Rimbach - Evangelische Sonntags

24 · 26. Juli 2015 · Sonntags-Zeitung
GEMEINDEREPORT
Fotos: privat (2)/Andrea Seeger (1)
Seite
Der Singkreis der Gemeinde präsentiert sich festlich beim Auftritt im Juni in der kleinen, feinen
Rimbacher Kirche. Der Gospelchor dagegen bietet ein zünftiges Bild auf dem Trecker mit Anhänger.
Pfarrer Uwe Buß (rechts) inmitten von Konfirmanden-Arbeiten zu Stationen der Passionsgeschichte.
Ist Gemeindefest überholt?
Rimbacher sind im Reformprozess und arbeiten an einem Leitbild • Von Andrea Seeger
Wo ist der Raum, neue Dinge
auszuprobieren? Wo können sich
Gemeindegruppen mit ihrer Arbeit vorstellen? In welchem Rahmen neue Mitarbeiter ins Amt
eingeführt werden? Lauter Fragen, die sich die Rimbacher stellen. Gar nicht so einfach, sie zu
beantworten, findet Pfarrer Uwe
Buß.
U
we Buß trägt ein Hemd
in kräftigem Blau, einer
Farbe, die leuchtet wie
der Himmel heute. »Ich habe mir
heute morgen überlegt, was ich
anziehe und ich finde, das passt«,
strahlt er. Ja, das passt. Irgendwie
scheint das ein Grundgefühl zu
sein in dieser Gemeinde. Seit drei
Jahren ist Buß jetzt Pfarrer in
Rimbach. 3000 Gemeindemitglieder gehören dazu, macht anderthalb Pfarrstellen. Vor nicht
allzu langer Zeit waren es noch
zwei ganze Stellen, dann kam das
Pfarrstellenbemessungsgesetz.
»So entstand der Förderverein
Senfkorn«, erklärt Uwe Buß. Die
fehlende halbe Stelle finanzierte
die Gemeinde über den Verein.
Der Prediger Klaus Wolfrum ist
zuständig für Glaubenskurse,
Gottesdienst- und Gemeindeentwicklung. Auch einen Gemeindepädagogen finanziert die Gemeinde, einige zusätzliche Stunden einer Verwaltungskraft, die
Gemeindeband »Living Bones«
sowie die Spatzenchöre.
Rimbach ist Zuzugsgebiet. Das
Martin-Luther-Gymnasium ist
die größte Einrichtung dieser Art
im Landkreis Bergstraße. Es liegt
direkt neben der Kirche, bildet zusammen mit dem Gemeindehaus
eine Einheit. »Viele Mitglieder der
Kirchengemeinde
engagieren
DREI FRAGEN AN ...
... Uwe Buß, Pfarrer der
Kirchengemeinde Rimbach:
?
Welcher Kirchenmann
beeindruckt Sie?
Justin Welby, anglikanischer
Erzbischof von Canterbury.
Welby füllt sein Amt nicht nur
als beeindruckende Leitungspersönlichkeit aus, sondern er
verbindet es auch mit einer tiefen persönlichen Frömmigkeit.
Er setzt sich auf beeindruckende
Weise für die geistliche Erneuerung der Kirche ein.
?
Wo holen Sie sich Anregungen
für Ihre Gemeindearbeit?
Während meines Studiums in
England habe ich mich intensiv
mit der anglikanischen Kirche
beschäftigt. Sie verbindet tradi-
tionelle Formen mit modernen
Elementen. Außerdem vermögen es die verschiedenen Ausrichtungen dieser Kirche – HighChurch und Low-Church – sich
gegenseitig stehen zu lassen. Von
dieser Kirche und einigen sehr
regen Gemeinden in London
hole ich mir viele Anregungen.
Was würden Sie spontan mit
einer 20 000 Euro Spende
anfangen?
?
Die eine Hälfte würde ich dem
Förderverein unserer Kirchengemeinde, dem Senfkorn Rimbach e.V., geben, damit wir auch
weiterhin einen Gemeindepädagogen finanzieren können.
Die andere Hälfte würde ich unseren Partnerprojekten in Ägypten und Kenia zugutekommen
lassen.
sich in hohem Maße«, sagt der
Pfarrer. Das Angebot sei sehr ambitioniert, für jeden Geschmack
etwas dabei. Jeden Sonntag gibt es
eine andere Gottesdienst-Form.
Der Abendmahlsgottesdienst
an jedem ersten Sonntag des Monats läuft unter dem Label klassisch – mit biblisch-theologischer
Predigt, traditioneller Liturgie,
vertrauten Liedern und dem
Abendmahl. Das Prädikat modern bekommt der Alpha-Gottesdienst mit christlicher Popmusik,
lebensnaher Predigt zu aktuellen
Themen, Nachfragen, Interviews
und persönlicher Segnung. »Wenn
es schlecht läuft, besuchen so um
die 120 Gäste diese Art des Gottesdienstes, normal kommen so um
die 250 Menschen«, sagt Buß ein
bisschen stolz.
Unter festlich firmiert der Musikgottesdienst am dritten Sonntag des Monats. Da ist entweder
einer der Kirchenchöre dabei,
Musiker der Kurpfalzphilharmonie wirken mit oder Studierende
der Musikhochschule in Mannheim ziehen die Besucher in ihren Bann. 20 Kilometer liegt Rimbach von Mannheim weg und ist
musikalisches Zentrum. »Hier hat
schon so mancher im Gottesdienst mitgewirkt, der dann ein
Star wurde«, freut sich Uwe Buß.
Zu den musikalischen Gottesdiensten käme ein völlig anderes
Publikum als zu den Alpha-Gottesdiensten, sagt er. Und dann
gibt es ja auch noch die Segensreich-Gottesdienste am vierten
Sonntag. Die laufen unter dem
Beinamen »der Persönliche«. Hier
steht Lobpreismusik modern und
klassisch im Mittelpunkt, es gibt
eine inspirierende Predigt, persönliche Segnung und Gebete für
Anliegen der Gemeinde.
»Natürlich gibt es Gottesdienstbesucher, die jeden Sonntag den Weg in unsere Kirche finden, unabhängig von der Form.
Manche besuchen nur die beiden
modernen, andere nur die beiden
traditionellen. Die Klassiker unter
uns können oftmals nichts mit
der modernen Musik anfangen,
die Lobpreisliederfans umgekehrt
nichts mit dem traditionellen
Liedgut«, sagt Uwe Buß. Seit drei
Jahren ist Buß Pfarrer in Rimbach,
vorher war er in Bromskirchen in
der Propstei Nord-Nassau. Er habe
das Konzept der Vorgänger übernommen. Ein Grund, der für den
Stellenwechsel gesprochen habe,
sei gerade die Vielfalt der Gottesdienstformen gewesen.
Pfarrer möchte Kinder mehr
mitten ins Geschehen holen
»Gleichzeitig erlebe ich die Fixierung der Gottesdienstformen auf
bestimmte Sonntage im Monat
zunehmend als ein Korsett, das
spontane
Änderungen
erschwert«, kritisiert er. Wo sei der
Raum, neue Dinge auszuprobieren? Wo könnten sich Gemeindegruppen mit ihrer Arbeit vorstellen? In welchem Rahmen neue
Mitarbeiter ins Amt eingeführt
werden? Gebe es überhaupt noch
den einen Gemeindegottesdienst
für alle oder hätten sie mittlerweile vier verschiedene Gottesdienstgemeinden? Was ihm fehle, sei
ein Familiengottesdienst. »Wenn
wir mal einen fünften Sonntag
im Monat haben, biete ich einen
solchen an«, sagt Buß. Die Abwesenheit von Kindern im Gottesdienst, die parallel ihren Gottesdienst im Gemeindehaus feiern,
empfindet der Pfarrer als problematisch. »Es ist nicht so leicht,
Kinder in einen Gottesdienst zu
integrieren, in dem hoch qualifizierte Musiker das Geschehen bestimmen oder in den besucherfreundlichen Gottesdienst, bei
dem sich alles um ein herausforderndes
Erwachsenenthema
dreht. Ein Gemeindegottesdienst
sollte aber ein Fest für die ganze
Familie sein. Hier sind wir auf
dem Weg ...«, verrät er.
Seit einem Jahr arbeiten er und
sein Team an einem Gemeindeentwicklungsprozess, sie wol-
RIMBACH
■ Kirchengemeinde Rimbach
Pfarrer Uwe Buß, Markus Eichler
und Prediger Klaus Wolfrum
Staatsstraße 2, 64668 Rimbach
Telefon: 06253/972273
Fax: 06253/972274
E-Mail: [email protected]
len ein Leitbild entwickeln. »Wir
schauen uns beispielsweise alle
Gemeindeveranstaltungen an und
fragen, ob sie für uns noch richtig
sind«, erklärt der Pfarrer. Das Gemeindefest stamme aus einer
Zeit, in der es wenige Alternativen
gab. Heute aber veranstalte jeder
Verein, jede Institution ein Sommerfest. »Wir haben als Konsequenz unser Gemeindefest jetzt
reduziert, beginnen statt morgens erst um 14 Uhr. Statt Grillwürsten gibt es nur noch Kaffee
und Kuchen«, erklärt Buß. Er verstehe die Arbeit in der Gemeinde
als Prozess. Man müsse sich genau ansehen, wer wie viel Arbeit
in welche Aktivität investiere.
Jetzt gerade hat die Gemeinde
eine neue Kantorin ausgesucht,
ihr Kollege ist nach 30 Jahren in
den Ruhestand gegangen. »Wir
haben unter vier Bewerbern eine
Wahl getroffen, und zwar einhellig«, sagt er. Die neue Fachkraft
kommt aus der Nähe von Bielefeld und zieht jetzt nach Rimbach. Vielleicht wird es dann wieder so sein, dass die Rimbacher
Kirche zu klein ist für all die Musikliebhaber, die zum Konzert
kommen. Dann müssen die Rimbacher wieder ausweichen in die
katholischen Kirchen nach Fürth
oder Mörlenbach. »So schlimm«,
sagt Pfarrer Uwe Buß, »ist das nicht.«