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Beauty I NTE R V I E W
Alchemist
der Düfte
Jean-Claude Ellena ist
einer der weltbesten Parfümeure
und die Nase der Luxusmaison
HERMÈS. Im flair-Interview
spricht er über Intuition, Klassiker
und die exklusive Duftkreation
Jour d’Hermès“.
Sie behaupten, dass es wichtig ist, als
Parfümeur ein gutes Gespür zu haben.
Was meinen Sie damit genau?
Gespür zu haben, hat damit zu tun, den
Wert von Intuition zu kennen. Intuition
basiert nicht auf Logik, Vernunft oder
einem analytischen Zugang, sondern
bedeutet, in psychologischer, soziologischer und künstlerischer Hinsicht der
Welt gegenüber sensibel zu sein.
Haben Parfüms etwas mit Mode oder
Stil zu tun?
Die Ehe zwischen Parfüm und Mode
ist eine Zweckehe und nicht eine Beziehung aus Liebe. Es ist die Natur der
Mode, aus der Mode zu kommen, aber
Parfüm ist zeitlos. Es ist ein wundervolles Paradoxon, dass Parfüm – ein Produkt, das sich in der Luft verflüchtigt –
es schafft, über der Zeit zu stehen, ohne
sich über Mode oder Trends Gedanken
zu machen.
Sie sind schon lange in der Haute
­Parfumerie. In welcher Weise hat sich
der Zeitgeschmack verändert?
Die Veränderung ist ähnlich jener, die
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flair: 04/2013
Folgt bei Parfüms
dem Pfad seiner
Gefühle: Monsieur
Jean-Claude Ellena
und der neue Duftflakon von „Jour
d’Hermès“.
wir in der Literatur, der Cuisine oder im
Film finden. Es gibt Nischenparfüms
und Mainstream-Parfüms. Aber auch
„Mastige“-Parfüms, eine Kombina­tion
aus den Wörtern „mass market“ and
„Prestige“ . Eine weitere Veränderung:
Die Haute Parfumerie ist sehr empfänglich für globale Einflüsse geworden.
Parfüm ist Ausdruck der Individualität,
es gab immer schon eines für dich oder
mich und nicht eines für dich und
mich – außer den Unisex-Parfüms. Die
Message hat sich gewandelt: Die Noten
sind einfach, manchmal zu einfach, und
es herrscht ein Durcheinander zwischen
Emotionen und Sensation. Wie etwas
auftritt, hat mit Sensation zu tun, nicht
mit Emotion. Es gibt heute zum Beispiel
viele Filme, die Sensation auslösen und
kaum Emotionen.
Werden Parfüms kreiert, um Klassiker
zu werden? Und wenn ja, worin liegt
die Besonderheit?
Etwas Klassisches verweigert sich Trends
und der Mode, es ist eine Form des
Wider­stands. Einen Klassiker zu kreieren, heißt, nicht mit einem Konzept zu
beginnen, sondern mit dem Wunsch,
eine eigene Geschichte zu erzählen und
sie zu teilen.
Sind Ihre Düfte Entdeckungsreisen?
Falls sie es sind – wohin geht die Reise
mit „Jour d’Hermès“?
Meine Parfüms sind eher innere Reisen,
und sie folgen dem Pfad meiner Ge­füh­
le, Gedanken und Wünsche. Für mich
sind Gerüche wie Worte: Ich verwende
sie, wie und wann ich sie brauche.
Licht war eine starke Inspiration für
Ihre neue Kreation – warum?
Licht ist ein wichtiger Wert bei Hermès.
Es erleuchtet jedes Objekt, welches das
Haus entwickelt, und die Handwerkskünstler bei Hermès versuchen, mit
jedem Objekt das schönste Licht einzufangen. In diesem Parfüm wird es durch
die Leichtigkeit, Transparenz und Klarheit der Komposition ausgedrückt.
Was ist das Maximum an Duftnoten,
die sich in einem einzigen Parfüm
­vereinen lassen?
Die gesamte Palette eines Parfümeurs,
mit anderen Worten: tausende. Ich erinnere mich an ein Parfüm, das behauptete, aus Tausenden an Ingredienzen zu
bestehen. Das Parfüm ist verschwunden,
den Flakon gibt es immer noch.
Fotos Hermès INTERVIEW Nicole Adler
Was macht ein Parfüm attraktiv?
Das ist eine lustige Frage, weil man
einem Mann dieselbe Frage zu einer
Frau stellen könnte und dieselbe Antwort wie für ein Parfüm bekommen
würde. Der Grund dafür ist, dass man
ein Parfüm so stark mit seiner Trägerin
verbindet.