Europa kriegt die Krise – Untergang oder

treffpunkt.europa
02.2010
Zeitschrift der Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland
Europa kriegt die Krise
Untergang oder Riesenchance?
Liebe Leserinnen und Leser,
Inhalt
dieses Heft steht zwar im Zeichen der „Krise“, aber seien wir mal ehrlich: Das Krisengerede kann doch niemand mehr Hören und auch die Konjunkturdaten
sprechen dafür, dass wir vielleicht schon 2011 zur Wirtschaftskraft vor dem Banken- und Börsencrash zurückkehren. Blicken wir also zuversichtlich nach vorne,
ohne die Fehler der vergangenen Monate zu ignorieren.
Schwerpunkt
Trotz Griechenland-Hilfen und Euro-Krise bezeichnet Marco Schwarz unsere
gemeinsame Währung konsequenterweise als Schutzschirm vor weiteren Krisen
und ist überzeugt: „Euroland ist längst nicht abgebrannt“ (S. 10–11). Damit
dies aber so bleibt, sei eine nachhaltige Reform der Eurozone unabdingbar. Jan
Seifert, Ex-Bundesvorsitzender und ehemaliger Präsident der JEF Europe,
konkretisiert ebendiese Forderung und erläutert, warum die EU ohne eine echte
Finanz- und Fiskalpolitik nicht mehr zeitgemäß ist. „So leben wir zwar mit
unserer immer noch sehr erfolgreichen europäischen Währung, gleichzeitig trauen wir uns das Regieren dieser Währung aber nicht zu“, heißt es in seinem Artikel
(S. 6–7). Die erneut angestoßene Debatte um europäische Steuern und die
anstehenden Verhandlungen über den nächsten EU-Haushalt werden zeigen, wie
ernst es allen Beteiligten mit dem gemeinsamen Projekt ist.
In unserem Schwerpunkt geht es aber um weit mehr als das liebe Geld. Manuel
Sarrazin, Bundestagsabgeordneter und Präsidiumsmitglied der EUD, sieht
eine „mangelnde programmatische Vorbereitung Deutschlands auf anstehende,
immer noch ungelöste europapolitische Fragen“ und fragt sich, wie europäisch
wir Deutschen eigentlich noch sind (S. 4–5). Während Deutschland langsam
wieder zur Konjunkturlokomotive Europas wird, bleibt also die Frage, ob wir auch
noch der Motor für die Europäische Integration sind.
Eines steht fest: Europa funktioniert nur, wenn es mit Herzblut verfolgt wird!
Vielleicht würde es deshalb helfen, wenn gegenwärtige Entscheider/-innen auch
mal einen Blick in unsere Serie werfen. Nach einem ausführlichen Artikel
über Altiero Spinelli stellen wir weitere Gründungsväter und Wegbereiter der heutigen Europäischen Union vor – diesmal sogar auf drei Seiten (S. 21–23).
Texte und Zeichnungen stammen von Mitgliedern der JEB Berlin-Brandenburg, in
deren Magazin jebz die Portraits zuerst erschienen sind.
Viel Spaß beim Lesen der vorliegenden Ausgabe.
Atempause vor einem heißen Herbst
Europäische Wirtschaftsregierung
Zerbricht Europa an Zeus?
Euroland ist abgebrannt?!
„Das ungeliebte Kind Europa“
Interview mit US Generalkonsul Tribble
04
06
08
10
12
14
Arbeiten in Europa
EPSO: Dein Weg zur Europäischen Union
16
Intern
Neue Gesichter in den Landesverbänden
Interkulturelles Lernen mit Kieler Sprotten
18
20
Serie
Gründungsväter und Wegbereiter
21
Redaktionsschluss
der nächsten Ausgabe ist der 26. September 2010. Der Schwerpunkt der kommenden Ausgabe:
„Europäische Netzpolitik“. Themenartikel oder Veranstaltungsberichte schickt Ihr bitte an
[email protected]. Ein Abdruck steht unter dem Vorbehalt der redaktionellen Bearbeitung und Annahme durch die Redaktion.
Impressum
Vierteljahresschrift der Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland
Ausgabe 02/2010
Herausgeber: Junge Europäische Föderalisten Deutschland
V.i.S.d.P. und Redaktion: Thomas Heimstädt
Layout: Susann Stein, www.susannstein.de
Umschlagfotos: Pietro Naj-Oleari, European Parliament
Druck: Fata Morgana, Verlag: Eigenverlag
Redaktionsanschrift: JEF-Deutschland, Sophienstraße 28/29, 10178 Berlin
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.jef.de/magazin, www.treffpunkteuropa.de
Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.
Die inhaltliche Verantwortung liegt beim jeweiligen Autor.
Diese Publikation wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ.
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Über die Europafähigkeit Deutschlands
Foto: Europäische Kommission
Es ist besonders bemerkenswert, dass ausgerechnet das wirtschaftlich so starke und
selbstbewusste Deutschland in der Debatte um
die künftigen wirtschaftspolitischen Integrationsschritte eine derart defensive und zum Teil
destruktive Rolle eingenommen hat. War doch
die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren
mit Abstand der größte wirtschaftliche Gewinner
des gemeinsamen Binnenmarkts und der Osterweiterung. Zudem ist schon seit langem klar:
der Auftrag der „starken wirtschaftspolitischen
Koordinierung“ aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der EU ist von den EU-Institutionen
und den Mitgliedsstaaten noch nicht erfüllt.
Überdies wurde schon in der Euro-Debatte der
1990er Jahre über das Ungleichgewicht
zwischen einer vergemeinschafteten Währungspolitik einerseits und einer nationalstaatlich
geprägten Steuer- und Haushaltspolitik andererseits diskutiert.
Europa in der Sommerpause
Atempause vor einem
heißen Herbst
Ein Zwischenruf / von Manuel Sarrazin
Europa freut sich über die Sommerpause. Die
letzten Monate waren ereignisreich. Vom Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bis hin zu
den veröffentlichten Stresstests für Banken hat
die Politik in der EU ein unglaubliches Pensum absolviert. Dabei ist festzuhalten: Vieles ist
anders, als wir es gewohnt sind. Gerade wir
Europäer/-innen in Deutschland sollten uns über
die letzten Monate Gedanken machen und uns
auf einen heißen Herbst vorbereiten.
Die Debatte um Kredithilfen für Griechenland, die
revolutionären Ereignisse des EU-Gipfels vom
7. bis 9. Mai, die Diskussion um eine zukünftige
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Europäische Wirtschaftsregierung und die neue
EU-Wachstumsstrategie 2020: Wir haben in
den letzten Monaten miterleben müssen, wie die
deutsche Politik den Ereignissen auf der europäischen Bühne nur noch hinterher gehechelt
ist. Unabhängig von einer – je nach parteipolitischer Prägung – unterschiedlichen Bewertung
dieser Ereignisse ist festzuhalten: Die mangelnde programmatische Vorbereitung Deutschlands auf anstehende, immer noch ungelöste europapolitische Fragen war schädlich für die
deutschen Interessen in der EU. Sie hat vor allem
dem wichtigsten Interesse der deutschen Außenpolitik geschadet: der europäischen Integration.
Diese Themen und Fragen lagen also schon lange
auf dem Tisch. Die massive Verschuldung von
privaten und öffentlichen Haushalten, gesteigert
durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, war eine von vielen möglichen Situationen,
die diese Fragen wieder auf die Tagesordnung
bringen würden.
Wären Bundesregierung, Bundestag, Parteien,
Medien und die Öffentlichkeit auf diese Debatte
besser vorbereitet gewesen, hätte Deutschland im richtigen Moment proaktiv seine Überzeugungen einbringen und positive Impulse für
künftige Lösungen geben können. Stattdessen
rückten Bundesregierung und Medien in einer
Art Burgfrieden zusammen und begannen an einer der Grundüberzeugung aller Europäer/-innen
zu nagen: dem Zusammengehörigkeitsgefühl
aller Bürger/-innen der EU. So wurde aus einer
Schuldenkrise eines kleinen, wirtschaftlich vergleichsweise nicht besonders starken Staates
der EU – Griechenland – der Lakmustest für
die Europafähigkeit des wirtschaftlich stärksten
und politisch unverzichtbaren EU-Mitglieds –
Deutschland. Der Rückfall in nationale Rhetorik
von Regierung und Medien und der fehlende
Wille europäische Lösungen zu gestalten, hat
das Ansehen Deutschlands als Motor der europäischen Integration beschädigt.
lücken aufzuholen, kann von uns nicht länger
hingenommen werden. Beispielhaft hierfür
war das schwache Auftreten Deutschlands bei
den Verhandlungen um die EU-2020-Strategie.
Jahrelang – also auch über die Zeit der jetzigen Regierung hinaus – haben sich Teile in den
Ministerien und in der Regierung geweigert,
überhaupt über eigene Vorstellungen zu Fragen
einer europäischen Wirtschaftsregierung
nachzudenken. Eine Diskussion mit größter Bedeutung für die künftige Aufstellung der EU,
die jetzt über die Bundesregierung hereingebrochen ist und bisher von deutscher Seite kaum
mitgestaltet wurde. Die Medien haben es in den
vergangenen Jahren ebenso verpasst, die
Öffentlichkeit zu einer Auseinandersetzung mit
der Realität des Binnenmarkts zu bringen.
Auch fast 20 Jahre nach der Verwirklichung des
Binnenmarkts 1993 wurde der deutschen
Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt, Deutschland könne einfach so aussteigen – aus
dem Euro oder dem Binnenmarkt.
Uns Europäer/-innen erwartet ein heißer Herbst
mit zahlreichen Richtungsentscheidungen:
von der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts über die stärkere wirtschaftspolitische
Koordinierung, der beginnenden Debatte um die
neue finanzielle Vorausschau, den avisierten
Entscheidungen zur Zukunft der gemeinsamen
Agrarpolitik bis hin zu einer möglicherweise
aufkommenden Diskussion darum, wie ein dauerhafter Hilfsmechanismus für Pleite-Staaten
aussehen soll und wie eventuelle Verfahren von
Staateninsolvenz ausgestaltet werden könnten.
Einerseits werden wir als überzeugte Europäer
dafür zu kämpfen haben, dass in diesen Entscheidungen das Gemeinschaftsprinzip gestärkt
und nicht die Machtverschiebung zu Gunsten
des Rats weiter vorangetrieben wird. Und andererseits werden wir uns auf neuerliche Debatten in der deutschen Öffentlichkeit gefasst
machen müssen, die den Grundsatz der Integrationspflicht und Integrationsverantwortung
in der EU in Frage stellen und schnöde ausrechnen werden, dass es „für die Deutschen“ ohne die
EU ohnehin viel besser sei. In dieser Situation
müssen wir deutlich machen, dass Europa mehr
wert ist! Ohne Deutschlands Beitrag zur europäischen Integration wird das europäische Projekt nicht gelingen können.
Lehren aus den Ereignissen
Die fehlende Bereitschaft in Politik und Medien,
sich sachgemäß mit europapolitischen Fragen – auch in ihren Fachbereichen – zu beschäftigen und eigene Verständnis- und Wissens-
Manuel Sarrazin, MdB, ist Sprecher für Europapolitik, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die
Grünen und kooptiertes Präsidiumsmitglied der
Europa-Union Deutschland.
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Rosige Zeiten – Der Euro vor seiner Krise.
Bild: Europäische Kommission
intergouvernementale Dilemma Europas: Erst
traute sich niemand, ein Politikfeld so umfassend auf die europäische Ebene zu übertragen, wie es zu seiner optimalen Steuerung
nötig wäre.
Europäische
Wirtschaftsregierung –
Kampfbegriff
oder föderale Vision?
European Monetary Union oder Economic and Monetary Union? / von Jan Seifert
Schon lange wird die EU von vielen als Projekt
wirtschaftlicher Integration wahrgenommen.
Wohl nicht nur aus diesem Grund forderten linke
Europapolitiker/-innen erst im vergangenen
Europa-Wahlkampf als vermeintlichen Ausgleich
das „Soziale Europa“. Nach den großen Vertragsänderungen zur Einführung der Einheitlichen
Europäischen Akte (Mitte der 1980er) und dem
Maastricht Vertrag (Anfang der 1990er) fragt
man sich heute allerdings, warum wir auf einmal
so tun, als sei eine „Europäische Wirtschaftsregierung“ etwas Neues. Haben wir nicht schon
lange eine europäische Wirtschaftspolitik, die
gerade auf europäischer Ebene gestaltet wird?
Und hat diese Wirtschaftspolitik etwa keine
„Regierung“?
Europäische Wirtschaftsregierung heute
ist vielfältig – und inkonsequent
Wer glaubt, wir würden beim Thema Wirtschaftsregierung in der EU bei Null anfangen, scheint
die EU nicht zu verstehen. Schon heute gestaltet
die EU zentrale wirtschaftliche Fragestellungen
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– über den Binnenmarkt, die Verbraucherund Umweltpolitik, den Energiemarkt, den Handel, sensible Politiken wie Landwirtschaft
und Fischerei bis hin zur Wirtschaftsförderung
(„Regional- oder Kohäsionspolitik“). Hier besitzt die EU besondere Kompetenzen, das Regieren wird durch den klassischen Dreiklang aus
Kommission, Parlament und Rat wahrgenommen.
Insgesamt besteht also auf Grundlage der klassischen vier Freiheiten (Waren, Kapital, Dienstleistungen und Personen) ein einheitlicher Wirtschaftsraum, wobei dieser in der praktischen
Realität insbesondere im Bereich Dienstleistungen und Personen/Arbeit noch stark ausbaufähig ist. Inkonsequent war die bisherige Integration zum einen bei der Steuerpolitik und zum
anderen im Finanzbereich.
Bei der Währungsunion galt bisher:
europäisch – ja, Regierung – nein
Dass es zur Euro-Krise kommen konnte, ist nicht
unüberraschend für einen Föderalisten. In den
vergangenen Monaten erlebten wir das typische
Und dann als die Krise ausbricht – mit dem
Rücken zur Wand vor populistischer Europakritik
– wagen sich die Regierungen nicht, das Problem
wirklich europäisch (lies: föderal) zu lösen,
um zukünftigen Krisen vorzubeugen. Wer Politikziele nur vorgibt (3% Haushaltsdefizit), aber
keine effektiven Mechanismen besitzt oder einsetzt, wenn eben dieses Ziel von Mitgliedstaaten
übergangen wird, der darf sich nicht wundern,
wenn das ganze Konstrukt des Euro ins Rudern
gerät. Noch bezeichnender ist, dass man sich
nicht einmal gegenseitig in die Karten schauen
lässt (bzw. sehen will). Nur so kann es kommen, dass Eurostat gar nichts anderes machen
konnte, als den gefälschten Zahlen aus Griechenland zu vertrauen. Das Einstimmigkeitsgebot im Rat zur Einführung eines Defizitverfahrens stand einem handlungsfähigen und
konsequenten Europa wieder einmal im Weg. So
leben wir zwar mit unserer immer noch sehr
erfolgreichen europäischen Währung, gleichzeitig trauen wir uns das Regieren dieser Währung
aber nicht zu.
Da die Gesundheit der Staatshaushalte auch in
Zukunft zentraler Faktor für die Stabilität des
Euro sein wird, ist hier mehr „Regierung“ nötig.
Kommission und Rat wollen sich künftig die
Haushalte zu Beginn des nationalen Haushaltsverfahrens genauer anschauen. Sanktionsmechanismen und Mehrheitsentscheidungen bei
Problemen trauen sich die Regierungen aber
weiterhin nicht zu. Ein Wiederholen der Griechenlandkrise lässt sich so kaum verhindern.
Eine Lösung könnte darum sein, Schuldenbremsen wie kürzlich im Grundgesetz verankert,
in jedem Mitgliedsland der Eurozone zur Pflicht
zu machen und in die nationalen Verfassungen
aufzunehmen. Eurostat braucht volle Zugriffsrechte, um die nationalen Statistiken verifizieren zu können. Zu guter Letzt bleibt die Frage
nach dem Ultima Ratio im Falle von weiteren
Defizitvergehen. Hier scheinen Kappungen von
EU-Mitteln für den jeweiligen Staat genauso
eine Option wie die Umsetzung von Strafzahlungen. Der wichtigste Punkt dabei ist das föderale
Kernanliegen: Entscheidungen müssen mit
Mehrheiten gefällt werden.
Die besondere Rolle der Steuerpolitik –
wirtschaftspolitisch sinnvoll
und sozialpolitisch erstrebenswert?
Auch die Frage einer europäischen Steuerpolitik
kam in den vergangenen Wochen und Monaten
wieder in die Diskussion. Das große Problem hier
bleibt aber die Einstimmigkeit, an der sich
auch mit dem Lissabon-Vertrag nichts geändert
hat. Aktuell laufen Bemühungen, die Energiesteuern europaweit zu harmonisieren bzw. leicht
zu erhöhen, um ihre Lenkungswirkung auf
Umwelt und Klima zu stärken. Das Thema wird
aber seit Jahren von der Kommission andiskutiert. Entscheidungen gab es bisher keine. Neben
dieser sinnvollen Angleichung von Energiesteuern stellen sich mittelfristig für das Funktionieren des europäischen Wirtschaftsraumes
zwei Fragen:
1. Können wir es uns leisten, einem Steuerwettbewerb um Steuersätze und Steuersysteme mit
ihren zahlreichen spezifischen nationalen
Ausnahmen und Sonderregeln zuzuschauen?
2. Überlebt die EU mittelfristig ohne eigene bzw.
direkte Einnahmequellen für den EU-Haushalt?
Ein Föderalist verneint beide Fragen. Aber
nicht nur er, sondern jeder, dem am Funktionieren
des Binnenmarktes und der europäischen
Demokratie liegt, kommt nicht um eine integrierte Steuerpolitik auf EU-Ebene umhin.
Bei der Frage nach der Europäischen Wirtschaftsregierung geht es am Ende darum, ob wir
uns in Europa endlich gegenseitig vertrauen und
ein Projekt wie die Währungsunion konsequent
durchsetzen – oder doch nur intergouvernemental kooperieren und ständig in die Falle der
Europaskeptiker tappen. Davon betroffen ist die
Politisierung der nationalen Staatsfinanzen
ebenso wie die Steuerpolitik. Spätestens die
Euro-Krise hat uns vor Augen geführt, dass wir
die „EMU“ im Englischen endlich definieren
müssen: European Monetary Union (aka weiter
so) oder Economic and Monetary Union (aka
Wirtschaftsregierung)?
Jan Seifert war Bundesvorsitzender und
Europapräsident der JEF. Er beginnt gerade eine
Promotion in Public Policy in Singapur.
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Zerbricht Europa an Zeus?
Ein Kommentar zu Luxusrenten, couch potatoes und einer europäischen Schweinegrippe / von Enrico Kreft, Mitglied im Präsidium
der Europa-Union Deutschland
Und was ist passiert? Zunächst wurde in bester
großfamiliärer Tradition erst einmal heftig darüber gestritten, wer die Verantwortung für diese
miese Krise zu tragen hat. Grob stellte sich
bei allem Getöse heraus: Nicht nur Griechenland
durch seine kreative Buchführung, durch sein
Verschweigen von Zahlen etc. trug seinen Teil dazu bei, sondern auch die europäischen Staaten
wie Deutschland, die durch ihre Gier nach Exportabsatzmärkten die Griechen wohlwollend auf
Pump mit allerlei Überflüssigen beliefert haben:
So verzwickt und heikel der Zypern-Konflikt
mit der Türkei auch sein mag, zu viel und überhaupt gelieferte Rüstungsprodukte nach Griechenland sind der reinste Humbug!
Apocalypse now
Die griechische Finanzkrise als die Apokalypse
der EU? Vielmehr bedeutet die Finanzkrise
eine verschärfende Zeitenwende für die griechischen Bürger/-innen: der durch die OECD prognostizierte Anstieg der Arbeitslosenquote auf
14 % kündigt viele harte Schicksale an. Schon
gegenwärtig sind nicht wenige Griechen durch
die eingeleiteten Sparmaßnahmen der griechischen Regierung in ihrer Existenz bedroht.
Arbeitsplatzverlust führt zu sozialen Verwerfungen. Fehlendes Einkommen zerstört
Familien. Fehlende Arbeitsplätze macht die Arbeitssuchenden schwach: Sie arbeiten zu
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schlechten Bedingungen. Und Vertrauen in die
nationale und europäische Politik wird man
so sicherlich nicht fördern – und wir brauchen
gerade eben dieses Vertrauen an die europäische gemeinsame Zukunft!
tungen, durch den Bau und die Unterhaltung
von Infrastruktur, durch Bildungs- und andere Investitionen an. Welche Auswirkungen eine
Pleite auf das Staatswesen und seine Bürger/-innen haben könnte, konnten wir vor ein paar
Jahren am erschreckenden Beispiel Argentiniens
deutlich sehen, sofern wir mit offenen Augen
durch die Welt gegangen sind ...
Auf in die Pleite
Ein paar Stimmen vertreten die Auffassung, es
müsse eine Insolvenzordnung für Staaten
her – wie sie bei Unternehmen und Privatpersonen gegenwärtig üblich ist. Angesichts der
bereits harten sozialen Einschnitte durch die
Sparmaßnahmen ist kaum zu vertreten,
die durch eine Staatspleite wachsenden sozialen
Verwerfungen zu provozieren. Aber auch ganz
grundsätzlich brauchen wir mitnichten so
eine Form von betriebswirtschaftlichem Instrument wie eine Insolvenzordnung, um die
Entschuldung von Staaten voranzutreiben. Was
bringt es denn? Werden Politiker und Bürger
anders handeln? Sie können ziemlich zügig berechnen, wann ihr Staat pleite gehen wird
und darauf ausgerichtet ihre Politik betreiben –
von Wahl zu Wahl gerechnet (auch der Bürger = Wähler rechnet!), ganz nach dem Motto
„Nach mir die Sintflut“!
Erzieherisch wirkt eine Insolvenzordnung für
Staaten sicherlich nicht. Es mag ein aufgeklärter
Ansatz sein, der Verschuldungspolitik etwas
entgegenzusetzen, aber die Wirksamkeit durch
eine Insolvenzordnung bezweifle ich sehr.
Ich will mich nicht für mehr Verschuldung aussprechen, aber dennoch bevorzuge ich einen
hochverschuldeten Staat (d. h. Schulden die viele
Generationen nach uns abtragen müssen)
gegenüber einem in die Insolvenz geschickten
Staat. Schulden fallen nicht vom Himmel:
Sie häuften sich durch die Zahlung von Sozialleis-
Couch potatoes sind Idioten
Die gegenwärtige Krise zeigt: Wir benötigen nicht
nur eine Wirtschaftsordnung in der EU, sondern eine gleichberechtigte Finanz- und Sozialverfassung sowie einen europäischen Gesellschaftsvertrag. Nur so kann eine politische Union
ihre Daseinsberechtigung erringen und für
die Menschen schmackhaft sein. Es besteht vielmehr Gefahr im Verzug für unsere schöne Demokratie: Durch Kürzungen Betroffene werden
zu couch potatoes. Der Rückzug ins Private
verstellt den Blick auf Veränderungen im Demokratie- und Gesellschaftsgefüge. Die Bürger
werden phlegmatisch, die Kräfte des Widerstandes ermüden, die Politik erodiert und entleert
sich ihres Sinns. Die alten Griechen nannten den
Rückzug ins Private Idiotie, im Doppelsinn
von Privatheit und Torheit – der unpolitische
Mensch war der Idiot.
Griechenland in der Ägäis versenken
Foto: David Plotzki, flickr
Der Untergang unseres Abendlandes steht bevor.
Ginge es jedenfalls nach der anspruchslosen
und hetzerischen Boulevardpresse tragen nämlich die alten Griechen ganz allein die Schuld,
weil sie einfach zu frühe und zu hohe Luxusrenten zahlen – dies wurde uns in den vergangenen
Monaten tagein, tagaus eindringlich und bildlich dargestellt.
Das trojanische Sparschwein auf Reisen durch
die EU-Mitgliedsstaaten
Schnell waren die Euroskeptiker in der Krise euphorisiert und konnten ihre einfältige Sicht
breit artikulieren, auch angeregt und motiviert
durch höchstrichterliche Urteile der deutschen
Gerichtsbarkeit. Sie lehnen die EU als solidarisches Werte- und Wirtschaftssystem offensichtlich ab. Sehr schnell verteufelten sie
Griechenland und hätten es am liebsten in der
Ägäis versenkt – die kulturelle Wiege Europas.
Ich krieg die Krise!
Die europäische Schweinegrippe
Und nun? Zunächst bleibt festzuhalten, dass
Griechenland weiterhin existiert wie auch die EU
als Ganzes stabil ist. Die griechische Krise wurde
ziemlich zügig zur Schweinegrippe hochgezüchtet. Wie widerwärtig und zynisch doch rasch
die überlasteten Staaten in dem Akronym PIGGS
zusammengefasst worden sind. Und die europäischen Staaten handelten nach der Devise: Jeder ist sich selbst der Nächste! Doch eines ist
sicher: Die latente Sinnkrise Europas der vergangenen Jahre – gescheiterter Verfassungsvertrag
mit der in Hinterzimmern ausgehandelten Ersatzlösung Lissabon-Vertrag – wird gegenwärtig
von der Schweinegrippe überstrahlt. Wir müssen
die Sinnkrise lösen, um die Währungskrise zu
überwinden – das lange Nichthandeln der europäischen Staaten in der Krise war unverantwortlich.
Ich bin mir dennoch sicher: Auch weiterhin
können wir uns der griechischen Sage bedienen
und die Gründung Europas unseren Kinder
erzählen. Der als Stier verwandelte und verliebte
Zeus verschleppte die schöne Europa nach
Griechenland. Europa vermehrte sich. Und wir hegen und pflegen die Schöne weiterhin, denn was
für uns junge Europäer allein zählt: „Das Erbauliche an unserem Leben ist nicht, was wir erreicht haben, sondern was wir versucht haben.
Das Traurige an unserer Zeit ist aber nicht,
was sie nicht erreicht, sondern was sie nicht
versucht. Im Versuchen aber liegt der echte
Idealismus.“ 1
1 frei nach Ludwig Marcuse über Platon,
in: Der Philosoph und der Diktator.
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Foto: Europäisch Kommission
das sein? Brauchen wir den Euro überhaupt?
Sollten wir nicht zurückkehren zum Gulden, der
Drachme und der D-Mark, wie es sich der
niederländische Schriftsteller Leon de Winter
jüngst im Spiegel erträumt hat?
Sein Traum würde wohl eher zu einem Albtraum
werden. Sicherlich haben Griechenland und viele
andere der 16 Euroländer in den vergangenen
Jahrzehnten auf großem Fuß gelebt und sich um
einen Abbau privater und staatlicher Schulden
wenig gekümmert. Dennoch rechtfertigt das nicht
die maßlose Polemik deutscher Boulevardblätter
gegen die angeblich faulen und korrupten Südeuropäer/-innen, die ganz alleine Schuld an der
Misere sein sollen. Dass auch der Euro in zusehends europakritischen Massenmedien kein
geliebtes Kind ist, hat die jüngste Krise mehr als
deutlich gezeigt. Leider stimmen auch allzu viele
Bürger/-innen in den Abgesang auf den Euro ein.
Wohin geht die Reise für den Euro?
Euroland ist abgebrannt!?
Eine Erwiderung / von Marco Schwarz, Assistent der Geschäftsführung
der Europa-Union Deutschland
Ein Stück Europa trägt jeder von uns täglich bei
sich – in Form einer Münze, als Schein oder digital auf der EC-Karte. Der Euro ist allgegenwärtig
und heute längst zu einer Selbstverständlichkeit
geworden. Es gibt kaum jemanden, der seine
Supermarkteinkäufe im Kopf noch umständlich
in D-Mark umrechnet, bevor er mit Euro an
der Kasse bezahlt. Die Teuro-Debatte ist längst
vergessen und von der gefühlten Inflation
spricht niemand mehr. Die Bürger/-innen haben
es zu schätzen gelernt, wenn sie nicht mehr
umständlich ihre heimische Währung in die des
Urlaubslandes umtauschen müssen. Der Euro
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ist acht Jahre nach seiner Einführung in den
Köpfen angekommen. Also alles wunderbar in
Euroland?
D-Mark Träumereien
Wohl kaum. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat
vor dem Euroraum nicht halt gemacht und die
Gemeinschaftswährung ins Trudeln gebracht.
Nach den Garantieerklärungen für Griechenland
konnte erst ein 750 Milliarden schwerer Rettungsschirm die Spekulationen gegen den Euro
und seinen Kursverfall stoppen. Doch musste
Dabei muss man sich nur einmal vergegenwärtigen, was es für Deutschland und andere Länder
bedeuten würde, gäbe es keine gemeinsame
Währung in Europa. Da der größte Teil deutscher
Exporte in EU- und Euro-Staaten geht, müssten
sich die Unternehmen wieder gegen Wechselkursschwankungen absichern und Währungen
tauschen. Der europäische Zahlungs- und
damit auch Güterverkehr würde erschwert. Als
Export-Weltmeister profitiert kein anderes Land
so sehr vom einheitlichen Zahlungsmittel wie
Deutschland! Ohne den Euro wären die EU-Mitglieder noch anfälliger für Währungsspekulationen, wie das Beispiel Großbritannien eindringlich zeigt. Dort ist es George Soros und Konsorten
Anfang der 1990er Jahre gelungen, das britische Pfund in die Knie zu zwingen. Nur in einer
gemeinsamen europäischen Kraftanstrengung
ist es dieses mal geglückt, Spekulanten auszubremsen und den Angriff gegen den Euro abzuwehren. Auf sich allein gestellt könnten die
Nationalstaaten global agierenden Hedge-Fonds
wenig entgegen setzen. Außerdem wären sie
auf Gedeih und Verderb den Bewertungen der Rating-Agenturen ausgesetzt, die den BeinaheBankrott Griechenlands durch die Herabstufung
seiner Kreditwürdigkeit beschleunigt haben.
Kurz darauf wertete die Agentur Fitch die Bonität
Spaniens ab – ausdrücklich deshalb, weil die
Regierung dort ein milliardenschweres Sparpaket geschnürt hat.
Euro als Schutzschirm vor der Krise
Die Beispiele machen deutlich, dass der Euro
mehr ist als ein gemeinsames Zahlungsmittel.
In einer globalisierten Welt mit immer stärken
privatwirtschaftlichen Akteuren auf den
Finanzmärkten ist der Euro auch ein Garant für
Stabilität und Sicherheit: Er ist ein Schutzschirm
vor der Krise. Damit dies so bleibt, ist eine
nachhaltige Reform der Eurozone unabdingbar.
Den EU-Aufsichtsbehörden müssen mehr
Kontrollrechte gegenüber den Euroländern eingeräumt werden, was auch Empfehlungen
für die nationalen Budgets beinhalten sollte. Der
Stabilitäts- und Wachstumspakt muss überarbeitet werden. Niemandem ist damit geholfen,
wenn einem Land, das in finanziellen Schwierigkeiten steckt, auch noch mit empfindlichen
Geldstrafen gedroht wird.
Ein Europäischer Währungsfond könnte bereits
frühzeitig Kredite für vom Bankrott bedrohte
Mitglieder gewähren und Spekulanten so den
Wind aus den Segeln nehmen. Den auf Profitmaximierung ausgerichteten Finanzmarktjongleuren kann nur durch eine strengere Regulierung
und Kontrolle – wie etwa durch die Einrichtung
einer unabhängigen europäischen Rating-Agentur
und die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer – Einhalt geboten werden.
Eine europäische Wirtschaftsregierung sollte die
Fiskal- und Wirtschaftspolitik der Euro-Staaten
stärker aufeinander abstimmen, um zukünftigen
Krisen vorzubeugen. Hierzu gehören auch die
Konsolidierung der Haushalte und eine bessere
europaweite Koordinierung von staatlichen Subventionen. Die EU sollte bei diesen Fragen
mutig voran gehen und eine globale Vorreiterrolle einnehmen.
Euroland ist noch nicht abgebrannt
Um die Bedeutung des Euros für die europäische
Integration hervorzuheben hat Kanzlerin Merkel
bei ihrer Rede anlässlich der Verleihung des
diesjährigen Karls-Preises an den polnischen Premier Tusk deutliche Worte gefunden: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa, dann scheitert die Idee der europäischen Einigung.“
Pünktlich mit seiner Einführung wurde dem Euro
übrigens im Jahr 2002 der Karlspreis verliehen,
verbunden mit der Hoffnung, dass das gemeinsame Zahlungsmittel die Menschen unseres Kontinents noch enger zusammenführt und die Währungsunion maßgeblicher Impulsgeber für die
Vollendung der politischen Union sein wird. Diese
Hoffnung gilt es auch im kommenden Jahrzehnt
zu bewahren und alles daran zu setzen, dass
dieser wichtige Baustein im europäischen Haus
nicht zertrümmert wird. Der Beitritt Estlands
zur Eurozone im Januar 2011 beweist, dass der
Euro seine Anziehungskraft noch nicht verloren hat. Euroland ist noch längst nicht abgebrannt.
schwerpunkt 02.10
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Foto: European Parliament
„Das ungeliebte Kind Europa“
Ein Weckruf / von Patricia Karl, Landesvorsitzende JEF-Niedersachsen
wird, an dem deutsche Politiker und Beamte nicht
beteiligt waren.
Aber woher kommt es, dass über die EU von unseren Volksvertretern lieber kritisch als bejahend gesprochen wird? Benjamin Disraeli beschrieb einmal: „Es ist viel einfacher, Kritik
zu üben, als etwas anzuerkennen.“ Und in der
Tat, Kritik kann jeder üben, um aber etwas
anzuerkennen bedarf es Wissen. Um Wissen zu
erlangen bedarf es Vorbereitung und Interesse.
So ist es nachvollziehbar, dass nicht jede(r)
Mandatsträger/-in sich ausschließlich mit Europa
beschäftigen kann. Aber das sollte auch nicht
unser Anspruch sein. Nein, genauso wie unsere
Politiker/-innen über Deutschland informiert
sind, sollten sie auch den Anspruch an sich haben, sich mit der EU auseinander zu setzen.
Schließlich ist die EU ist ein wichtiger Bestandteil
unseres Lebens und jede(r) Betroffene sollte
über gewisse entsprechende Grundkenntnisse
verfügen. Kritik ist selbstredend notwendig,
aber nur solange diese konstruktiv ist. Und wenn
nicht die Vertreter des Volkes – wer sonst sollte
mit gutem Beispiel voran gehen?
Populismus zerstört Europa
Europa! Vielfach verschrien, vielfach beschimpft
und noch viel mehr kritisiert. Sicher, das Konstrukt EU ist noch verbesserungswürdig, aber so
schlecht, wie viele Politiker/-innen es darstellen,
ist es nun wahrlich nicht. Hat die EU also eine
Chance, sich in den Köpfen der Politik und der
Bürger/-innen zu etablieren oder bleibt die EU das
Konstrukt aus dem alles Schlechte auf die Nationalstaaten hereinbricht?
Europa, ein für Nicht-Expert(inn)en kompliziertes
und fremdes Gebilde, das aber auf jeder Ebene –
also von der europäischen bis zur kommunalen –
jede(n) EU-Bürger/-in auf der einen oder anderen
Seite betrifft. Von der Arbeitnehmerfreizügigkeit
bis zur großen Währungsreform in 2002 wird
Europa immer sichtbarer, immer augenscheinlicher, immer wichtiger. Kurz gesagt: Europa
wächst zusammen!
ändern zu können. Ja, es stimmt: vieles, was unser alltägliches Leben bestimmt, ist durch
europäische Vorschriften geregelt – was jedoch
keineswegs heißt, dass dies durchweg negativ ist. In letzter Zeit war gerade die Umweltpolitik der EU häufig in aller Munde. So haben sich
die Staaten der EU auf wichtige Standards geeinigt. Der Satz „Umweltverschmutzung kennt
keine Grenzen“ prägt anschaulich die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit. Dabei ist es auch
nicht so, dass die EU die einzelnen Maßnahmen
vorschreibt. Vielmehr werden bei entsprechenden Richtlinien Ziele vorgegeben. Wie diese
Ziele erreicht werden, konkretisieren die Mitgliedsstaaten. Sicher ist es für Politiker/-innen in
den verschiedenen Ebenen leichter zu sagen:
„Ich kann da nichts für, das kommt alles aus Brüssel!“ Gerade dieses Verhalten trägt aber nicht
dazu bei, Verständnis für Europas Entscheidungen zu wecken.
Stammtischparolen vs. Objektivität
Sündenbock EU
Und ist es nicht gerade dann wichtig, dass unsere
Politiker/-innen dies kommunizieren? Stammtischparolen, die geführt werden, um die örtlichen
Wähler/-innen bei Laune zu halten, sollten hierbei von Politiker(inne)n vernachlässigt werden.
Sicherlich ist es leichter „ins gleiche Horn zu
blasen“, dennoch ist es bei diesem wichtigen Thema unabdingbar, einen objektiven Maßstab zu
behalten. Ansonsten hat die EU wohl kaum eine
Chance, ihr teilweise negativ behaftetes Image
12 | treffpunkt.europa | 02.10 schwerpunkt
Wenn „Geld fließt“ oder Positives zu vermelden
ist, nehmen örtliche Politiker/-innen dies für sich
in Anspruch, obwohl es auf europäische Regelungen zurückzuführen ist. Handelt es sich indes
um unangenehme Meldungen, wird mit erhobenem Finger auf Brüssel gezeigt und so getan, als
hätte die deutsche Politik keine Handhabe. Die
EU wird zum „Sündenbock“ abgestempelt, obwohl
in den EU-Institutionen kein Beschluss gefasst
„Populismus zerstört Europa“ so beschreibt Robert Menasse in seinem Artikel in der Zeit
(20. Mai 2010) die demokratische Gefahr. „Nicht
der Brüsseler Zentralismus, sondern die politische Rücksichtnahme auf nationalistische Volksstimmungen in den Mitgliedsstaaten gefährdet
die EU“. Gerade Europa ist häufig mit populistischen Erscheinungen konfrontiert. Dieses ist
wohl darauf zurückzuführen, dass sich Teile
der Gesellschaft politisch nicht mehr vertreten
fühlen. Das Fehlen politischer Repräsentation
führt immer wieder zu Kurzschlusshandlungen
in der Parteienlandschaft. Auch die Abwesenheit wirklicher politischer Differenzen zwischen
den etablierten Parteien spiegelt sich in den
europäischen Entscheidungsprozessen immer
wider. Kommt dann noch die Haltung der Po-
IMMER NUR
GEJAMMER,
GEMECKER,
GESCHREI?
litik hinzu, sich nicht selbst zu reflektieren, zu
analysieren und in Frage zu stellen, führt dies
häufig zum Missfallen der öffentlichen Meinung.
Gerade auch die mittlerweile vorhandene Uniformität der Parteienlandschaft lässt häufig keine wirklichen Alternativen erkennen. Gerne
wird aber auch seitens der Politik mit den Ängsten
der Menschen gespielt, um Wählerstimmen
halten zu können. Komplizierte Themen werden
hingegen ungeachtet ihrer realen Bedeutung
vermieden oder in ihrer Bedeutung heruntergespielt, da sie keinen Nutzen bringen.
Herausforderungen meistern
Aber wie kann dem Populismus kraftvoll entgegengetreten werden? Die EU muss wieder viel
stärker in den Fokus gerückt werden. „Die EU als
Grundstein für die wirtschaftliche und politische
Einigung europäischer Staaten“, „Die EU als
Friedensmotor“ – das sind Themen, die Europa
ausmachen, die hervorgehoben und dargestellt
werden müssen. Europa muss im Ergebnis verständlicher, transparenter und nachvollziehbarer
erklärt werden. Es ist nicht nur Aufgabe von
Lobbyverbänden, Vereinen, Medien und Interessenverbänden, sondern auch der Politik, sich
offen, gerecht und unpopulistisch der Situation
zu stellen, auch wenn dies zu Konfrontationen
und unangenehmen Gesprächen führen kann.
Populismus alleine hilft nicht weiter, Populismus
hemmt die Fortentwicklung der EU und auch
unsere Zukunft in der EU. Europa ist wichtig, gerade für junge Menschen birgt sie viel Potential.
Durch die Harmonisierung z. B. der Arbeitnehmerfreizügigkeit und des Binnenmarktes werden
jungen Menschen Möglichkeiten aufgezeigt, die
noch vor wenigen Jahrzehnten nicht für möglich
gehalten wurden. Schüler- und Studentenaustausche, Arbeiten in anderen europäischen Ländern, Reisen und Studieren macht die EU gerade
für uns interessant, wichtig und erfahrbar.
Lasst uns dafür kämpfen, dass die EU nicht
untergeht!
DU FINDEST, DIE EU HAT DAS
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schwerpunkt 02.10 | treffpunkt.europa | 13
Europa präsentiert sich
uns facettenreich!
Europa und die Krise aus US-amerikanischer Sicht. Ein Gespräch mit
dem US Generalkonsul in München Conrad R. Tribble / von Thomas Wittmann,
Junge Europäer Bayern
Herr Generalkonsul Tribble, ist Europa wirklich
in der Krise oder neigen wir gerade zu Überreaktionen?
Verschiedene Länder definieren „Krise“ vielleicht
unterschiedlich. Wir haben die Ereignisse bei
uns in den USA als Wirtschaftskrise beschrieben
und akzeptiert. Auch hier in Europa hat es über
die vergangenen paar Jahre eine gewisse Wirtschaftskrise gegeben, aus der man aber jetzt
langsam wieder herauskommt. Daher sehen wir
nicht, dass überreagiert wurde – weder bei uns,
noch hier in Europa. Es gab wirtschaftliche
Entwicklungen, auf die man reagieren musste.
Die Krise sehe ich jedoch nicht darin, dass
verschiedene Staaten in Europa unterschiedliche
Meinungen in eine Diskussion gebracht haben
und zu verschiedenen Lösungsansätzen gekommen sind. Das ist keine Krise, sondern ganz
normal, und daraus entwickeln sich Lösungen.
Was sind die Ursachen der Krise in Europa?
Die Krise hat in den USA natürlich viel früher angefangen und ist dann auf Europa übergeschwappt. Dies verdeutlicht, dass die Globalisierung ein Fakt ist. Europa hat darunter gelitten,
dass die Auswirkungen diese Tragweite hatten.
Zudem sind auch strukturelle Probleme in bestimmten europäischen Ländern erst verspätet
ans Licht gekommen.
Hat sich das amerikanische Verhältnis
zu Europa in letzter Zeit verändert?
Grundlage ist auf unserer Seite, dass wir die Idee
Europas und die Entwicklung der Europäischen
Union, die Integration in Europa und die Erweiterung der EU begrüßen. Das ist positiv für uns,
da es unseren Partner auf der anderen Seite des
Atlantiks stärkt. Und wir wollen einen starken
Partner haben! Zwar erkennt man in ein paar Jahren nur wenige Änderungen, aber ganz gewiss
steht das Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags
14 | treffpunkt.europa | 02.10 schwerpunkt
im Mittelpunkt. Und da sind Änderungen im
Umgang mit Europa schon eingetreten. Wir müssen uns jetzt mit neuen Institutionen und
Personalien auseinandersetzen, wie einem EURatspräsidenten, einer EU-Außenministerin
oder einem gestärkten Europaparlament.
Sind die Amerikaner in Bezug auf Europa
vorsichtiger geworden?
Vielleicht sind wir insgesamt eher vorsichtiger
geworden was Investitionen anbelangt,
aber nicht spezifisch in Bezug auf Europa. Denn
Europa ist ein begehrter Partner. Der Sturm hat
sich ein bisschen gelegt. Dennoch merken wir,
dass sich viele amerikanische Firmen für Europa
interessieren. Der momentan schwache Euro
ist positiv für die amerikanischen Firmen, die hier
in Europa investieren wollen. Es ist auch günstiger geworden für amerikanische Touristen.
Bewegen sich die europäischen Staaten
zu- oder auseinander?
Man merkt durchaus, dass es Entwicklungen
gibt – aber in beide Richtungen. Unter anderem
eine verstärkte Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips. Man sieht in gewissen Entscheidungsprozessen, dass sich die Entscheidungsfindung nach unten verlagert, das heißt auf
die Regionen und nicht auf die europäische
Ebene. Auf der anderen Seite gibt es in bestimmten Bereichen eine Entwicklung in Richtung
einer gesamteuropäischen Politik. Historisch gesehen ist klar, dass die Tendenz von den 50er
Jahren bis jetzt sich deutlich in Richtung Souveränitätsabgabe auf europäische Institutionen
hin bewegte.
tegration vieles überraschend, insbesondere
wie schnell, tief und stark dieser Integrationsprozess vorangekommen ist. Wohin das
genau gehen soll, müssen die Europäer selbst
beantworten.
Wären die United States of Europe nicht
eine Konkurrenz zu den USA?
Die gleiche Frage könnte man auch stellen bezogen auf die heutige EU. Nein, denn wir wollen
einen starken Partner für die globalen Herausforderungen. Wir können gut mit Konkurrenten
umgehen, die auch sehr enge Partner sind. Konkurrenz ist schließlich nicht unbedingt schlecht.
Wäre dann eine Zusammenarbeit
leichter oder schwerer?
Wir nehmen Europa so, wie es sich uns präsentiert. Im Moment präsentiert es sich als sehr
facettenreich. Auf der einen Seite ist ein geschlossenes Europa, eine Gemeinschaft, die sich
in vielen Bereichen einigt und dann auch so
auftritt. Auf der anderen Seite sind die Mitgliedsstaaten immer noch sehr wichtig. Wir können
auf beiden Ebenen konstruktiv zusammenarbeiten. Zwar wissen wir, dass es nicht einfach ist,
aber wenig ist einfach in der Politik. Jedenfalls
arbeiten wir gerne mit dem Europa, das sich jetzt
im Jahr 2010 sehr interessant präsentiert –
mitunter kompliziert, aber handlungsfähig.
Vor gut 30 Jahren hat Henry Kissinger nach
der Telefonnummer Europas gefragt. Wen würde
er heute anrufen?
Es gibt mehrere, die er anrufen könnte. Mit etwas
Humor hat er ausgedrückt, was einfach eine Beschreibung der damaligen Europäischen Gemeinschaft war. Das ist eigentlich keine freche Frage,
sondern eher ernst gemeint: Wie können wir
am besten mit Europa zusammenarbeiten? Wir
haben jetzt ein paar neue Ge-sprächspartner/innen auf höchster Ebene. Aber auch die Kommission und ihren Präsidenten dürfen wir nicht
vergessen. Neun Monate nach Inkrafttreten des
Lissabonner Vertrages wird immer noch aufgearbeitet, welche Nummer Europa denn auf seine Visitenkarte schreibt. Im Vergleich zu den 70er
Jahren, als Kissinger diese Frage gestellt hat,
kann man durchaus erkennen, dass Europa vor
allem in außenpolitischen oder auch handelspolitischen Fragen versucht zusammenzurücken,
um sich stärker als Einheit zu präsentieren.
Wann würden Sie Catherine Ashton anrufen?
Das haben wir schon mehrere Male getan, zu
verschiedensten Themen. Aber all das ist erst im
Werden. Erstmal müssen sich Ashton und der
neue Auswärtige Dienst etablieren. Es wird sich
erst in den kommenden Monaten und Jahren
herauskristallisieren, zu welchen Themen man
mit wem spricht.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mehr über das US Generalkonsulat in München:
twitter.com/usconsmunich
facebook.com/usconsulatemunich
US Generalkonsul Conrad R. Tribble
Wird es irgendwann zu den United States
of Europe kommen?
Man kann sich alles vorstellen. Rückblickend
kam in den über 60 Jahren der europäischen In-
schwerpunkt 02.10
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treffpunkt.europa
| 15
EPSO: Dein Weg zur
Europäischen Union?!
Das Bewerbungsverfahren der EU-Institutionen / von Christian Sander,
Mitarbeiter des Europa Direct Informationszentrums Trier
Und was ist neu?
Mit dem neuen EPSO-Verfahren werden Bewerbungen bei der EU deutlich einfacher, schneller
und übersichtlicher. So wurden einige Schritte
aus dem Verfahren herausgenommen, das
deshalb auch nur noch sieben bis neun Monate
statt wie bisher über ein Jahr dauert. Darüber hinaus gibt es von nun an jährliche Serien von
Auswahlverfahren für bestimmte Jobprofile, so
dass sich eine Bewerbung deutlich einfacher
planen lässt. Trotz dieser Vereinfachungen sollte
man sich klar machen, dass das Bewerbungsverfahren ein aufwändiger Weg bleibt, der sowohl
zeit- als auch planungsintensiv ist.
Wer kann sich bewerben?
Grundvoraussetzung für eine Bewerbung bei der
EU sind: Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaates, Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte, ausreichende Kenntnisse in einer
weiteren Amtssprache. Zudem müssen Interessent(inn)en den Verpflichtungen der für sie
geltenden Wehrgesetze nachgekommen sein.
Darüber hinaus werden in den Bekanntmachungen des Auswahlverfahrens unter Umständen weitere Qualifikationen oder ggf. Berufs-
16 | treffpunkt.europa | 02.10 arbeiten in europa
erfahrungen genannt, die die Kandidat(inn)en
vorweisen müssen. Wer diese allgemeinen
Anforderungen erfüllt, dem stehen je nach Interesse und Bildungsabschluss verschiedene
Wege in die EU-Institutionen offen:
˙Hochschulabsolvent(inn)en können sich auf die
Laufbahn als Administratoren (AD-Beamte)
bewerben. Europäische öffentliche Verwaltung,
Recht, Wirtschaft, Audit, Informatik und Kommunikationstechnologien sind nur einige
der Sachgebiete. Unabhängig davon werden die
meisten Hochschulabsolvent(inn)en in der
Verwaltung und im Management eingesetzt.
Arbeitnehmer/-innen
ohne Hochschulabschluss
˙
haben die Möglichkeit, als Assistenten (ASTBeamte) bei der EU zu arbeiten. Diese führen vor
allem Sachbearbeitungstätigkeiten aus.
˙Dolmetscher/-innen und Übersetzer/-innen
müssen i. d. R. mindestens zwei EU-Amtssprachen neben ihrer Muttersprache beherrschen. Unter Umständen werden aber auch
spezifische Sprachkombinationen verlangt.
˙Spezialisten sind Arbeitnehmer/-innen, die von
der EU für sehr spezifische Berufsfelder
eingestellt werden, etwa als Juristen, die sich
auf ein Fachgebiet spezialisiert haben.
Wie läuft das EPSO-Verfahren ab?
Im Wesentlichen besteht das EPSO-Verfahren aus
zwei Stufen (vgl. Abbildung). Nach einer OnlineRegistrierung auf der Homepage des Dienstes unter europa.eu/epso können sich Kandidat(inn)en
zur ersten Stufe (dem Zulassungstest) anmelden. Je nachdem, für welche Laufbahn sich die
Teilnehmer/-innen interessieren, gelten unterschiedliche Fristen. Die Tests finden in allen
Mitgliedsstaaten und an fünf Standorten außerhalb der EU statt. Während dieser Stufe werden vor allem Kompetenzen und weniger Wissen
abgefragt, so entfallen bspw. die gefürchteten
Fragen zur Geschichte der EU. Die Kandidat(inn)en erwarten stattdessen computergestützte,
kognitive Tests zur Beurteilung des sprachlogischen Denkens, des Zahlenverständnisses
Grafik: EPSO
Ein Arbeitsplatz bei einer der vielen Einrichtungen
der EU? Sicherlich eine der spannendsten
Berufsoptionen und Karrieremöglichkeit für europabegeisterte junge Arbeitnehmer/-innen.
Der Weg dorthin führt über das Europäische Amt
für Personalauswahl (EPSO), das seit 2003
die Auswahl des Personals für die meisten EUInstitutionen übernommen hat. Wer bei der
Kommission oder im Parlament, im Ausschuss
der Regionen oder beim Europäischen Bürgerbeauftragten arbeiten möchte, kommt um das
EPSO nicht herum. Nur wenige Institutionen –
etwa manche Gemeinschaftsagenturen –
wählen ihr Personal noch selber aus. Im März
2010 führte EPSO ein neues Personalauswahlverfahren ein, das die zum Teil verwirrende
und langwierige alte Prozedur ablöst.
und des abstrakten Denkens sowie Tests zum
situationsbezogenen Urteilsvermögen. Alle
Prüfungen werden 2010 in der zweiten Sprache
des Bewerbers durchgeführt.
Bewerber/-innen, die den Zulassungstest erfolgreich absolviert haben, werden zur zweiten
Stufe des Verfahrens eingeladen, dem Assessment-Test. Dort werden neben jobspezifischen Kompetenzen und Kenntnissen vor allem
Schlüsselkompetenzen getestet, die für alle
Berufsfelder von Bedeutung sind, wie etwa Kommunikation, Qualitäts- und Ergebnisorientierung
oder Belastbarkeit. Normalerweise werden
die Prüfungen in der zweiten Sprache des Bewerbers durchgeführt (Englisch, Französisch
oder Deutsch), außer wenn das Jobprofil andere
Sprachkenntnisse erfordert. Unabhängig als
was man sich bei EPSO bewirbt, im Mittelpunkt
des Assessment-Centers stehen die Schlüsselkompetenzen. Allerdings unterscheiden sich
die Tests je nach Berufsgruppe.
zur Veröffentlichung einer neuen Liste im gleichen Sachgebiet gültig. Unter Umständen
kann es länger dauern, bis alle Bewerber/-innen
auf der Reserveliste zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden. Zudem ist ein Platz
auf einer Reserveliste nicht mit einem Anspruch auf eine Einstellung bei einer Institution
verbunden. Wer nicht warten möchte, hat
auch die Möglichkeit, sich bei den Institutionen
oder Dienststellen persönlich vorzustellen.
Von großer Bedeutung ist es, den Lebenslauf im
EPSO-Konto stets auf dem aktuellen Stand zu
halten. Denn die Personalabteilungen der Institutionen durchsuchen die Reservelisten auf der
Grundlage der Informationen, die die Kandidaten
unter Berufserfahrung und Schul- und Berufsbildung angegeben haben. Wenn sich eine Institution für einen Bewerber interessiert, wird sie
diesen auf der Liste „vormerken“. Solange eine
Vormerkung besteht, darf keine andere Institution um eine Anstellung oder ein Vorstellungsgespräch bitten. Viel Erfolg beim Bewerben!
Und wie geht es weiter?
Unmittelbar nach Abschluss eines Auswahlverfahrens übermittelt EPSO den EU-Institutionen eine Liste der erfolgreichen Bewerber/innen. Bei diesen sogenannten „Reservelisten“
handelt es sich um eine Aufstellung aller geeigneter Bewerber/-innen, die für einen EU-Job in
Frage kommen. Diese Listen sind mindestens
ein Jahr nach Abschluss des Verfahrens und bis
Ausführliche Informationen zum Bewerbungsverfahren finden sich auf der Homepage des Dienstes unter europa.eu/epso.
Dabei lohnt sich besonders ein Blick auf die Zeitplanung für die Auswahlverfahren:
europa.eu/epso/doc/epso_planning_de.pdf.
arbeiten in europa 02.10
|
treffpunkt.europa
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Moin, Servus, Hallo
und manchmal auch
Auf Wiedersehen!
Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Saarland und Sachsen haben gewählt.
Viele alte, aber auch zahlreiche neue Gesichter übernehmen in den Landesverbänden die Ruder / von Thomas Heimstädt
Für die JEF in Deutschland ist es schon fast ein
Superwahljahr. Nicht nur wird im Oktober in
Berlin ein neuer Bundesvorstand gewählt, auch
gab es in zahlreichen Landesverbänden Wahlen
und Neubesetzungen. Auf ihre Ziele für die
kommende Amtszeit angesprochen, finden sich
trotz aller regionalen Unterschiede (wie sie
sich für einen föderalen Verband nun mal gehören) auch viele Pläne, die die neuen Vorstände
gemeinsam haben. Deutlich mehr junge
Menschen sollen über die JEF informiert und zum
Mitmachen motiviert werden. Außerdem
sollen die Kreisverbände und Hochschulgruppen
gestärkt und grenzüberschreitend stärker
kooperiert werden. Junge Menschen machen sich
deutschlandweit stark für Europa: Aber wer
sind die neuen Gesichter und was haben die Landesverbände sonst noch vor?
schäftsführerin) sowie Katherina Grafl, Marian
Schreier, Matthias Waibl, Peter Frittmann
und Sebastian Seeger als Beisitzer/-innen. Gemeinsam möchten sie die erfolgreiche Arbeit
des Landesvorstandes fortsetzen und in einigen
Punkten, wie z. B. Homepage-Gestaltung und
Pressearbeit, verbessern.
Im Juni fand in Überlingen am Bodensee die
Landesversammlung der Jungen Europäer – JEF
Baden-Württemberg statt. Nach den Grußworten
der Europaabgeordneten Michael Theurer und
Rainer Wieland zog Daniel Matteo eine positive Bilanz der Amtszeit seines Vorstandsteams. „Mit
unseren Veranstaltungen vor Ort konnten wir viele junge Menschen für die JEF gewinnen. In den
zwei Jahren haben wir dadurch unsere Mitgliederzahl fast verdoppelt“, so der Landesvorsitzende.
Die an diesem Wochenende anerkannte Gründung des Kreisverbandes Rems-Murr durch den
Landesverband steht sinnbildlich für die erfolgreiche Arbeit.
Der alte und neue Landesvorsitzende Matthias
Zürl konnte sich neben den vielen angereisten
Teilnehmer/-innen auch über Politprominenz als
Gäste freuen. Neben Ismail Ertug, MdEP und
lokales Mitglied der JE Bayern begrüßte der Verband Karl Holmeier, MdB, den Landtagsabgeordneten Karl Vetter, Dr. Gerhard Sabathil von der
EU-Kommission und den stellvertretenden Landesvorsitzende der Europa-Union Bayern,
Baron von Cetto. Neben Matthias wurden in den
Landesvorstand gewählt: Benjamin Bögel,
Sebastian Kleinhenz, Jonas Lang und Simon Sterbenk (Stellvertreter), Thomas Uhrle (Landesschatzmeister), Steffi Kern (Schriftführerin),
Leopoldine Chazeaud (Landesgeschäftsführerin)
sowie Nadja Hirsch, MdEP, Ismail Ertug, MdEP,
Isabella Hopp, Christoph Czakalla und Thomas
Wittmann (Beisitzer).
Bei der anschließenden Neuwahl des Landesvorstandes trat Daniel nicht mehr als Landesvorsitzender an. Als sein Nachfolger wurde Jonathan
Berggötz gewählt. Neben ihm gewannen das
Vertrauen der Delegierten: Angelika Schenk, Sophie Waldschmidt und Martin Renner (alle drei
stellvertretende Landesvorsitzende), Leander
Creusen (Schatzmeister), Isabell Huber (Ge-
18 | treffpunkt.europa | 02.10 lokal
Ebenfalls im Juni waren die Jungen Europäer
Bayern in Bad Kötzting zu Gast. Die zweitägige
Tagung wurde durch den Kreisverband Cham
organisiert. Benjamin Bögel, der Vorsitzende und
sein Stellvertreter Christoph Czakalla, haben sich
mächtig ins Zeug gelegt, um den Teilnehmern
ein umfangreiches, informatives Programm zu
bieten. Neben den Vorstandswahlen diskutierten
die knapp 50 jungen Menschen aus ganz
Bayern zwei Tage lang über die Zukunft Europas.
Bereits im April wurde im Saarland ein neuer Landesvorstand gewählt. Neuer Landesvorsitzender
ist Roman Pfeiffer. Als stellvertretende Landesvorsitzende wurden Ronit Deggelmann, Christine
Jung und Fabian Klein gewählt. Philipp Klos übernimmt das Amt des Schatzmeisters. Die ehemalige Vorsitzende Inga Wachsmann bleibt weiterhin Delegierte im Bundesausschuss,
während Beate Brockmann dem neuen Landesvorstand aus beruflichen Gründen nicht mehr
zur Verfügung steht.
Die JEF Saar möchte den guten Kontakt zur Europa Union Saar aufrechterhalten und die
Beziehungen zu den politischen Jugendparteien
intensivieren. Erklärtes Ziel ist es ebenfalls,
neue Mitglieder an der Universität des Saarlandes
zu gewinnen, um eine aktive Hochschulgruppe
zu etablieren. Nicht nur aufgrund der geographischen Lage des Saarlandes wird es überdies
weiterhin Exkursionen sowie länderübergreifende Veranstaltungen mit den Partnerverbänden
in Frankreich und Luxembourg geben.
Fotos von oben: JEF Bremen, Junge Europäer –
JEF Baden-Württemberg und JEF Saarland
Kontakt zu den jeweiligen Landesvorständen
findet ihr am einfachsten über die entsprechenden
Webseiten.
In Sachsen geht eine lange Amtszeit vieler alter
Bekannter zu Ende. Mit Manja und zweimal
Martin scheiden gleich drei altverdiente JEFer
aus dem Landesvorstand aus. Dennoch sind
wir zuversichtlich, dass bei der JEF Sachsen keine Lücke entstehen wird. Der neue Landesvorstand – bestehend aus Michael Bechter (Vorsitzender), Christian Glatz (Stellvertreter), Julia
Ende (Schatzmeisterin) und Maxim Asjoma
(Beisitzer) – möchte in den kommenden Monaten
die JEF im Landtag vernetzen und sie dadurch
auf Landesebene in den Fokus der politischen
Entscheidungsträger rücken. Eine Mitgliedschaft
in der Europäischen Bewegung des Freistaats
wird dabei ebenso angestrebt wie neue Kontakte
zu den Europabeauftragten der demokratischen
Parteien des Landtages und der entsprechenden politischen Jugendverbände. Ein weiteres,
großes Ziel ist die längst ausstehende Bildung
von Kreisverbänden in ganz Sachsen. Um den
Austausch und die Zusammenarbeit mit der JEF
in Europa zu fördern, soll verstärkt Kontakt mit
der JEF Tschechien aufgenommen werden. Nicht
zuletzt sollen die Ideen der Mitglieder auf der
Landesversammlung aufgegriffen und einzelne
Projekte, wie z. B. eine politische Diskussion in
der Straßenbahn in Chemnitz, umgesetzt werden.
Last but not least: Seit Mai hat auch die JEF
Bremen einen neuen Landesvorstand. Neue Vorsitzende ist Beatrice Naß. Maren Neudeck
ist ihre Stellvertreterin. Daniel Kosak wurde zum
Schatzmeister und Nele Ewers-Peters zur
Finanzprüferin gewählt. Einzige Beisitzerin ist
Karen Wille. Als einer der kleinsten Landesverbände begeben sich die Bremer zuerst einmal
auf die Suche nach Neu-Mitgliedern – Aktionen
bspw. am Tag der Sprachen oder Planspiele in
Schulen sollen hierbei helfen.
lokal 02.10
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treffpunkt.europa
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Interkulturelles Lernen mit
Kieler Sprotten
Wie junge Menschen aus Polen, Deutschland und der Russischen Föderation
bei einem Fotoprojekt Vorurteile ab- und Freundschaften aufbauen
Von Catharina Schütze
Aller Anfang ist schwer – das musste auch die
JEF Kiel bei der Suche nach freiwilligen Schüler(inne)n für den historisch-fotografischen Jugendworkshop „Baltische Landschaftsbilder.
Im Einklang mit Natur und Tradition“ feststellen,
der im Rahmen des 8. Parlamentsforums Südliche Ostsee vom 16. bis 23. Mai in Polen stattfinden sollte. Vom Kieler Landtag mit dem
Projekt betraut, waren wir am Ende doch erfolgreich und konnten mit vier Kieler Schüler(inne)n
(17–18 Jahre) der Max-Planck-Schule die Vorbereitungen für den Workshop treffen, der von
der Borussia-Stiftung aus Allenstein organisiert
und der Selbstverwaltung der Woiwodschaft
Ermland und Masuren sowie dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk finanziert wurde.
Wie die anderen Teilnehmer/-innen aus Polen und
der Russischen Föderation fotografierten die
Schüler/-innen typische Merkmale ihrer Region –
beispielsweise die Kieler Förde und Bunker.
Bestimmte Motive wie blühende Rapsfelder und
die Architektur der Hansezeit fanden sich in
allen Gruppen wieder und verdeutlichen die Erkenntnis, einem gemeinsamen Kulturraum
anzugehören. Die genauen Einzelheiten waren
zuvor auf mehreren Planungstreffen festgelegt
worden. Ziel des Workshops sollte eine gemeinsame dreisprachige Wanderausstellung sein.
Mit den Fotos ging es auf nach Janow, einem
beschaulichen Dorf in der Nähe der Stadt Elbing.
Als Unterkunft für die Organisator(inn)en,
Nina Neumann und Catharina Schütze von der
JEF, und den etwa 30 Teilnehmenden im Alter
zwischen 16 und 28 Jahren diente das Schloss
des Ortes. An der Ausstellung wurde Tag und
Nacht gearbeitet. Jede Region wählte Fotos für
die Ausstellung aus und schrieb Texte dazu,
die wiederum in die anderen Sprachen übersetzt
wurden. Auf Grund der verschiedenen Vorstellungen wurden rege Diskussionen zwischen allen
Beteiligten geführt. Angenehme Abwechslung
boten die nationalen Abende, wofür wir extra
Kieler Sprotten aus Schokolade, Flensburger Pils
und Lübecker Marzipan mitgebracht hatten.
Interessant waren auch die verschiedenen Ausflüge in die Umgebung und die Fahrt zum
Frauenburger Dom, wo wir an der Beisetzung von
Kopernikus teilnehmen durften. Grenzüberschreitende Freundschaften wurden nicht nur an
den feucht-fröhlichen Abenden geknüpft.
Höhepunkt des Workshops war die Eröffnung der
Ausstellung auf dem hochkarätigen Parlamentsforum am Tag unserer Abreise. Aus jedem
Land durfte ein(e) Teilnehmer/-in eine Rede
halten. Besonders der Vortrag unserer Delegation, gehalten von Younes Tabi, wurde mit großer
Begeisterung aufgenommen – so auch von
den Abgeordneten aus Schleswig-Holstein, die
die Ausstellung am 23. August im Kieler
Landtag begrüßen werden.
Catharina Schütze (JEF Schleswig-Holstein)
hat in diesem Jahr ihr Anglistik-Studium in Kiel
absolviert und ist angehende Journalistin.
Die Kieler vor dem Schloss Quittainen,
das vor allem durch die letzte deutsche
Besitzerin, Publizistin und Schriftstellerin Marion Gräfin Dönhoff, bekannt
geworden ist. Von links nach rechts:
Ferdinand Zeidler, Nina Neumann (JEF),
Vanessa Kläschen, Catharina Schütze
(JEF), Jendrik Schröder und Younes Tabi.
20 | treffpunkt.europa | 02.10 lokal
Anlässlich des 60jährigen Jubiläums der Schuman-Erklärung veröffentlichte die JEB Berlin-Brandenburg eine erste Printausgabe ihres Magazins „jebz“. Darin stellten sie Gründungsväter und
Wegbereiter der Europäischen Union vor. Wir freuen uns über eine Genehmigung zum Nachdruck.
Texte von Elisabeth Lier / Zeichnungen von Arian Lehner
Winston Churchill
Jean Monnet
* 30. November 1874, Woodstock
† 24. Januar 1965, London
* 9. November 1888, Cognac
† 16. März 1979, Paris
Gründungsvater weil ... er bereits 1946 in einer
aufsehenerregenden Rede in Zürich die „Vereinigten Staaten von Europa“ forderte und somit
zu den Vordenkern der Europäischen Union zählt.
Gründervater weil ... er die wesentlichen geistigen Inhalte des Schuman-Plans entwickelte.
Davon ausgehend machte Schuman den ersten
Schritt zur Europäischen Integration.
Churchill war einer der bedeutendsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts. Er wurde darüber
hinaus angesehener Autor politischer und
historischer Werke und erhielt 1953 den Literaturnobelpreis. Als er 1940 Premierminister
wurde, setzte er alles daran, Hitler-Deutschland
zu besiegen. Dies brachte ihm den Beinamen
„Kriegspremier“ ein. 1945 wurde seine Regierung
jedoch abgewählt. Als konservativer Oppositionspolitiker lieferte er wesentliche Denkanstöße
zur Europa-Idee. Churchills Vision von den
„Vereinigten Staaten Europas“ sollte eine Union
aller beitrittswilligen Staaten Europas sein – ein
erster Schritt zur Gründung des Europarates.
Dabei sprach er Frankreich und Deutschland eine
führende Rolle zu. In diesem Gebilde sollten
seiner Vorstellung nach alle Völker Europas in
den Genuss von Demokratie und Menschenrechten kommen. Mit 76 Jahren wurde Churchill ein
zweites Mal Premierminister. In seiner Entwicklung vom „Krieger“ zum Staatsmann legte er nun
besondere Priorität auf die Versöhnung der
ehemaligen Kriegsgegner. Für seine Verdienste
um den Europa-Gedanken und ein friedliches
Europa wurde er 1956 in Aachen mit dem Karlspreis ausgezeichnet.
Geprägt durch die Erfahrungen zweier Weltkriege sorgte sich Monnet um die Entwicklung
Deutschlands. Anfang der 50er Jahre erarbeitete
er deshalb eine Strategie gegen ein deutsches
Wiedererstarken: „Wir müssen uns möglichst eng
an Deutschland binden und unseren anderen
Nachbarn ermöglichen, sich dieser Gemeinschaft
anzuschließen“. Auf lange Sicht sollte so ein
Europa des Wohlstands und des Friedens entstehen. 1950 wurde Monnet zum Präsident der
Pariser Schuman-Plan-Konferenz ernannt, die zur
Gründung der EGKS führte. Die Montanunion
(EGKS) stellte für ihn lediglich einen ersten Schritt
in Richtung eines gemeinsamen, friedlichen
Europas dar. Von 1952 bis 1954 leitete Monnet
die Geschäfte der Montanunion. Aufgrund seines
Ziels, die Europäische Integration zu vertiefen,
beteiligte er sich bei der Gründung des „Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa“
und war bis 1975 dessen Vorsitzender. 1976
ehrten die Staats- und Regierungschefs Europas
Monnet, den engagierten Verfechter einer
integrierten Europäischen Gemeinschaft mit
dem Titel „Ehrenbürger Europas“.
serie 02.10
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treffpunkt.europa
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Konrad Adenauer
* 5. Januar 1876, Köln
† 19. April 1967, Röhndorf/Bonn
Gründungsvater weil ... er alles daran setzte,
den Aufbau Europas unablässig voranzutreiben,
wobei die wirtschaftliche Verflechtung das
Sicherheitsbedürfnis der europäischen Staaten
befriedigen sollte.
Adenauer wurde 1949 zum ersten Bundeskanzler Deutschlands gewählt. In seiner Amtszeit
(Adenauer-Ära) entsprach seine Politik den Anforderungen des schwer versehrten NachkriegsDeutschlands. Zu seinen obersten Zielen zählte
die Einbindung der Bundesrepublik in ein westliches Bündnis mit den USA als starkem Partner
und Beschützer und ein freundschaftliches
Verhältnis zum benachbarten Frankreich. 1950
traf er den französischen Außenminister
Schuman, um mit ihm über die weitere Entwicklung der Europäischen Staaten und der deutschfranzösischen Beziehungen zu beraten. 1951
unterzeichnete Adenauer in Paris den Vertrag über die Gemeinschaft für Kohle und Stahl,
der die Grundlage der Europäischen Gemeinschaft wurde. Mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957 leistete er erneut seinen Beitrag zur tieferen Europäischen Integration. Die Souveränität der Bundesrepublik, die
Aussöhnung mit Frankreich, die europäische Einigung und der Aufstieg Deutschlands zur
wirtschaftlichen Großmacht sind die wesentlichen Gründe für seine Popularität. Mit dem
Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrag
von 1963 legte Adenauer den Grundstein
des deutsch-französischen Motors für Europa
und ebnete so den Weg zu einem gemeinschaftlichen Europa.
22 | treffpunkt.europa | 02.10 serie
Charles de Gaulle
Alcide de Gasperi
* 22. November 1890, Lille
† 9. November 1970, Haute-Marne
* 3. April 1881, Pieve Tesino
† 19. August 1954, Borgo Valsugana
Wegbereiter weil ... er trotz kritischer Haltung
gegenüber einem vereinten Europa zusammen
mit Adenauer für eine Neuordnung der deutschfranzösischen Beziehungen als starker politischer Basis für eine Einheit der europäischen
Völker sorgte.
Nachdem de Gaulle bereits 1945 vorübergehend
Staatsoberhaupt Frankreichs war, wurde der
erfahrene Militär und engagierte Widerstandskämpfer gegen die Besatzung Frankreichs durch
Nazi-Deutschland 1958 erneut zum Staatspräsidenten gewählt. Mit seiner Verfassungsänderung schuf er die 5. Republik Frankreichs,
deren Oberhaupt er bis 1969 bleiben sollte. Er
war der Überzeugung, dass die internationale
Politik nur durch rivalisierende nationale Interessen und nicht durch politische Ideologien geprägt werde. Seiner Vorstellung nach sollte Europa deshalb ein „Europa der Vaterländer“ bleiben.
In diesem Europa spielte die Bundesrepublik
für de Gaulle eine besondere Rolle. Für ihn war sie
neben Frankreich eine Säule des europäischen
Hauses. De Gaulle war der Meinung, dass beide
Staaten vereint in der Lage wären, eine politische
Basis zu schaffen, auf der alle Völker Europas
ihre „Einheit erbauen könnten“. So trug er wesentlich zum Zustandekommen des deutschfranzösischen Freundschaftsvertrages bei, den
er 1963 zusammen mit Konrad Adenauer in
Paris unterzeichnete.
Paul-Henri Spaak
* 3. April 1881, Trient
† 19. August 1954, Borgo Valsugana
Gründungsvater weil ... er alles daran setzte,
den Aufbau Europas unablässig voranzutreiben,
wobei die wirtschaftliche Verflechtung das
Sicherheitsbedürfnis der europäischen Staaten
befriedigen sollte.
Der politisch engagierte Jurist Spaak arbeitete
während der Besetzung Belgiens durch die
Nationalsozialisten als Außenminister in der belgischen Exil-Regierung in Großbritannien. Schon
während dieser Zeit war er davon überzeugt,
dass die Welt ein anderes, neues Europa brauche
– weg von den egoistischen und mächtigen
Nationalstaaten, hin zu einem Staatenbund. Mit
der Bildung einer gemeinsamen Zollunion mit
den Niederlanden und Luxemburg – später Benelux genannt – schuf Spaak die Grundlage für die
EU wie wir sie heute kennen. Nach dem 2. Weltkrieg machte Spaak die ersten Schritte in
Richtung Weltpolitik. 1946 wurde er der erste
Leiter des Rates der Vereinten Nationen und zum
2. Mal Premierminister Belgiens – diesmal
bis 1949. Er setzte sich aktiv für den Ausbau des
damals aus sechs Ländern bestehenden Staatenverbundes ein und war von 1950 bis 1955 Leiter
des internationalen Rates der Europäischen
Bewegung. Zwischen 1952 und 1954 war er zudem Vorsitzender der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und spielte
beim Zustandekommen der Verträge von Rom,
die er am 27. März 1957 unterzeichnete,
eine entscheidende Rolle.
Gründungsvater weil ... er nach Beendigung
der faschistischen Herrschaft in Italien sein Land
aus der außenpolitischen Isolation führte und
wesentlich zur Entstehung der Europäischen Gemeinschaft beitrug.
Enttäuscht von der Politik Mussolinis versuchte
Gasperi, ein Bündnis der Christdemokraten
mit den Sozialisten zur Abwahl Mussolinis anzustreben. Dafür wurde er mit einer vierjährigen
Haft bestraft . Nach der Entmachtung Mussolinis
verhalf Gasperi seiner christdemokratischen Partei zu neuer Kraft und entwickelte sich zu einem
der wichtigsten italienischen Nachkriegspolitiker. 1946 wurde er zum Staatsoberhaupt einer
provisorischen Regierung der neu gegründeten
Staatsrepublik Italien gewählt. Mit Blick auf
die Westintegration Italiens unterstützte er die
Idee eines vereinten Europas. Schon Ende
der 40er Jahre war der enge Freund Robert Schumans und Paul Henri Spaaks im Vorstand der
Europäischen Bewegung und hatte einen Sitz im
Ministerkomitee des Europarats. Er hatte
einen wesentlichen Anteil an der Verwirklichung
des Schuman-Plans und damit an der Gründung
der Gemeinschaft für Kohle und Stahl. 1954
wurde er zum Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung, dem Vorläufer des Europäischen Parlamentes gewählt. Für sein stetes Engagement im Sinne eines vereinten Europas
wurde ihm 1952 der Internationale Karlspreis
zu Aachen verliehen.
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