läufe so lange, bis sie diese verinnerlicht haben. Kata Coaching: Eine Veränderungsroutine entwickeln Und danach wenden sie sich schwierigeren Übungen zu, sodass ihr sportliches Können sukzessiv steigt. Doch nicht nur dieses! Durch das p e r m a n e n t e Üben und Reflektieren, w a s w i e noch b e s s e r g e m a c h t w e r d e n kann, erwerben (angehende) Profisportler und Berufsmusiker z u n e h m e n d die Kompetenz, eigenständig ihre Leistung zu stei- von Daniela Kudernatsch g e r n - unter a n d e r e m , w e i l sie w i s s e n , welches Verhalten zielführend ist. Sie werden sozusagen zum Coach ihrer eigenen Person. Eine Kultur der kontinuierlichen Veränderung setzt eine Routine im Sich-Verbessern voraus. Das hat das Unternehmen Toyota erkannt. Des- Die Angst vor Veränderung überwinden Genau dieses bewusste Einüben von Routinen - und zwar für das Entwickeln neuer Lösungen - ist das zentrale Element des Toyota Produktionssystems. Und eine Kernaufgabe der halb schult es die Kompetenz seiner Mitarbei- Personen und Organisationen fällt es meist ter, Verbesserungsbedarfe selbst zu erkennen schwer, Routinen aufzugeben, denn sie ver- als Coach beim Entwickeln dieser Kompetenz und zu befriedigen - unter anderem mit Hilfe mitteln ihnen Sicherheit. Sie haben zudem zu unterstützen. Das heißt: Sie geben ihnen des Kata Coachings. eine i d e n t i t ä t s s t i f t e n d e F u n k t i o n . Hinzu bei neuen Aufgaben nicht die Lösung vor. kommt: Wenn Personen(-gruppen) ihre Denk- Sie leiten ihre Mitarbeiter vielmehr bei de- Routinen als Hemmschuh Toyota-Führungskräfte ist, ihre Mitarbeiter und Verhaltensmuster verändern möchten, ren Entwicklung an - mit dem übergeordne- müssen sie ihre Komfortzone verlassen und ten Ziel, dass ihre Mitarbeiter selbst die hierfür sich auf unbekanntes Terrain begeben. Das nötige Kompetenz erwerben. Für diese syste- Viele Tätigkeiten in Organisationen sind eine löst bei ihnen Unsicherheit aus. Ohne ein Ver- mische Erweitern der Problemlöse-Kompetenz Konsequenz der Gewohnheiten, die sich deren lassen der K o m f o r t z o n e ist j e d o c h kein seiner Mitarbeiter hat Toyota ein spezielles Mitglieder im Verlauf vieler Jahre angeeignet Lernen möglich. Verfahren entwickelt: die sogenannte Toyota- haben - bewusst oder unbewusst. Sie wurden so oft wiederholt, dass sie • „in der DNA" der Mitarbeiter verankert sind und • sich in den Abläufen und Prozessen sowie Kata. Wie kann man dieses Dilemma überwinden? Das Unternehmen Toyota hat erkannt: Wenn wir die Z u k u n f t meistern möchten, müssen Die Toyota-Kata wir als Organisation im Uns-Verändern und der Struktur der Organisation widerspiegeln. -Verbessern eine ähnliche Routine entwickeln, Als Kata werden im asiatischen Kampfsport Entsprechend selbstverständlich werden sie wie - bildhaft gesprochen - Menschen beim V e r h a l t e n s w e i s e n b e z e i c h n e t , die durch ausgeführt. Solche Routinen genannten Denk- Autofahren. Und die mit dem Streben nach stetiges Üben und Anwenden soweit verinner- und V e r h a l t e n s g e w o h n h e i t e n sind n i c h t s Verbesserung verbundenen Tätigkeiten? Sie lich wurden, dass sie beinahe reflexhaft aus- Schlechtes. Im Gegenteil! Sie halten den Be- m ü s s e n für unsere M i t a r b e i t e r so selbst- geführt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, trieb am Laufen. Personen und Organisatio- verständlich sein, dass sie ihnen keine Furcht bringt der Meister seinen Schülern zunächst nen benötigen sie, um ihren Alltag zu meis- einflößen. Im Gegenteil! Als automatisierte einfache Bewegungsabläufe bei. Diese üben tern. Denn sonst würden sie endlos viel Zeit Handlungen vermitteln sie ihnen sogar Sicher- die Schüler, bis sie ihnen in Fleisch und Blut und Energie auf Standardaufgaben verwen- heit. Sie werden zu einem Bestandteil ihrer übergegangen sind. Danach folgen schwierige- den. Z u m Problem w e r d e n Routinen erst, beruflichen Identität. re Aufgaben, die den Schüler zum Beispiel wenn die damit verbundene Art, Aufgaben zu seinem Ziel, ein Samurai zu werden, Schritt für lösen, • als die einzig mögliche erachtet und nicht mehr hinterfragt wird und Schritt näher bringen. Routine im Lösungen-Entwickeln entwickeln • auch beibehalten wird, wenn zum Beispiel Um die Kompetenz von Menschen so systematisch zu entwickeln, sind drei Dinge nötig: aufgrund veränderter Rahmenbedingungen Routinen sind das Ergebnis eines längeren Pro- 1. Ich muss wissen, welches übergeordnete ein anderes Vorgehen nötig wäre. zesses des fortlaufenden Wiederholens und Ziel ich erreichen möchte. Ich benötige also Dann entwickeln sich die Routinen zum Hemm- (Ein-)Übens. In der musikalischen Erziehung ist schuh für die Entwicklung einer Person oder dieses permanente Üben gang und gäbe. Eben- Organisation. so im Sport. Turner trainieren Bewegungsab- eine Vision. 2. Ich muss wissen, w a s ich lernen muss, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Und: erreichbar sein. Und: Für ihr Erreichen darf es noch keine bekannte Lösung geben. Schritt 4: Nun wird im PDCA-Verfahren (Ran, Do, Check, Act) schrittweise auf das Erreichen des Zielzustands hingearbeitet. Das heißt, nach einer ersten (Maßnahmen-)Planung werden die Mitarbeiter aktiv. Dabei checken sie regelmäßig, inwieweit ihr Vorgehen zielführend ist, 3. Ich muss einen Weg, eine Methode kennen, men eines experimentellen Vorgehens er- bevor sie es in ihr Alltagshandeln überführen, um mir die noch fehlende Kompetenz an- mittelt, Wichtige Voraussetzungen hierfür so dass es zum neuen Standard wird, auf des- zueignen. sind eine genaue Beschreibung des Ist- und sen Basis weitere Verbesserungen erfolgen. des Z i e l - Z u s t a n d s . Die d e f i n i e r t e n Ziel- Die Führungskräfte begleiten diesen Prozess. Genau diese drei Elemente findet man bei der Zustände sollen die Mitarbeiter ermutigen, sich Toyota-Kata. Über allem schwebt die Nordstern in ihre Lernzone zu begeben und so Schritt für genannte Vision von Toyota - das vom Konzern Schritt ihre Komfortzone zu erweitern. Dabei angestrebte Idealbild. Hieraus leitet sich die so- werden sie von den Führungskräften mittels der genannte Verbesserungs-Kata ab, mit deren Coaching-Kata unterstützt. Die Coaching-Kata Die Führungskräfte sind also nicht Vordenker und Vormacher für ihre Mitarbeiter. Sie Hilfe Toyota erreichen möchte, dass sich die sind primär Lernbegleiter und Coachs ihrer Prozesse dem Idealzustand annähern. Und ihr Vereinfacht dargestellt besteht die Verbesse- zur Seite steht die Coaching-Kata, mit deren rungs-Kata aus vier (Arbeits-)Schritten (siehe Mitarbeiter. Sie unterstützen diese beim Ent- Hilfe Toyota die ( P r o b l e m l ö s e - ) K o m p e t e n z Abbildung 1). wickeln neuer Routinen und zwar ebenfalls mittels eines systematisierten Verfahrens, seiner Mitarbeiter systematisch ausbaut - in vielen kleinen Schritten und Projekten. Die Verbesserungs-Kata Schritt 1: Sein Ziel ist es, die von der Vision der Coaching-Kata (siehe Abbildung 3). Die- vorgegebene Richtung für die langfristige Ent- ses orientiert sich an fünf Fragen, die die Füh- wicklung grob zu verstehen. rungskraft ihrem Mentee (beispielsweise einem Schritt 2: In ihm wird der Ist-Zustand analysiert Gruppenleiter) oder unmittelbar den Mitarbeitern und beschrieben. in regelmäßigen Treffen immer wieder stellt. Die Verbesserungs-Kata ist keine Lean-Me- Schritt 3: In ihm werden neue Ziel-Zustände Frage 1: Was ist der Ziel-Zustand des Pro- thode, sondern eine Führungsroutine, mit der auf dem Weg zum Soll-Zustand definiert. Zu- zesses? sich Herausforderungen meistern lassen. Sie dem wird ermittelt, welche „Hindernisse" zu Der Ziel-Zustand soll zu Beginn der Coachings zielt darauf ab, sich schrittweise einem Ziel-Zu- beseitigen sind, um den Ziel-Zustand zu errei- vom Mentee stets aufs Neue beschrieben wer- stand zu nähern. Dabei wird der Weg dorthin chen. Dabei lautet die Maxime: Die definierten den. Das Ziel hierbei: Der angestrebte Ziel-Zu- nicht vorgegeben. Er wird vielmehr im Rah- Ziel-Zustände müssen herausfordernd, aber stand soll verinnerlicht werden und dem Men- tee im weiteren Coachingprozess stets bewusst Das Ziel hierbei: Der Mentee soll sein weiteres i m m e r s c h w i e r i g e r t o p - d o w n e r f a s s t und sein - sozusagen als Prüfstein beispielsweise Vorgehen planen - zum Beispiel abhängig von g e m a n a g t w e r d e n kann. Also müssen sich beim Bewerten des aktuellen Ist-Zustands und der Relevanz der möglichen M a ß n a h m e n für die Mitarbeiter in Richtung S e l b s t e n t w i c k - möglicher Entscheidungen. die Zielerreichung oder den vorhandenen Res- ler entwickeln, die selbst erkennen, Frage 2: W a s ist der aktuelle Ist-Zustand? sourcen und Kompetenzen. Zugleich wird hier- • was es aufgrund des angestrebten Ideal- Aktuell bedeutet: Was ist Zustand heute - zum mit ein neuer PDCA-Zyklus gestartet. Zustands zu tun gilt, • wo bei ihnen noch ein Entwicklungsbedarf Beispiel, n a c h d e m e r s t e M a ß n a h m e n z u m Frage 5: Bis w a n n können wir uns ansehen, Erreichen des Ziels ergriffen wurden? Dieses w a s Sie a u s d e m l e t z t e n S c h r i t t g e l e r n t Reflektieren des jeweils aktuellen Ist-Zustands haben? in den Coachingsitzungen setzt dessen konti- Diese Frage soll die erforderliche Verbindlich- Diese Kompetenz bei Mitarbeitern zu e n t w i - nuierliche Erfassung mit Zahlen oder Darstel- keit erzeugen - auf der Handlungs- und der ckeln, erfordert Zeit, Geduld und Liebe zum De- lung in Diagrammen voraus. Lernebene tail; außerdem Führungskräfte, die ein entspre- besteht und diesen selbst befriedigen können. chendes Selbstverständnis haben. Sie müssen Frage 3: W a s hindert Sie daran, den ZielZustand zu erreichen? Das beschriebene Verfahren zur Mitarbeiter- sich unter anderem als Coach und Lernbegleiter ihrer Mitarbeiter verstehen und bereit sein, Der Mentee soll ermitteln, welche Hindernisse f ü h r u n g und - e n t w i c k l u n g praktiziert Toyota dem Erreichen des Ziel-Zustands im Wege ste- seit Jahrzehnten mit dem Ziel, die vorhandene sich intensiv mit ihren Mitarbeitern und den hen, um hieraus die noch vorhandenen Hand- Kultur der kontinuierlichen Verbesserung noch wertschöpfenden Prozessen zu befassen - und lungs- und Lernfelder abzuleiten. stärker in der DNA der Mitarbeiter zu veran- zwar kontinuierlich. Deshalb lautet eine Faust- Frage 4: W e l c h e s Hindernis g e h e n Sie als kern. Dahinter steckt folgende Erkenntnis: Der regel bei Toyota: Lieber ein Mal zehn Minuten n ä c h s t e s a n u n d w a s ist d e r n ä c h s t e C h a n g e b e d a r f i n d e n U n t e r n e h m e n ist pro Tag coachen als ein Mal pro Woche eine Schritt? heute oft so groß und vielschichtig, dass er Stunde. Das Coachen der Mitarbeiter setzt eine Investition von Zeit seitens der Führungskräfte voraus. • Dr. Daniela Kudernatsch ist Inhaberin der Unternehmensberatung KUDERNATSCH Consulting & Solutions in Straßlach bei München. Sie unterstützt Unternehmen beim Umsetzen ihrer Strategie im Betriebsalltag. Die promovierte Betriebswirtin ist Autorin mehrer Fachbücher zum Thema Strategieumsetzung. E-Mail: [email protected] Das klingt nach einer Mehr-Belastung für sie. Faktisch führt Kata Coaching aber mittelfristig zu einer Entlastung der Führungskräfte. Denn je mehr Routine die Mitarbeiter im eigenständigen Lösen von Problemen haben, umso seltener ist die Führungskraft als Unterstützer und „Trouble-Shooter" gefragt. • 87
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