Eine Protagonistenarbeit mit dem TSM Trauma-Dreieck von Axel Eichel, TSM-Traumatherapeut Berlin, 2014 Einführung Die Therapeutic Spiral Method, oder auch TSM wie sie oft genannt wird, ist eine klinisch modifizierte Variante des Psychodramas, die auf die besonderen Bedürfnisse von traumatisierten Menschen eingeht. Sie bezieht die Erkenntnisse der Trauma-Gehirnforschung, der AttachmentTheorie und der Ego-State Theorie mit in den Psychodrama-Prozess ein. Die TSM ermöglicht Menschen mit einer Traumavergangenheit, ihre Wunden mit einem sicheren (!) und tiefgreifenden Ansatz heilen zu können und eine entwicklungsgeschichtliche Heilung erleben zu können (Hudgins & Toscani, 2013). Das TSM Trauma-Dreieck ist eines der Kernelemente der TSM. Es fungiert als eine klar verständliche Struktur, mit deren Hilfe man traumabasierte Beziehungsdynamiken aufdecken und heilen kann. Der vorliegende Text beschreibt, wie man eine gesamte Protagonistenarbeit um das Trauma-Dreieck herum aufbauen kann. Ziel einer solchen Arbeit ist es, dem Klienten zu helfen, seinen schmerzvollen Trauma-Kreislauf im psychodramatischen Handeln und Erleben zu durchbrechen und neue, gesunde Verhaltensweisen zu finden. In einem ersten Schritt erläutert der Text kurz, wie das TSM Trauma-Dreieck mit Hilfe der Rollentheorie die Internalisierung von Trauma in die Persönlichkeitsstruktur beschreibt (als ausführliche Einführung: Das TSM Trauma-Dreieck unter: www.therapeutic-spiral-method.de/downloads). Dem folgend werden 3 aufeinander aufbauende Aktionsschritte vorgestellt, die eine sichere Arbeit mit Traumamaterial ermöglichen: (I) Vorbereitung, (II) den Einstieg finden und (III) in die Aktion gehen. Zum besseren Verständnis werden dann diese 3 Schritte anhand eines Fallbeispiels dargestellt. 1 Da es bei einer solchen Protagonistenarbeit um die Arbeit mit Kern-Traumamaterial geht, ist es wichtig, dass man als Leiter/in ein fundiertes Verständnis vom Trauma-Dreieck hat und in der Lage ist, dem Protagonisten und der Gruppe ausreichendes Containment bieten zu können (sehen Sie hierzu bitte das Curriculum Traumatherapie mit der Therapeutic Spiral Method unter: www.integrale-heilung.net/fortbildung). Die Internalisierung von Trauma Ein traumatisierendes Erlebnis führt zu spezifischen Veränderungen in der Persönlichkeitsstruktur eines Menschen. Mit Hilfe der Rollentheorie beschreibt das TSM Trauma-Dreieck diese inneren Veränderungen indem es 3 internalisierte Rollen bestimmt: den Täter, das Opfer und die wegschauende Instanz. Diese drei Rollen haben sich als Folge des Traumas entwickelt und jede trägt bestimmte Gedanken und Gefühle, die während des traumatischen Ereignisses erlebt, aber nicht verarbeitet werden konnten. Der internalisierte Täter ist derjenige innere Anteil, der die Brutalität und den Hass des traumatischen Ereignisses trägt. Im weiteren Leben kann dieser Anteil entweder gegen sich selbst gerichtet sein (Selbstmord-Tendenzen, Selbsthass) oder gegen andere (Hass und der Drang, andere verletzen/töten zu wollen). Das internalisierte Opfer ist derjenige innere Anteil, der die Angst, die Trauer und die Ohnmacht trägt, die ein Mensch während eines traumatisierenden Erlebnisses fühlt. Da es für Menschen mit einer Traumavergangenheit häufig schwierig ist, diesen Anteil anzunehmen, geben wir ihm bei einer TSM-Heilarbeit schon früh einen neuen Namen und nennen ihn das verwundete Kind bzw. den verwundeten Erwachsenen. Das hilft den Betroffenen normalerweise, Mitgefühl und Zuwendung für diesen inneren Anteil entwickeln zu können. Die wegschauende Instanz entwickelt sich aus einem Umstand, der leicht übersehen werden kann, der aber für die Heilung enorm wichtig ist. Während das Trauma geschah, hat in der Regel mindestens eine Person bzw. Behörde/Organisation weggeschauen und nicht eingegriffen. Das mag ein Elternteil, die Nachbarn, Freunde, Lehrer, die Polizei oder bei Kriegstraumata die Regierung gewesen sein (nach unserer Erfahrung in der TSM ist es sehr selten, dass wirklich niemand zumindest eine Ahnung gehabt hatte, dass da etwas nicht stimmt). Dieser Umstand ist von 2 außerordentlicher Bedeutung, weil er ein Gefühl des Nicht-Wertseins in der Psyche des Betroffenen zurück läßt. Im späteren Leben kann es Menschen mit einer Traumavergangenheit deshalb schwerfallen, eine gesunde Selbstfürsorge zu entwickeln und gesunde Grenzen zu setzen. Diese drei Trauma-Rollen bedingen sich gegenseitig und halten sich einander am Leben. Darum haben wir in der TSM das Bild des Dreiecks gewählt, eine in sich geschlossene Form, die diese Dynamik sehr schön verbildlicht. Abb.1: die drei Trauma-Rollen im TSM Trauma-Dreieck Ein Mensch mit einer Traumavergangenheit hat alle (!) diese 3 Rollen in seiner Persönlichkeitsstruktur internalisiert, wobei viele dazu tendieren, sich und ihre Umwelt aus einer bestimmten Rolle heraus öfter zu erleben und öfter aus ihr heraus zu handeln. die 3 Aktionsschritte Vorbereitung Wenn wir in der TSM das Trauma-Dreieck als Grundlage für eine Protagonistenarbeit einsetzen, nehmen wir 3 drei große Zettel, auf die wir die jeweiligen Trauma-Rollen Täter, verwundetes Kind und wegschauende Instanz geschrieben haben. Um unseren Protagonisten besser darin zu unterstützen, seine Erfahrungen zu externalisieren, haben wir darüber hinaus noch weitere Zettel, auf die wir die Gefühle und Empfindungen der jeweiligen Rollen geschrieben haben. 3 Für die Rolle des verwundeten Kindes haben wir also Zettel mit Schmerz, Trauer, Hilflosigkeit und Scham; für die Täter-Rolle mit Wut, Hass und Vernichtung; und für die wegschauende Instanz mit Verlassenheit, Gleichgültigkeit und Taubheit. Des weiteren haben wir einen letzten sehr wichtigen Zettel, der die angemessene Instanz symbolisiert. Diese TSM-Rolle ist wichtig, weil sie einen Platz im Raum verankert, von dem aus eine neue und gesunde Handlung initiiert werden kann, welche die in sich geschlossene Dynamik der 3 Trauma-Rollen aufbrechen kann. den Einstieg gestalten Als Einstieg bitten wir unseren Protagonisten, die drei Zettel mit Täter, verwundetes Kind und wegschauende Instanz als Dreieck im Kreis der Sicherheit aufzulegen und diese dann mit Tüchern zu verbinden. Hierbei ist es wichtig, dass er dafür keine Tücher aus dem Sicherheitskreis nimmt. Diese sollen ihre positiven Projektionen behalten können (für Informationen zum Kreis der Sicherheit und den anderen 5 TSM-Sicherheitsstrukturen siehe bitte Hudgins & Toscani, 2013). Als nächstes fordern wir ihn auf, die übrigen Zettel im Kreis zu verteilen und den drei Trauma-Rollen zuzuordnen. Hierbei ist es für uns aufschlussreich zu beobachten, wie die einzelnen Gefühle mit den Rollen interagieren, welche Gefühle unser Protagonist problemlos zuordnen kann und mit welchen er Schwierigkeiten hat. Insbesondere das Schamgefühl ist interessant, weil viele Menschen mit einer Traumavergangenheit Probleme haben, sich dieser Empfindung bewußt zu sein und sie anzuerkennen. Zum Abschluß soll er nun auch einen Platz für den Zettel mit der angemessenen Instanz finden. in die Aktion kommen Als nächstes wollen wir den Protagonisten darin unterstützen, dass er seine traumabasierten Muster sicher und ohne Gefahr einer Re-Traumatisierung erkennen, erleben und heilen kann. Darum gliedern wir diesen Abschnitt in drei Phasen: 1. unser Protagonist versteht auf der gedanklichen Ebene, wie Trauma sein Leben beeinflußt und wie er die verschiedenen Rollen internalisiert hat, 2. unser Protagonist aktiviert seine vorbereitenden Rollen, um für den nächsten Schritt die notwendige Sicherheit und Unterstützung zu haben, 4 3. unser Protagonist traumabasierten beginnt, Rollen in seine vorbereitenden Aktion zu erleben Rollen und zusammen dabei mit neue, seinen gesunde Handlungsmöglichkeiten zu finden. Hier nun einige Hinweise, wie wir diese drei Phasen anleiten können. 1. gedankliches Verstehen Als erstes bitten wir ihn, sein Trauma-Dreieck abzugehen und die unterschiedlichen Rollen auf einer kognitiven Ebene zu erkunden. Dabei können ihm ein vorsichtig (!) aufdeckendes Doppel und die klassischen psychodramatischen Verbalisierungstechniken (Zur-Seite-Sprechen, therapeutisches Selbstgespräch, usw.) helfen. Indem er nun von einer Rolle zur nächsten geht, wird er schnell sich wiederholende Muster entdecken - wie beispielsweise ein hin-und-her Pendeln zwischen dem verwundeten Kind und der wegschauenden Instanz; oder von der Wut zum Schamgefühl zur wegschauenden Instanz. Solche Muster sollten wir benennen und mit Hilfe weiterer Tücher sichtbar machen. Falls unser Protagonist dazu neigt, leicht in eine Dissoziation zu rutschen oder von seinen Gefühlen überwältigt zu werden, ist es hilfreich, ihn zu seiner Beobachter Karte (eine weitere TSMSicherheitsstruktur) zu bringen und ihn von dort aus über die einzelnen Rollen erzählen zu lassen. Des weiteren ist es möglich, die einzelnen Rollen von Team-Mitgliedern oder anderen Gruppenteilnehmern darstellen zu lassen. Manchmal können sie durch spontan ausgedrückte Gefühle und Gedanken ein tieferes Verstehen ermöglichen und bis dahin unbemerkte Muster sichtbar machen. Wir empfehlen darüber hinaus einen frühen Rollentausch in die angemessene Instanz. In der TSM ist es unser Hauptanliegen, dem Protagonisten einen sicheren (!) Erlebnisraum anbieten zu können. Darum ist es wünschenswert, eine Rolle auf der Bühne zu haben, aus der heraus neue und gesunde Handlungsimpulse kommen können. Hilfreiche Fragen, die wir unserem Protagonisten stellen können, sind: • Wenn dich etwas stört oder dir Stress bereitet, wie reagierst du normalerweise? • Wie erlebst du dich in der Rolle des Täters, des verwundeten Kindes und der wegschauenden Instanz? 5 • Welche Rolle ist für dich die richtige um anzufangen? 2. die vorbereitenden Rollen aktivieren Nun da wir wissen, welche Traumamuster wir im Handeln und Erleben weiter bearbeiten werden, fragen wir den Protagonisten zunächst, welche Unterstützung er braucht, um sich sicher zu fühlen und handlungsfähig zu bleiben. Dafür haben wir in der TSM die vorbereitenden Rollen entwickelt, die einem Protagonisten dabei helfen, in einem Zustand des spontanen Lernens zu bleiben und neue Antworten zu finden, wenn er den traumabasierten Rollen gegenüber tritt (Hudgins & Toscani, 2013). Bei den vorbereitenden Rollen gibt es drei Kategorien: Beobachtung, Re-Vitalisierung und Containment. Jeder Protagonist wählt die für ihn wichtigen vorbereitenden Rollen, welche dann von Team-Mitgliedern oder anderen Gruppenteilnehmern dargestellt werden. Mithilfe von Rollentausch werden die einzelnen Rollen lebendig und es entwickelt sich eine enge und kraftvolle Verbindung zwischen dem Protagonisten und seinen vorbereitenden Rollen. Diese Rollen werden ihn von nun an begleiten und an seiner Seite bleiben, und zusammen (!) werden sie in das emotionale Erleben des Trauma-Dreiecks gehen. Diejenigen Teilnehmer, die die vorbereitenden Rollen spielen, sind bereit, gesunde Handlungsimpulse einzubringen falls unser Klient dissoziiert oder regressiert, oder falls er in einem alten Traumamuster steckenbleibt. Sie werden ihm helfen, seinen Traumamustern bewusst begegnen zu können und im Handeln neue Antworten zu finden. Hilfreiche Fragen, die wir dem Protagonisten stellen können, sind: • Ok, jetzt wissen wir, was wir uns angucken werden. Welche Unterstützung hättest du gerne bei dir? • Das könnte eine innere Qualität sein wie beispielsweise Mut oder Weisheit. Oder eine zwischenmenschliche Unterstützung wie etwa ein guter Freund oder Lehrer. Oder eine spirituelle Kraft wie beispielsweise Jesus, Buddha, Mutter Erde, Gott usw. Was fühlt sich für dich gut an? • Oder hättest du gerne eine Unterstützung, die dir hilft, präsent im Hier-und-Jetzt bleiben zu können? 6 3. das Trauma und die vorbereitenden Rollen im Handeln erleben Jetzt sind unser Protagonist, die anderen Gruppenteilnehmer und wir als Leiter gut vorbereitet, um die emotionale Ebene der traumabasierten Muster im Handeln zu erleben und dabei mit der Unterstützung der vorbereitenden Rollen neue Handlungsmöglichkeiten zu finden. An dieser Stelle können wir zu unserem Protagonisten sagen: • Gehe nun bitte in die verschiedenen Trauma-Rollen und drücke deren Gefühle und Handlungen aus. • Welches Muster möchtest du nun ändern und wie sollte es danach aussehen? • Wo ist für dich der richtige Platz um anzufangen? Während dieser Phase ist es für uns als Leitung wichtig (!), dass wir unseren Protagonisten genau beobachten, ihn auf subtile Veränderungen hinweisen und ihn bitten, in die damit verbundenen Rollen zu gehen. Zwei Beispiele: • Oh schau, ganz plötzlich hat sich deine Stimme verändert und du hast angefangen, deinem verwundeten Kind Vorwürfe zu machen. Lass uns zur Täter-Rolle gehen und von dort aus sprechen. Was sind die richtigen Sätze von hier aus? • Ich sehe, dass du dich gerade etwas schämst. Gehe bitte zum Scham-Platz und gib ihr eine Stimme. Darüber hinaus sollten wir die Tücher und Zettel des Trauma-Dreiecks fortwährend so arrangieren, dass sie den Erlebnis- und Lernschritten des Protagonisten entsprechen. Zum Beispiel: • Aus der Rolle der angemessenen Instanz tritt unser Protagonist entschieden zwischen den Täter und das verwundete Kind und sagt zum Täter "Stop!". Dann würden wir ihn bitten, nun auch die Tücher am Boden, die die beiden miteinander verbinden, zu trennen. • Vielleicht hat unser Protagonist seiner wegschauenden Instanz beigebracht, wie sie angemessen eingreifen kann und das verwundete Kind beschützen kann. Dann würden wir ihn bitten, zusammen mit dem Zettel zum verwundeten Kind zu gehen und auch die Tücher, die bis dahin die beiden verbunden hatten, aufzulösen. • Von dem Platz für das Schamgefühl hat er vielleicht erkannt, dass sich eigentlich der Täter schämen sollte und ihm dies auch gesagt. Dann würden wir ihn bitten, dem Täter nun auch den entsprechenden Zettel zu geben. 7 Es hat einen tiefgreifenden Effekt, wenn wir die Tücher und Zettel fortwährend neu arrangieren, weil so alle neuen Lernschritte auch im Außen sichtbar werden und sich so noch tiefer einprägen können. Des weiteren ist es ja gerade das, worum es bei der Arbeit mit dem Trauma-Dreieck geht: den schmerzhaften Kreislauf zwischen den drei traumabasierten Rollen aufzubrechen und neue Handlungsmöglichkeiten zu finden. Dementsprechend sollte am Ende einer solchen Protagonistenarbeit auch kein Dreieck mehr auf dem Boden zu sehen sein. Im Gegenteil, nun sollten wir dort eine neue Struktur sehen können, welche die neu gefundenen Antworten widerspiegelt. ein Fallbeispiel Das Ziel der Arbeit mit dem Trauma-Dreieck ist es, dass der Protagonist zusammen mit seinen vorbereitenden Rollen auf die Trauma-Rollen trifft und dann spontan aus dem Handeln heraus neue Antworten auf die alten Muster entwickelt. Um diese Dynamik besser zu veranschaulichen, möchte ich hier ein Fallbeispiel anführen (Name des Protagonisten geändert). Der Protagonist (nennen wir ihn Peter) hat während der ersten Phase seiner Arbeit (gedankliches Verstehen) erkannt, dass er leicht dissoziiert und in ein nervöses Lachen verfällt, wenn ihm seine Freundin zu Unrecht Vorwürfe macht. Anstatt dass er seine Trauer und Angst darüber fühlen kann (verwundetes Kind) lässt er zu, dass seine Freundin über seine Grenze geht. Er erlebt sich aus der wegschauenden Instanz heraus. Während der zweiten Phase seiner Arbeit (vorbereitende Rollen) wählte Peter ein Containing Doppel und Mut als seine vorbereitenden Rollen. Nun möchte er mit deren Unterstützung lernen, für sich selber einzustehen. Das Trauma-Dreieck ist aufgebaut und die Rollen der wegschauenden Instanz, des verwundeten Kindes (beides innere Anteile von Peter) und des Täters (seine Freundin) werden von anderen Gruppenteilnehmern dargestellt. Peter steht zusammen mit seinen vorbereitenden Rollen am Rand. Als er jedoch beobachtet, wie die drei Trauma-Rollen miteinander interagieren, friert er eine und dissoziiert. Er ist in sein altes Trauma-Muster reingerutscht. In diesem Augenblick wird sein Containing Doppel aktiv und sagt: "Oh, ich fühle mich gerade ganz nebelig und ich kann ja kaum meinen Körper bewegen. 8 Aber Moment mal, ich kann einen tiefen Atemzug nehmen und sehen, dass ich gerade an einem sicheren Ort bin, bei einem TSM-Workshop. Ich kann meinen Mut neben mir stehen sehen. Vielleicht kann ich ja zusammen mit meinem Mut ein klein bißchen näher gehen und mit meiner wegschauenden Instanz reden." Das hilft Peter, aus seiner Dissoziation rauszukommen und er wird wieder präsenter. Aber er ist immer noch nicht in einem Zustand, in dem er aktiv einschreiten könnte. Also spricht sein Mut zu ihm und sagt: "Peter, ich bin dein Mut und ich sehe, wie dieser Teil von dir (zeigt auf das verwundetete Kind) zu Unrecht beschuldigt wird. Und guck mal der da drüben (zeigt zur wegschauenden Instanz), der schaut einfach weg und grinst rum. Er braucht unsere Hilfe, damit er dein verwundetes Kind beschützen kann. Lass uns etwas tun." Das bringt Peter noch mehr zurück und nun kommt er in einen handlungsfähigen Zustand. Spontan sagt er: "Ja genau, du hast Recht! Wir müssen etwas tun. Lass und da rüber gehen und ihm beibringen, wie er aufstehen kann und "STOP!" zu seiner Freundin sagen kann." In diesem Augenblick mache ich als Leiter Peter darauf aufmerksam, dass er gerade wie eine angemessene Instanz spricht und bitte ihn, den entsprechenden Zettel mitzunehmen. Als nächstes geht Peter zusammen mit seinem Mut zur wegschauenden Instanz und sagt: "Ich bin deine angemessene Instanz und das ist dein Mut. Wir wollen dir beibringen, wie du für dich einstehen kannst und deine Wahrheit sagen kannst, damit du dein verwundetes Kind beschützen kannst." Zusammen stellen sie sich zwischen den Täter und das verwundete Kind und machen vor, wie man klare und angemessene Grenzen setzt. Nach und nach macht die wegschauende Instanz mit und verwandelt sich so in eine gesund-handelnde Rolle. Als Leiter bitte ich Peter, nun auch die auf dem Boden liegenden Tücher neu zu legen und sofort trennt er die Linie zwischen dem Täter und seinem verwundeten Kind. 9 Dieses Fallbeispiel veranschaulicht eindrücklich die Kraft der vorbereitenden Rollen und wie sie alte, traumabasierte Rollen in neue, gesund-handelnde Rollen transformieren können. Es zeigt, wie wir die physischen Strukturen des Trauma-Dreiecks (Tücher und Zettel) benutzen, um die Lernerfahrung unseres Protagonisten weiter zu vertiefen. Darüber hinaus greift es ein häufig vorkommendes Phänomen auf, dass nämlich die Arbeit mit der wegschauenden Instanz für den Heilungsprozess sehr wichtig ist und dass sie von Protagonisten oft auch als erste Trauma-Rolle transformiert wird. Die Arbeit hat Peter geholfen, aber er hat noch nicht mit seinem Kern-Traumamaterial gearbeitet. Seine stark dissoziative Reaktion läßt vermuten, dass es noch tiefere Themen gibt. Die Arbeit zu seiner momentanen Beziehungspartnerin war ein wichtiger erster Schritt für ihn. Während weiterer TSM-Workshops war er dann bereit, seine traumatischen Kindheitserfahrung in ganz ähnlicher Weise zu bearbeiten und erlebte dabei eine entwicklungs-geschichtliche Heilung (für weitere Fallbeispiele von TSM-Arbeiten mit entwicklungs-geschichtlicher Heilung: Hudgins, 2002). Zusammenfassung Das TSM Trauma-Dreieck ist ein tiefgreifendes Instrument, um Menschen mit einer Traumavergangenheit zu unterstützen. Mithilfe der Rollentheorie veranschaulicht es, wie sich Trauma in die Persönlichkeitsstruktur einbettet und es beschreibt die 3 Trauma-Rollen Täter, verwundetes Kind und wegschauende Instanz. Es ist eine klar verständliche Aktions-Struktur, um alte Traumamuster zu heilen und neue, gesunde Handlungsmöglichkeiten zu finden. Der vorliegende Text hat einen Ansatz vorgestellt, mit dem man das TSM Trauma-Dreieck als Grundlage für eine ganze Protagonistenarbeit verwenden kann. Es wurde gezeigt, wie man in der Erwärmungsphase mithilfe des Dreiecks kognitive und emotionale Traumamuster benennen kann und wie diese daran anschließend im Dreieck bearbeitet und geheilt werden können. Literatur Hudgins & Toscani (Hrsg.), 2013, Healing Workd Trauma with the Therapeutic Spiral Model Hudgins, 2002, Experiential Treatment for PTSD Weitere TSM-Artikel zum freien Download finden Sie unter: www.therapeutic-spiral-method.de/downloads Sie können den Autor erreichen unter: [email protected] 10
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