Pietismus theatral und theatralisch Ort: Halle (Saale

Pietismus theatral und theatralisch
Ort: Halle (Saale)
Veranstaltungsort: Franckesche Stiftungen, Historisches Waisenhaus, Amerikazimmer
Veranstalter: Interdisziplinäres Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg in Verbindung mit den Franckeschen Stiftungen zu Halle (IZP)
Datum: 20.-22.10.2016
Bewerbungsschluss: 15.01.2016
URL: http://www.pietismus.uni-halle.de/
Pietistische Frömmigkeit wird von den Zeitgenossen an erster Stelle als zur Schau gestellte
Frömmigkeit wahrgenommen, als körperlich sichtbares Betragen, das Inklusionen und Exklusionen
erzeugt sowie sozialen und religiösen Sinn entstehen lässt. In der Forschung prägen bislang – vielfach
unreflektiert – pietistische Selbstaussagen zu ‚Weltflucht‘ und ‚Innerlichkeit‘ einerseits und
polemische Zuschreibungen (‚Kopfhängerei‘) andererseits das Bild einer pietistisch gefärbten
kulturellen Praxis. Nach den Techniken, die eine solche Identitäten generierende soziale Wirklichkeit
je situativ allererst hervorbringen, wird jedoch kaum gefragt.
Wenn Spener 1687 von einer öffentlichen Verurteilung der Theaterbesucher abrät und meint, man
müsse „in andern offenbaren stücken suchen sie zur erkäntnus zu bringen / daß ihnen insgesamt
aller eitelkeit vergehe“, offenbart dies eine allgemeine Kritik an weltlicher Eitelkeit und sozialem
Rollenspiel, die sich in allen Spielarten des Pietismus wiederfinden lässt. Francke achtet an den
Schulen der Glauchaschen Anstalten auf die Unterrichtung der Zöglinge in guten Sitten und gesteht
damit der (äußerlichen) Anpassung an die ‚Welt‘ eine gewisse Berechtigung zu, seine Schrifftmäßigen
Lebens=Reglen oder die Tischordnungen der Anstalten zielen andererseits auf die Implementierung
einer divergierenden pietistischen ‚Geselligkeit‘. Weiterhin ist auch das in zahlreichen Schriften
postulierte Ideal der Einfalt zu berücksichtigen - ebenso wie die (Gegen-)Positionen zeitgenössischer
Kritiker, die das explizit Theatrale der pietistischen Frömmigkeitspraktiken hervorheben, wie etwa
Johann Simon Buchkas Muffel der Neue Heilige oder Luise Adelgunde Victorie Gottscheds Die
Pietisterey im Fischbein-Rocke.
Erst neuere kulturwissenschaftliche Ansätze (v.a. der Performative Studies) haben den Vollzugs- und
Inszenierungscharakter sozialer Praktiken betont und ermöglichen damit auch den Blick auf eine
‚Gemachtheit‘, die sich selbst den Anschein der Einfalt gibt - „wo Kunst und kluges Wissen / Koth,
Unflath, Teufels=Dreck und Laster heissen müssen“ (Buchka, Muffel).
Auf der vom Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung geplanten Tagung sollen die
kulturhistorische Relevanz des Pietismus und die Auswirkungen seiner je unterschiedlichen
Positionierungen mit Hilfe von performativen Praktiken und in Hinblick auf performative Prozesse
ausgelotet werden. Beiträge aus allen einschlägigen historisch arbeitenden Disziplinen (Kultur-,
Literatur- und Theaterwissenschaft, Alltags- und Sozialgeschichte, Theologie, Philosophie,
Medizingeschichte) sind willkommen.
Mögliche Themenfelder können sein:
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soziale Praktiken, aber auch Texte, Bilder und Dinge, die ein spezifisch ‚pietistisches‘
Selbstbild erzeugen bzw. die ‚von Außen‘ so wahrgenommen werden;
das Verhältnis pietistischer Schriften zur Lebensführung, Diätetik oder Erziehung zu barocken
und frühaufklärerischen Sittenlehren und deren Gemeinsamkeiten und Differenzen in der
Frage nach dem decorum;
Differenzierungen zwischen natürlichen und geistlichen Affekten (bspw. in Franckes
hermeneutischen Schriften);
das Verhältnis zur künstlerischen Praxis Theater und der Berufsschauspielkunst;
der Vorwurf der Heuchelei und Theaterei innerhalb der antipietistischen Polemik.
Wir erwarten interdisziplinär orientierte Vorträge im Umfang von 20 Minuten, in denen das
Hauptaugenmerk der wirklichkeitskonstituierenden Kraft pietistisch konnotierter kultureller
Praktiken gilt. Bitte senden Sie Ihr Abstract (max. 3.000 Zeichen inkl. Leerzeichen) unter Angabe eines
Vortragstitels sowie einer bio-bibliographischen Notiz bis zum 15.01.2016 an folgende Mailadresse:
[email protected]
Die Herausgabe eines Tagungsbandes ist beabsichtigt.
Kontakt:
Dr. Corinna Kirschstein
Interdisziplinäres Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Franckeplatz 1, Haus 24
06110 Halle (Saale)