Position Starkes Bayern - starkes Europa Stand: Dezember 2015 www.vbw-bayern.de Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Vorwort X Vorwort Starkes Bayern – starkes Europa Ende 2014 ist die neue EU-Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker mit dem Ziel angetreten, einen Neustart für Europa zu initiieren und sich bei der Bewältigung der Herausforderungen, vor denen die europäische Wirtschaft und Gesellschaft heute stehen, auf zehn politische Prioritäten zu konzentrieren. Ganz oben auf der Agenda steht die Bewältigung der Flüchtlingskrise, die eine der drängendsten Herausforderungen für das heutige Europa darstellt. Außerdem sollen Wachstum und Beschäftigung in den EU-Mitgliedstaaten kontinuierlich vorangebracht werden. Dazu wurde das Investitionsprogramm der EU-Kommission in Höhe von 315 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Erste Projekte sind bereits gestartet und weitere werden folgen. Die EU-Kommission hat außerdem konkrete Vorschläge für die Energieunion, den digitalen Binnenmarkt, die Kapitalmarktunion und eine effiziente Unternehmensbesteuerung gemacht. Mit dem Fünf-Präsidenten-Bericht hat sie den Fahrplan für die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion präsentiert und Legislativmaßnahmen folgen lassen. Die TTIP-Verhandlungen wurden fortgesetzt, wobei der gesamte Verhandlungsprozess wesentlich transparenter geworden ist. Eine Vielzahl der vorgeschlagenen Maßnahmen und Projekte hat direkte oder indirekte Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen. Insofern ist es wichtig für die bayerische Wirtschaft, die Arbeit der europäischen Institutionen in Brüssel im Blick zu behalten und aktiv zu begleiten. Nur so können geplante Richtlinien und Verordnungen schon im Werden auf ihre Tauglichkeit in der Unternehmenspraxis hin überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. begleitet konstruktiv die Arbeit der europäischen Institutionen und hinterfragt die Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Wirtschaft. Mit dem aktualisierten Positionspapier Starkes Bayern – starkes Europa stellen wir die unternehmensbezogenen Rechtsetzungsvorschläge der EU-Kommission im Verfahrenslauf dar und bewerten die Themen mit Blick auf die bayerische Wirtschaft. Wir wollen dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen in Bayern zu stärken – und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit Europas insgesamt. Bertram Brossardt 28. Dezember 2015 Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Inhalt X Inhalt 1 Europas Zukunft sichern ............................................................................ 1 2 Europäisches Stabilitätsprogramm umsetzen .......................................... 3 2.1 Wirtschafts- und Währungsunion vertiefen .................................................... 3 2.2 Zehn Forderungen der vbw für die Zukunft Europas ..................................... 4 3 Europäischen Binnenmarkt voranbringen ................................................ 7 3.1 3.1.1 3.1.2 KMU – Kleine und mittlere Unternehmen ...................................................... 7 KMU-Politik der Europäischen Union ............................................................ 7 Kohäsionspolitik ............................................................................................ 8 3.2 3.2.1 3.2.2 Unternehmen und Staat ................................................................................ 8 Europäische Kapitalmarktunion und weitere Finanzmarktregulierung ........... 9 Europäische Steuerpolitik ........................................................................... 10 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 Unternehmen und Mitarbeiter...................................................................... 12 Arbeitskräftemobilität .................................................................................. 12 Arbeitsschutz .............................................................................................. 13 Arbeitszeitrichtlinie ...................................................................................... 14 Europäische Ausbildungsallianz.................................................................. 15 Betriebliche Altersversorgung ..................................................................... 16 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 Unternehmen und Verbraucher ................................................................... 17 Europäisches Vertragsrecht ........................................................................ 17 Europäischer Datenschutz .......................................................................... 18 Tabakproduktrichtlinie ................................................................................. 19 3.5 3.5.1 Unternehmen und Infrastruktur ................................................................... 19 Ausbau der transeuropäischen Verkehrsnetze ............................................ 20 3.6 3.6.1 3.6.2 Unternehmen und Technologie ................................................................... 21 Digitalisierung ............................................................................................. 21 Horizon 2020 .............................................................................................. 23 3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.3 Unternehmen und Umwelt .......................................................................... 23 Energieunion............................................................................................... 24 Fahrplan Ressourceneffizienz ..................................................................... 25 EU-Initiative zu Konfliktrohstoffen ............................................................... 26 3.8 3.8.1 3.8.2 Unternehmen und Gesellschaft ................................................................... 27 Asyl und Migration ...................................................................................... 28 CSR-Berichterstattung und CSR-Strategie.................................................. 29 Inhalt Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 3.8.3 Frauen in Führungspositionen (Frauenquote) ............................................. 30 3.9 3.9.1 3.9.2 Unternehmen international .......................................................................... 31 Transatlantisches Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP) ............. 31 Sanktionen im Ukrainekonflikt ..................................................................... 32 Ansprechpartner ......................................................................................................... 35 Impressum .................................................................................................................. 35 Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europas Zukunft sichern 1 1 Europas Zukunft sichern Die Europäische Union kann die großen Herausforderungen nur gemeinsam meistern Die Europäische Union steht vor besonderen Herausforderungen. Die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion muss gesichert, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in den Mitgliedstaaten durch notwendige Reformen und eine Steigerung der jeweiligen Wettbewerbsfähigkeit reduziert und die aktuellen Flüchtlingsbewegungen im Rahmen einer europäischen Solidarität bewältigt werden. Europa hat nur dann Zukunft, wenn Solidarität keine Einbahnstraße ist. Eine Rückbesinnung auf die Idee der Gemeinschaft ist nötig. Die Europäische Union ist die größte Erfolgsgeschichte des letzten Jahrhunderts. Der europäische Einigungsprozess beruhte von Anfang an auf der Überzeugung, dass eine stärkere wirtschaftliche Verknüpfung und Freihandel die Basis eines friedlichen Miteinanders darstellen. Die Schaffung des europäischen Binnenmarktes mit seinen vier Grundfreiheiten – freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit, freier Kapital- und Zahlungsverkehr – hat wesentlich dazu beigetragen, dass die EU nicht nur eine wettbewerbsfähige Stellung in einer globalisierenden Welt gefunden hat, sondern dass sie die Globalisierung mitgestalten kann. Auch große EU-Staaten hätten angesichts der globalen Wettbewerber alleine keine Gestaltungsmacht. Die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen kann insofern nicht die Abkehr von der voranschreitenden europäischen Integration sein. Bei den großen Fragen ist nicht weniger, sondern mehr Europa die richtige Antwort. Auch wenn es schwierig ist, das „Wir“ in Krisenzeiten zu suchen, müssen gemeinsam Lösungswege gefunden werden. Die Liste derjenigen Aufgaben, die gemeinsam angegangen werden müssen, ist lang. Dies gilt für den Umgang mit den Ursachen und Folgen der Flüchtlingskrise ebenso wie für die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion, die Verwirklichung von Energieunion und digitalem Binnenmarkt sowie den weiteren Abbau von Handelsschranken für die exportierenden europäischen Industrien, um deren internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen TTIP ist ein wichtiger Schritt, um die Marktchancen europäischer Unternehmen zu erhöhen. Wir müssen Europa gemeinsam stärken und auf die Herausforderungen der Zukunft ausrichten – aus Sicht der vbw ist ein Europäisches Stabilitätsprogramm erforderlich. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäisches Stabilitätsprogramm umsetzen 3 2 Europäisches Stabilitätsprogramm umsetzen Europa braucht eine stabile Währungsunion und einen funktionierenden Binnenmarkt Die Krisensituation der letzten Jahre und deren Nachwehen haben den Reformbedarf für die Europäische Union insbesondere im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion aufgezeigt. Die Zentrifugalkräfte nehmen zu, EU-kritische Parteien gewinnen an Unterstützung und in Großbritannien wird über den Austritt abgestimmt. Dass konkrete Reformen zur nachhaltigen Stabilisierung Europas nötig sind, ist offenkundig. 2.1 Wirtschafts- und Währungsunion vertiefen Die EU-Kommission will den Weg ebnen zu einer stärkeren, vollständigen Union – „mit einer dauerhaften, fairen und demokratisch legitimierten Basis, die zu mehr Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand für alle Bürger“ beitrage. Grundlage dafür ist der FünfPräsidenten-Bericht, den Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zusammen mit dem Präsidenten des Europäischen Rates Donald Tusk, dem Präsidenten der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments Martin Schulz verfasst hat. Die Wirtschafts- und Währungsunion soll in drei Stufen vertieft werden: – „Vertiefung durch Handeln“, 01. Juli 2015 - 30. Juni 2017: durch die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und der strukturellen Konvergenz, die Vollendung der Finanzunion, die Herbeiführung und Beibehaltung einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik in den einzelnen Mitgliedstaaten und im Euro-Währungsgebiet insgesamt sowie die Stärkung der demokratischen Verantwortung unter Nutzung der vorhandenen Instrumente und der bestehenden Verträge. – „Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion“: durch Einleitung von konkreten, weiter reichenden Maßnahmen, um den Konvergenzprozess verbindlicher zu gestalten, z. B. mittels eines gemeinsam vereinbarten, möglicherweise in Rechtsform gegossenen Katalogs von Konvergenz-Referenzwerten und eines euroraumweiten Schatzamtes. – Letzte Stufe, spätestens bis 2025: Am Ende der zweiten Stufe würde, sobald alle genannten Schritte vollzogen sind, eine vertiefte und echte Wirtschafts- und Währungsunion stehen; diese wäre dann auch für andere EU-Mitgliedstaaten, die bereit sind beizutreten, attraktiv. Die Vorschläge beinhalteten einen erneuerten Ansatz für das Europäische Semester und ein verbessertes Instrument für die wirtschaftspolitische Steuerung. Zudem ist die Einrichtung nationaler Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit sowie eines Europäischen Fiskalausschusses geplant. Ferner soll 2016 durch die Errichtung einer sozialen Säule größeres Gewicht auf die Annäherung der Mitgliedstaaten im Bereich Beschäftigung 4 Europäisches Stabilitätsprogramm umsetzen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 und Sozialschutz legen. Ende November 2015 wurde zur Vollendung der Bankenunion außerdem ein „rückversicherndes“ Einlagensicherungssystem vorgeschlagen. Die Initiativen sind positiv zu bewerten, soweit Strukturreformen in den einzelnen EUMitgliedstaaten und eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit angestrebt werden. Allerdings birgt die Ankündigung einer Säule sozialer Rechte die Gefahr, dass es zu einer weiteren Regulierung im Bereich der europäischen Sozialpolitik kommt. Weitere Vorgaben und Regelungen in diesem Bereich sind abzulehnen, da bereits ein hohes Maß an Regulierung besteht und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen leiden würde. Der Kommissionsvorschlag zur Vergemeinschaftung der Einlagensicherungssysteme ist entschieden abzulehnen. Ziel muss es sein, dass Sicherungssysteme in der Euro-Zone gemäß der seit Juli 2015 geltenden EU-Richtlinie auf nationaler Ebene ohne Verzögerung ausgestaltet und vollständig mit Mitteln ausgestattet werden. Für die vorgeschlagene „Rückversicherung“ besteht keine ausreichende rechtliche Grundlage. Um Europa dauerhaft zu stabilisieren und zu stärken, hat die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. zehn Forderungen an die EU-Kommission formuliert. 2.2 Zehn Forderungen der vbw für die Zukunft Europas 1. Europa stärken – durch einen stabilen Euro und solide Haushaltspolitik Spar- und Reformmaßnahmen innerhalb der Euro-Zone sind die Voraussetzung für finanzielle Hilfen durch die Gemeinschaft. Es gibt keine Alternative dazu, den Stabilitäts- und Wachstumspakt rigoros anzuwenden. Für die vbw ist es wichtig, dass bei Überschuldung eines EU-Mitgliedstaates die privaten Gläubiger haften. 2. Europa stärken – durch einen attraktiven ordnungspolitischen Rahmen Die Soziale Marktwirtschaft ist die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg in Bayern und Deutschland. Sie verbindet Markteffizienz mit sozialpolitischer Flankierung. Die Grundprinzipien dieses Wirtschaftsmodells können in Europa für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand sorgen, wenn sie konsequent angewandt werden. 3. Europa stärken – durch Angleichung der Wettbewerbsbedingungen Die europaweite Harmonisierung von Regulierungen fördert den Handel über Grenzen. Durch die Angleichung werden Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Unternehmen vermieden und deren Verwaltungsaufwand verringert. 4. Europa stärken – durch den Wachstumsmotor Industrie Die Industrie sorgt für Wachstum und Beschäftigung auch in anderen Branchen. Deshalb ist das Ziel der EU-Kommission, den industriellen Wertschöpfungsanteil von heute 15 auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erhöhen, zu begrüßen. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 5. Europäisches Stabilitätsprogramm umsetzen 5 Europa stärken – durch Digitalisierung Die Digitalisierung durchdringt alle Technologie-, Lebens- und Arbeitsbereiche. Deshalb ist es richtig, dass sich die EU eine ehrgeizige Digitale Agenda gesetzt hat, Anreize schafft für mehr Investitionen in Informations- und Kommunikationsnetze und einheitliche EU-Standards zur Digitalen Sicherheit durchsetzen will. 6. Europa stärken – durch die Vollendung des (Energie-) Binnenmarkts Der europäische Binnenmarkt hat zu Wachstum und Beschäftigung in Europa geführt. Bayern und Deutschland profitieren als Exportwirtschaften besonders vom grenzenlosen Handel. Bestehende Schranken müssen weiter abgebaut werden, damit die derzeit wirtschaftlich schwachen EU-Mitgliedstaaten Chancen erhalten zu prosperieren. Vordringlich ist dabei der Energiebinnenmarkt. 7. Europa stärken – durch ein europäisches Verkehrswegenetz Bayerns Wirtschaft ist eng mit den Weltmärkten vernetzt und auf eine moderne und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur angewiesen. Anzustreben ist ein EUweites intermodales Gesamtverkehrssystem, in dem sich alle Verkehrsträger – Straße, Schiene, Schifffahrt und Luftverkehr – gegenseitig ergänzen. 8. Europa stärken – durch einen europäischen Arbeitsmarkt Von einem integrierten europäischen Arbeitsmarkt profitieren alle Beteiligten, denn Fachkräftemangel einerseits und hohe (Jugend-)Arbeitslosigkeit andererseits erfordern grenzüberschreitende Lösungen zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen und die Kenntnis der Sprache des Gastlands. Keinen Mehrwert bringt dagegen eine europäische Arbeitslosenversicherung. Sie würde einen dauerhaften finanziellen Transfermechanismus etablieren und Kosten steigern. 9. Europa stärken – durch Transatlantic Trade and Investment Partnership Eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA Europa kann dauerhaft positive Wirtschaftsimpulse setzen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) würden von dem Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse profitieren, die in den Betrieben hohe Kosten verursachen. 10. Europa stärken – durch Subsidiarität und Bürokratieabbau Eine europäische Rechtsetzung ist aus Sicht der bayerischen Wirtschaft nur dort sinnvoll, wo der Binnenmarkt ohne einheitliche Regelungen für die Unternehmen nicht funktioniert oder unterschiedliche nationale Regelungen zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Außerdem ist der Abbau von Bürokratie eine permanente Aufgabe, ebenso das Ziel, Bürokratie bereits in der Entstehung zu verhindern. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 7 3 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Vorhaben der EU-Kommission und ihre Bedeutung für die bayerische Wirtschaft Der Europäische Binnenmarkt ist die Basis für unseren wirtschaftlichen Erfolg. Jedoch gehen politische, wirtschaftliche, soziale und auch technologische Veränderungen nicht spurlos an ihm vorbei und er muss daran angepasst werden. Die Vollendung des EUBinnenmarktes ist deshalb eine europäische Daueraufgabe. 3.1 KMU – Kleine und mittlere Unternehmen Die Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) ist das Herzstück der deutschen sowie auch der europäischen Wirtschaft und damit deren Erfolgsgarant. 3.1.1 KMU-Politik der Europäischen Union Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, KMU als zentrale Säule der Wirtschaft und damit auch ihre Funktion bei der Sicherung von Beschäftigung und Wohlstand zu stärken. 3.1.1.1 Vorhaben Die EU-Kommission will die Entwicklungspotenziale von KMU besser ausschöpfen. Wichtige Handlungsfelder sind der Bürokratieabbau sowie ein verbesserter Zugang zu Kreditmärkten. Auch der Zugang der Unternehmen zum europäischen Binnenmarkt soll erleichtert werden. Folgende Maßnahmen sind besonders KMU-relevant: - Investitionsoffensive für Europa: ca. ein Drittel des geplanten Volumens von 240 Milliarden Euro soll KMU zugutekommen (z. B. durch Verbesserung des Zugangs zu Risikokapital). - Digitalisierung: Die Kommission will den vernetzten europäischen Binnenmarkt vollenden, wozu bei KMU Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung sowie ITSicherheit und ein flächendeckender Breitbandausbau besteht. - TTIP: Gerade KMU würden profitieren, weil bürokratische Lasten bei Zoll- und Zulassungsverfahren erheblich reduziert würden. 3.1.1.2 Stand der Umsetzung Die Umsetzung der geplanten Maßnahmenbündel läuft. 8 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 3.1.1.3 Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Bewertung und Forderungen der vbw Die Implementierung der KMU-Politik in viele Maßnahmenfelder ist zu begrüßen. Damit profitieren KMU stärker als bei einem singulär ausgerichteten KMU-Programm. Wertschöpfungsnetzwerke aus großen Unternehmen und KMU können unterstützt werden. 3.1.2 Kohäsionspolitik 3.1.2.1 Vorhaben Die „Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von KMU“ ist eines der elf Ziele der Kohäsionspolitik in der Förderperiode 2014 – 2020. Mit dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) werden 57 Milliarden Euro zur Förderung von KMU verwandt. 3.1.2.2 Stand der Umsetzung Das Programm mit der Festlegung der Förderschwerpunkte für den EFRE in Bayern ist Ende 2014 genehmigt worden. Zu den operationellen Förderangeboten gehören: - der Technologietransfer „Hochschule / Forschungseinrichtung – KMU“, - innovative Finanzinstrumente, - die einzelbetriebliche Investitionsförderung für KMU, - die Förderung barrierefreier öffentlicher Tourismusinfrastrukturen, - Dienstleistungseinrichtungen für Unternehmen oder - die Internationalisierungsinitiative „Export Bavaria“. 3.1.2.3 Bewertung und Forderungen der vbw Die Stärkung von KMU ist gerade für die ländlichen und strukturschwachen Regionen von zentraler Bedeutung. Die von der EU-Kommission gewählte Schwerpunktsetzung wie auch die operative Umsetzung in Bayern sind richtig. Abzuwarten bleibt, inwieweit KMU tatsächlich profitieren. Zu prüfen ist, ob bürokratischer Aufwand oder mangelnde Transparenz einer breiten Nutzung der Förderprogramme im Wege stehen. 3.2 Unternehmen und Staat Die europäische Schuldenkrise und die daraus entstehenden Folgen haben deutlich gemacht, dass die Finanzmarktregulierung intelligent weiterentwickelt werden muss. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 3.2.1 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 9 Europäische Kapitalmarktunion und weitere Finanzmarktregulierung 3.2.1.1 Vorhaben Die EU-Kommission will mit einer Kapitalmarktunion Investitionen in der EU fördern. Zum Aktionsplan gehören Projekte zur Förderung der Wachstumsfinanzierung ebenso wie zur Erleichterung des generellen Zugangs zu den Kapitalmärkten. Die Banken bei der Finanzierung stehen genauso im Fokus wie grenzüberschreitende Investitionen. Zudem werden weitere Schritte zur Finanzmarktregulierung vorangetrieben. Wichtige Stichworte dazu sind Verbriefungsgeschehen und Absicherungsgeschäfte, die Revision der Eigenkapitalhinterlegung nach Basel III speziell für Mittelstandskredite, die Weiterentwicklung der Finanzmarktrichtlinie und die Regulierung von Schattenbanken. 3.2.1.2 Stand der Umsetzung Erste Vorschläge wurden vorgelegt, das Gesamtpaket soll bis 2019 umgesetzt werden. 3.2.1.3 Bewertung und Forderungen der vbw Die Kapitalmarktunion ist auf dem Rückweg zu wirtschaftlicher Normalität in der EU ein richtiger Schritt. Die EU-Kapitalmärkte müssen so entwickelt werden, dass sie parallel zur Bankenfinanzierung einen Beitrag zur Unternehmens- und Wachstumsfinanzierung leisten. Als Zukunftsimpulse besonders wichtig sind die Vorhaben zur Finanzierung langfristiger Infrastrukturen, zu Wachstumsfinanzierung und zum Verbriefungsmarkt. Die Vorhaben zur Finanzmarktregulierung müssen so abgeschlossen werden, dass der Finanzmarkt zuverlässig und dauerhaft den Bedarf der Unternehmen decken kann und dass sie mit möglichst geringem bürokratischem Aufwand umgesetzt werden können. Um Fehlentwicklungen vorzubeugen, müssen folgende Punkte beachtet werden: – Keine Risikoverschiebung zu Lasten Dritter: Weder die Kapitalmarkt- noch die Bankenunion darf Mechanismen entwickeln, die es auf nationaler Ebene erlauben, Risiken zu Lasten anderer Staaten einzugehen. Deshalb müssen unter anderem die Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen vorgeschrieben und ein Instrument zur Staateninsolvenz geschaffen werden. – Banken- und Kapitalmarktfinanzierung als ergänzende Möglichkeiten entwickeln: Zwischen Banken- und Kapitalmarktfinanzierung gibt es ein Komplementärverhältnis und keine Konkurrenz. Bei der für 2016 geplanten Revision der Eigenkapitalvorschriften zu Basel III dürfen Anforderungen für Mittelstandskredite nicht zunehmen. – Hochwertige Verbriefungen regulatorisch entlasten: Verbriefungen erweitern die Finanzierungsbasis der Unternehmen. Für KMU, die sich nicht direkt am Kapitalmarkt finanzieren können, sind Verbriefungen eine Er- 10 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 gänzung zum klassischen Bankkredit. Aktuell wird dieser Finanzierungsweg durch hohe regulatorische Hürden blockiert. Diese Hürden müssen risikogerecht abgebaut werden. Bisherige Vorschläge der EU-Kommission dazu sind deutlich zu defensiv. – Schattenbanken mit Augenmaß regulieren: Auch Finanzintermediäre außerhalb des Bankensektors haben wichtige Funktionen für Finanzierung und Liquiditätssteuerung von Unternehmen. Diese Funktion muss gewährleistet bleiben. Der Fokus der Schattenbankregulierung muss bei Aktivitäten liegen, die eine systemische Bedrohung für den Finanzstabilität darstellen. Konzerninterne Finanzgeschäfte ohne Bankbezug sollten nicht unter die Regulierung fallen. – Absicherungsderivate nicht erschweren: Absicherungsgeschäfte über Derivate sind keine Bedrohung für die Finanzstabilität. Für die deutsche Industrie, die sehr stark in die internationale Arbeitsteilung eingebunden ist, sind Derivate unverzichtbar. Jede Regulierung, die die Effektivität des Hedging einschränkt, erhöht zugleich die Risiken für Wirtschaft und Finanzmärkte. – MiFID-Regeln praxisgerecht novellieren: Eine unverhältnismäßige Regulierung über die neue Finanzmarktrichtlinie MiFID II würde die europäischen Energie- und Rohstoffmärkte für Unternehmen und damit letztlich den Verbraucher schädigen. Notwendig eine Nebentätigkeitsausnahme für Rohstoffhändler und eine privilegierte Behandlung von Emissionszertifikaten. 3.2.2 Europäische Steuerpolitik 3.2.2.1 Vorhaben Im Steuerbereich sollte die EU den Prinzipien der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen und nur dann tätig werden, wenn sonst keine Lösung möglich ist. Der Mitte Juni 2015 vorgelegte Aktionsplan der EU-Kommission für eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung ist vor diesem Hintergrund zu sehen und schlägt u. a. vor: – Neuauflage der Gemeinsamen Konsolidierten KörperschaftssteuerBemessungsgrundlage (GKKB): Ziel ist kein einfacheres Körperschaftsteuerregime in der EU, sondern die Abwehr steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten in international ausgerichteten Konzernen. Dementsprechend wird die Konsolidierung derzeit nicht verfolgt. Dennoch soll die Anwendung für die Unternehmen verpflichtend sein. – Sicherstellung einer fairen Besteuerung am Ort der Gewinnentstehung: Durch z. B. eine Neudefinition der Betriebsstätte, die Umsetzung der OECD-Empfehlungen zu Verrechnungspreisen oder Änderungen bei der Hinzurechnungsbesteuerung. – Schaffung eines besseren Umfelds für Unternehmen: Stabilität und Rechtssicherheit im Steuersystem sowie Abbau steuerlicher Hindernisse im Binnenmarkt. – Verbesserung der Transparenz: gemeinsames Vorgehen gegenüber Staaten, die Steuertransparenz ablehnen, und die Auseinandersetzung mit länderbezogenen Offenlegungspflichten der Unternehmen bzgl. ihrer Steuerbeiträge. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 11 – Verbesserung der Zusammenarbeit in der EU: Stärkung der bestehenden Plattform für verantwortungsvolles Handeln im Steuerwesen sowie eine Reform der Gruppe „Verhaltenskodex“, die gegen schädlichen Steuerwettbewerb in der EU vorgeht. Auf dem Feld der Mehrwertsteuer verfolgt die EU-Kommission drei zentrale Projekte: – Schaffung eines Mehrwertsteuersystems im innergemeinschaftlichen Handel: Im Rahmen des Bestimmungslandprinzips ein One-Stop-Shop für grenzüberschreitende Mehrwertsteuerfragen, die Umkehr der Steuerschuldnerschaft (Reversecharge) und Vereinfachungen des Regelungssystems (Konsignationslager, Reihengeschäft und Nachweis innergemeinschaftlicher Warenbewegungen). – Überprüfung der Regelungen zur Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand: Das Projekt ist Teil einer Kommissionsinitiative für ein einfacheres, effizienteres und robusteres Mehrwertsteuersystem. Diskutiert werden Reformoptionen mit unterschiedlicher Reichweite. Alle Optionen halten an dem bestehenden Verbot einer Privilegierung der öffentlichen Hand bei im Wettbewerb erbrachten Leistungen fest. – Anpassung der Mehrwertsteuerregeln an den digitalen Binnenmarkt in Europa: In diesem Zusammenhang sollen für einen besseren Zugang zu den digitalen Märkten - das elektronische Registrierungs- und Zahlungsverfahren für Nichtunternehmer auf grenzüberschreitende Online-Verkäufe ausgeweitet, - das Versandhandelsverfahren EU-weit vereinfacht, - einheitliche Prüfungen grenzüberschreitender Geschäfte ermöglicht und - die wettbewerbsverzerrende Einfuhrumsatzsteuerbefreiung für Kleinsendungen aus Drittländern an EU-Verbraucher beseitigt werden. Eine Finanztransaktionsteuer wäre über verstärkte Zusammenarbeit weiterhin möglich. 3.2.2.2 Stand der Umsetzung Der Aktionsplan für eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung besteht aus mehreren Teilprojekten. Bereits vorgelegt wurden Vorschläge zur Steuertransparenz, insbesondere zum Austausch sogenannter „Rulings“, also nationaler Vorbescheide, die in einigen Mitgliedstaaten mit steuerlichen Zugeständnissen verbunden werden. Die Reform der Umsatzbesteuerung im Sinne der Kommissionsvorstellungen stößt insbesondere aus Deutschland und Österreich auf Widerstand. Zur Anpassung der Mehrwertsteuerregeln an den digitalen Binnenmarkt ist ein konkreter Vorschlag für das Jahr 2016 angekündigt. Zur Finanztransaktionsteuer ist ein konsensfähiger Entwurf nicht absehbar. 12 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 3.2.2.3 Bewertung und Forderungen der vbw Die gemeinsame körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage vereinfacht das Steuerrecht, wenn die Steuerbilanzen über Grenzen hinweg konsolidiert werden. Gelingt das nicht, müssten ein grenzüberschreitender Verlustausgleich und bessere Streitbeilegungsmechanismen in Steuersachen angeboten werden. Das mit der Besteuerung am Ort der Wertschöpfung verbundene Maßnahmenbündel ist primär von der Absicht der Missbrauchsbekämpfung geprägt. Aus Sicht der Wirtschaft geht es hier vor allem darum, Doppelbesteuerung zu vermeiden und Verwaltungsaufwand zu begrenzen. Die geplante Kooperation der Länderverwaltungen muss Doppelbesteuerung vermeiden. Insgesamt muss die europäische Initiative sehr eng mit den Arbeiten auf OECD / G20 Ebene abgestimmt werden und darf nicht über die dortigen Beschlüsse hinausgehen. Mit der weiteren Harmonisierung des Mehrwertsteuersystems ist die EU-Kommission auf dem richtigen Weg. Sie darf sich dabei aber nicht von nationalen Sonderinteressen beeinträchtigen lassen. Das gilt besonders für die Abwehr staatlicher und kommunaler Interessen, sich im Wettbewerb mit privaten Unternehmen angebotenen Leistungen Mehrwertsteuervorteile zu sichern. Die Mehrwertsteuersystem-Richtlinie verbietet das. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wäre kontraproduktiv. Die Steuer würde die private und betriebliche Altersvorsorge sowie industrielle Absicherungsgeschäfte stark belasten, in den betroffenen Ländern zu einem massiven Kapitalabfluss führen und die Finanzmarktstabilität spürbar beeinträchtigen. 3.3 Unternehmen und Mitarbeiter Der Europäische Binnenmarkt erfordert, Arbeitsrecht, Sozialgesetzgebung und Fragen der Aus- und Weiterbildung in den EU-Mitgliedstaaten möglichst weit zu koordinieren. 3.3.1 Arbeitskräftemobilität 3.3.1.1 Vorhaben Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil des gemeinsamen Binnenmarktes. Arbeitsmarktungleichgewichte innerhalb der europäischen Union können ausgeglichen werden, zudem leistet sie einen Beitrag zum Wissens- und Innovationstransfer. Bislang wird das Potenzial der Mobilität von Arbeitskräften innerhalb der EU allerdings nur unzureichend ausgeschöpft. Die EU-Kommission hat daher ein Paket zur Arbeitskräftemobilität angekündigt. Das Paket soll folgende Schwerpunkte umfassen: Abbau bestehender Hürden und generelle Stärkung der Arbeitskräftemobilität, vor allem in Regionen mit Qualifikationsmissverhältnissen und offenen Arbeitsstellen. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 13 Stärkung der nationalen Kapazitäten, um Sozialdumping, Betrug und Missbrauch im Hinblick auf Entsendungen und den Zugang zu Sozialleistungen zu verhindern. In diesem Kontext könnte eventuell eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie folgen. 3.3.1.2 Stand der Umsetzung Das Mobilitätspaket war für Dezember 2015 angekündigt, wurde aber verschoben. 3.3.1.3 Bewertung und Forderungen der vbw Wir begrüßen das Vorhaben der EU-Kommission, die Arbeitskräftemobilität zu stärken. Dazu müssen Hemmnisse, die bei der Anerkennung von Berufsabschlüsse bestehen, abgebaut werden. Zudem ist der Aufbau von Sprachkompetenzen zu fördern. Eine mögliche Überarbeitung der Entsenderichtlinie darf aber nicht zu weiterer Regulierung unternehmerischer Tätigkeit führen. Kritische Entsendefälle kommen nicht aufgrund der Rechtslage, sondern aufgrund der teilweise unzureichenden Rechtsdurchsetzung zustande. Mit der Verabschiedung der Richtlinie 2014/67/EU, die bis zum Juni 2016 in nationales Recht umgesetzt werden muss, hat die EU hier bereits Abhilfe geschaffen. 3.3.2 Arbeitsschutz 3.3.2.1 Vorhaben Die EU-Kommission will einen Vorschlag für eine umfassende Richtlinie über MuskelSkelett-Erkrankungen (MSE) vorlegen. Die bestehenden Richtlinien mit Bezug zu MSE (Vibrationen, Lastenhandhabung, Bildschirmarbeit) sollen geprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden. Das gleiche gilt für den Rechtsrahmens zu psychosozialen Risiken. Die EU-Kommission will auch einen Vorschlag zur Verbesserung der Gesundheits- und Sicherheitslage von Arbeitnehmern in prekären Beschäftigungsverhältnissen vorlegen. 3.3.2.2 Stand der Umsetzung Im Oktober 2015 hat der Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) Schlussfolgerungen zum Strategierahmen für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2014-2020 angenommen. Im Jahr 2016 sollen Legislativmaßnahmen in den EU-Rahmen für Gesundheit und Sicherheit aufgenommen werden. 3.3.2.3 Bewertung und Forderungen der vbw Das auf EU-Ebene bestehende Schutzniveau im Arbeits-und Gesundheitsschutz mit beinahe 30 Richtlinien ist ausreichend. Weitere Regulierungen, die für Unternehmen 14 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Mehrbelastungen bedeuten, lehnen wir ab. Auch für neue Beschäftigungsformen gelten arbeitsschutzrechtliche Anforderungen wie für andere Beschäftigungsverhältnisse. 3.3.3 3.3.3.1 Arbeitszeitrichtlinie Vorhaben Eine Überarbeitung der EU-Arbeitszeitrichtlinie ist aufgrund von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur Arbeitszeitrichtlinie notwendig geworden, insbesondere die Urteile „Simap“ (2000) und „Jaeger“ (2003), nach denen Bereitschaftszeiten in voller Höhe als Arbeitszeiten gelten. Auch in anderen Punkten werden die über zwanzig Jahre alten Regelungen der Richtlinie der modernen Arbeitswelt nicht mehr gerecht. 3.3.3.2 Stand der Umsetzung Die Gestaltung der Arbeitszeit hat sich seit der Arbeitszeitrichtlinie von 1993 geändert. Deshalb hat die EU-Kommission 2010 die Sozialpartneranhörung zur Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie eingeleitet. Die Sozialpartnerverhandlungen sind Ende 2012 an der kompromisslosen Haltung des Europäischen Gewerkschaftsbundes gescheitert. Jetzt liegt es an der EU-Kommission, einen Vorschlag zur Revision der Richtlinie zu unterbreiten. Anfang 2015 hat sie hierzu eine öffentliche Konsultation durchgeführt. 3.3.3.3 Bewertung und Forderungen der vbw Die vbw tritt für eine Revision der EU-Arbeitszeitrichtlinie mit folgenden Punkten ein: – Eine Verpflichtung, jedem Arbeitnehmer individuelle Arbeitszeit- und -platzmodelle anzubieten, ist abzulehnen. Auch eine Verpflichtung, die Ablehnung eines solchen Antrags zu begründen, würde bürokratischen Mehraufwand und Kosten bedeuten. – Bereitschaftsdienst darf nicht pauschal als Arbeitszeit gewertet, sondern muss differenziert betrachtet werden. Zur Wahrung des Gesundheitsschutzes ist es unnötig, inaktive Zeiten komplett auf die Arbeitszeit anzurechnen, denn Bereitschaftszeiten führen zu ganz unterschiedlicher Inanspruchnahme. Bei Werkfeuerwehren ist z. B. die Inanspruchnahme auf Notfälle beschränkt. Dabei muss den Sozialpartnern ein Spielraum für branchen- bzw. betriebsspezifische Regelungen eingeräumt werden. – Erforderlich ist auch eine Änderung des Bezugszeitraums nach Art. 16 b) der Richtlinie für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit gem. Art. 6 der Richtlinie von vier auf zwölf Monate. Im Falle von Tarifverträgen muss auch eine weitere Ausdehnung des Bezugszeitraums über zwölf Monate hinaus möglich sein. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 15 – Verkürzungen oder Unterbrechungen der elfstündigen Ruhezeit nach Art. 3 der Richtlinie müssen auch durch Individualvereinbarungen möglich sein. Wird diese Ruhezeit nicht innerhalb von 24 Stunden gewährt, muss eine Ausgleichsruhezeit flexibel innerhalb von mindestens vier Tagen möglich sein. Zudem dürfen nur gelegentliche Tätigkeiten mit geringer Beanspruchung des Arbeitnehmers, die keine Anwesenheit an einem bestimmten (Arbeits-)Ort erfordern, keine Unterbrechung der elfstündigen Ruhezeit darstellen (z. B. einzelne, kurze Telefonate / E-Mails). – Die sog. „Non-Regression-Clause“, die verhindert, dass über die Richtlinie hinausgehendes nationales Recht auf das Niveau der Richtlinie angepasst wird, muss gestrichen werden, um flexiblere Regelungen auf nationaler Ebene zu ermöglichen. – Zum Urlaubsanspruch (Art. 8 der Richtlinie) muss klargestellt werden, dass dieser der Erholung von den Belastungen durch Arbeit dient und daher auch bei lang andauernder Krankheit an das Kalenderjahr gebunden ist. Für das Urlaubsentgelt ist die Ausgestaltung den Mitgliedstaaten zu überlassen. Aus der Richtlinie folgt nicht, dass Überstundenzuschläge beim Urlaubsentgelt berücksichtigt werden müssen. – Die in der jetzigen Fassung der Richtlinie enthaltenen Flexibilisierungsspielräume müssen erhalten bleiben, insbesondere die Möglichkeit, durch ein Opt-Out von einer EU-einheitlichen festgelegten wöchentlichen Höchstarbeitszeitgrenze abzuweichen. – Die flexibleren Regelungen der „Richtlinie zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben“ (2002/15/EG), müssen erhalten bleiben. 3.3.4 Europäische Ausbildungsallianz 3.3.4.1 Vorhaben Die Allianz wurde im Juli 2013 durch eine gemeinsame Erklärung der Europäischen Sozialpartner, der Europäischen Kommission und der EU Ratspräsidentschaft ins Leben gerufen. Sie ist eingebettet in das Arbeitsprogramm „Allgemeine und berufliche Bildung 2020“. Sie soll ein Beitrag zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sein. 3.3.4.2 Stand der Umsetzung Der Erfolg der Europäischen Ausbildungsallianz ist gekoppelt an die Umsetzung von individuellen nationalen Verpflichtungen und der Verpflichtungen der Allianzpartner. Um die Standards in der beruflichen Bildung zu verbessern, werden Spezialisten im Bereich der beruflichen Bildung, der Industrie und der Regierung zusammengebracht. 16 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 3.3.4.3 Bewertung und Forderungen der vbw Die vbw befürwortet die Europäische Ausbildungsallianz. In Staaten wie Griechenland und Spanien liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei knapp unter 50 Prozent, europaweit sind rund 22 Prozent der unter 25-jährigen ohne Arbeit. Deutschland weist mit einer Quote von sieben Prozent (Bayern unter drei Prozent) EU-weit den niedrigsten Stand auf, was auch an der dualen Ausbildung liegt. Die bayerischen Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie bayme vbm setzen sich seit Jahren verstärkt für eine höhere Mobilität der jungen Menschen ein und unterstützen Unternehmen bei der Umsetzung von Internationalisierungsprozessen. Alle Institutionen rund um die berufliche Bildung in Bayern sind bemüht, das duale Prinzip innerhalb Europas weiterzugeben. 3.3.5 Betriebliche Altersversorgung 3.3.5.1 Vorhaben Im März 2014 hat die EU-Kommission zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge (bAV).eine Revision der „Richtlinie über die Tätigkeiten und Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge“ (sog. Pensionsfondsrichtlinie) vorgestellt. 3.3.5.2 Stand der Umsetzung Die Einigung der EU-Mitgliedstaaten (allgemeine Ausrichtung) auf einen Kompromiss für die neue Pensionsfondsrichtlinie folgte im Dezember 2014. Für die Beratungen im Parlament ist der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) federführend, begleitet wird das Vorhaben vom Ausschuss für Beschäftigung und Soziales (EMPL). Dieser hat im Juni 2015 eine Stellungnahme vorgelegt. Seitens des ECON-Ausschusses liegt ein Berichtsentwurf vor, die Abstimmung darüber ist für Ende Januar 2016 terminiert. 3.3.5.3 Bewertung und Forderungen der vbw Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission steht der Zielsetzung, die betriebliche Altersvorsorge weiter zu verbreiten entgegen, da er zu zusätzlicher Bürokratie und Mehrkosten führen würde. Zwar sieht er keine quantitativen Eigenmittelvorgaben nach Solvency II für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge (EbAV) vor, jedoch hält es sich die Kommission offen, durch delegierte Rechtsakte Eigenmittelvorgaben nach Solvency II einzuführen. Kritisch sind die Anforderungen an das Risikomanagement sowie die Informationsverpflichtungen der EbAV zu sehen, da ein zusätzlicher Aufwand für die EbAV entsteht, der für Arbeitgeber und Arbeitnehmer keinen Mehrwert hätte. Der Kompromissvorschlag der Mitgliedstaaten stellt eine deutliche Verbesserung zum Kommissionsvorschlag dar. Die bürokratischen Mehrbelastungen im Hinblick auf das Risikomanagement und die Informationsverpflichtungen würden reduziert. Außerdem schließt der Kompromiss die Einführung erhöhter Eigenmittelvorgaben für EbAV aus. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 17 Auch die Stellungnahme aus dem EMPL-Ausschuss und der Berichtsentwurf aus dem ECON-Ausschuss folgen im Tenor dem Kompromissvorschlag. Im weiteren Verfahren darf dieser Kompromiss nicht verschlechtert werden. Insbesondere dürfen die EbAV durch verschärfte Eigenmittelvorgaben nicht belastet werden. Die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA verfolgt weiter das Ziel, Solvency II auch auf EbAV anzuwenden. 3.4 Unternehmen und Verbraucher Europäische Verbraucherschutzregelungen zum haben direkte Auswirkungen auf alle Unternehmen in der EU und erfordern deshalb eine praxisbezogene Betrachtung. 3.4.1 Europäisches Vertragsrecht 3.4.1.1 Vorhaben Auf europäischer Ebene wird schon lange über die Einführung eines Europäischen Vertragsrechts diskutiert. Ziel ist die Verbesserung des Binnenmarktes durch Regeln für grenzüberschreitende Kaufverträge und die Stärkung des Verbraucherschutzes. 3.4.1.2 Stand der Umsetzung Die EU- Kommission hat im Oktober 2011 einen Vorschlag für eine Verordnung über ein optionales Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (GEK) vorgelegt. Im Februar 2014 hat das EU-Parlament den Verordnungsvorschlag mit Änderungen angenommen. Die EU-Kommission will den Vorschlag nun anpassen, um den elektronischen Handel im digitalen Binnenmarkt zu fördern. Eine Multistakeholder-Arbeitsgruppe soll nun Lösungen für rechtliche und vertragliche Hindernisse im digitalen Bereich ausarbeiten. 3.4.1.3 Bewertung und Forderungen der vbw Die vbw unterstützt das Bestreben der EU-Kommission, den grenzüberschreitenden Handel und damit den Binnenmarkt zu fördern. Neue Regelungen müssen aber so ausgestaltet sein, dass kein überzogenes Verbraucherschutzniveau implementiert wird und Unternehmen nicht unangemessen belastet werden. Reine Geschäfte zwischen Unternehmern müssen von der GEK-Initiative ausgenommen werden. 18 3.4.2 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäischer Datenschutz 3.4.2.1 Vorhaben Es soll ein EU-weit geltendes Regelwerk für den Datenschutz geschaffen werden, um durch klare Regeln und Transparenz Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu erreichen. Darüber hinaus will die EU-Kommission ein neues Safe Harbor-Abkommen zwischen der EU und den USA verhandeln, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) das jetzige Safe Harbor-Abkommen am 06. Oktober 2015 für ungültig erklärt. Nach dem Urteil des EuGH sind nationale Datenschutzbehörden befugt und verpflichtet, jede Übermittlung personenbezogener Daten in die USA zu prüfen. 3.4.2.2 Stand der Umsetzung Die EU-Institutionen haben sich auf eine Datenschutzreform verständigt. Dadurch wird die bereits seit 1995 geltende EU-Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 95/46/EG) ersetzt. Die Reform besteht aus der Datenschutzgrundverordnung und einer Richtlinie für den Datenschutz bei Polizei und Strafjustiz. Die Neuregelungen sollen ab 2018 gelten. Zum Thema Safe Harbor will die EU-Kommission ein tragfähiges Abkommen mit den USA über die Weitergabe personenbezogener Daten abschließen, das die erforderlichen Garantien vorsieht, einschließlich des Rechts natürlicher Personen auf gerichtliche Überprüfung. Im Lichte der jüngsten Rechtsprechung will die EU-Kommission auf einen neuen Rahmen hinarbeiten, der einen angemessenen Schutz der von Unternehmen in den Vereinigten Staaten gespeicherten personenbezogenen Daten gewährleistet, ohne die Datenübertragung unverhältnismäßig zu beschränken. 3.4.2.3 Bewertung und Forderungen der vbw Die vbw begrüßt die Einigung, da ein einheitliches europäisches Datenschutzniveau Wettbewerbsverzerrungen vermeidet und den Verwaltungsaufwand für die Betriebe verringet. Unternehmen benötigen Rechtssicherheit und Flexibilität, weshalb praxisgerechte Lösungen durch Betriebsvereinbarungen oder durch Einwilligung von Mitarbeitern in die Datenverarbeitung erhalten bleiben müssen. Dies ist gewährleistet. Zudem sollen durch geringere Kosten und weniger Verwaltungsaufwand, insbesondere für KMU, Impulse für das Wirtschaftswachstum ausgehen. Dazu wird auch die Aufhebung der Meldepflicht beitragen. Mitteilungen an die Aufsichtsbehörden sind eine Formalität, die nach Angaben der Kommission bei den Unternehmen jedes Jahr mit 130 Millionen Euro zu Buche schlägt. Die Reform des Datenschutzrechts ist aber nicht nur positiv zu sehen, da einige länderspezifische Ausnahmen erhalten bleiben und mit der notwendigen Anpassung an die neue Rechtslage Kosten auf die Unternehmen zukommen. Davon unabhängig begrüßt die vbw die Verhandlungen der EU-Kommission für ein neues Safe Harbor-Abkommen mit den USA. Denn die Unternehmen brauchen eine rechtssichere und verlässliche Rechtsgrundlage für den Datentransfer in die USA. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 3.4.3 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 19 Tabakproduktrichtlinie 3.4.3.1 Vorhaben Aufgrund der Neufassung der EU-Tabakproduktrichtlinie müssen ab Mai 2016 Bildwarnhinweise auf 65 Prozent der Packungsvorder- und -rückseite gegeben werden. 3.4.3.2 Stand der Umsetzung Die Richtlinie muss bis zum 20. Mai 2016 – mit Ausnahme von Übergangsvorschriften beispielsweise für Mentholzigaretten und Nachverfolgungssysteme für Tabakprodukte – in den Mitgliedstaaten umgesetzt sein. Das Nachverfolgungssystem inklusive eines Sicherheitsmerkmals auf allen Verpackungen für Tabakprodukte muss für Zigaretten und Feinschnitttabak bis zum Jahr 2019 eingerichtet sein. Gegenwärtig diskutiert die Kommission mit den Mitgliedstaaten über den anzuwendenden technischen Standard. Großbritannien und Irland haben sich entschieden, unter Bezugnahme auf die Umsetzung der Tabakproduktrichtlinie weitergehende Maßnahmen zu treffen und jegliche Verwendung von Bild- und farbigen Wortmarken auf der Packung zu verbieten. Diese sogenannten Einheitsverpackungen (Plain Packaging), auf die der Markenname nur noch in standardisierter Einheitsschrift auf einheitlich gefärbten Hintergrund aufgebracht werden darf, haben beide Länder bei der EU-Kommission im Rahmen der Technical Standards Directive RL 98/34/EC notifiziert. Ein Drittel aller Mitgliedstaaten haben daraufhin in begründeten Stellungnahmen Bedenken zur Vereinbarkeit von Einheitspackungen mit dem freien Warenverkehr in der Europäischen Union angemeldet. Frankreich, Schweden, Finnland und Ungarn, diskutieren die Einführung kontrovers. 3.4.3.3 Bewertung und Forderungen der vbw Die Einführung von Einheitsverpackungen ist mit dem freien Warenverkehr in Europa nicht zu vereinbaren. Die EU-Kommission sollte das Funktionieren des Binnenmarktes fördern, indem sie in allen Mitgliedstaaten auf eine einheitliche Umsetzung der Tabakproduktrichtlinie mit Bildwarnhinweisen auf 65 Prozent der Packungsfläche besteht. 3.5 Unternehmen und Infrastruktur Unternehmen benötigen eine funktionierende und modern ausgebaute Infrastruktur. 20 3.5.1 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Ausbau der transeuropäischen Verkehrsnetze 3.5.1.1 Vorhaben Das europäische Gesamtverkehrsnetz basiert auf bereits bestehender Infrastruktur, die bis 2050 vervollständigt werden soll. Verkehrsnetze werden so miteinander verbunden und ausgebaut, dass neun zusammenhängende Verkehrsachsen mit einer Gesamtlänge von rund 15.000 km entstehen. Erfasst werden wichtige Wirtschaftszentren, Ballungsräume, Grenzübergänge zu Drittländern sowie über 100 See- und Binnenhäfen. 3.5.1.2 Stand der Umsetzung Für das transeuropäische Verkehrsnetz hat die EU-Kommission 2011 ein dreistufiges Prioritätensystem aus einem europäischen Gesamtnetz, einem Kernnetz und Verkehrskorridoren vorgeschlagen. Das Kernnetz soll bis 2030 vollendet sein. 3.5.1.3 Bewertung und Forderungen der vbw Transeuropäische Netze müssen die Verkehrswege von Nordwest nach Südost und von Südwest nach Nordost verbinden und so ein EU-weites intermodales Gesamtverkehrssystem bilden – also ein System, in dem sich die Verkehrsträger Straße, Schiene, Schifffahrt und Luftverkehr gegenseitig ergänzen. Die vbw unterstützt das Konzept des europäischen Kernnetzes. Mit der Beseitigung von Engpässen können Transportwege für den Güterverkehr verkürzt und Transportkosten gesenkt werden. Zusätzlich ist ein Südwest-Nordost-TEN-Korridor notwendig, der von Lyon über Zürich, München, Prag und Warschau bis ins Baltikum führt und den südbayerischen Raum besser anbindet. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 21 TEN-Korridore 3.6 Unternehmen und Technologie Digitalisierung und technischer Fortschritt erfordern europäische Rahmenbedingungen. 3.6.1 Digitalisierung 3.6.1.1 Vorhaben Eine der sieben Säulen der Strategie Europa 2020 ist die digitale Agenda der EU. So soll eine bessere Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) erreicht werden, um Innovation, Wirtschaftswachstum und Fortschritt zu fördern. Als Hindernisse identifiziert wurden die Fragmentierung der digitalen Märkte, mangelnde Interoperabilität, Zunahme der Cyberkriminalität, mangelndes Vertrauen, zu geringe Investitionen in Netze, unzureichende Innovation und mangelnde digitale Kompetenz. 22 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Die EU-Strategie für einen digitalen Binnenmarkt vom Mai 2015 beruht auf den Säulen „Besserer Zugang zu digitalen Waren und Dienstleistungen“, Rahmenbedingungen für digitale Netze und Dienstleistungen“ und „Digitale Wirtschaft als Wachstumsmotor“. Der Säule „Digitale Wirtschaft als Wachstumsmotor“ sind als Maßnahmen zugeordnet: – Digitalisierung der Industrie: Alle Industriebranchen sollten in der Lage sein, neue Technologien zu integrieren und den Übergang zu einer intelligenten Industrie zu vollziehen. – Normung und Interoperabilität: Unterstützung neuer Technologien sowie der Entwicklung von Normen und Förderung der Interoperabilität. Europa soll bei Normen in Bereichen wie Internet der Dinge, Cybersicherheit, Big Data und Cloud-Computing die Vorreiterrolle übernehmen. – Datenwirtschaft und Cloud-Computing: Die enormen Datenmengen im Bereich von „Big Data“ sind ein Katalysator für Wachstum, Innovation und Digitalisierung. Die EU-Kommission will Initiativen zum freien Datenfluss und zu einer europäischen Cloud auf den Weg bringen. – Elektronische Dienste und IT-Kompetenzen: IT-Kompetenzen sollen gefördert werden, um in der digitalen Gesellschaft von heute Arbeit zu finden und von elektronischen Behördendiensten profitieren zu können. Das EU-Parlament flankiert mit dem Initiativbericht „Towards a Digital Single Market Act“. Federführend ist der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO). 3.6.1.2 Stand der Umsetzung Die EU-Digitalisierungsstrategie ist mit einer Fülle von Projekten bis 2020 verbunden. 3.6.1.3 Bewertung und Forderungen der vbw Die digitale Agenda und die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt müssen mit Nachdruck weiter verfolgt werden. Der europäische Rechtsrahmen für Arbeit muss den Anforderungen der Digitalisierung gerecht werden, z. B. im Arbeitnehmerdatenschutz und bei der EU-Arbeitszeitrichtlinie. Nationale Initiativen und Plattformen mit Industrie 4.0 als Wertschöpfungsansatz müssen koordiniert und europäisiert werden. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 3.6.2 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 23 Horizon 2020 3.6.2.1 Vorhaben Anfang 2014 wurde das achte EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizon 2020“ gestartet. Es zielt darauf ab, EU-weit eine wissens- und innovationsgestützte Gesellschaft und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen sowie gleichzeitig zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Wesentliches Merkmal ist die Bündelung von Forschung und Innovation in einem EU-Programm, um Wachstum und Beschäftigung im Sinn der der Europa-2020-Strategie wirkungsvoll zu fördern: - die verstärkte Förderung von Schlüsseltechnologien, - eine Missionsorientierung, um Beiträge zur Lösung drängender gesellschaftlicher Herausforderungen zu liefern, - eine strukturierte Programmplanung, - vereinfachte Beteiligungsregeln und - die teilweise Umsetzung des Programms durch EU-externe Strukturen. 3.6.2.2 Stand der Umsetzung Erste Vorhaben und Bewilligungen sind erfolgt. 3.6.2.3 Bewertung und Forderungen der vbw Die Bewilligungsquote zu Horizon 2020 liegt derzeit bei knapp 14 Prozent, was einen Rückgang gegenüber dem 7. Forschungsrahmenprogramm bedeutet. Dies liegt zum einen an höheren Zeichnungsraten, aber auch an dem hohen administrativen Aufwand für Interessierte und der Komplexität der Antragsformalia. Projektkostenkalkulation und Abrechnungsverfahren führen zu erheblichen Planungsunsicherheiten. Die Einigung über die Verwertung von gemeinsam entstandenen Arbeitsergebnissen ist aufgrund der Default-Klausel bei geistiger Miteigentümerschaft in Forschungsverbundprojekten schwierig und benachteiligt die forschende Wirtschaft gegenüber der Wissenschaft. 3.7 Unternehmen und Umwelt Klimawandel, Energiewende und zunehmende Ressourcenknappheit führen auch auf europäischer Ebene zu Gesetzesvorhaben mit großer Bedeutung für die Unternehmen. 24 3.7.1 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Energieunion 3.7.1.1 Vorhaben Ihre energie- und klimapolitischen Maßnahmen hat die EU-Kommission Februar 2015 in einer Strategie zusammengefasst. Wesentliche Punkte sind die Vollendung des EUEnergiebinnenmarktes und neue Rahmenbedingungen für die vierte Handelsperiode im EU-Emissionshandelssystem ab 2021. Zur Vollendung des Energiebinnenmarktes betrachtet die EU-Kommission vor allem Investitionen in den Ausbau der grenzüberschreitenden Energieinfrastruktur. In Folge würde sich die Versorgungssicherheit verbessern und die Abhängigkeit von Energieeinfuhren verringern. Gleichzeitig würden die Netze für den grenzüberschreitenden Transport erneuerbarer Energien vorbereitet und der Energiebinnenmarkt gestärkt. Im Lichte der 21. UN-Klimakonferenz in Paris hat die EU ein Minderungsziel für Treibhausgase von minus 40 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 beschlossen. Dafür wird der jährliche CO2-Minderungsbeitrag des Emissionshandelssektors ab 2021 von 1,7 auf 2,2 Prozent erhöht. Das neue Klimaziel soll zu höheren Zertifikatspreisen führen, die sich wiederum auf den Strompreis auswirken dürften. Die EU-Kommission rechnet beim 40-Prozent-Ziel mit einem Zertifikatepreis von 40 Euro pro Tonne. Der Entwurf sieht zudem eine weiter sinkende Zahl kostenloser Zertifikate sowie eine Verschärfung von Benchmarks zur kostenlosen Zuteilung vor. 3.7.1.2 Stand der Umsetzung Obwohl bereits Fortschritte bei der Vollendung des EU-Binnenmarktes erzielt wurden, werden seitens der EU-Kommission nach wie vor die bestehende Marktkonzentration, die Fragmentierung und ein zu schwacher Wettbewerb im Energiesektor bemängelt. In der Folge seien Investitionen in die Energieinfrastruktur EU-weit nicht ausreichend. Im Oktober 2014 forderte der Rat alle EU-Mitgliedstaaten auf, bis 2020 die Stromleitungen so auszulegen, dass mindestens zehn Prozent des in Kraftwerken erzeugten Stroms grenzüberschreitend in Nachbarländer geleitet werden. Bis 2030 soll ein Verbundziel von 15 Prozent erreicht werden. Zentrale Maßnahme des Verbundziels ist die Liste der als „Vorhaben von gemeinsamen Interesse“ ausgewiesen Infrastrukturen. Dies sind 248 Projekte, größtenteils Stromübertragungs- und Gasfernleitungen. Für diese Vorhaben gelten beschleunigte Genehmigungsverfahren. In Deutschland gehören die Stromleitungsvorhaben SüdLink und Südost-Passage nach Bayern zu den Projekten. Die Energieunion will die EU-Kommission im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgestalten. Bei der Treibhausgasvermeidung hat Eurostat, das Statistikamt der EU, im Oktober 2015 und damit noch vor der internationalen Klimakonferenz in Paris, aktuelle Energie-, Verkehrs- und Umweltdaten für die EU und ihre Mitgliedstaaten veröffentlicht. Diese belegen, dass die Treibhausgasemissionen in der EU zwischen 1990 und 2012 um 17,9 Prozent gesunken sind. Damit wird die EU ihr Ziel erreichen, bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 20 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Deutschland Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 25 konnte seine Treibhausemissionen seit 1990 um 23,5 Prozent senken und würde aber sein eigenes Reduktionsziel von 40 Prozent bis 2020 verfehlen. Die Bundesregierung hat bereits Ende 2014 mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 und dem Nationalen Aktionsplan für Energieeffizienz die nationalen Rahmenbedingungen verschärft. 3.7.1.3 Bewertung und Forderungen der vbw Entscheidend für Wachstum und Beschäftigung ist eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Probleme nationaler Energiesysteme können auf europäischer Ebene durch die Verwirklichung des EU-Binnenmarktes effizienter gelöst werden. Auch Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien ist in einem europäischen System unter der verstärkten Ausnutzung gut geeigneter Standorte effizienter möglich. Das Stromnetz ist EU-weit so auszubauen, dass der sich im Strommarkt ergebende grenzüberschreitende Transportbedarf abgewickelt werden kann. Die Bundesregierung hat dazu die Weichen unter anderem für den zügigeren Ausbau der HochspannungsGleichstrom-Übertragungs-leitungen SüdLink und Südost-Passage gestellt. Die Maßnahmen zur vierten Handelsperiode des EU-Emissionshandelssystems werden seitens der Wirtschaft hingegen als kritisch eingestuft. Die EU-Kommission ordnet den Klimaschutz nach wie vor nicht in den globalen Rahmen ein, was in der Wirtschaft zu einer einseitigen Belastung der europäischen Unternehmen führt. Durch das Absenken der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten werden Unternehmen mehr Zertifikate zukaufen müssen als heute. Dies erhöht die Gefahr von Carbon Leakage. Zum Schutz davor müssen die Unternehmen weiter genügend kostenlose Zertifikate erhalten − auch um wachsen zu können. Wachstum ist nötig, um Klimaschutz zu finanzieren. Die Reduzierung der kostenlosen Zuteilung ist zudem unnötig, da Emission bereits durch die Minderungsvorgabe der insgesamt handelbaren Zertifikate gesenkt werden − unabhängig davon, ob die Zertifikate kostenlos sind oder gekauft werden müssen. 3.7.2 Fahrplan Ressourceneffizienz 3.7.2.1 Vorhaben Im Bereich „Ressourcenschonendes Europa - eine Leitinitiative innerhalb der Strategie Europa 2020“ hat die EU-Kommission im September 2011 einen Fahrplan veröffentlicht mit Regeln, die Innovationen für eine ressourceneffizientere Wirtschaft ermöglichen und damit gleichzeitig mit zusätzlichen Wachstumschancen einhergehen sollen. Ansatzpunkte: verbessertes Recycling, nachhaltiges Management von umweltbezogenen Ressourcen, Substitution ausgewählter Materialien und Ressourceneinsparung. 26 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 3.7.2.2 Stand der Umsetzung Die Kommission hatte in der Mitteilung zu Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz Juli 2014 empfohlen, ein Ziel zur Steigerung der Ressourceneffizienz aufzunehmen. Vorgeschlagen worden war die Steigerung der Ressourceneffizienz um 30 Prozent bis zum Jahre 2030 im Vergleich zum „Vorkrisenniveau“ vor 2008. Maßstab sollte das Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt zur sogenannten „Raw Material Consumption“ (BIP/RMC) sein. Bei den EU-Mitgliedstaaten gab es dafür keine Mehrheit. Dezember 2014 nahm die neue EU-Kommission den Vorschlag zurück. Stattdessen kündigte sie ein Legislativpaket zur Kreislaufwirtschaft an, dass Ende 2015 veröffentlicht wurde. 3.7.2.3 Bewertung und Forderungen der vbw Das Ziel, eine nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen unter Minimierung der schädlichen Umwelt- und Klimaauswirkungen politisch zu fördern, wird unterstützt. Indikatoren für Ressourceneffizienz, die sich nur an Rohstoffeinsatz und BIP orientieren, werden dem Zusammenspiel von Lebensstandard, Schutz- und Sicherheitsniveau von Produkten, ökologischen Auswirkungen und Wachstum sowie Beschäftigung nicht gerecht. Reine Mengenindikatoren, wie der von der EU-Kommission vorgeschlagene BIP/RMC, würden industriestarke Länder wie Deutschland benachteiligen und den Verlust von Industrieunternehmen und damit Arbeitsplätzen mit einer Steigerung des Indikators belohnen. In Deutschland ist die Effizienz bereits sehr hoch. Daher wären hohe Einsparziele nur mit geringerer Produktion möglich. Rohstoffeffizienz ist durch bloße Regulierung bzw. massive Senkung des Rohstoffeinsatzes in der Industrie nicht zu erreichen. Dies würde zur Reduzierung von Arbeitsplätzen führen und der notwendige Beitrag der europäischen Industrie zur weltweiten Rohstoffeffizienz würde geschmälert. 3.7.3 EU-Initiative zu Konfliktrohstoffen 3.7.3.1 Vorhaben Die EU-Kommission hat im März 2014 eine Initiative zu Konfliktrohstoffen vorgestellt. Kern der Verordnung ist ein EU-weites System zur freiwilligen Selbstzertifizierung als „responsible importer“ von Zinn, Wolfram, Koltan und Gold (sog. 3TG-Rohstoffe). Wenn sich Unternehmen freiwillig für diese Zertifizierung entscheiden, verpflichten sie sich damit, die von der EU-Kommission festgelegten Sorgfalts- und Berichtspflichten im Zusammenhang mit dem Bezug dieser Rohstoffe umzusetzen. Im Fokus der Initiative stehen damit die EU-Schmelzen und Raffinerien sowie die Erst-Importeure von Mineralien / Metallen, nicht jedoch Importeure von metallhaltigen Produkten / Komponenten. Die Sorgfaltspflicht beim Bezug von 3TG-Rohstoffen gilt für alle „Konfliktregionen“ weltweit. Die Regelung betrifft in Europa ca. 420 Unternehmen. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 27 3.7.3.2 Stand der Umsetzung Das EU-Parlament hat den Kommissionsvorschlag verschärft. Derzeit wird eine RatsPosition erarbeitet. Danach wird im Trilog über einen Kompromiss verhandelt werden. 3.7.3.3 Bewertung und Forderungen der vbw Das Selbst-Zertifizierungssystem für alle Importeure die Wolfram, Tantal, Zinn und Gold beziehen und / oder verarbeiten, soll nach Auffassung des EU-Parlaments nicht mehr wie ursprünglich vorgesehen freiwillig sein, sondern verpflichtend gelten. Zudem will das EU-Parlament bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht Sanktionen vorsehen. Auch Downstream-Unternehmen (alle der Hütte / Raffinerie nachgelagerten Unternehmen) sollen verpflichtet werden, Lieferketten in Bezug auf die vier Rohstoffe zu überprüfen und über Maßnahmen zum verantwortungsvollen Rohstoffbezug zu berichten. Große Teile des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland und Europa würden so mit umfangreichen und nicht leistbaren Prüf- und Dokumentationspflichten belastet. Mit der Einführung von Sanktionen bei Verstößen gegen entsprechenden Sorgfaltspflicht geht das EU-Parlament sogar über die Regelungen des Dodd-Frank Act in den USA hinaus. Die freiwillige Ausrichtung der EU-Initiative der EU-Kommission ist ebenso zu begrüßen wie der Fokus auf Mineralien und Metalle anstatt auf alle metallhaltigen Produkte. Damit wird sehr viel weiter vorne in der Wertschöpfungskette angesetzt und zielgerichteter gehandelt. Ein allgemein verpflichtender Herkunftsnachweis für Konfliktmineralien ist abzulehnen. Denn es würde ein Zusammenhang zwischen den Produkten von Unternehmen und den Konflikten in Krisenregionen impliziert. Damit würden alle Unternehmen, die die betroffenen Rohstoffe verwenden, unter Generalverdacht gestellt. Kritisch im Entwurf der EU-Kommission ist der globale Ansatz, wonach die Sorgfaltspflicht beim Bezug von 3TG-Rohstoffen für alle „Konfliktregionen“ weltweit gilt, ohne diese genauer zu definieren. Da hier kein Bezug, beziehungsweise keine Beschränkung auf die DR Kongo und deren Nachbarländer genommen wird, muss die betroffene Industrie selbst entscheiden, was eine konfliktfreie Herkunft ist. Hält die EU an einem globalen Fokus fest, ist unbedingt eine konkrete Liste der von der EU-Kommission identifizierten Konfliktregionen zur Verfügung zu stellen. Sonst entstehen Rechtsunsicherheiten zu Lasten der Unternehmen. Zudem sind angemessene Übergangsfristen für Unternehmen zu gewähren, die durch langfristige Verträge an Partner in neu definierten Konfliktregionen gebunden sind. 3.8 Unternehmen und Gesellschaft Die Europäische Regulierung prägt die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft. 28 3.8.1 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Asyl und Migration 3.8.1.1 Vorhaben Die EU-Kommission hat die Asyl- und Migrationspolitik als eine ihrer Hauptaufgaben für 2016 definiert. Kernziel ist, die Fluchtursachen in den Herkunfts- und Transitländern zu reduzieren und zu einer Einigung für die (Um-)Verteilung von Flüchtlingen in der EU zu kommen. Dazu hat die EU-Kommission die Europäische Migrationsagenda vorgelegt, mit der Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der Krise im Mittelmeerraum initiiert und eine Strategie zur mittel- bis langfristigen Migrationssteuerung festgelegt wurden. Maßnahmen sind die Reduzierung der Anreize für die irreguläre Migration, die Rettung von Menschenleben und die Sicherung der Außengrenzen, eine gemeinsame europäische Asylpolitik und eine neue Politik für legale Migration. So soll z. B. die Blue-CardRichtlinie überarbeitet und modernisiert werden. Auch eine Reform der Dublin-IIIVerordnung wird angestrebt, mit der die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates festlegt sind, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. 3.8.1.2 Stand der Umsetzung Die Ziele der Migrationsagenda wurden partiell realisiert. Die Rettung von Schiffbrüchigen aus dem Mittelmeer durch Frontex-Einsätze wurde intensiviert. Zudem hat die EU vier Milliarden Euro an humanitärer Hilfe für Syrien und deren Nachbarstaaten bereitgestellt sowie einen Nothilfe-Treuhandfonds mit 1,8 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Flüchtlingsursachen in Afrika eingerichtet. Andere Ziele der Migrationsagenda sind noch nicht erreicht: Der Schutz der Außengrenzen ist nicht in dem Maße gesichert, wie es die EU-Kommission vorgesehen hat. Auch die Funktionsfähigkeit der Aufnahmeund Verteilzentren in Griechenland und Italien ist noch nicht hergestellt. Eine Verteilung von Flüchtlingen ist aufgrund konträrer Positionen der Mitgliedstaaten sehr schwierig. Im Hinblick auf die neue Politik für eine legale Migration hat die EU-Kommission eine öffentliche Konsultation zur Blauen Karte EU und zur EU-Arbeitsmigrationspolitik durchgeführt. Eine Auswertung der Ergebnisse dieser Konsultation liegt noch nicht vor. 3.8.1.3 Bewertung und Forderungen der vbw Es ist dringend erforderlich, gerade in der Frage der Umverteilung und der künftigen Verteilung der Flüchtlinge zu einer europäischen Lösung zu kommen. Hierbei ist auch eine Reform des Dublin-III-Verfahrens zu begrüßen, die zügig angegangen werden muss. Die EU-Kommission muss bei einer Umverteilung finanzielle Anreize für die Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit schaffen. Eine einheitliche EU-Politik zur Wirtschaftsmigration muss Folgendes berücksichtigen: Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 29 Die Arbeitsmärkte in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten sind sehr heterogen. Während einzelne Länder unter hohen Arbeitslosenquoten leiden, herrscht in anderen Regionen bereits heute Fachkräftemangel. Durch dieses Spannungsverhältnis ist eine einheitliche EU-Migrationspolitik für die qualifizierte Fachkräftezuwanderung weder möglich noch sinnvoll. Eine weitere Harmonisierung der Regelungen ist nicht angezeigt. Vielmehr muss den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit gegeben werden, auf nationale Bedürfnisse angepasste Zuwanderungsregelungen zu implementieren. Der Fokus der europäischen Migrationspolitik muss daher im Kern darauf abzielen, europaweit eine Willkommenskultur zu schaffen und außerhalb der EU für eine Fachkräftezuwanderung nach Europa zu werben. Im Vorfeld einer möglichen Revision der Blue-Card-Richtlinie, bzw. neuer Richtlinienvorschläge zur Arbeitsmigration muss eine Analyse und Bewertung der Vor- und Nachteile einer Regulierung der Arbeitsmigration auf europäischer Ebene erfolgen. 3.8.2 CSR-Berichterstattung und CSR-Strategie 3.8.2.1 Vorhaben Die Stoßrichtung der CSR-Politik der EU-Kommission wurde in den letzten Jahren (2011-2014) maßgeblich durch die Mitteilung der Kommission zum Thema CSR aus dem Jahr 2011 bestimmt. Zentraler Aspekt waren eine neue CSR-Definition sowie ein Aktionsplan mit Maßnahmen zur Förderung des CSR-Engagements. CSR wird definiert als „die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft.“ Es folgten konkrete regulatorische Vorgaben. Zum einen wurde die Bilanzierungsrichtlinie um nicht-finanzielle Informationen erweitert (sog. CSR-Berichtspflicht) zum anderen wurde bei der Überarbeitung der Richtlinie zur Vergabe öffentlicher Aufträge die Möglichkeit geschaffen, sozialen und ökologischen Belangen Rechnung zu tragen. Im Jahr 2014 wurde eine öffentliche Konsultation zur CSR-Strategie durchgeführt, um den künftigen Handlungsbedarf zu identifizieren. Anfang 2015 fand ein Multistakeholderforum zur europäischen CSR-Politik statt, bei dem über die Ausrichtung der CSR-Politik der EU beraten wurde. Möglicherweise wird die EU-Kommission eine neue CSRStrategie aufsetzen. Zudem werden Initiativen diskutiert, die auf die Einhaltung von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entlang der Wertschöpfungsketten abzielen. 3.8.2.2 Stand der Umsetzung Die Erweiterung der Bilanzierungsrichtlinie um nicht-finanzielle Information ist auf EUEbene beschlossen und muss bis Dezember 2016 in nationales Recht überführt werden. Die Erweiterung gilt für „große Unternehmen im öffentlichen Interesse“, die eine durchschnittliche Beschäftigtenzahl von über 500 Mitarbeitern während des Geschäftsjahres haben, somit also Banken, Versicherungen und größere Aktiengesellschaften. 30 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 3.8.2.3 Bewertung und Forderungen der vbw Die Aktivitäten im Bereich CSR sind sehr kritisch zu bewerten. Die Einführung der CSR-Berichtspflicht ist nicht mit dem Charakter der Freiwilligkeit von CSR vereinbar. Eine solche Rechenschaftspflicht führt zu einer Standardisierung und Vereinheitlichung von CSR-Maßnahmen, es kann nicht mehr von einem freiwilligen Engagement gesprochen werden. Wir fordern, dass das gesellschaftliche Engagement der Unternehmen weiterhin auf dem Prinzip der Freiwilligkeit basieren muss. Kein Unternehmen kann per Gesetz dazu verpflichtet werden, sich jenseits seines eigentlichen Geschäftszieles und der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften für das Gemeinwesen zu engagieren. Anstelle von regulatorischen Vorgaben muss sich die europäische CSR-Politik künftig darauf fokussieren Unternehmen dabei zu unterstützen, CSR-Maßnahmen umzusetzen. Insbesondere KMU kann mit gezielten Förderprogrammen geholfen werden, CSR strategisch in ihrer Geschäftspolitik zu verankern. 3.8.3 Frauen in Führungspositionen (Frauenquote) 3.8.3.1 Vorhaben In börsennotierten europäischen Unternehmen sollen bis 2020 mindestens 40 Prozent der nicht geschäftsführenden Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitglieder weiblich sein. KMU (mit weniger als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Jahresumsatz bis 50 Millionen Euro) sowie nicht börsennotierte Gesellschaften sind von dieser Regelung ausgenommen; die nationalen Regierungen sollen aber für KMU eigene Regelungen zur Förderung umsetzen. Private börsennotierte Unternehmen sollen die Zielvorgabe bis zum Jahr 2020 umsetzen, öffentliche börsennotierte Unternehmen bereits bis 2018. Für Mitgliedstaaten, die beschließen, das Ziel für Direktoren / Vorstandsmitglieder und für nicht geschäftsführende Direktoren / Aufsichtsratsmitglieder vorzugeben, würde ein niedrigerer Prozentsatz von 33 Prozent gelten. 3.8.3.2 Stand der Umsetzung Die Kommission hat im November 2012 einen Vorschlag zu einer für eine Frauenquote unter den nicht geschäftsführenden Direktoren / Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften vorgelegt. Das EU-Parlament folgte im November 2013. Diese Initiative stößt im Rat nach wie vor auf erhebliche Widerstände, so dass die immer noch ablehnende Haltung vieler EU-Mitgliedstaaten zu einer Sperrminorität führt. 3.8.3.3 Bewertung und Forderungen der vbw Der vorliegende Entwurf verstößt sowohl gegen das Antidiskriminierungsgesetz als auch gegen den Subsidiaritätsgrundsatz. Außerdem verletzt er die grundgesetzlich geschützte unternehmerische Autonomie massiv. Auch die Begründung ist nicht nach- Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 31 vollziehbar und juristisch äußerst fragwürdig, da sie auf arbeitsrechtlichen Kompetenzen der EU aufbaut, in Deutschland aber das Gesellschaftsrecht betroffen ist. Für die verschärften Forderungen des Parlamentes gilt dies umso mehr. Ob ein Unternehmen eine spezielle Frauenförderung betreibt und welche Maßnahmen es dabei ergreift, muss die freie Entscheidung des Unternehmens bleiben. Planwirtschaftliche Quoten haben sich nirgends bewährt, schaden den Unternehmen und letztlich auch der Gesellschaft. Der Vorstoß der EU-Kommission ist deshalb ersatzlos zu streichen. 3.9 Unternehmen international EU-Handelspolitik vermindert Handelshemmnisse und schafft direkten Marktzugang. 3.9.1 Transatlantisches Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP) 3.9.1.1 Vorhaben Seit Juni 2013 verhandeln die EU und die USA über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP). Ziel ist eine stärkere Öffnung der Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks. Zudem sollen Einschränkungen für kommerzielle Dienstleistungen verringert, Investitionssicherheit und Wettbewerbsgleichheit verbessert und der Zugang zu öffentlichen Aufträgen auf allen staatlichen Ebenen vereinfacht werden. 3.9.1.2 Stand der Umsetzung Im vergangenen Jahr sind die Verhandlungen TTIP zunehmend in die Kritik geraten. Der strittigste Verhandlungspunkt ist der Investorenschutz. Es wird befürchtet, dass amerikanische Investoren die regulatorische Autonomie mit Hilfe der im Abkommen vorgesehenen Investor-Staat-Streitbeilegung (Investor-to-State Dispute Settlement – ISDS) angreifen könnten, indem sie beispielsweise ein neues Umweltgesetz als enteignungsgleichen Eingriff ansehen und das Umweltgesetz vor dem Schiedsgericht anfechten. Es besteht die Sorge, dass US-Konzerne vor internationalen Schiedsgerichten den Schutz ihrer Investitionen einklagen könnten. Die EU Kommission hat reagiert und im September 2015 einen Vorschlag zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vorgelegt. Dieser sieht einem unabhängigen, paritätisch besetzten Handelsgerichtshof vor. Die neue Investitionsgerichtsbarkeit soll aus qualifizierten Berufsrichtern bestehen, die Verfahren sollen transparent sein und die Fälle werden auf der Grundlage klarer Vorschriften verhandelt. Zudem untersteht das Gericht einem neuen Berufungsgericht. Streitigkeiten über Investitionen sollen unter uneingeschränkter Beachtung der Rechtsstaatlichkeit geregelt werden. 32 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 3.9.1.3 Bewertung und Forderungen der vbw Für ein Exportland wie Bayern sind Freihandel und offene Märkte unverzichtbar. Der Freistaat braucht den Export als Wachstumsmotor. Für Bayern ist die USA derzeit der wichtigste Handelspartner: Bayerische Unternehmen exportierten im Jahr 2014 Waren im Wert von 19,685 Milliarden Euro in die USA. Das waren 11,7 Prozent aller bayerischen Exporte. Damit die bayerische Wirtschaft zukünftig stärker vom transatlantischen Handel profitiert, muss den Verhandlungspartnern langfristig der Abbau von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen, die gegenseitige Anerkennung bestehender Regulierungsauflagen sowie die Liberalisierung des Dienstleistungsmarkts gelingen. Das Kapitel zum Investitionsschutz in TTIP darf nicht pauschal abgelehnt werden, sondern muss als Chance verstanden werden, bestehende Instrumente zum Investitionsschutz zu überprüfen und zu verbessern. Folgende konkrete Forderungen hat die vbw: – Die vbw spricht sich für ein umfassendes Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA aus. – Hierbei darf es nicht nur um den Abbau von Zöllen gehen. Von entscheidender Bedeutung ist der Abbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen. Nicht zuletzt die Angleichung und Anerkennung von Regulierungen und Normen versprechen eine erhebliche Vereinfachung und Kostenersparnis auf Unternehmensseite. – Durch den Zugang zur öffentlichen Auftragsvergabe in den USA eröffnet sich unseren Unternehmen ein zusätzliches Marktpotenzial. – Wir sprechen uns für die Aufnahme von Investitionsschutzbestimmungen in das Freihandelsabkommen aus. Dabei muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Regulierungsrecht der Staaten und dem notwendigen Schutz der Investoren gefunden werden. – Der neue Vorschlag von EU-Handelskommissarin Malmström ist zu begrüßen. Wir unterstützen die klare Haltung der EU, dass europäische Qualitäts- und Schutzbestimmungen in den Verhandlungen nicht zur Disposition stehen. 3.9.2 Sanktionen im Ukrainekonflikt 3.9.2.1 Vorhaben Als Reaktion auf die Annexion der Krim im Frühjahr 2014 hat die EU restriktive Maßnahmen gegen die Russische Föderation verhängt Nachdem zunächst die bilateralen Gespräche mit der Russischen Föderation über Visafragen und die Verhandlungen zu einem neuen Abkommen zwischen der EU und Russland ausgesetzt wurden und auch die Vorbereitungen für die Teilnahme am G8-Gipfel in Sotschi unterbrochen wurden, hat die EU eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die weitreichende Auswirkungen für die Beziehungen zwischen der EU und Russland haben. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Europäischen Binnenmarkt voranbringen 33 3.9.2.2 Stand der Umsetzung Die wirtschaftlichen Sanktionen der EU gegenüber Russland beinhalten u. a.: – EU-Bürger und Unternehmen dürfen keine neuen Anleihen, Aktien oder ähnliche Finanzinstrumente mit einer Laufzeit von höchstens 30 Tagen kaufen oder verkaufen, wenn diese ausgestellt wurden von: - fünf großen staatlichen russischen Banken, ihren Tochtergesellschaften außerhalb der EU und anderen Instituten, die in ihrem Namen handeln oder unter ihrer Aufsicht tätig sind - drei großen russischen Energieunternehmen - drei großen russischen Rüstungsunternehmen. – Dienstleistungen für die Ausgabe solcher Finanzinstrumente, z. B. Vermittlungstätigkeiten, sind ebenfalls verboten. – Ein Embargo ist in Kraft bezüglich der Einfuhr und Ausfuhr von Waffen und damit verbundenen Materialen aus und nach Russland. Es deckt alle Elemente ab, die auf der Gemeinsamen Militärgüterliste der EU aufgelistet sind. – Die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck sowie von Technologien für militärische Zwecke oder für militärische Endnutzer ist verboten. Dies deckt alle Elemente ab, die auf der EU-Liste der Güter mit doppeltem Verwendungszweck aufgelistet sind. Der Export von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck an neue Mischrüstungsunternehmen ist ebenfalls verboten. – Die Ausfuhr bestimmter energiebezogener Ausrüstung und Technologie nach Russland unterliegt der vorherigen Genehmigung durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Ausfuhrlizenzen werden verweigert, wenn diese für die Exploration und Herstellung von Produkten aus Tiefsee-Öl, Arktis-Öl oder für Schieferöl in Russland bestimmt sind. – Dienstleistungen, die für die Exploration und Herstellung von Tiefsee-Öl, Arktis-Öl oder Schieferöl in Russland notwendig sind, z. B. Bohrungen, Bohrlochtests oder Protokollierungsdienste, dürfen nicht getätigt werden. Im Juni 2015 hat die EU die Wirtschaftssanktionen gegen Russland bis zum 31. Januar 2016 verlängert. Solange der Minsker Friedensplan zum Ukrainekonflikt nicht umgesetzt sei, werde es keine Lockerung der Handels- und Investitionsbeschränkungen geben, machten die EU-Außenminister bei ihrem Treffen in Luxemburg deutlich. Eine Verlängerung über den 31. Januar 2016 hinaus ist aus aktueller Sicht wahrscheinlich. 34 Europäischen Binnenmarkt voranbringen Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 3.9.2.3 Bewertung und Forderungen der vbw Die bisherigen EU-Sanktionen haben zu einer Entflechtung der Wirtschaftsräume Europas und Russlands geführt, konnten jedoch nicht zu einer Entschärfung des UkraineKonfliktes beitragen. Vielmehr haben sich die politischen Beziehungen zwischen Russland und der EU verschlechtert, wirtschaftlich schaden sie den Mitgliedstaaten der EU ebenso wie Russland. Es nützt niemandem und löst keine Krise, wenn sich Russland andere Handelspartner sucht. Gute wirtschaftliche Beziehungen dagegen können zur Stabilisierung der politischen Lage beitragen. Der Dialog zwischen der EU und Russland darf daher nicht abreißen. Die Verlängerung der Sanktionen ist kontraproduktiv und gefährdet den Friedensprozess. Die EU nimmt sich damit die Chance, durch eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen dem Friedensprozess eine positive Dynamik zu geben. Vielmehr sollte das Minsker Abkommen durch regelmäßige Gesprächsformate zwischen der Ukraine, Russland und der EU begleitet werden, in denen auch die zukünftige wirtschaftliche Zusammenarbeit geklärt wird. Russland ist ein wichtiger wirtschaftlicher und strategischer Partner der USA und der EU, wenn es darum geht, die globalen Herausforderungen zu lösen. Gerade im Umgang mit dem Islamischen Staat und dem Bürgerkrieg in Syrien, der die Flüchtlingskrise mit zu verantworten hat, ist Russland unverzichtbar. Position – Starkes Bayern - starkes Europa vbw – Dezember 2015 Ansprechpartner / Impressum Ansprechpartner York Tetzlaff Leiter Verbindungsbüro Brüssel Telefon +32(0)2-500 57-81 Telefax +32(0)2-500 57-83 [email protected] Impressum Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher Form verzichtet. Herausgeber: vbw Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Max-Joseph-Straße 5 80333 München www.vbw-bayern.de © vbw Dezember 2015 35
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