkrankungen durch ein
neues Gerät revolutioniert. Der DC-Mini, entwickelt vom genialen Wissenschaftler Tokita
Kôsaku, ermöglicht es dem behandelnden
Therapeuten direkt in die Träume des Patienten einzusteigen und diese zu erforschen.
Doch noch bevor die Entwickler mit ihrem
Gerät an die breite Öffentlichkeit gehen
können, werden plötzlich drei Exemplare aus
ihren Labors gestohlen, die kurze Zeit darauf
verwendet werden um in die Träume der
Mitarbeiter des Instituts einzubrechen und
deren Psyche zu manipulieren. Nun liegt es
an der Therapeutin Atsuko Chiba, die als Traumfigur "Paprika" die ersten Therapien durchführt, und
20
Satoshi Kon
ihrem Patienten, dem Polizisten Toshimi Konakawa, herauszufinden hilft, wer hinter den Anschlägen
auf die Träume steckt und was diese bezwecken sollen. Doch die Zeit rennt ihnen gnadenlos davon,
denn mit jedem neuen Opfer beginnen die Träume mehr mit einander zu verschmelzen und am
Ende sogar in die reale Welt einzubrechen.
Am Besten man setzt sich hin und schaut einfach nur zu. Dieses animationstechnische Spektakel lässt sich mit Worten kaum fassen. Es scheint, als wolle Satoshi Kon mit seinem letzten Film
ein Feuerwerk seiner Vorstellungskraft abbrennen lassen. Wie in einem großartigen Finale bringt
Kon die Ideen und Konzepte aus seinen Vorgängerfilmen zum Abschied nochmal zusammen. Die
Traumwelten der Protagonisten führen eine wildgewordene Parade auf und zeigen eindringlich wie
gefährlich es sein kann, wenn man sich vollständig in ihnen verliert.
Paprika zeigt Kon visuell und erzähltechnisch auf dem Gipfel seines Könnens und gibt uns eine
Ahnung davon, was noch hätte kommen können. Leider verstarb Kon, bevor er sein letztes Projekt
(ein Roadmovie über Roboter) vollenden konnte, an Krebs. Doch sein vielschichtiges und komplexes
Lebenswerk verfügt über genügend Einfluss und Inspiration für Generationen von zukünftigen
Filmemachern, nicht nur im Animationsfilm. CI
21
Kooperationspartner
Studium generale proudly presents
Im Sommersemester finden im Studium generale und Colloquium politicum fast 100 Vorträge und Konzerte und über
100 Kurse statt. Hier einige Highlights aus dem Programm:
Mittwoch
27.04.16
20 Uhr c.t.
Peterhof 1
Studium generale - Literarische Neuerscheinungen: Registerwechsel
Abbas Khider
Ohrfeige
Donnerstag
12.05.16
19.00 Uhr
Haus „Zur
Lieben Hand“
Studium generale – Konzerte
Kammerkonzert des Freiburger Studenten-Orchesters
Montag
23.05.16
20 Uhr c.t.
HS 1199
Donnerstag
02.06.16
20 Uhr c.t.
HS 1010
Donnerstag
02.06.16
20 Uhr c.t.
HS 1199
Colloquium politicum – 13. Freiburger Symposium zu Entwicklungsfragen
Prof. Nic Cheeseman (Oxford University)
Why have Western governments failed to promote democracy in Africa?
Samstag
04.06.16
11 Uhr c.t.
HS 2004
Studium generale – Samstags-Uni
Dr. Heinrich Schwendemann (Historisches Seminar)
Die Hohkönigsburg – mittelalterlicher Burgenbau im Zeitalter des Nationalismus
Dienstag
07.06.16
20 Uhr c.t.
HS 1015
Studium generale - 175 Jahre Deutschlandlied
Dr. Eckhard John (Zentrum für Populäre Kultur und Musik)
Die provozierende Hymne.
Das „Lied der Deutschen“ – Geschichte und Legenden
Samstag
02.07.16
11 Uhr c.t.
HS 2004
Studium generale – Samstags-Uni
Peter Niederhäuser (Historiker, Winterthur)
Die Habsburger am Oberrhein – von der Geschichte zur Erinnerung
Montag
04.07.16
20 Uhr c.t.
HS 1015
Dienstag
05.07.16
19 Uhr s.t.
Aula
Studium generale - Einzelvorträge
Prof. Dr. Andreas Prater (Kunstgeschichtliches Institut)
Rembrandts „Raub des Ganymed“. Apotheose wider Willen und göttliche Torheit
Dienstag
12.07.16
20 Uhr c.t.
HS 1015
Studium generale - 175 Jahre Deutschlandlied
PD Dr. Gregor Herzfeld (Seminar für Musikwissenschaft, FU Berlin / Freiburger Barockorchester)
Über das ‚Hymnische‘ in der Musik des 20. Jahrhunderts
Studium generale - Was tun wir denn?! Künstler greifen ein.
Zentrum für Politische Schönheit
Colloquium politicum
Prof. em. Dr. Anand Kumar (Jawaharlal Nehru University, New Delhi; former President Indian
Sociological Society)
Current Developments in Indian Politics
Colloquium politicum – Freiburger Horizonte
Peter Schaar (Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und
Datenschutz)
Informationsgesellschaft ohne Datenschutz?
Ausführliche Informationen zum gesamten Programm findet ihr im Programmheft, das in der
gesamten Stadt und Universität kostenlos erhältlich ist, außerdem unter www.studiumgenerale.
uni-freiburg.de oder auf Facebook.
Anmeldung zum Newsletter über unsere Homepage.
22
Im Osten geht die Sonne auf
Im Osten geht die Sonne auf
B
is zu den vergangen Parlamentswahlen in Polen am
25. Oktober 2015 waren die Berichte der deutschen
Medien über Polen knapp. Es gab doch auch keine
besonderen Anlässe, über die man hätte berichten
können, oder? In Polen lief doch alles gut. Allein die
BIP-Wachstumsrate des Landes (2011 bei 4,8%) zählt
seit Langem zu den höchsten innerhalb der EU. Im
Dezember 2014 wird sogar der damalige polnische
Ministerpräsident Donald Tusk zum Präsidenten des
EU-Rates gewählt. Kurz: Polen gilt seit dem Eintritt in
die EU 2004 als ein Musterbeispiel. Es ist ein modernes,
der Zukunft zugewandtes Wirtschaftswunderland.
Stop, stop, stop. Polen galt als ein Musterbeispiel innerhalb der EU. Die letzten Parlamentswahlen in
Polen ändern nämlich alles. Die Partei PIS von Jaroslaw Kaczynski bekommt mit 37,6% aller Stimmen
die absolute Mehrheit in den beiden Kammer des polnischen Parlaments, dem Sejm und dem Senat.
Einen Tag später titelt die ZEIT: "Polen auf Orbáns Weg".
25.10.2015, 2004, 37,6 % : Zahlen sind eine Bereicherung für den Menschen. Doch versucht man ein
Land nur nach Zahlen und Statistiken zu analysieren, dann vergisst man einen Parameter: den Menschen.
Diese Filmreihe versucht nicht auf die möglichen Gründe für die radikale politische Veränderung in
Polen einzugehen. Vielmehr versucht sie darzustellen, dass Polen – wie jedes Land – und auch trotz
einer nationalistischen und weltfremden Regierung, gefüllt ist von Vielfalt. Menschen die lieben,
lachen und weinen. Ein Land, in dem Gegensätze bestehen und eine eigene Kultur lebendig ist.
Polen ist nicht Ungarn. Polen ist nicht nur Kaczynski.
Im Osten geht die Sonne auf versucht einen tieferen Einblick in die polnische Gesellschaft, Geschichte
und Kultur zu ermöglichen, durch Filme, die aus Polen kommen und in Polen Anerkennung fanden.
Deswegen werden vier Filme aus drei verschiedenen Bereichen gezeigt: eine Satire, eine Erzählung
und zwei historische Filme. Ein besonderes Augenmerk wird auf das totalitäre, kommunistische Regime der UdSSR geworfen. Wie kein anderes Land prägte Russland die heutige polnische Gesellschaft.
Der erste Film Katyń erzählt die Geschichte des Massakers von Katyn. Die Wucht dieser im Westen
weitgehend unbekannten Ereignisse prägt die polnische Politik bis heute. Wałęsa. Der Mann aus
Hoffnung erzählt die unglaubliche Geschichte von Lech Wałęsa, einem Elektriker, der den Fall des
russischen Regimes einleitet, indem er zum Anführer der größten unabhängigen Gewerkschaft im
Ostblock wurde: der Solidarnosc (zu deutsch Solidarität). Und schließlich zum ersten Präsidenten
in der Geschichte Polens, der demokratisch und direkt vom polnischen Volk gewählt wurde. Der
Kultfilm Oberst Kwiatkowski aus dem Jahr 1996 zeigt, dass Polen und Polinnen anders ticken.
Kaum hat man die Freiheit unzensierte Filme zu drehen, lacht man sich schief über die wirklich
"lustigste" Zeit in der polnischen Geschichte: 1945. Den Abschluss der Reihe bildet Jasminum. In
den letzten zehn Jahren zählt dieser zu den meistgewürdigten Filmen in Polen. Auf träumerische
und ergreifende Art wird aus der Sicht eines kleinen Mädchens ein Blick auf die Fragen und Ziele
des Lebens geworfen.
Ziel der Filmreihe ist es, dass man sich danach der polnischen Gesellschaft näher fühlt als zuvor,
und das Länderspiel Deutschland-Polen am 16. Juni richtig spannend wird. So soll ein kleiner Beitrag
gegen die fortschreitende Entfremdung zwischen den europäischen Kulturen geleistet werden, die
durch die Bewältigung der Flüchtlingskrise und der Etablierung von "EU-kritischen" Parteien noch
weiter befeuert wird. Jan Kuzior
23
Im Osten geht die Sonne auf
Katyń
Di, 24.05.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Andrzej Wajda B: Andrzej Wajda, Przenyslaw Nowakowski, Władysław Pasikowski K: Paweł Edelman M: Krzystof Penderecki D: Maja Ostaszewska, Artur Żmijewski, Paweł Małaszyński, Andrzej Chyra
P: PL 2007 V: BluRay, Poln. OmU L: 115 Min.
J
edes einzelne Massengrab verändert
eine Nation. Die Ereignisse sind derart
prägend für das Selbstverständnis der
betroffenen Menschen, dass der Großteil
der verübten Massenmorde weit über
die eigenen Ländergrenzen bekannt ist.
Und das Massaker von Katyń?
Die Ortsbezeichnung Katyń steht symbolhaft für eine Reihe von Massenmorden
an bis zu 25.000 Polen. Sie wurden an sechs
verschiedenen Orten in dem Zeitraum
vom 3. April bis 11. Mai 1940 verübt.
Der sowjetische Geheimdienst NKWD ermordete auf Befehl von Stalin gezielt polnische Führungsfiguren, vor allem aus dem Militär und der Polizei, sowie unzählige polnische Intellektuelle.
Diese Massenmorde sollten den polnischen Staat führungslos machen. Dadurch sollten die Polen
der sowjetischen Unterdrückung und dem Terror hilflos ausgeliefert werden. Der Plan ging auf.
Und nach den Morden? Nichts. Mehr als 50 Jahre lang leugnete Russland, die Taten begangen zu
haben und verbreitete Fehlinformationen. Bis heute hat sich Polen von dem Trauma nicht erholt.
Erst 2010 gedenken Putin und der damalige polnische Ministerpräsident Tusk gemeinsam den
Opfern von Katyń.
Erzählt wird diese Geschichte von Andrzey Wajda, einem unter anderem von Martin Scorsese gefeierten polnischen Regie-Altmeister und Träger des goldenen Ehrenbären der Berlinale. Kameramann
ist Pawel Edelmann, vielfach ausgezeichnet für seine Arbeit bei Der Pianist. Die im Film erzählte und
gezeigte Wahrheit lässt einen erzittern. JK
Wałęsa. Der Mann aus Hoffnung | Wałęsa. Człowiek z nadziei
Di, 31.05.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Andrzey Wajda B: Janusz Głowacki K: Paweł Edelman M: Paweł Mykietyn D: Robert Więckiewicz,
Agnieszka Grochowska P: PL 2013 V: DVD, Poln. OmU L: 119 Min.
L
ech Wałęsa ist eine umstrittene Persönlichkeit in Polen. Für die einen noch immer Nationalheld und Freiheitsikone, für die anderen seit neuestem schlicht Nationalfeind.
Vor der jetzigen Machtübernahme hat die Partei PIS unter Führung von Jarosław Kaczyński Lech
Wałęsa offen diskreditiert. Jetzt will sie ihm den letzten StoSß geben, am liebsten die polnische
Geschichte umschreiben. Neu aufgetauchte Dokumente sollen belegen, dass Wałęsa unter dem
Pseudonym "Bolek" von 1970 bis 1976 mit der SB, dem polnischen Geheimdienst, kooperierte. Ob
24
Im Osten geht die Sonne auf
das reicht, um der feindlichen und ehemaligen
Machtelite eine ihrer zentralen Identifikationsfiguren zu nehmen? Diese Frage bleibt offen,
doch eines steht fest: Lech Wałęsa nimmt wieder eine zentrale Rolle in der Politik Polens ein.
Mehr denn je ist es wichtig, die Wahrheit über
ihn zu kennen. Über den Mann, der Polen in die
Demokratie führte, erster direkt und demokratisch
gewählter Präsident wurde und den Zerfall des
Ostblocks einleitete. Und der von Beruf Elektriker
war.
Das geniale Duo aus Regisseur Andrzey Wajda
und Kameramann Paweł Edelman erzählen hier diesmal vielfach preisgekrönt die unglaubliche
Biographie von Lech Wałęsa, beginnend von 1970. Ein Crashkurs in polnischer Geschichte. JK
Oberst Kwiatkowski | Pułkownik Kwiatkowski
Di, 07.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Kazimierz Kutz B: Jerzy Stefan Stawiński K: Grzegorz Kędzierski M: Jan Kanty Pawluśkiewicz D: Marek
Kondrat, Renata Dancewicz, Zbigniew Zamachowski P: PL 1996 V: DVD, Poln. OmeU L: 123 Min.
A
ndrzej Kwiatkoswki, von Beruf Armee-Arzt, gibt
sich 1945 als ein Oberst der kommunistischen
Armee aus - darauf muss man als Gynäkologe
erst einmal kommen! Sein Ziel ist es, so viele
unschuldige Menschen aus den Fängen des sich
schnell aufbauenden stalinistischen System zu
befreien wie nur möglich. Mit seinem Freund, dem
Hauptfeldwebel Dudek und seiner neuen Liebe
Krysia reist er mit dieser Mission durch Polen.
Der Film wurde zuerst 1996 gezeigt und hat in
Polen bis heute Kultstatus. Mit außergewöhnlichem und hochintelligentem Humor zieht er
den noch frischen Stalinismus in Polen im Jahr 1945 ins Lächerliche. Vielleicht wird einem dadurch
erst recht die Tragik dieser Zeit bewusst.
Die Idee für die Hauptfigur des Filmes, Kwiatkoswki, stammt in Teilen aus dem wahren Leben von Tadeusz Ośko, einem Mitglied der polnischen Untergrundarmee AK.
Aus Angst vor dem russischen Geheimdienst NKWD auf Grund seiner Tätigkeiten im AK verfolgt zu
werden, meldete er sich 1944 mit gefälschten Papieren als ausgebildeter Kapitän der Kavallerie für
die pro-sowjetischen Truppen der neu entstehenden polnischen Volksarmee. Kurz vor seiner Enttarnung flieht er im Januar 1945 und ändert erneut seine Identität. Diesmal gibt er sich als Offizier
des polnischen Geheimdienstes(!) aus. Für kurze Zeit infiltriert er die Volksmiliz MO (Polizei) in der
Großstadt Bydgoszcz, und zusammen mit dem AK warnt und rettet er die Bürger. JK
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Im Osten geht die Sonne auf
Jasminum
Di, 14.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R/B: Jan Jakub Kolski K: Krzysztof Ptak M: Zygmunt Konieczny D: Janusz Gajosn, Grażyna Błęcka-Kolska,
Adam Ferency P: PL 2006 V: DVD, Poln. OmeU L: 107 Min.
J
asminum gehört in Polen zu den meistgewürdigten Filmen der letzten zehn
Jahre. Er spielt in einem zeitgenössischen
polnischen Kloster, in dem kleinen Dorf
Jaśminow (angelehnt an die Pflanze Jasmin).
Das Leben der Brüder im Kloster ist geprägt
von Ruhe und Sonnenschein. Pater Kleophas
und Bruder Zdrówko (zu deutsch Gesundheit)
kümmern sich mit viel Liebe um das Klosterleben. Die Brüder Czeremcha (Schwarzkrische), Śliwa (Pflaume) und Czereśnia
(Süßkirsche) führen hingegen in kleinen,
isolierten Kämmerchen ein Einsiedlerleben.
Doch mit der Ankunft der Denkmalschützerin
Natasza und ihrer Tochter Eugenia bekommt das Leben der Brüder einen neuen Impuls. Eigentlich
sollte Natasza ein Gemälde restaurieren, doch mit der Zeit erfährt sie von den Brüdern immer mehr
Hintergrundgeschichten und Legenden des Klosters. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des
kleinen und lieblichen Mädchen Eugenia.
Die Atmosphäre des Filmes ist magisch. Die liebsamsten menschlichen
Gefühle, die Liebe selbst, die innere
Ruhe und das greifbare Glück werden
auf ehrliche und wundersame Weise
eingefangen. Die Gratwanderung
zwischen einem träumerischen und
der Realität nahem Erzählstil lässt
einen im Kinosaal schweben. Kommt
man wieder zu Boden, fühlt man
sich erfüllt. Das Leben zu leben ist
ein Wunder. Die Schicksalsschläge
auf seinem Weg werfen uns aus der
Bahn. Trotzdem bleibt es bis zum
Ende ein Wunder. Wir müssen es nur
sehen.
JK
26
Twisted Realities
Twisted Realities - Orientierungslosigkeit im Kino
D
as Kino eröffnet eigene Realitäten. Realitäten, in denen wir uns an den Bewegungen
der Kamera, den dargestellten Räumen, dem
Klang orientieren. Schnell wird diese Realität
selbstverständlich, sodass wir umso überraschter sind, wenn uns das Kino so unverhofft vor
unwirkliche Tatsachen stellt, uns in die Irre
führt. Die Reihe Twisted Realities möchte sich
diesen Irrwegen, der Orientierungslosigkeit im
Kino widmen. Hier werden Zeit, Raum, Identität
unsicher, irgendwie "verdreht". Das ist wie im
Traum, manchmal auch wie beim Aufwachen,
wenn man nicht mehr weiß, wo man als wer
gerade angekommen ist. Die Reihe will euch solche Zustände ermöglichen und so beweisen, wozu
das Kino im Stande ist. Dabei muss man sich auch nicht auf das technologisch hoch fortgeschrittene,
gegenwärtige Kino beschränken. Die Reihe deckt einen Zeitraum von über 50 Jahren ab, von 1962
bis 2013. Dazwischen: Orientierungslosigkeit ohne Kompromisse.
Die Reise beginnt beim Altmeister der Orientierungslosigkeit: Franz Kafka. Orson Welles, selbst Altmeister überwältigender Kinofantasien, hat ihm 1962 mit seiner berühmten Verfilmung Der Prozeß
ein Denkmal gesetzt. Und wie man es von Welles kaum anders erwartet, ist es großartig geworden.
Die Realität des Beamten Josef K. wird aus ihren alltäglichen Fugen gerissen. Unscheinbare Orte
werden zu magisch-vertrackten Labyrinthen, Größenverhältnisse wandeln sich und auch die Zeitvorstellung geht dazwischen abhanden. Überhaupt: Wer ist Josef K. eigentlich? Welles' Kino(alb-)
traum verzerrt, was wir zu kennen glauben – hier ist der Begriff "kafkaesk" definitiv angebracht.
Weiter geht es mit obskur-verstörendem Film Possession aus dem Jahr 1981 vom im Februar überraschend verstorbenen Andrzej Zulawski. Hier gerät der Alltag eines Ehepaars durcheinander, als es
bemerkt, dass sie eine Affäre mit einem Unbekannten hat. Was er entdeckt, hätte er aber besser nicht
entdeckt: Ein grausiges Wesen erscheint, Figuren wechseln ihre Persönlichkeit und alles wird Sex.
Vergleichbar damit ist der jüngste Film der Reihe: Der Tod weint rote Tränen aus dem Jahr 2013.
Das Regieduo Hélène Cattet / Bruno Forzani lässt darin einen Mann seine Frau suchen, verliert sich
dabei jedoch - in seinem eigenen Mietshaus! Denn was sich dort unter den Bewohnern abspielt,
sprengt als Spirale aus Sex und Gewalt jeden Verstand. Anders als bei Welles geht es in diesen beiden
hochspannenden Filmen aber weniger um das verlorene Individuum als um Liebesbeziehungen,
die sich bald als gefährliche Chaosbeziehungen herausstellen.
Aber das moderne Kino hat auch lustige Verwirrspiele zu bieten: Mit dem Semesterabschlussfilm
Wrong des Regisseurs und Musikers Quentin Dupieux ("Mr. Oizo") zeigt sich die Orientierungslosigkeit als ulkiger Alltagssurrealismus. Ein Mann sucht seinen Hund, stößt dabei aber auf immer
verrücktere Gestalten. Irgendwann kann er selbst nicht mehr verstehen, wo er sich gerade befindet,
denn die Welt, wie er sie kannte, hat sich währenddessen vollkommen verändert.
Am besten also, man lehnt sich gemütlich zurück, stellt den Verstand aus und lässt sich treiben.
Hier wird Verwirrung nicht bloß beschrieben, sondern filmisch umgesetzt. Lösungen sind optional,
das Erlebnis steht im Mittelpunkt. Nennen wir es eine Achterbahnfahrt des Kinos. Und so abenteuerlich die Achterbahnfahrt auch ist, so süchtig macht sie.
Fabian Lutz
27
Twisted Realities
Der Prozeß | Le procès
Mi, 22.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R/B: Orson Welles K: Edmond Richard M: Jean Ledrut, Remo Giazotto D: Anthony Perkins, Orson Welles,
Jeanne Moreau, Romy Schneider, Elsa Martinelli, Suzanne Flon, Madeleine Robinson P: F/I/D 1962 V: tba
L: 118 Min.
A
ls der Beamte Josef K. (AP) eines Morgens in seiner Wohnung erwacht, sieht er sich zwei Beamten
gegenüber. Diese verkünden ihm, dass er nun verhaftet sei. Den Grund verraten sie ihm jedoch
nicht. Für ihn beginnt der Kampf gegen ein undurchsichtiges Gerichtssystem, belastet mit einer
Schuld, die er ebenso wenig begreifen kann.
Orson Welles' prominent besetzter Film gilt als Klassiker
des Kunstfilms. Kunstfilm? Ja, wie will man diesen Film
auch sonst einordnen? Wirkt er zu Beginn noch wie ein
typischer Kriminalfilm, entpuppt er sich bald als surreale
Odyssee. Das Gericht erscheint weniger als greifbare
Institution denn als seltsamer Bewusstseinszustand. Wo
auch immer sich K. befindet, überall lauert das Gericht:
In seiner Wohnung, an seinem Arbeitsplatz, sogar in
der Oper. Entsprechend wird schnell klar: Mit rationalen
Mitteln ist diesem und dem Film überhaupt nur schwer
beizukommen. Eine kafkaeske Orientierungslosigkeit
setzt ein. Dies ist vor allem der visuellen Meisterschaft
des Films zu verdanken. Räume erscheinen traumhaft
verengt oder geweitet, Licht und Schatten bilden merkwürdige Gegensätze. Und auch die Figuren
erscheinen undurchsichtig, mal lockend, mal kalt und verurteilend. Man könnte Mitleid mit K. haben, wüsste man denn überhaupt, wer er eigentlich ist. Nein, ein Entkommen gibt es bei Welles
ebensowenig wie bei Kafka. FL
Possession
Mi, 29.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Andrzej Zulawski B: Andrzej Zulawski, Frederic Tuten K: Bruno Nuytten M: Andrzej Korzyński
D: Isabelle Adjani, Sam Neill, Michael Hogben, Heinz Bennent, Johanna Hofer, Carl Duering P: F/D 1981
V: DCP, En. OmU L: 123 Min.
M
ark (SN) und Anna (IA) leben im geteilten Berlin der 1980er-Jahre. Während Mark in seinem Beruf
als Geheimagent kaum daheim ist und vor allem durch sein exzentrisches Verhalten auffällt,
wendet sich Anna Affären zu. Als Mark davon erfährt, eskaliert die Situation, schließlich verlässt
er die Wohnung. Dennoch kehrt er bald wieder zurück. Anna aber hat sich verändert, sie ist selten
zuhause, vernachlässigt das Kind Bob (MH). Mark wendet sich daraufhin Bobs Lehrerin Helen (IA)
zu, die Anna enorm ähnelt. Gleichzeitig versucht er mithilfe eines Detektivs (CD) die Affäre Annas
aufzudecken. So stößt er auf eine Altbauwohnung und ein unheimliches Wesen.
28
Twisted Realities
Der polnische Regisseur Andrzej Zulawski
starb am 17.02.2016. Zurückgelassen hat er ein
kontroverses Filmerbe, unter dem Possession
vermutlich der kontroverseste Film ist. Den
kammerspielartigen Plot um ein zerstrittenes
Ehepaar und albtraumhafte Ereignisse könnte
man oberflächlich leicht als Beziehungsdrama
oder Psychothriller abtun. Psychologisch ist daran
allerdings gar nichts. Die unerklärlichen Ereignisse
nehmen zu, das Verhalten der Figuren wird immer
merkwürdiger und eskaliert schließlich in purem
Wahnsinn. Den Zuschauer drückt es in den Sitz, aber so gruselig das alles ist, so faszinierend bleibt
es. Ein im besten Sinne leidenschaftlicher Film, düster und packend wie kaum ein anderer.
FL
Vorfilm: Spanische Galeere
R: Frank Henne P: D 2001 L: 4 Min.
G
ibt es diese Familienzusammenkünfte eigentlich auch ohne awkward?
Der Tod weint rote Tränen | L'étrange couleur des larmes de ton corps
Mi, 13.07.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R/B: Hélène Cattet, Bruno Forzani K: Manuel Dacosse M: Yves Bemelmans D: Klaus Tange, Ursula
Bedena, Anna D'Annunzio, Sam Louwyck, Jean-Michel Vovk P: B/F/L 2013 V: DCP, Fr. OmU L: 102 Min.
A
ls Dan (KT) von einer Geschäftsreise in seine
prachtvolle Jugendstilwohnung zurückkehrt,
ist seine Frau verschwunden. Ohne jeden Hinweis
macht er sich auf die Suche. Sein Haus braucht
er dafür aber nicht zu verlassen. Denn das Geheimnis befindet sich unter seinen obskuren,
bald gefährlichen Mitbewohnern.
Das, was man gemeinhin Handlung nennt, ist
in Der Tod weint rote Tränen nur ein Aufhänger.
Dazu auch noch kein besonders kreativer. Aber
was der Film daraus macht, ist mit "kreativ" nur
unzureichend beschrieben. Stilistisch orientiert
sich der Film am Giallo, einem italienischen
Thriller-Genre, das schwarze Lederhandschuhe,
Rasiermesser und stilsichere Morde als Filmelemente etablierte. Entsprechend sind es auch hier
verschleierte Gestalten, glänzende Objekte, ominöse Morde, aber auch viel Erotik, die das Geschehen bestimmen. Dazu tritt ein Gewitter aus psychedelischen Bildern vor atemberaubender Kulisse:
Das wunderbare Jugendstilhaus wird in heftiger Verfremdung zum Labyrinth innerer Zustände.
Gegenwart und Vergangenheit verschwimmen und schließlich wird auch die eigene Person fremd.
29
Twisted Realities
Definitiv: Wer denkt, verliert. Wer fühlt, sich treiben lässt, wird sich aber die Augen reiben. Selten
kam das Kino einem wunderschönen Höllentrip so nahe.
FL
Vorfilm: Blood
R: Oliver Pietsch P: D 2001 L: 3 Min. 20 Sek.
I
n ruhiger Inszenierung sieht man Blut an verschiedensten Orten entlanglaufen. So schön das
aussieht, so makaber wirkt es gleichzeitig.
Semesterabschlussfilm
Wrong
Mi, 20.07.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R/B: Quentin Dupieux K: Quentin Dupieux M:
Tahiti Boy, Quentin Dupieux D: Jack Plotnick,
Éric Judor, Alexis Dziena, Steve Little, William
Fichtner P: USA/ F 2013 V: BR, En. OmU L: 94 Min.
A
ls Dolph Springer (JK) eines Morgens
erwacht, ist sein Hund verschwunden.
Dolph macht sich auf die Suche. Bald erfährt er, dass eine mysteriöse Organisation den Hund gestohlen hat, um Dolph eine wichtige Lektion zu erteilen. Zu dieser Konfusion tritt schließlich noch
die Pizzabotin Emma (AD), die sich während eines Telefonats in Dolph verliebt hat, durch einen
Zufall jedoch an Dolphs Gärtner (EJ) gerät, der aus dieser Situation seinen Nutzen zieht.
Quentin Dupieux, besser bekannt als 90er-Hitsingle-Musiker Mr. Oizo ("Flat Beat"), hat mit Wrong
einen strahlenden, witzigen, aber nicht minder verrückten Film geschaffen. Der simple, fast lächerlich
aufgeblasene Plot um einen verlorenen Hund nimmt
mit zunehmender Laufzeit immer mehr Facetten auf,
sodass man als Zuschauer bald nicht mehr weiß, wer
oder was hier eigentlich die Hauptrolle spielt. Aber das
ist auch vollkommen egal, denn der Film ist in seinen
absurden Situationen einfach nur lustig. Mal wird eine
Palme plötzlich zum Tannenbaum, mal regnet es am Arbeitsplatz, mal ergibt sich eine tarantinohafte Diskussion
über ein Pizzalogo. Selten war es so unterhaltsam, sich
in einem Film zu verlieren. Wer braucht schon Logik,
wenn man stattdessen laut lachen kann?FL
Vorfilm: Careful with that Power Tool
R/B: Jason Stutter P: NZ 2009 L: 2 Min.
E
in kleiner Junge spielt in einer Fabrikhalle. Seine
Neugier führt ihn schließlich auch zu ein paar Werkzeugen, die er besser nicht angerührt hätte.
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Geschwisterfilme
Geschwisterfilme - Blut ist dicker als Wasser
"Indianer sind entweder auf dem Kriegspfad oder rauchen die Friedenspfeife, Geschwister können beides."
Kurt Tucholsky
D
ie komplexen Beziehungen zwischen Geschwistern sind in der Regel die längsten unseres Lebens
und prägen uns oft mehr, als uns bewusst ist. Das faszinierende Spannungsfeld zwischen Liebe,
Hass, Konkurrenz und Fürsorge steht im Fokus dieser Reihe. In allen Filmen geht es um Brüder und
Schwestern, die auf ihre Weise eine ganz besondere Bindung zueinander haben.
Zum Auftakt der Reihe zeigen wir den japanischen Film Unsere kleine Schwester, in dem drei
Schwestern ihre völlig unbekannte Stiefschwester kurzerhand bei sich aufnehmen und ihr ein neues
Zuhause bieten. Auch in Gilbert Grape-Irgendwo in Iowa geht es darum, wie dem ältesten Sohn
die Rolle eines Ersatzvaters zukommt und er die Verantwortung für seine jüngeren Geschwister
übernimmt. Ganz anders geht es in Island zu, wo die verfeindeten Brüder Kiddi und Gummi sich im
Film Sture Böcke plötzlich mit dem selben Problem konfrontiert sehen: Eine gefährliche Seuche
bedroht ihre Schafherden und somit die eigene Existenz und stellt den Sprechstreik, an dem die
beiden jahrelang eisern festhalten, auf die Probe...
Als letzter Film folgt Misunderstood, in dem es um die Beziehung zwischen zwei kleinen Brüdern
geht, deren Mutter verstorben ist. Vom vielbeschäftigten Vater oft alleingelassen, kümmert der Ältere der beiden sich rührend um seinen Bruder. Diese Mühen werden vom Vater, der nur Augen für
seinen kleineren Sohn hat, allerdings kaum wertgeschätzt. Trotzdem lässt der Ältere seinen Bruder
nicht im Stich und wiedermal zeigt sich: Blut ist eben doch dicker als Wasser.
Clara Limberg
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Geschwisterfilme
Unsere kleine Schwester | Umimachi Diary
Di, 28.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Hirokazu Koreeda B: Hirokazu Koreeda K: Mikiya Takimoto M: Yôko Kanno D: Haruka Ayase, Masami
Nagasawa, Suzu Hirose, Kaho, Ryo Kase P: J 2015 V: DCP, Jap. OmU L: 127 Min.
S
eit ihr Vater die Familie für eine andere Frau
verlassen hat, leben die drei Schwestern Sachi
(HA), Yoshino (MN) und Chika (K) gemeinsam in
einem großen Haus, das sie von ihrer Großmutter
geerbt haben. Als sie vom Tod ihres Vaters erfahren, machen sich die drei Schwestern auf den
Weg zu dessen Beerdigung. Dort angekommen
lernen sie ihre 13-jährige Stiefschwester Suzu
(SH) kennen. Kurzerhand laden sie das Mädchen
ein, sie in die Hafenstadt Kamakura zu begleiten, um dort mit ihnen zu leben. Suzu zögert
kurz, nimmt das Angebot dann aber an. Nach
anfänglichen Eingewöhnungsschwierigkeiten entwickelt sich zwischen den vier Schwestern eine
innige Beziehung. Das harmonische Zusammenleben wird allerdings unterbrochen, als die Mutter
der drei Schwestern, die in Suzu den Grund für das Scheitern ihrer Ehe sieht, ihre Töchter besucht…
Leise und in wunderschönen Bildern zeichnet Koreeda das intime Portrait einer ungewöhnlichen
Familie. Unaufgeregt und langsam, aber niemals langweilig erzählt er vom Alltag der jungen Frauen,
die er dabei fast beiläufig immer mehr zusammenwachsen lässt. Basierend auf der Manga-Serie
Umimachi Diary von Akimi Yoshida gelingt Koreeda mit Unsere kleine Schwester ein Film, der den
Zuschauer durch ein Gefühl der Geborgenheit zu verzaubern weiß.
CL
Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa | What’s eating Gilbert Grape
Di, 05.07.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Lasse Halström B: Peter Hedges K: Sven Nykvist M: Björn Isfält, Alan Parker D: Johnny Depp, Leonardo
DiCaprio, Juliette Lewis P: USA, 1993 V: tba L: 118 Min.
I
rgendwo in Iowa lebt Gilbert Grape (JD) mit seiner
Familie in einem heruntergekommenen Haus. Nach
dem Suizid des Vaters befindet sich seine fettleibige
Mutter in einer psychischen Krise, sodass sie das Haus
seit Jahren nicht mehr verlässt. Da sie nicht mehr in
der Lage ist, zu arbeiten, übernehmen Gilbert und
seine älteste Schwester die Verantwortung für ihre
jüngere Schwester und ihren geistig behinderten
Bruder Arnie (LDiC). Seine Tage verbringt Gilbert
hinter der Ladentheke des örtlichen Gemischtwarenladens oder am Fuße des Wasserturms, den Arnie
32
Geschwisterfilme
regelmäßig zu erklimmen versucht. Das Auftauchen der Landstreicherin Becky, die eigentlich nur
auf der Durchreise ist, durchbricht Gilberts trostlosen Alltagstrott und er gerät in einen Zwiespalt
zwischen eigenen Wünschen und seinen Pflichten als Familienoberhaupt.
Im Zentrum des Films steht die besondere Beziehung zwischen den Brüdern Arnie und Gilbert.
Leonardo DiCaprio, der hierfür seine erste Oscar-Nominierung erhielt, und Johnny Depp überzeugen
auf ganzer Linie durch ihre grandiose schauspielerische Leistung. Es gelingt ihnen, den Charakteren
Tiefe zu verleihen und die Sympathie der Zuschauer für diese zu gewinnen. CL
Sture Böcke | Hrútar
Di, 12.07.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Grímur Hákonarson B: Grímur Hákonarson K: Sturla Brandth Grøvlen M: Atli Örvarsson D: Sigurdur
Sigurjónsson, Theodór Júlíusson, Charlotte Bøving P: ISL 2015 V: DCP, Isl. OmU L: 93 Min.
D
ie Brüder Gummi (SS) und Kiddi (TJ) wohnen Tür an Tür
in einem 100-Seelen Dorf in Island. Beide leben allein
und haben ihr Leben der Schafzucht gewidmet, sind aber
so zerstritten, dass sie seit 40 Jahren kein einziges Wort
miteinander gewechselt haben. Sie gehen sich so gut es
in dem kleinen Dörfchen eben geht, aus dem Weg. Die
spärliche Kommunikation zwischen den beiden wird über
kleine Notizen abgewickelt, die Kiddis Hund überbringt.
Als in Kiddis Schafherde eine Seuche ausbricht, sehen die
Behörden die Existenz des gesamten Orts, in dem sich alles
um Schafe und Schafzucht dreht, gefährdet. Zur Ausrottung
der Krankheit sollen deshalb alle Schafe, darunter auch
Gummis geliebter und prämierter Zuchtbock, erlegt werden.
Doch im Gegensatz zu anderen Schafzüchtern aus dem
Dorf entscheiden sich beide Brüder dagegen, den Ort zu
verlassen und versuchen auf ihre eigene Weise mit der
schwierigen Situation umzugehen…
Auf ruhige Art und Weise beleuchtet Hàkonarson in Sture Böcke nicht nur die sonderliche Beziehung
der beiden Brüder, sondern auch Island und die Mentalität der Bevölkerung. Die mitschwingende
Melancholie des Films wird durch skurrilen Humor und bizarre Szenen ergänzt. Etwas befremdlich
und doch herzerwärmend konnte der Film auch die Jury in Cannes überzeugen und gewann 2015
den Hauptpreis in der Kategorie „Un certain regard“. CL
Vorfilm: Hurdy Gurdy
R: Daniel Seideneder P: D 2011 L: 3 Min. 30 Sek.
W
as ist künstlich, was real? Der Kurzfilm stellt mit seiner außergewöhnlichen Ästhetik die Frage
nach Schein und Wirklichkeit.
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Geschwisterfilme
Misunderstood | Incompreso (Vita col figlio)
Di, 19.07.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Luigi Comencini B: Leonardo Benvenut, Piero De Bernardi, Lucia Drudi Demby, Giuseppe Mangione,
Florence Montgomery K: Armando Nannuzzi M: Fiorenzo Carpi D: Anthony Quayle , Stefano Colagrande,
Simone Giannozzi P: I 1966 V: DCP, It. OmU L: 105 Min.
A
ls seine Ehefrau stirbt, bringt der vielbeschäftigte Signor Ducombe es nicht übers Herz, seinen
zwei Söhnen vom Tod ihrer Mutter zu erzählen. Aber Andrea, der ältere der beiden, erfährt die
traurige Nachricht als er zufällig ein Gespräch seines Vaters mithört. Auf väterliche Anweisung hält
er die Geschichte aufrecht, die Mutter sei verreist und komme bald zurück. Signor Ducombe geht
indes weiter seinen Geschäften nach und lässt die Söhne in der Obhut ständig wechselnder Kindermädchen zurück. Mit dem Verlust der Mutter vollkommen alleingelassen, kümmert sich Andrea
rührend um seinen kleinen Bruder Milo. Obwohl dieser nichts als Flausen im Kopf hat, genießt er
als Nesthäkchen die Gunst des Vaters. Seinem älteren Sohn schenkt Signor Ducombe kaum Aufmerksamkeit und merkt zu spät, wie verzweifelt Andrea um seine Anerkennung und Liebe kämpft.
Nach der Kinderbuchvorlage Misunderstood von Florence Montgomery erschafft Comencini ein
tieftrauriges Familiendrama über Verlust und das Erwachsenwerden. Vor allem der junge Stefano
Colagrande überzeugt durch seine vielschichtige Darstellung des älteren Bruders Andrea und verleiht dem Film eine besondere Authentizität. CL
34
Tarr
Tarr
I
rgendwann letztes Jahr titelte die SZ mal “Ungern in Ungarn” und bezog sich damit auf die Reihe
aktueller Krisen, auf Grund derer das Land in den hiesigen Medien immer wieder in schlechtem
Licht da steht. Das ist natürlich ein billiger Lacher, der da auf Kosten des Landes eingefahren wird;
und bei allen Problemen muss es doch auch irgendwie an der beschränkten Außenperspektive liegen, dass das Land so schlecht wegkommt, oder? Auftritt Béla Tarr. Der Mann ist Ungar, sein ist die
Innensicht. Und mit “ungern” ist es beileibe nicht getan, wenn man die Atmosphäre seiner Ungarnfilme Satanstango und Die Werckmeisterschen Harmonien umschreiben möchte. “Untergang”
trifft es schon eher. Und die historische Verortung,
der spätsowjetische Zerfall hier und das radikale
Ideologiengemenge kurz nach Kriegsende dort, das
schafft einen erschreckend düsteren Hintergrund, vor
dem die aktuellen Krisen brisant an Kontur gewinnen.
Ein politischer Filmemacher also? Nunja, auch.
“Zwangsläufig” trifft es vielleicht am besten. Tarr ist
mit seinen Filmen ganz nah dran an den (zugegeben
äußerst pessimistisch ausgelegten) Bedingungen des
Menschseins. Ein Philosoph mit Kamera; einer der
unser Zusammenleben seziert und uns nichts Gutes zu
berichten weiß. Das ist (vorsichtig ausgedrückt) nicht
immer einfach zu ertragen. Aber es lohnt, ungemein.
Alles bisherige beschreibt also den Philosophen Tarr; was aber ist mit dem Regisseur Tarr? Der
Regisseur Tarr hat in den 1970er und 80er Jahren eine kleine Zahl mehr oder minder nüchternrealistischer Filme gemacht, bevor er begann, mit dem (ebenfalls nicht gerade als Optimist zu bezeichnenden) Romanautor László Krasznahorkai zusammenzuarbeiten. Unter dem Einfluss dieser
Beziehung änderte sich sein Stil drastisch und nach Damnation, dem ersten Film, zu dem die beiden das Drehbuch gemeinsam geschrieben hatten, folgen in Tarrs Filmographie nur noch die vier
Werke, die wir euch dieses Semester zeigen, neben den oben genannten also noch Der Mann aus
London und Das Turiner Pferd. Es sind Filme, die klar einer gemeinsamen Quelle entspringen: alle
gemeinsam mit Krasznahorkai geschrieben, zwei davon Adaptationen von dessen Romanen, alle
von Mihály Víg vertont, von Ágnes Hranitzky geschnitten; auch andere Mitarbeiter tauchen wieder
und wieder in Tarrs Abspännen auf. Tarr hatte seinen Stil gefunden.
Dieser Stil ist unverkennbar. Lange, langsame Sequenzen voll schwarz-weißer Ödnis und Leere
zeichnen ihn aus; geschnitten wird nur selten, das Leben braucht eben Zeit, um sich vor den Augen des Publikums in all seiner erdrückenden Schwere auszubreiten. Dabei ist Tarr alles andere als
Minimalist, manche seiner zehnminütigen Einstellungen haben die Komplexität einstudierter Tanznummern und zeugen von enormer filmemacherischer Disziplin. Aber solche Kabinettstückchen
verkommen nie zum Selbstzweck, sondern werden dann gesetzt, wenn es der Film verlangt; meist
herrscht dagegen eine Stasis, die der trostlosen Philospophie starr Ausdruck verleiht, ein langsames
Überrolltwerden von Kamerafahrten wie von Planierraupen.
Ich bin nicht ganz sicher, ob ich gerade die letzten Reste des Publikums verscheuche, die bisher noch
etwas Experimentierfreude in sich verspürten. Ich kann wirklich nur empfehlen, Tarr eine Chance zu
geben, gerade weil es auf dem Papier nur halb überzeugend klingt. Es ist eine außeralltägliche Erfahrung (gerade die acht Stunden Satanstango) und bei aller Trostlosigkeit eine echte Bereicherung.
Elmar Offenwanger
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Tarr
Satanstango | Sátántangó
Fr, 10.06.2016 | 18:00 Uhr | HS 2006
R: Béla Tarr B: Béla Tarr, László Krasznahorkai K: Gábor Medvigy M: Mihály Víg D: Mihály Víg, Peter
Berling P: HUN/D/CH 1994 V: tba L: 450 Min.
S
atanstango spielt in einem dörflichen Niemandsland jenseits von historischer Zeit oder
Ort. Die Bewohner der verfallenden Häuser haben
sich größtenteils aufgegeben und vegetieren
sinnlos dahin; es regnet, und sie rauchen, saufen.
Dann aber gerät die träge Welt aus den Fugen: der
totgeglaubte Irimiás (MV) kehrt zurück, ein Mann,
von dem sich alle viel erhoffen. Bereits nach kurzer
Zeit hat er enorme Macht über seine Mitmenschen
und ist willens, diese zu nutzen.
Die Enthistorisierung rettete Krasznahorkais Roman, auf dem der Film basiert, wohl vor dem Zensor. Gemeint ist dennoch klar Ungarn, irgendwann
in der Umbruchs- und Niedergangszeit um das Ende der Sowjetunion. Die Sozialkritik ist direkt und
verdammend: hier geht eine ganze Welt zu Grunde, die Menschen mit dem System und umgekehrt.
Satanstango ist ein Monument. Satanstango zu sehen, fühlt sich monumental an. Fast acht Stunden
Film heißt auch fast acht Stunden dort, in dieser irdischen Vorhölle, die ihre Bewohner zerfrisst. Acht
Stunden, nach denen man ganz neuen Glauben an die Wucht des Mediums Film gewonnen hat.
Es wird Urkunden geben für alle, die den längsten Film der aka-Geschichte mit uns überstehen!
EO
Die Werckmeisterschen Harmonien | Werckmeister harmóniák
Fr, 17.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Béla Tarr B: László Krasznahorkai, Béla Tarr K: Gábor Medvigy, Jörg Widmer, Patrick de Ranter, Rob
Tregenza, Emil Novák, Erwin Lanzensberger, Miklós Gurban M: Mihály Víg D: Lars Rudolph, Peter Fitz,
Hanna Schygulla P: HUN/D/F/I 2000 V: 35 mm, tba L: 145 Min.
E
in weiterer namenloser Ort, diesmal in Kälte
gehüllt statt in Regen. Der naive János (LR) hilft
im Haushalt des Musiktheoretikers Eszter (PF), dessen Gedankenwelt der Film seinen seltsamen Titel
verdankt. Am Horizont braut sich jedoch Unheil
zusammen: Ein Zirkus kommt in die Stadt, einen
großen Walfischkadaver im Gepäck, und die Stimmung in der Bevölkerung wird zunehmend rauer.
Aus der Inhaltsbeschreibung dieses Films lässt
sich eigentlich nichts sinnvolles machen; zu seltsam und unzusammenhängend scheinen die Teile:
36
Tarr
Musiktheorie? Zirkus? Walfisch? Um so erstaunlicher ist es, wie Die Werckmeisterschen Harmonien zu
einem schlüssigen Ganzen wird, während man ihn anschaut; eine Geschichtsparabel, ein Lehrstück,
und wie nebenbei einer der beeindruckendsten Filme aller Zeiten. Die langen, zum Teil atemberaubend choreographierten Einstellungen, aus denen Tarr sein Werk zusammenfügt, bringen einen
ganz nah an die Menschen, während die komplexe Symbolik eine seltsam abstrakte Distanz schafft.
Wenn Ihr es wirklich nur zu einem Tarr schafft, schaut, dass es dieser ist. EO
The Man from London | A Londoni férfi
Fr, 24.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Béla Tarr B: Béla Tarr, László Krasznahorkai K: Fred Kelemen M: Mihály Víg D: Miroslav Krobot, Tilda
Swinton P: HUN/F/D 2007 V: 35mm, En. OmU L: 132 Min.
E
in echter Klassiker: Ein Mann (MK) beobachtet des Nachts einen Mord im Hafen
und findet, als er genauer nachschaut, einen
Koffer voller Geld. Den nimmt er mit, obwohl
es natürlich keine gute Idee ist...
Nach den beiden thematisch eher sperrigen
Gesellschaftssezierungen bisher in der Reihe
überrascht diese doch sehr geradlinig angelegte
Thrillerhandlung, dazu ist der Film auch nicht
in Ungarisch gedreht, sondern in Englisch und
Französisch (der Name Tilda Swinton dürfte ja
bereits aufgefallen sein; ihr markantes Gesicht
und Tarrs lange, ausdrucksstarke Schwarz-Weiß-Einstellungen sind quasi füreinander geschaffen).
Tarr light, also? Das wäre dann doch der falsche Ausdruck, und eine unverdiente Kritik am verständlichen Wunsch, nicht immer das Gleiche tun zu müssen. Der Blick richtet sich diesmal aus einer
anderen Perspektive auf die großen Fragen nach dem Menschsein, nicht von der Gesellschaft und
dem System her, sondern vom Individuum und seiner Schuld. Da, und schon klingt's wieder trist.
Gern geschehen. EO
Das Turiner Pferd | A Torinói ló
Fr, 08.07.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Béla Tarr B: László Krasznahorkai, Béla Tarr K: Fred Kelemen M: Mihály Víg D: János Derzsi, Erika Bók
P: HUN/F/D/CH/US 2011 V: 35 mm, Ung. OmU L: 146 Min.
D
as Pferd in Das Turiner Pferd ist jenes historische Pferd, das geschlagen wird, als Friedrich Nietzsche
zusieht. Der wird daraufhin wahnsinnig und spielt im restlichen Film nicht mehr mit; stattdessen
verlegt sich die Handlung auf einen kleinen Bauernhof, wo neben dem Pferd noch ein alter Bauer
und seine Tochter leben. Die führen ein karges Leben entbehrlicher Routinen, das im Verlauf des
Films zunehmend karger und entbehrlicher wird.
37
Tarr
Mit Das Turiner Pferd endet nicht nur diese Filmreihe, sondern auch Tarrs Regiekarriere; nach
Vollendung dieses Werkes hängte er seinen Hut an den Nagel und ließ ihn dort. Der Film stellt also
tatsächlich das Ende einer Entwicklung dar, und dafür könnte es wohl keinen besseren geben. Das
ist Tarr pur, eine Welt, in der Handlungen Dauer und Gewicht haben, die man spürt und die Spuren hinterlassen, Dauer und Gewicht und doch letztlich keinen Sinn. Die erdrückende Bürde der
Alltäglichkeit, dem Publikum ebenso auferlegt wie den Figuren. Wer hier an Beckett denkt, liegt
sicher nicht ganz falsch. Und wer Tarr begreifen will, der muss ansehen, in welchem Anblick all sein
Schaffen letztlich mündet. EO
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Einzelfilme
Der große Irrtum | Il conformista
Mit Einführung von Prof. Dr. Sabine Hake !
Do, 21.04.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R/B: Bernardo Bertolucci K: Vittorio Storaro M: Georges Delerue D: Jean-Louis Trintignant, Stefania
Sandrelli, Dominique Sanda, Enzo Tarascio, Gastone Moschin, Pierre Clémenti P: IT/F/D 1970 V: tba
L: 111 Min.
M
arcello Clerici (JLT) ist ein Konformist. In seiner
Jugend hat er auf einen Mann geschossen, ein
Ereignis, das ihn bis heute verfolgt. Er möchte unbedingt
normal sein, dazu gehören, bloß nicht auffallen. Er hat
eine schlichte Frau geheiratet und lebt ein schlichtes
Leben. Sein Anpassungsbedürfnis geht soweit, dass
er sich den italienischen Faschisten anschließt und
Mitglied der Geheimpolizei Mussolinis wird. Für sie soll
er seinen ehemaligen Lehrer, den Philosophieprofessor
und Antifaschisten Quadri (ET) in Paris beobachten.
Doch auf dem Weg nach Frankreich erhält er den
Auftrag, Quadri zu ermorden...
Bertolucci zeichnet seinen Protagonisten nicht als einen überzeugten Faschisten, im Gegenteil: Immer wieder hadert Clerici mit seinem Auftrag. Es ist das Gefühl des Ausgeschlossenseins, das ihn in die
Arme des Faschismus getrieben hat. Bertoluccis Kameramann Vittorio Storaro inszeniert diese Einsamkeit meisterhaft: Selbst in Szenen voller Menschen wirkt Clerici stets allein, in Bildern, die verstörend
und düster wirken. Bertoluccis erster kommerzieller Erfolg stellt die Frage, wie normale Menschen
zu Faschisten werden und hat damit auch nach über 40 Jahren nichts von seiner Aktualität verloren.
SP
The Revenant
Fr, 22.04.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Alejandro González Iñárritu B: Mark L. Smith, Alejandro González Iñárritu, in Teilen nach dem Buch von
Michael Punke K: Emmanuel Lubezki M: Carsten Nicolai, Ryuichi Sakamoto D: Leonardo DiCaprio, Tom Hardy,
Domhnall Gleeson, Will Poulter P: USA 2015 V: DCP, En. OmU L: 156 Min.
S
ie erlegen Tiere und transportieren die Felle in
großen Mengen durch die Wildnis: Trappersein im
Nordamerika des 19. Jhs. gehört zu den härtesten Jobs.
Hugh Glass (LDC) und seine Kollegen unter Captain
Henrys (DG) Leitung werden in ihrem Lager von einheimischen Kriegern angegriffen. Wenige können der
Schlacht entgehen und Teile des wertvollen Handelsguts
retten. Der Versuch, die nächste Siedlung zu erreichen,
wird durch Glass‘ fatale Begegnung mit einem Bären
erschwert. Mit den indianischen Kriegern im Rücken
und dem halbtoten Glass in ihrer Verantwortung treffen
39
Einzelfilme
die Männer eine folgenschwere Entscheidung: Fitzgerald (TH) und Bridger (WP) bleiben zurück, um
Glass nach seinem Tod zu begraben. Doch ein tragisches Ereignis reißt ihn zurück ins Leben und
schickt ihn auf eine Höllentour.
Nur ein Jahr nach Oscar-Abräumer Birdman folgt Iñárritus neues Werk und sammelt Oscars für
Regie, Kamera und Hauptdarsteller. The Revenant ist unter widrigsten Umständen entstanden
(Wetter, Licht, Transport). Die Intensität des Films spiegelt all dies jederzeit wieder. Allem voran
ist er auf der Bildebene ein grandioses und kunstvolles Erlebnis, dank teils hyperrealistischer und
innovativer Kameraführung. Kein anderer Film konnte im Oscar-Rennen in dieser Hinsicht mithalten – der Kamera-Preis wurde zu Recht verliehen. Auch die eher einfache Geschichte schmälert das
Ereignishafte nicht. Nur die transzendente Erfahrung, die Iñárritu gerne geschaffen hätte, erreicht
er leider nicht. NK
Alki Alki
Do, 28.04.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Axel Ranisch B: Heiko Pinkowski, Axel Ranisch, Peter Trabner K: Dennis Pauls M: Käptn Peng und Die
Tentakel von Delphi D: Heiko Pinkowski, Peter Trabner, Christina Große, Iris Berben P: D 2015 V: DCP, Dt.
OV L: 102 Min.
T
obias (HP) hat einen besonderen besten
Freund: Flasche (PT). Man sieht sie nur im
Doppelpack. Für Tobias und Flasche ist das
auch kein Problem. Sie haben gigantisch viel
Spaß, treffen ausgefallene Persönlichkeiten (IB)
und machen nachts die Clubs unsicher. Wenn
da nicht die Lebensumstände wären: Tobias
ist Architekt, verheiratet mit Anika (CG), drei
Kinder, schicke Berliner Wohnung. Er feiert
gerne. Und lang. Und ist nicht mehr ganz so
jung. Wie bringt man das alles unter einen Hut?
Nun, bisher hat Flasche das zuverlässig für ihn
erledigt. Doch allmählich wird Tobias seinem
Umfeld zu bequem, zu fahrig, Flasche soll als Stütze immer mehr ausgleichen. Anika stellt Tobias ein
Ultimatum: Entweder Flasche geht – oder er. Doch wie sollen sie nur getrennt voneinander leben?
Alki Alki ist eines der spannendsten deutschen Filmexperimente der letzten Jahre. Bunt, leise, laut,
immer volle Kanne und doch unprätentiös, einfühlsam, charmant, unheimlich witzig ausgerechnet
das Thema Alkoholismus auf die Leinwand zu bringen – im deutschen Film?! Ja, richtig. Das gibt
es! Zu verdanken haben wir das Axel Ranisch (Ich fühl mich Disco) und seinen Mitstreitern Heiko
Pinkowski und Peter Trabner. Sie und andere innovative Filmemacher könnten dem deutschen Film
endlich mehr Auftrieb geben. Ansehen und selbst überzeugen (lassen)!
NK
Vorfilm: AlieNation
R/B: Laura Lehmus P: D 2014 L: 6 Min. 41 Sek.
B
40
asierend auf realen Interviews mit Teenagern gibt AlieNation Einblicke in die wesentlichen Dinge
des Alltags.
Einzelfilme
Der Marsianer | The Martian
Fr, 29.04.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Ridley Scott B: Andy Weir K: Dariusz Wolski M: Harry Gregson-Williams D: Matt Damon, Jessica
Chastain, Kate Mara, Kristen Wiig P: USA 2015 V: DCP, DF L: 144 Min.
M
ark Watney ist auf dem Mars gestrandet.
Sein Team der Ares-3-Mission hatte ihn
auf dem roten Planeten zurückgelassen,
nachdem sie ihn für tot gehalten hatte. Fluch
der Technik, denn sein Raumanzug war bei
einem plötzlich herannahenden Sturm so
beschädigt worden, dass er keine Lebenszeichen mehr übertrug. Der Sturm war so
heftig, dass alle Hals über Kopf geflohen und
übereilt wieder Richtung Erde abgeflogen
sind. Alle bis auf Watney, der zurückgelassen
auf dem Mars wieder zu sich kommt und
feststellt, dass er völlig alleine ist.
Ungeschickt ist, dass er keinerlei Möglichkeit hat, mit der Erde oder seinem Team zu kommunizieren, dass seine nächste zumindest theoretische Rückreisemöglichkeit die Ares-4-Mission vier Jahre
später ist und, dass die Nahrungsmittel allenfalls für ein paar Monate reichen. Doch Watney ist nicht
umsonst Botaniker. Er setzt seinen ganzen Einfallsreichtum daran zu überleben – und natürlich
irgendwie mit der NASA auf der Erde in Kontakt zu treten. Während auf der Erde seine Trauerfeier
begangen wird, sitzt Mark Watney auf dem Mars und produziert im wahrsten Sinne des Wortes aus
Scheiße Kartoffeln. Doch ob er damit 4 Jahre in der Einsamkeit überleben kann, ist völlig unklar. Noch
weiß die NASA ja nicht einmal, dass er noch lebt, warum also eine Rettungsmission starten? Doch
Watney verliert seinen Optimismus nicht. Mit leicht sarkastischem Unterton und einer gehörigen
Portion Selbstironie berichtet er jeden Abend in seinem Videotagebuch von seinen Fortschritten. So
bleibt der Film auch für den Zuschauer trotz der ernsten Lage des Protagonisten jederzeit absolut
unterhaltsam ohne dabei aber Spannung einzubüßen.
Regisseur Ridley Scott, der sich 1979 bzw. 1982 mit Alien und Blade Runner, seinem zweiten beziehungsweise dritten Spielfilm, bereits einen Stern am Kultfilmhimmel verdient hatte, legt nach
einigen eher schwächeren Filmen in den letzten Jahren nun wieder einen Film vor, der Kultfilmpotential hat. Und der zeigt, dass schlichtes Klebeband auch im Weltraum ein unverzichtbares Utensil
ist. McGyver läßt grüßen. AP
Vorfilm: Pixels
R: Patrick Jean P: F 2010 L: 2 Min.
E
ine Pixelarmee greift die Erde an. Pac-Man, Donkey Kong und eine Riesenbombe zerlegen voller
Spiellust alles, was ihnen in den Weg kommt.
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Einzelfilme
Den Menschen so fern | Loin des hommes
Fr, 06.05.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: David Oelhoffen B: Antoine Lacomblez, David Oelhoffen, Albert Camus (Kurzgeschichte)K: Guillaume Deffontaines M: Nick Cave, Warren Ellis D: Viggo Mortensen, Reda Kateb, Djemel Barek P: F 2014 V:
DCP, Arab./ Fr. OmU L: 101 Min.
I
m algerischen Atlasgebirge der 50er ist harte Arbeit
nötig, um dem trockenen Boden etwas abzuringen.
Die Wege schlängeln sich kilometerweit über steinige
Ebenen und Pässe. In dieser Einsamkeit unterrichtet
der spanischstämmige Daru (VM) die Kinder der verstreuten umliegenden Dörfer. Sein isoliertes Dasein
wird eines Tages durch den Auftrag eines befreundeten Gendarmen unterbrochen. Er trägt ihm auf, den
des Mordes beschuldigten Bauern Mohamed (RK)
zur nächsten Polizeistation zu bringen. Daru will sich
nicht einmischen, doch zwingen ihn aufgebrachte
Nachbarn und rachedurstige Verwandte Mohameds,
sich der Sache anzunehmen. Er ist entschlossen, Mohamed seiner gerechten Strafe zuzuführen.
Doch unterwegs geraten sie sowohl zwischen Fronten des Krieges als auch in Gewissenskonflikte.
Im Kinojahr 2015 wurde David Oelhoffens Film leider oft übersehen und unterschätzt. Albert
Camus‘ Kurzgeschichte Der Gast bietet die Grundlage der existenzialistischen Fragen zu Tradition,
Macht, Anteilnahme und Gerechtigkeit. So erreicht der Film über die gesamte Laufzeit eine eigenständige philosophische Ebene. Gleichzeitig ist er auch ein Neo-Western: Eine fast klassische und
doch ambivalente Handlung wurde versetzt in die Zeit des algerischen Unabhängigkeitskrieges.
Viggo Mortensen und Reda Kateb spielen ihre Außenseiterrollen und die Gegensätze zwischen den
Kulturen subtil, aber voll aus. Entstanden ist ein dialogarmer, bildstarker Film über die Hoffnung,
dass trotz Differenzen ein Verständnis gegenüber anderen möglich ist. NK
42
Einzelfilme
Das ewige Leben
Do, 12.05.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Wolfgang Murnberger B: Josef Hader, Wolfgang Murnberger, Wolf Haas K: Peter von Haller M: Sofa
Surfers D: Josef Hader, Tobias Moretti, Nora von Waldstätten, Roland Duringer P: Ö/D 2015 V: tba L: 123
Min.
J
etzt ist schon wieder was passiert. Und ob du es
glaubst oder nicht: Der Brenner (JH) fährt nach
Puntigam zurück, wo er ein altes Haus geerbt hat.
Dass der Brenner einige Tage später noch einen
Kopfschuss überlebt, konnte er damals natürlich
noch nicht wissen.Er hatte ja nicht ahnen können,
was ihn in Graz erwartet. Interessant: Der Brenner
war nämlich auch einmal jung, sogar eine Polizeischule hat er besucht. Der Aschenbrenner (TM) von
damals hat sogar richtig Karriere gemacht, Leiter
des Landeskriminalamts ist er geworden. Und mehr
noch: der Köck (RD) hat mehr Geld als er eigentlich in seinem Trödelladen verdient, wird aber kurz
nach Brenners Ankunft auch erschossen, jedoch mit mehr Erfolg als beim Brenner. Das gibt dem
Brenner dann schon zu denken. Und welche Rolle spielt die Walther PKK, hinter der nun alle her
sind ? Und überhaupt: warum kümmert sich die Ärztin Irrsiegler (NvW) so gut um den Brenner?
Darum pass gut auf, was ich dir jetzt sage: Im Grunde genommen ist ihnen allen nicht zu trauen.
HH
Carol
Mo, 23.05.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Todd Haynes B: Phyllis Nagy K: Edward Lachmann M: Carter Burwell D: Cate Blanchet, Rooney Mara,
Kyle Chandler P: USA 2015 V: DCP, En. Omu L: 118 Min.
N
ew York in den 50er Jahren: Eine zufällige Begegnung in einem Spielwarengeschäft ist der Anfang
einer leidenschaftlichen Liebesbeziehung zwischen
der schüchternen Träumerin Terese und der schönen
Carol. Als Carols wohlhabender Ehemann Harge Wind
von der Affäre seiner Frau bekommt, wird die unerfüllte
Ehe auf die Probe gestellt. Harge sucht mit allen Mitteln
nach Beweisen für Carols „unmoralisches Verhalten“
um diese im Sorgerechtsstreit um die gemeinsame
Tochter Rindy gegen sie zu verwenden. Die Fassade
der selbstbewussten, starken Frau bröckelt und Carol
muss sich entscheiden...
Die stimmige Adaption von Patricia Highsmiths Roman Salz und sein Preis überzeugt durch ästhetische Filmaufnahmen und die sorgfältige Auswahl von Musik, Kostümen und Schauplätzen, die den
43
Einzelfilme
Zuschauer auf eine Zeitreise ins Manhattan der 50er Jahre mitnehmen. Die herausragenden schauspielerischen Leistungen von Cate Blanchett und Rooney Mara, die in Cannes als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurde, sorgen für ein fesselndes und emotionales Kinoerlebnis.
CL
Vorfilm: Die Katze tanzt
R: Esther Bialas P: D 2011 L: 7 Min.
A
nne liebt Kathrin seit vielen Jahren, aber Kathrin weiß das nicht. Und morgen wird sie heiraten...
Von Caligari zu Hitler
In Anwesenheit des Regisseurs Rüdiger Suchsland !
Do, 02.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Rüdiger Suchsland B: Rüdiger Suchsland K: Harald Schmuck, Frank Reimann M: Michael Hartmann,
Henrik Albrecht D: Fatih Akin, Elisabeth Bronfen, Thomas Elsaesser, Volker Schlöndorff, Eric D. Weitz
P: D, 2014 V: tba L: 118 Min.
S
urreale Traumsequenzen, Somnambule, Wände aus
Pappmaché, Special Effects, maskierte Einbrecher,
Tyrannen, stechende Blicke, riesige Augen, schlecht
erzogene Mädchen, heruntergekommene Häuser,
Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs,
überzogene Gesten, Vampire, Schattenspiele, Friedrich
II., Zaubermäntel, Picknicke am Wannsee, schlecht
bezahlte Angestellte, Rasierschaum, Lockenbrenner,
Wintersport, lange Kameraeinstellungen, Revues, kindliche femmes fatales, Hafenstreiks, fliegende Jungen,
Gletscher, Psychopathen, Stummheit und Stimme.
Die Filme der Weimarer Republik haben all das. Und sie haben noch mehr. In einer Zeit, in der der
Film noch in den Kinderschuhen steckt, werden mit Filmen wie Nosferatu, Metropolis, M, Der blaue
Engel ästhetische Grundlagen erfunden und bis heute prägende Genres etabliert. Mit Von Caligari
zu Hitler widmet sich Rüdiger Suchsland dieser Zeit des Films, die unmöglich zu einer Strömung
zu verallgemeinern wäre – einer Zeit, die sich gerade durch ihre Widersprüchlichkeit auszeichnet.
Im Zentrum steht Siegfried Kracauers These, dass in diesen Filmen vorweggenommen wird, was
sich in Deutschland ab 1933 verwirklicht. Suchsland geht dem nach und lässt hierfür Filmemacher
und FilmwissenschaftlerInnen zu Wort kommen, vor allem aber lässt er die Filme selbst erzählen.
Er spürt das Wunderbare, den Reichtum und die Abgründe einer wieder vergessenen Kino-Epoche
auf und fragt: "Was weiß das Kino, was wir nicht wissen?" NS
Vorfilm: 25572 Büttel
R: Rainer Komers P: D 2012 L: 5 Min.
D
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as Portrait eines Ortes als Versuch über Fremdheit und Verlust.
Einzelfilme
Die 120 Tage von Sodom | Salò o le 120 giornate di Sodoma
Fr, 03.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Pier Paolo Pasolini B: Sergio Citti, Pier Paolo Pasolini K: Tonino Delli Colli M: Ennio Morricone
P: I 1976 V: tba L: 116 Min.
D
er 30.01.1976 war kein ganz gewöhnlicher Tag
in Deutschland, denn einer der bekanntesten
Skandalfilme aller Zeiten feierte an diesem Tag
seine Premiere. Zum 40-Jährigen Geburtstag
hat sich der aka entschlossen, diesen Film im
Kino zu zeigen. Und mittels einer Diskussion
auf dieses Ereignis zurückzublicken, welches so
hohe Wellen schlug.
Der Film spielt in der „Italienischen Sozialrepublik“, der sogenannten Republik von Salò,
einem faschistischen Marionettenstaat im vom
Deutschen Reich besetzten Norditalien. Vertreter des untergehenden Regimes halten Männer und Frauen mit Waffengewalt in einem Anwesen
gefangen, um an ihnen hemmungslos ihre Triebe und Macht auszuleben.
Dieser Film schlug damals sehr hohe Wellen, viele (Kirchen-)verbände riefen für ein Verbot dieses
Filmes aus. Bereits 3 Wochen nach Erscheinen des Filmes wurde er vom Saarbrücker Amtsgericht
beschlagnahmt. Der Film sei eine einzige "Aneinanderreihung brutalster Gewalt und Perversionen",
der "keine Spuren von Kunst" erkennen lasse, war damals die Begründung. Diese Beschlagnahmung
wurde aber 2 Jahre später bereits wieder rückgängig gemacht. Noch in der heutigen Zeit sind die
Spuren zu erkennen, so wurde einem Kino in Zürich polizeilich untersagt den Film 2007 zu zeigen,
diese konnten aber unter Vorweisung von verschiedenen gerichtlichen Urteilen, das Verbot rückgängig machen.
Die 120 Tage von Sodom war Pasolinis letzter Film. Noch vor der Premiere wurde er ermordet, mehrfach überfahren mit seinem eigenen Auto. Die Täter wurden bis heute noch nicht gefasst.
MW
Brooklyn
Do, 09.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: John Crowley B: Nick Hornby, Colm Toíbín (Roman) K: Yves Bélanger M: Michael Brook D: Saoirse
Ronan, Emory Cohen, Domhnall Gleeson, Jim Broadbent, Julie Walters, Jessica Paré P: IRL/ GB/ CAN 2015
V: DCP, En. OmU L: 113 Min.
A
nfang der 50er-Jahre: Die junge Eilis (SR) beschließt aus ihrem irischen Heimatstädtchen in die
USA auszuwandern. In New York warten eine Anstellung in einem Modegeschäft und ein ganz
neues Leben auf sie. Als sie den Italo-Amerikaner Tony (EC) kennenlernt, beginnt eine intensive
Liebesbeziehung, die schließlich im Bund fürs Leben mündet. Doch kurz darauf muss Eilis wegen
einer Familientragödie nach Irland zurückfahren und lernt dort den charmanten Jim (DG) immer
besser kennen – und neue berufliche Perspektiven sind auch in Sicht. Eilis steht vor einer schweren
Entscheidung zwischen der alten Heimat und der neuen Welt.
45
Einzelfilme
Getragen von der herausragenden Hauptdarstellerin Saoirse Ronan, dem nuancierten Drehbuch von
Nick Hornby und der behutsamen Regie von John
Crowley lässt dieses spannende und intime Drama
das Leben und die inneren Konflikte einer jungen
Auswandererin stets so direkt wie möglich miterleben.
Romantisch und gefühlvoll, aber zugleich subtil und
intelligent schaffen es Crowley, Hornby und Ronan
immer wieder, aus sorgfältig entwickelten kleinen
Momenten heraus große Gefühle hervorzurufen. MK
Vorfilm: Easy or not
R: Dietrich Brüggemann P: D 2013 L: 4 Min.
E
in Mann schlüpft in einen Pullover und scheint sich darin sehr wohl zu fühlen. Doch bald merkt
er, dass darin noch jemand sitzt.
Bridge of Spies
Mi, 15.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Steven Spielberg B: Matt Charman, Joel & Ethan Coen K: Janusz Kaminski M: Thomas Newman D:
Tom Hanks, Mark Rylance P: USA 2015 V: DCP, En. OmU L: 142 Min.
S
teven Spielberg ist wieder einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nachgegangen, und zwar einen
Film über eine unscheinbar wirkende Person zu drehen, die in der Geschichte eine große Tat vollzogen
hat. Diesmal hat er sich den Versicherungsanwalt
James B. Donovan (TH) ausgesucht. Normalerweise kümmert dieser sich um Unfälle, doch diesmal
muss er den wegen Spionage angeklagten Maler
Rudolf Abel (MR) vor Gericht verteidigen. Eine nicht
ganz einfache Aufgabe, da sie ihn zum zweit meist
gehassten Menschen in Amerika macht und seine
Familie in Gefahr bringt. Donovan gelingt es, dass
Abel zumindest nicht hingerichtet wird, man könne ihn für mögliche Gefangenenaustausche gebrauchen. Just wie es der Zufall so will, stürzt ein amerikanischer Spionagepilot über sowjetischem
Staatsgebiet ab und Donovan wird nach Berlin geschickt um einen Austausch zu verhandeln.
Bridge of Spies glänzt Spielberg-typisch mit guter Kameraarbeit und Musikuntermalung. Auch die
One-Take-Shots sind wieder vorzufinden. Der Film lebt von der Beziehung der beiden Hauptdarsteller Tom Hanks und Mark Rylance. Letzter wurde dieses Jahr für die Rolle mit dem Oscar für den
besten Nebendarsteller ausgezeichnet. Den vielen Dialogen fehlt die Tiefgründigkeit, sind aber
dennoch gut ausgearbeitet und enthalten jede Menge Humor. Insgesamt wirkt der Film zu sicher
und das Thema ist eher für Dokumentarfilme geeignet. Nichtsdestotrotz reicht es dennoch für einen
unterhaltsamen Kinoabend.MW
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Einzelfilme
Vorfilm: Trailer
R: Mascha Halberstad P: NL 2014 L: 2 Min. 16 Sek.
T
railer ist eine Komödie, angelehnt an amerikanische Kriegsfilm-Trailer.
Macbeth
Mo, 20.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Justin Kurzel B: Jacob Koskoff, Michael Lesslie, Todd Louiso, William Shakespeare (Stück) K: Adam
Arkapaw M: Jed Kurzel D: Michael Fassbender, Marion Cotillard, Paddy Considine, David Thewlis P: GB/F/
USA 2015 V: DCP, En. OmU L: 113 Min.
M
acbeth (MF) ist Heerführer König Duncans (DT) und
leistet gute Dienste. Als der König vom letzten ruhmreichen Sieg hört, verleiht er ihm den Titel des Besiegten.
Macbeth weiß noch nichts von seinem Glück, als er und sein
Freund Banquo (PC) drei seltsamen Frauen auf dem Moor
begegnen. Sie prophezeien beiden eine große Zukunft:
Macbeth soll eines Tages König werden. Seine ruhmsüchtige Frau, Lady Macbeth (MC), treibt ihn daher dazu an, den
König bei seinem nahenden Besuch zu ermorden. Anfangs
widerstrebend lässt er sich darauf ein, doch nicht einmal
Lady Macbeth kann erahnen, welche tiefgreifenden Folgen
diese Intrige haben wird.
Justin Kurzels Neuverfilmung des Shakespeare-Stückes
ist eine „Natur-Gewalt“. Die schottischen Berge und Moore
kommen vollauf zur Geltung als Schauplätze brachialer
und blutiger Schlachten. Manch visuelles Stilmittel ist nicht
sehr subtil, doch wirkt der Film nie flach oder zu überwältigend aufgrund seiner Ästhetik. Dies ist nicht zuletzt den
starken Hauptdarstellern, aber auch der Verwendung des
Originaltextes, zu verdanken. Er modernisiert zwar den Stoff nicht wirklich, die Darstellung fühlt sich
dennoch unmittelbar und realistisch an. Das Thema der Korruption des Geistes durch Machthunger
ist zeitlos. Wird die Grenze erst einmal überschritten, ist ein Umweg schwer erreichbar. Macbeth (als
Film und Figur) geht seinen Weg in den Wahnsinn, trotz Ausweichchancen, konsequent weiter. NK
Vorfilm: AD 1683, The End of Chivalry
R: Jake Mahaffy P: NZ/USA 2015 L: 3 Min.
W
arum gibt es eigentlich keine Ritter mehr? Dieser Film beantwortet diese dringende Frage.
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Einzelfilme
Das andere Rom | Sacro GRA
Do, 23.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R/B/K: Gianfranco Rosi P: I/ F 2013 V: DCP, It. OmU L: 91 Min.
D
er Sacro GRA, der Grande Raccordo Anulare,
ist die Ringautobahn, die um Rom führt
und auf der der Verkehr nie still steht. Sie ist
der Schauplatz dieser Dokumentation, für die
der italienische Regisseur und Kameramann
Gianfranco Rosi über zwei Jahre lang Filmmaterial gesammelt hat. Dabei ist es Rosi gelungen,
nachdenkliche, traurige, zum Teil skurrile, aber
auch heitere Bilder einzufangen, mit deren Hilfe
er die Geschichten der Protagonisten dieses
Films erzählt, von Menschen die am Rande dieser
Straße leben und arbeiten, tags wie nachts, in einer Parallelwelt abseits der Sehenswürdigkeiten
Roms. Darunter befinden sich ein alter Fischer und seine stumme Frau, zwei ältere Prostituierte die
hier ihrem Geschäft nachgehen, ein verarmter Adliger und ein Biologe, der in den Palmen am GRA
nach Käfern und ihren Larven sucht. Kunstvoll verknüpft sind diese Bilder mit Aufnahmen der ewig
rauschenden, staubigen Straße. Unterschwellig zeigt sich in diesem poetischen Zeitbild dabei auch
die großstädtische Entfremdung und soziale Ungerechtigkeit.
Rosi, der in diesem Jahr mit dem goldenen Bären für eine Dokumentation über die Situation auf
der Insel Lampedusa geehrt wurde, gewann 2013 mit Das andere Rom den goldenen Löwen als
bester Film bei den Filmfestspivelen von Venedig, es war die erste Dokumentation überhaupt die
mit diesem Preis ausgezeichnet wurde.
BP
Vorfilm: The Art of Flying
R: Jan Van IJken P: NL 2015 L: 6 Min 25 Sek.
J
eden Abend sammeln sich die Sperlinge in der Dämmerung, um ihre überwältigende Luft-Show
zu zeigen.
The Big Short
Mo, 27.06.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Adam McKay B: Adam McKay, Charles Randolph, Michael Lewis (Buch) K: Barry Ackroyd M: Nicholas
Britell D: Christian Bale, Steve Carell, Ryan Gosling, Brad Pitt, Hamish Linklater, Marisa Tomei, Margot
Robie, Selena Gomez P: USA 2015 V: tba L: 131 Min.
K
alifornien 2005: Der eigenbrötlerische Hedgefonds-Manager Michael Burry (CB) erkennt, dass
der amerikanische Wirtschaftsboom auf Sand in Form von überschätzten Immobilien-Werten
gebaut ist und dass der große Crash unmittelbar bevorsteht. Als seine Warnungen bei mehreren
Großbanken-Bossen abblitzen, ändert er seine Taktik und wettet gegen das Finanzsystem. Seinem
riskanten Plan schließen sich eine bunte Reihe vom verbitterten Trader Mark Baum (SC), über den
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Einzelfilme
ehemaligen Star-Investor Ben Rickert (BP), bis zum
schleimbeuteligen Deutsche-Bank-Manager Jared
Vennett (RG) an. Das große Geld winkt, doch bis dahin
müssen sie zahlreiche Widerstände überwinden.
Ein riskanter Schritt war es nicht nur für die einem
Sachbuch über die Wirtschaftskrise entnommenen
Protagonisten, sondern auch für den Regisseur Adam
McKay. Nach zahlreichen überdreht-anspruchslosen
Adam Sandler-Komödien wagt er sich mit The Big Short
an ein ungleich ernsteres und trockeneres Thema.
Doch erstaunlicherweise ging auch McKays Rechnung
auf. Mit einem gekonnten Mix aus unkonventionell eingestreuten Hintergrundinfos und skurilen
Charakteren, die einen nachhaltigen Eindruck der verrückt gewordenen Wirtschaftswelt vermitteln,
schafft er eine originell inszenierte und spannende Handlung, in der fast beiläufig verblüffend viel
Wirtschaftswissen vermittelt wird. McKays Inszenierung überwindet dabei immer wieder mühelos
die Grenze zwischen ironischem Humor und Ernsthaftigkeit und trifft dabei fast traumwandlerisch
stets den richtigen Ton. MK
Vorfilm: Occupanter - Down
R: Johannes Brugger P: D 2014 L: 4 Min.
D
ie Feier, auf der wir alle schonmal waren, in ihre reinste Form gegossen.
Der Klassenfeind | Razredni Sovražnik
Mo, 11.07.2016| 20:00 Uhr | HS 2006
R: Rok Biček B: Nejc Gazvoda, Rok Biček, Janez Lapajne K: Fabio Stoll M: Frédéric Chopin D: Igor Samobor, Nataša Barbara Gračner, Tjaša Železnik, Maša Derganc, Daša Cupevski P: SVN 2013 V: DCP, Sl.
OmeU L: 112 Min.
E
in Gymnasium in Slowenien: Als die junge und bei
den Schülern beliebte Deutschlehrerin Nuša (MD)
in Schwangerschaftsurlaub geht, übernimmt der ältere
Vertretungslehrer Robert Zupan (IS) ihre Abschlussklasse. Ganz anders als seine Vorgängerin tritt er sehr
streng und distanziert auf, woran sich die Klasse schnell
zu stören beginnt. Als die unsichere Schülerin Sabina
(DC) Selbstmord begeht, nachdem sie kurz zuvor mit
ihm alleine im Klassenzimmer gesehen wurde, ist der
Schuldige schnell gefunden. Zunehmend eskaliert die Situation und Zupan sieht sich Vorwürfen
ausgesetzt, er sei ein Nazi.
Der Klassenfeind ist der erste Langfilm des jungen slowenischen Regisseurs Rok Biček und wurde
gleich von Slavoy Žižek zum wichtigsten Film unserer Zeit geadelt. Žižek, Philosoph und Landsmann
von Biček, erklärt gerne Theorie anhand von Filmen und Der Klassenfeind scheint ihm das filmische
49
Einzelfilme
Pendant zu einer seiner Kernthesen: Das Einzige, was Europa noch retten kann, ist eine authentische
Autorität, die uns mit unserer eigenen Freiheit konfrontiert, einer grundlegenden Freiheit, die durch
die täglichen, vermeintlich freien Konsumentscheidungen in unserer antiautoritären Gesellschaft
verdeckt wird. Diese makroskopische Situation spiegelt sich im Mikrokosmos Schule. Der Film selbst
theoretisiert nicht und dezidierter sei Žižeks Analyse hier nicht vorweggenommen. Seiner augenzwinkernd stalinistischen Forderung, den Film verpflichtend an allen Schulen und Universitäten zu
zeigen, kommen wir indes gerne nach. MB
Vorfilm: Isfilma par dzivi
R: Laila Pakalnina P: LV 2014 L: 2 Min.
A
lles, was man über Fußball wissen muss. Es ist eben doch, wie das Leben.
Steve Jobs
Do, 14.07.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Danny Boyle B: Aaron Sorkin, Walter Isaacson K: Alwin
H. Küchler M: Daniel Pemberton D: Michael Fassbender,
Kate Winslet, Seth Rogen, Jeff Daniels P: USA/ GB 2015
V: DCP, En. OmU L: 122 Min.
S
chon die Handlungsstruktur lässt erkennen, dass
Steve Jobs kein typisches Biopic ist: An drei wichtigen Stationen über 14 Jahre wird sein Werdegang
exemplarisch erzählt. Jede Station zeigt nur einen kurzen Ausschnitt dieser Zeitspanne: 1984 will
Jobs (MF) den neuen Apple Macintosh präsentieren, als es Probleme gibt und er den zuständigen
Techniker tyrannisiert. Seine Vertraute und Marketing-Managerin Joanna Hoffman (KW) hilft, die
Sache zu retten. Freund und Mitbegründer von Apple Steve Wozniak (SR) möchte bei der Präsentation auf den erfolgreichen Apple II eingehen. Doch Jobs‘ Ego stellt sich in den Weg, als er auf
Wozniaks Frage, was eigentlich Jobs‘ Talent sei, antwortet: „Musicians play their instruments. I play
the orchestra.“ Auch 1988 und 1998 stehen Produktpräsentationen an. Parallel stellen ihn Umfeld
und Karriere vor Herausforderungen. Die vielleicht größte kommt in Form der Aufforderung seiner
ehemaligen Freundin, endlich die gemeinsame Tochter anzuerkennen…
Durch die Konzentration auf drei Lebensstationen des Innovators (inklusive unterschiedlicher
Filmformate!) und die wesentlichen Schlüsselfiguren im Geschehen entsteht ein dichtes Porträt
des widersprüchlichen Charakters, der immer zwischen Begeisterung und Besessenheit hin und
her oszillierte. Trotz Kritik an Jobs‘ Darstellung erntete der Film Preise, Nominierungen und beinahe
universelles Lob. Aaron Sorkin und Danny Boyle liefern niveauvolle Unterhaltung, die gerade wegen
der vielen Dialoge immer spannend bleibt! NK
Vorfilm: Die Seele des Geschäfts
R: José Roberto Torero P: BRA 1996 L: 8 Min.
Die Werbung zeigt uns die Welt: Junge Menschen, attraktiv und natürlich von der Marke begeistert.
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Einzelfilme
Die 12 Geschworenen | 12 Angry Men
Fr, 15.07.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Sidney Lumet B: Reginald Rose K: Boris Kaufmann M: Kenyon Hopkins D: Henry Fonda, Reginald
Rose P: USA 1957 V: BR, En. OmU L: 96 Min.
A
schießt auf B. B ist tot. A wird vor Gericht angeklagt.
Wir sind im Amerika der 50er Jahre; dass auf Mord
die Todesstrafe folgt, ist üblich. Der Justiz-Thriller
Die 12 Geschworenen hinterfragt mit unglaublich
vielschichtigen und abwechslungsreichen Charakteren einen der Grundpfeiler der (amerikanischen)
Gesellschaft und zwar: Was ist Gerechtigkeit? Und
nach welchen objektiven Maßstäben kann ich die
Schuld eines Menschen bewerten?
Es ist der heißeste Tag des Jahres. Nach dem sechsten Verhandlungstag ziehen sich die 12 Geschworenen (die grand jury) zurück, um die Schuld oder
Unschuld des scheinbar offensichtlichen Falles (siehe
1. Satz) zu bewerten. Alle sind einer Meinung, außer
einem: dem Geschworenen Nr. 8, gespielt von Henry Fonda. Der ganze Film spielt in einem Raum,
ein sogenanntes Kammerspiel. Eindrucksvoll wird gezeigt, dass Spannung in einem Film nicht nur
durch schnelle Kameraführung oder Verfolgungsjagden inszeniert werden kann, sondern vor allem
durch intelligente Dialoge und vielschichtige Charaktere. Der Debütspielfilm von Sidney Lumet, der
heute als „Meister des Justizfilms“ gefeiert wird, lässt einen selbst zum Geschworenen werden. Bis
heute wird der Film als ein unverkennbarer Teil der Filmgeschichte gefeiert. Viele Psychologen und
Soziologen sehen Die 12 Geschworenen sogar als Teil ihrer Ausbildung an. JK
Orlando
Mo, 18.07.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Sally Potter B: Sally Potter, Virginia Wolf (Roman) K: Aleksei Rodionov M: David Motion, Sally Potter
D: Tilda Swinton, Billy Zane, Quentin Crisp P: UK/FR/RUS 1993 V: 35mm, En. OmU L: 93 Min.
D
er junge Lord Orlando (TS) verspricht Königin Elisabeth I. (QC) niemals zu altern und erhält im
Gegenzug Land, ein Schloss und Reichtümer. Beide Seiten der Vereinbarung erlauben ihm gute
100 Jahre lang die Vorzüge eines Lebens als angesehener und reicher Mann zu erleben. Er verliebt
sich, versucht sich als Dichter, wird Botschafter am anderen Ende der Welt und geht immer voll in
seiner Rolle auf. Dann, am Ende seines Botschafter-Daseins, erwacht Orlando eines Morgens und
ist eine Frau. Lady Orlando erfährt nun, was es bedeutet eine Frau im 18. Jahrhundert zu sein. Noch
immer ist sie nicht gealtert und im Laufe der Zeit findet sie sich in ihrer neuen Identität zurecht.
Schließlich erlebt sie das England des späten 20. Jahrhunderts als emanzipierte Frau, die nicht nur
Schriftstellerin sondern auch Mutter geworden ist.
In Orlando behandelt Sally Potter das Leben wie einen Episodenfilm. Wie in der Romanvorlage von
Virginia Wolf begleitet sie über mehrere Jahrhunderte hinweg einen nicht alternden Lord, später
51
Einzelfilme
Botschafter, dann Frau und beleuchtet einzelne Aspekte eines Menschenlebens. Orlando begegnet
der Liebe, Poesie und Weisheit, und wird dabei immer wieder mit sich selbst konfrontiert und damit
was Identität bedeuten kann, während die Welt um einen herum sich unaufhaltsam ändert. Jede
Episode ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet, gleichzeitig wird nur das Wichtigste gezeigt. Doch
es zeigt sich, dass in einem 400 Jahre langen Leben die kleinen Dinge oft die wichtigsten sind. LE
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Kooperationen
Ex Machina
In Kooperation mit dem Exzellencluster "Brainlinks-Braintools"
Mit Einführung von Prof. Dr. Wolfram Burgard
Di, 10.05.2016 | 19:00 Uhr | HS 2006
R/B: Alex Garland K: Rob Hardy M: Geoff Barrow, Ben Salisbury D: Domhnall Gleeson, Corey Johnson,
Oscar Isaac, Alicia Vikander P: GB 2015 V: DCP, En. OmU L: 108 Min.
I
n dem Oscar-prämierten Sci-Fi-Kammerspiel von 2015 testet
ein Softwareentwickler einen verführerischen weiblichen
Roboter auf seine Menschenähnlichkeit und gerät dadurch
zwischen ihn und seinen Erfinder. Wolfram Burgard erklärt, wie
wahrscheinlich die Entwicklung eines solchen Androiden ist. Er
erläutert den realen Stand der Robotertechnik und das Problem
mit dem populären Begriff der Künstlichen Intelligenz. Diese
Veranstaltung ist Teil der Filmreihe „Science Fiction in a Reality
Check“ - Wissenschaftler des Exzellenzclusters Brainlinks-Braintools
der Universität Freiburg kommentieren Science-Fiction-Filme
und diskutieren mit dem Publikum, was technisch möglich und gesellschaftlich gewünscht ist.
Blood Diamond
In Kooperation mit der UNICEF-Hochschulgruppe
Fr, 13.05.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R: Edward Zwick B: Charles Leavitt K: Eduardo Serra M: James Newton Howard D: Leonardo DiCaprio,
Djimon Hounsou, Jennifer Connelly P: USA/ D 2006 V: tba L: 143 Min.
1
990er Jahre in Sierra Leone: Bürgerkrieg. Das Dorf, in dem
Solomon Vandy (DH) mit seiner Frau und drei Kindern lebt,
wird von Rebellen überfallen. Seine Frau und die Kinder können
fliehen. Sein Sohn wird jedoch auf der Flucht von den Rebellen
aufgegriffen und muss als Kindersoldat arbeiten. Solomon wird
gefangen genommen und zur Arbeit in einer Diamantenmine
gezwungen. Dabei findet er einen großen Rohdiamanten und
vergräbt ihn, kurz bevor das Gebiet wieder von den Regierungstruppen zurückerobert wird. Er trifft im Gefängnis auf den
Diamantenschmuggler Danny Archer (LDC). Solomon stimmt
einer Zusammenarbeit mit ihm zu, wenn dieser ihn wieder mit seiner Familie zusammenbringt.
Bei Unruhen können beide fliehen und begeben sich auf die Suche nach dem Diamanten und der
Familie. Auf der Suche treffen sie die amerikanische Journalistin Maddy Brown (JC).
In Sierra Leone herrscht heute Frieden. Bürgerkrieg und Kindersoldaten gibt es auf der Welt aber
noch immer, beispielsweise im Südsudan, der Zentralafrikanischen Republik, Somalia …
Wir, von der UNICEF - Hochschulgruppe, möchten euch über die Arbeit von UNICEF in Krisengebieten und dabei insbesondere über die Hilfe für ehemaligen Kindersoldaten informieren.
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Kooperationen
Overgames
In Kooperation mit dem Freiburg Insitute for Advanced Studies (FRIAS)
In Anwesenheit des Regisseurs Lutz Dammbeck
Mo, 30.05.2016 | 20:00 Uhr | HS 2006
R/B: Lutz Dammbeck K: Börres Weiffenbach M: J.U. Lensing D: Rick Prelinger, Maggy Van Ostrand, Syd
Vinnegde P: D 2015 V: DVD, Dt. OV L: 108 Min.
I
n einer Talkshow erzählt der Schauspieler Joachim Fuchsberger, dass die Spiele seiner 1960 erstmals
im westdeutschen Fernsehen ausgestrahlten Show "Nur nicht nervös werden" in der amerikanischen
Psychiatrie entwickelt wurden. Auf die Frage, "und wieviel Patienten haben Dir da zugeschaut"
antwortet er: "Eine ganze Nation! Eine verrückte, eine psychisch gestörte Nation". Wieso waren die
Deutschen, genauer: die Westdeutschen, damals eine psychisch gestörte Nation?
Ein Film über heitere und ernste Spiele, Therapien zur Um- und Selbstumerziehung, sowie die
Ideengeschichte einer permanenten Revolution. Es treten auf: Regisseure und Produzenten von
Gameshows, Psychiater, Anthropologen und Paranoiker verschiedenster Couleur.
Im Anschluss an die Filmvorführung gibt es die Möglichkeit zur Diskussion mit dem Filmemacher,
der Kulturwissenschaftlerin Sabine Hake (Austin/FRIAS) sowie der Historikerin Christina Schröer
(Freiburg/FRIAS).
Vorfilm: Tornado - The Cultural Attaché
R: Lior Shamriz P: Deutschland 2015 L: 7 Min.
D
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