25 Für das entwickelte Modell wurde der Begriff Lernlayout NIL gewählt. NIL steht als Abkürzung für nachhaltiges (Hinweis auf die Vorbereitung auf das lebenslange Lernen), individuelles (Hinweis auf den bewussten Umgang mit Heterogenität, auf die Fokussierung des individuellen Lernprozesses) Lernen. Layout bedeutet nach dem Oxford English Dictionary “the way in which the parts of something [...] are arranged“. Layout wird im Langenscheidt Wörterbuch übersetzt mit Planung, Anordnung, Anlage. Ein Layout „will etwas ausdrücken, es soll im Dienst einer Idee stehen und kann Ziele sowie Erwartungen unterstützen“ (Amstad 2009). Bei einem Lernlayout geht es also um etwas Äusserliches, um die Anordnung, das Arrangement von Komponenten, die gemeinsam die Umgebung für Lernen bilden. Ein Lernlayout beschreibt das Arrangement aller zentralen Komponenten, die eine Bildungsinstitution ihren „Kunden“ (den Lernenden) zur Verfügung stellt. Dazu gehören das gemeinsame pädagogische Verständnis, Strukturen, Akteure, Räume, Instrumente und Methoden: sowohl ihre Ausgestaltung als auch ihr Zusammenspiel. Anders als ein Unterrichtskonzept sagt ein Lernlayout jedoch nichts aus über die Inhalte, die gelernt, respektive die Kompetenzen, die erworben werden. Es schafft sozusagen den Boden, auf welchem optimale Entwicklung unterschiedlichster – jeweils durch die Institution zu definierender – Kompetenzen möglich ist. Das im Folgenden vorgestellte Lernlayout NIL beansprucht für sich Lernenden ein Umfeld zu bieten, in welchem sie individuell, nach Grundsätzen der Kompetenzorientierung und im Hinblick auf lebenslanges Lernen optimal lernen können. Das Lernlayout NIL wurde an zwei Brückenangeboten entwickelt und mit Lernenden im Alter zwischen 15 und 18 Jahren umgesetzt. Es kann jedoch stufenunabhängig und jahrgangsübergreifend eingesetzt werden, denn: − das NIL orientiert sich an allgemeinen (altersunabhängigen) wissenschaftlichen Erkenntnissen (siehe Teil 1); − verschiedenen Schulen mit Lernenden unterschiedlichster Altersstufen arbeiten mit ähnlichen Formen. Das haben Schulbesuche im Verlauf des Projekts gezeigt (vgl. Trachsler u.a. 2006). Der zweite Teil des Buches ist in vier Hauptkapitel gegliedert, welche je einen der vier zentralen Pfeiler des NIL beschreiben: − NIL befähigt die Lernenden, ihren Lernprozess selbst zu steuern und zu verantworten; − NIL ändert äussere Rahmenbedingungen und Unterrichtsstrukturen; − NIL führt neue Instrumente zur Unterstützung des individuellen Lernprozesses ein; − NIL verändert die Aufgaben und Funktionen der Lehrpersonen. Die allgemeine Beschreibung dieses Teils wird ergänzt durch Teil Drei, der die konkrete Umsetzung an den beiden beteiligten Schulen beschreibt und durch den Anhang, in welchem ausgwählte Dokumente aus beiden Schulen den Alltag im NIL nochmals konkretisieren. 26 1NIL Lernprozess Der von den Lernenden verantwortete Lernprozess (Abb 6) besteht aus den drei Schritten Planung, Training und Selbstevaluation. Lernende durchlaufen diese Schritte in immer wiederkehrenden Schleifen. Planung unterstützt durch einen Lernberater (Coach) und durch den Austausch von Erfahrungen mit den Mitlernenden. Schweigepflicht und Gruppengrösse bieten den Rahmen für das Entstehen persönlicher Beziehungen und besonderer Vertrautheit in dieser Gruppe. Planungsfokus Planung Entwicklungsziele identifizieren und formulieren fachliche und überfachliche Die Planung beinhaltet die Formulierung von Zielen, das Planen des langfristigen Lernwegs (übergeordnete Ziele), der kurzfristigen Lernschritte (Etappenziele) und das Organisieren der Berufswahl und Berufsvorbereitung. Die Ziele sowie die Planung der Lernschritte richten sich nach dem individuellen Entwicklungsstand der Lernenden und orientieren sich an Kompetenz- und Zielrastern (siehe Kompetenzraster, Seite 33, Element b: Kompetenzraster). Persönliche Neigungen und Interessen sowie (je nach Altersstufe mehr oder weniger stark) beruflichen Zielen werden in die Planung der Ziele und des Vorgehens einbezogen. Fortschritte werden regelmässig überprüft und reflektiert (siehe Selbstevaluation, Seite 25) und dienen dann der Formulierung neuer oder angepasster Ziele mit entsprechender Lernplanung. Im Rahmen einer konstanten Lernberatungsgruppe (rund 8-10 Lernende) werden die Lernenden in der Lernwege (grosser Bogen) festlegen inhaltlich und strategisch Lernschritte planen (Wochen, Tage) zeitlich, inhaltlich und methodisch Berufswahl- und Berufsvorbereitungsprozess planen stufenspezifischer Teil Training In Trainings werden die geplanten Massnahmen umgesetzt um die definierten Ziele zu erreichen: Wissen erweitern, Fähigkeiten vertiefen, Erkenntnisse durch Erfahrung gewinnen. Das Training findet in der gestalteten Lernumgebung (siehe NIL Lernumgebung, Seite 27) statt. Der Ansatz ist ganzheitlich und kompetenzorientiert. Die verschiedenen Formen ermöglichen es Lernenden einerseits gemäss ihren NIL Methodik zur Steuerung der individuellen Lernprozesse durch die Lernenden Training Planung Kompetenzerweiterung individuell gemeinsam/moderiert kooperativ Ziele Planung Abb 5: Elemente der NIL-Methodik (Quelle: Elisabeth Brugger) Selbstevaluation Dokumentation Reflexion Präsentation 27 Trainingsfokus Trainingsformen Fachlichen Kompetenzen festigen und erweitern Gemeinsam / Moderiert Überfachlichen Kompetenzen festigen und erweitern Praktischen Erfahrungen sammeln Thema, Bearbeitungszeit, Vorgehen und Ziel sind vorgegeben (z.B. theoretischer Fachinput, praktische fachliche Instruktion, etc.) Individuell Alle oder ein Teil der folgenden Elemente sind individuell gestaltet: Reihenfolge, Tempo, Resultat, Vorgehen, Ziel (v.a. LA, Projekte, offene Lernaufträge) Kooperativ Alle oder ein Teil der folgenden Elemente sind durch Gruppe gestaltet: Reihenfolge, Tempo, Resultat, Vorgehen, Ziel (v.a. LA, Partner-/Gruppenprojekte, offene Gruppenaufträge) bevorzugten Lernstrategien zu arbeiten und gleichzeitig Neues auszuprobieren. Zahlreiche, vielseitige Lernangebote fordern zum autonomen Handeln in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Problemsituationen heraus und ermöglichen Kompetenzerfahrungen in unterschiedlichsten Bereichen. Andererseits gewährleisten die verschiedenen Formen, dass Selbstständigkeit, Verbindlichkeit und Zusammenarbeit trotz Individualisierung nicht zu kurz kommen. Selbstevaluation Im dritten Schritt der Lernprozess-Schleife werden vorerst Lernprozesse und Leistungen dokumentiert. Es gilt zu gewährleisten, dass die im individuellen Lernprozess (für nicht Beteiligte meist ganz im Verborgenen) entstandenen Erfahrungen und Resultate für andere sichtbar zu machen. Dies aus zwei Gründen: Einerseits ermöglicht die Dokumentation und Präsentation eine Wertschätzung der Leistung und bietet Gelegenheit für informationshaltige Rückmeldungen (Motivationsförderung), andererseits dient sie als Grundlage für eine Reflexion. Reflexion ist für das erfolgreiche Durchlaufen der Lernprozess-Schleife von zentraler Bedeutung. Sie beinhaltet das Analysieren und Beurteilen der Planung von Teilprozessen (z.B. Lernstrategien, Material- und Medieneinsatz), der Leistungen / Resultate und der Zielerreichung. Die daraus gewonnen Erkenntnisse fliessen wiederum in die Planung nächster Ziele und Lernschritte ein. Zeitfenster für Dokumentation, Präsentation und Reflexion sind regelmässig (mit Vorteil Ende jeder Woche) festgelegt. Lernende werden zu Beginn in die (meist neuen) Methoden des Dokumentierens, Präsentierens, Beurteilens und Reflektierens eingeführt. Dokumentation, Präsentation und Reflexion geschieht anfänglich vorzugsweise im vertrauten Rahmen der Lernberatungsgruppe. Später kann die Dokumentation im Lernatelier (LA) individuell vorgenommen werden und die Präsentation inklusive Wertschätzung und Rückmeldung im Rahmen einer grösseren Gruppe geschehen. Als geeignete – die Selbstevaluation unterstützende – Instrumente erweisen sich Portfolios und Lernjournale, welche auch mit dem Lernbegleiter (Wochen/Lernplaner) gekoppelt sein können (siehe Lern- und Sammelportfolio, Seite 31 und Steuerungsinstrument, Seite 33). Fokus der Selbstevaluation Dokumentieren Lern-/Arbeitsprozess und Leistungen Reflektieren Lern- /Arbeitsprozesse Beurteilen Prozesse und Leistungen, Einbezug von Feedback und Fremdbeurteilung Präsentieren Leistungen sowie Erkenntnisse zu Prozessen
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