Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren gemeinsam betreuen

FORTBILDUNG
Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren
gemeinsam betreuen
Rollenverteilung zwischen Hausarzt und Tumorzentrum
Wenn es um die Betreuung gynäkologischer Tumorpatientinnen geht, kommt dem Hausarzt eine wichtige Rolle zu.
Bei der Diagnose von Tumoren wie dem Ovarialkarzinom,
das sich hinter unspezifischen Beschwerden verstecken
kann, oder der weiteren Betreuung Betroffener ist er als
Partner des Tumorzentrums gefragt. Im Folgenden finden
Sie Antworten auf zentrale Fragen aus der hausärztlichen
Perspektive rund um die verschiedenen Krankheitsbilder.
Viola Heinzelmann-Schwarz und Nicholas Trost
Was ist für den Hausarzt im Hinblick auf Patientinnen mit
gynäkologischen Tumoren besonders wichtig?
Die gute, enge Zusammenarbeit mit dem Tumorzentrum, ein
engerer Kontakt mit den niedergelassenen Gynäkologinnen,
Informationen über andere Anlaufstellen wie zum Beispiel
Onko-Spitex, Psychoonkologie, Hospize, palliative Betreuung zu Hause sowie regelmässige Updates in Form von Weiterbildungen sind wichtig für den Hausarzt.
Oft werden gynäkologische Erkrankungen durch den Hausarzt diagnostiziert, klassischerweise das Ovarialkarzinom,
da es sehr unspezifische und oft gastrointestinale Beschwerden bereitet (siehe auch Tabelle 1). Man denkt initial nicht an
eine gynäkologische Erkrankung, was zur Folge hat, dass die
Patientin oft beschwerliche Untersuchungen wie Koloskopien oder Gastroskopien auf sich nehmen muss und es häufig erst nach Monaten anhand einer Computertomografie
zur Stellung der Verdachtsdiagnose «gynäkologisches Karzi-
Tabelle 1:
Frühsymptome bei Unterleibskarzinomen
Folgende Beschwerden können auf einen gynäkologischen Tumor hindeuten:
zunehmende Blähungen, Stuhlunregelmässigkeiten,
Umfangszunahme ➞ Ovar, Tube, Peritoneum
nom» kommt. Ein Ultraschall, vor allem transvaginal, kann
hierbei in manchem Fall zu einem früheren Zeitpunkt zu
einer Aufklärung führen.
Ist ein Screening für das Ovarialkarzinom ab einem gewissem Alter sinnvoll oder Blödsinn?
Leider gibt es beim Ovarialkarzinom kein Screening. Eine
grosse amerikanische randomisierte Screeningstudie mit
30 000 Frauen hat keinen Überlebensvorteil gezeigt, was das
Screening mit Ultraschall und dem Tumormarker CA125 angeht (PLCO-Studie). Beachten muss man jedoch, dass in dieser Studie beim CA125 ein starrer Cut-off-Wert von 35 U/ml
verwendet wurde.
Seit den ersten Daten der 93 000 Frauen umfassenden britischen randomisierten UKCTOCS-Studie weiss man jedoch,
dass vermutlich eher die individuelle Verdopplung des
CA125 weitere Abklärungen auslösen sollte, auch bei einem
noch im Normbereich liegenden Wert. CA125 ist ein sehr
unspezifischer Marker, der schliesslich bei jeder Entzündung
im Bauchraum erhöht ist. Jeder Mensch hat einen personenspezifischen Wert. Auf dessen Verdopplung hin eingeleitete
Abklärungen führten in der Studie zu einer 10 Monate früheren Detektion von Ovarialkarzinomen. Bei 42 Prozent der
Fälle war die CA125-Konzentration niedriger als 35 U/ml
(median 20 U/ml). Es gibt aber neben CA125 noch eine
ganze Reihe weiterer Tumormarker beim Ovarialkarzinom,
sie sind vom Histotyp abhängig (siehe Tabelle 2).
Diagnostik im Verdachtsfall: Tumormarker, Sono/CT oder
direkt zum gynäkologischen Onkologen?
Als wichtigste bildgebende Methoden ist auf den Ultraschall
und das CT zu verweisen. Nur bei der Rezidivsituation ist
unter Umständen das PET-CT von weiterer Hilfe.
Hilfreich bei der Triage von Patientinnen mit einem Adnextumor ist der Einsatz eines Risikoscores, der sehr einfach im
Kopf auszurechnen ist. Er errechnet sich durch Multiplikation aus menopausalem Status, dem Ultraschallbefund und
dem absoluten CA125-Wert und hat einen negativ prädiktiven Wert von 98 Prozent (siehe Kasten ). Bei einem Wert von
unter 200 kann die Patientin zum Gynäkologen, bei einem
Wert von über 200 sollte sie an ein gynäkologisches Tumorzentrum geschickt werden.
Resistenz, Juckreiz, Blutung ➞ Vulva
vaginale Blutungen (postmenopausal, postkoital), Ausfluss,
Nierenstauung ➞ Uterus, Zervix
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Welche Relevanz hat die Anamnese, speziell die Familienanamnese?
Es gibt gynäkologische Karzinome, die ganz klar eine familiäre Häufung zeigen, daher ist die Erhebung der Familien-
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Tabelle 2:
Tumormarker für Ovarialkarzinome
Epitheliales Ovarial-CA
(nicht muzinös)
Muzinöses Ovarial-CA
Keimzelltumoren
(Dysgerminom)
Keimzelltumoren
(Nicht-Dysgerminim)
Keimstrang-Stroma-Tumoren
CA125
(HE4)
CA 19-9
CEA
(CA72-4)
LDH
AFP
HCG
Inhibin (Granulosazelltumoren)
Hormonspiegel (Sertolistromazelltumoren)
anamnese im Detail (maternale-paternale Seite, Alter, Art des
Karzinoms, über drei Generationen) von grosser Relevanz.
Von grösster Bedeutung sind hierbei vor allem das Auftreten
der folgenden Karzinome in einer Familie: Mamma-, Ovarial-, Endometrium-, Prostata-, Pankreas- und Kolonkarzinome. Es muss auch beachtet werden, dass aus anderen
Gründen jung verstorbene Verwandte auch durchaus eine
genetische Belastung gehabt haben können, von der man
aber nichts weiss.
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Die häufigsten genetischen Mutationen bei gynäkologischen
Karzinomen betreffen die BRCA1/2-Gene und die DNAMismatch-Gene (Lynch-Syndrom) (siehe Tabelle 3). Bei Veränderungen in den BRCA-Genen muss beachtet werden, dass
hiervon durch drei sogenannte Founder-Mutations vor allem
Ashkenasim (ostjüdisches Judentum) betroffen sein können.
Es ist also sehr wichtig, Familien auf ihre mögliche Belastung
hinzuweisen. Falls mehrere Karzinome in einer Familie
gehäuft identifiziert werden, sollte die Patientin zu einer
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Tabelle 3:
Häufige Mutationen bei gynäkologischen Tumoren
Syndrom
Gen(e)
Tumorspektrum (u.a.)
Hereditäres Mamma- und Ovarialkarzinom
BRCA1, BRCA2, RAD51C, RAD51D
Mamma, Ovar, Prostata, Pankreas, Melanom
Peutz-Jeghers-Syndrom
STK11 (LKB1)
gastrointestinale Tumoren, Zervix, Mamma, Ovar, Pankreas
Li-Fraumeni-Syndrom
TP53
Mamma, Sarkom, Nebennierenrinde, ZNS
Cowden-Syndrom
PTEN
Mamma, Schilddrüse, Leiomyom, Trichilemmome
Lynch-Syndrom (HNPCC)
MLH1, MSH2, MSH6, PMS2
Kolon, Endometrium, Ovar, Magen, Harntrakt, Mamma
hereditäres diffuses Magenkarzinom
CDH1
Magen, Mamma, Kolon
Kasten:
Triage mittels Risk of Malignancy Index (RMI)
Menopausenstatus:
prämenopausal = 1
postmenopausal = 2
Ultraschall:
simple Zyste = 1
bis komplexe Masse = 3
absoluter CA125-Wert:
Zahlenwert (U/ml)
RMI = Menopausenstatus × Ultraschall × absoluter CA125-Wert
Bei einem RMI > 200 ➞ Überweisung an ein gynäkologisches
Tumorzentrum
genetischen Beratung geschickt werden (z.B. [email protected]), bei welcher festgestellt wird, ob es einer weiteren Abklärung durch eine Blutuntersuchung sowie des
dafür erforderlichen Kostengutspracheantrags bedarf. Eine
Beratung ist auch deswegen sehr relevant, weil man bei
Mutationsträgerinnen durch eine prophylaktische laparoskopische Adnexektomie ab 40 Jahren oder nach abgeschlossener Familienplanung eine Risikoreduktion von
50 Prozent für Mammakarzinome und von 98 Prozent für
Ovarialkarzinome erreichen kann.
Was hat sich in den letzten Jahren bei den Therapieoptionen
getan?
Beim Endometriumkarzinom ist die totale laparoskopische
Hysterektomie sicher und mit vielen Vorteilen verbunden
(schnellere Erholung, geringerer Blutverlust, kürzere Hospitalisationsdauer). Sie hat heutzutage die Laparotomie weitgehend abgelöst.
Beim Zervixkarzinom hat in der First- und der Second-lineChemotherapie die Erhaltungstherapie mit Bevazicumab
zu einem Überlebensvorteil von im Median drei Monaten
geführt.
Beim Vulvakarzinom ist eine weniger aggressive Chirurgie
an der Vulva heute Standard, und die Sentinel-Lymphonodektomie kann in ausgewählten Fällen als Alternative zur
Lymphonodektomie in der Leiste in Erwägung gezogen werden.
Beim Ovarialkarzinom hat sich in der letzten Zeit am meisten getan. Die initiale Operation ist essenziell, dabei sollte
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eine maximale Zytoreduktion angestrebt werden. Die Chemotherapie umfasst mittlerweile viele neue Therapeutika
einschliesslich zielgerichteter Therapie (targeted therapy)
und Immuntherapie, aber auch viele Wege der Verabreichung
(intraperitoneal, wöchentlich statt 3-wöchentlich, Erhaltungstherapie).
Was sind Alarmsignale für ein Rezidiv?
Beim Ovarialkarzinom sind das eine Zunahme an Blähungen, Stuhlunregelmässigkeiten, Schmerzen oder auch eine
Bauchumfangzunahme.
Beim Endometriumkarziom wird ein Rezidiv oft früh durch
eine vaginale Blutung oder Schmerzen identifiziert.
Beim Zervixkarzinom können ebenfalls vaginale Blutungen,
Schmerzen oder auch eine Niereninsuffizienz oder Nierenschmerzen auftreten.
Beim Vulvakarzinom müssen neu aufgetretene Tumoren oder
Schwellungen der Leiste oder der Vulva sowie Blutungen und
Schmerzen beachtet werden.
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Für weiterführende Fragen steht das Tumorzentrum
unter [email protected] , Tel. 061 265 39 03 oder
Fax 061 265 39 26 zur Verfügung.
Prof. Dr. med. Viola Heinzelmann-Schwarz
Leiterin des Gyn. Tumorzentrums
und Chefärztin der Frauenklinik
Universitätsspital Basel, Frauenklinik
Spitalstrasse 21
4031 Basel
E-Mail: [email protected]
Dr. med. Nicolas Trost
Ärztepraxis Bärencenter
Hauptstrasse 30
4127 Birsfelden
Interessenkonflikte: keine deklariert