EINKAUF • PRAXIS Interview „Enge Lieferantenbindung angestrebt“ Welche Einkaufsstrategien verfolgen deutsche Industrieunternehmen konkret? Technik & Einkauf sprach darüber mit Henning Heesch aus dem Vorstand der Business- und IT-Beratung entero. Bild: Entero Herr Heesch, Sie haben sich mit Ihrem Benchmarking unter mehr als 100 Experten aus Einkauf, Einkaufscontrolling und IT verschiedener Branchen umgehört. Was sind die wichtigsten Ergebnisse? ? Heesch: Als bevorzugte Einkaufsstrategie nennen die Unternehmen die Nutzung von Rahmenverträgen, damit sie langfristige Lieferantenbeziehungen mit Sicherheit für Preis und (Produktions-)planung erhalten. Dann folgen der Einkauf nach Warengruppen, um Schnittstellenprobleme zum Beschaffungsmarkt zu reduzieren, und die Nutzung von Abrufkontrakten. Damit wird ein bedarfsorientierter Abruf von Materialien eines Lieferanten festgelegt. An vierter Stelle rangiert die Vorzugslieferantenstrategie, mit der die Unternehmen die Zahl ihrer Lieferanten möglichst niedrig halten möchten. Schließlich sollen mit einer Dual-Sourcing-Strategie die Vorteile von Single und Multiple Sourcing kombiniert werden, um durch die Bündelung von Bestellungen hohe Rabatte zu erzielen sowie Versorgungsrisiken und Abhängigkeit zu reduzieren. Henning Heesch ist seit 14 Jahren Vorstand und Partner der entero AG. In dieser Position ist er u.a. verantwortlich für den Bereich Einkauf und Materialwirtschaft. Auf Basis seiner Historie als Senior Manager bei accenture betreut er darüber hinaus Themen der Organisationsentwicklung. Welche Vorteile streben die Unternehmen mit der Umsetzung dieser Strategien an? Heesch: In den meisten Fällen geht es darum, langfristig mit möglichst wenigen Lieferanten zusammenzuarbeiten. Die Unternehmen wollen ihre Zulieferer effizienter managen und Prozesskosten sparen, weil sie die Leistungen ohne große Verhandlungen einfach abrufen oder bestellen können. Außerdem geht es darum, die Zulieferer enger an sich zu binden, um sicher zu sein, dass sie die Produkte und Services in gleichbleibender und hoher Qualität erhalten. Benchmarking: Trend zur Automatisierung Im Rahmen einer jährlichen Studienreihe befragte entero über 100 Unternehmen nach ihren Strategien, Systemen und Organisationsformen im Einkaufscontrolling. Dabei lag der Fokus auf den Branchen Anlagenbau, Automobil, Bauindustrie, Elektrotechnik und Maschinenbau, während die Umsatzgrößen von 10 Millionen bis mehrere Milliarden Euro reichten. Da die Wertschöpfungstiefe in den befragten Branchen relativ gering ist, kommt dem Einkauf prinzipiell eine große Bedeutung zu. Nach den Ergebnissen der entero-Studie liegt bei den ERP-Systemen zur Unterstützung der Einkaufsprozesse SAP klar auf Platz 1. Je größer ein Unternehmen ist, desto häufiger werden Lösungen wie SAP Materials Management (MM), 28 03/2014 Supplier Lifecycle Management (SLC) und Supplier Relationship Management (SRM) eingesetzt. Auch beim Einkaufscontrolling geht der Trend hin zur Automatisierung. Zwar bevorzugen viele Controller heute noch Excel-Tabellen, weil sie die Daten damit flexibel sammeln, eintragen und auswerten können. Doch wird in immer mehr Unternehmen der Ruf nach einem systematischen Einkaufscontrolling laut, um der wachsenden Rolle des Einkaufs gerecht zu werden. Das heißt: Statt ihre Zeit auf das händische Datensammeln zu verwenden, sollen die Controller gezielt Schwachstellen in der Beschaffung aufdecken und die Einkäufer beraten, wie die Prozesse verbessert werden können. EINKAUF • PRAXIS Ein wenig anders ist der Einkauf nach Warengruppen zu bewerten. Dadurch werden die Einkäufer ja so organisiert, dass sie nicht für die gesamte Beschaffung in einer Region zuständig sind, sondern nur für bestimmte Warengruppen. Sie gewinnen durch diese Spezialisierung mehr Marktwissen und einen besseren Überblick über Lieferantenqualität und Preisgefüge. Damit hilft diese Strategie Unternehmen, das beste Preis-Leistungsverhältnis am Markt zu erzielen und letztlich die TCO zu senken. Jahren voranbringen wollen, und diese in geeigneten Strategien und KPIs abbilden. Um die erkannten Schwachstellen konsequent angehen und beseitigen zu können, muss zudem ein InitiativenTracking aufgesetzt werden. Denn wir sehen bei unseren Kunden, dass nur die Projekte nachhaltig erfolgreich sind, die permanent Maßnahmen initiieren, um die Messwerte kontinuierlich zu verbessern. Einkaufscontrolling muss als Zyklus verstanden werden, nicht als einmalige Aktion. Nach welchen Key Performance Indicators (KPIs) richten Unternehmen bevorzugt ihre Einkaufsstrategien aus? Heesch: Am wichtigsten ist ihnen die Liefertreue, dann folgen weitere Leistungskennzahlen, die sich um die Qualität und Performance der Lieferanten drehen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf KPIs, die die Preisentwicklung relevanter Materialien oder prozentuale Einsparungen vom gesamten Einkaufsvolumen messen, also Kostenpotenziale identifizieren können. Allerdings hat unser Benchmarking auch gezeigt, dass sich viele Unternehmen zwar über ihre Einkaufsstrategie Gedanken machen und KPIs definieren. Jedoch sind viele dieser Kennzahlen nur bedingt geeignet, diese Strategien abzubilden. Wenn ich zum Beispiel Lieferanten über Rahmenkontrakte an mich binden will, muss ich geeignete Kennzahlen haben, um zu prüfen, ob dies in der Praxis auch richtig funktioniert. Dies aber ist bei vielen Unternehmen leider nicht der Fall. Sie sollten daher mehr darauf Wert legen, KPIs zu definieren, aus denen sich wirksame Maßnahmen zur Optimierung ihrer Einkaufsstrategie ableiten lassen. Autorin Was raten Sie Unternehmen, die ein wirksames Einkaufscontrolling einführen möchten? Heesch: Sie sollten sich auf maximal fünf strategische Themen beschränken, in denen sie ihre Beschaffung in den kommenden Sybille Hofmeyer
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