D` Hirschbrunft

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Almabtrieb durch die Tölzer
Markstraße, den Festsaal des bayerischen Oberlandes: ganz ohne
Sondergenehmigung, Verkehrssperrung
und Polizei-Eskorte – einfach so? Was wie
eine Legende aus fernen, längst vergangenen Tagen klingt, das hat es von 1966
bis 1970 tatsächlich gegeben. Damals war
die Marktstraße sogar noch eine stark
befahrene Bundesstraße! Aus Anlass der
diesjährigen oberbayerischen Hauptalmbegehung in Wackersberg wollen wir an
dieses vergessene Kapitel der Almwirtschaft erinnern.
Es ist der 76-jährige Landwirt Josef
Gottfried, „zum Bartlbauer“ aus Schaftlach, dem wir die Geschichte vom heute
kurios anmutenden Almviehtross durch
Bad Tölz zu verdanken haben. Weil ihm
damals in seiner Heimatgemeinde nicht
genügend eigener Weidegrund zur Verfügung stand, hat der junge Landwirt 1966
die Wackersberger Alm und die Sauersberger Alm am Blomberg sowie die Obere Hirschenalm am Heiglkopf gepachtet
und dort fünf Jahre lang 53 Stück Vieh in
die Sommerfrische geschickt.
Einen Viehtransport gab es damals
noch nicht, und daher hat sich Josef Gottfried bereits um 4 Uhr früh mit seinen
Rindern auf den 19 Kilometer langen Weg
gemacht – von Schaftlach über Waakirchen, Reichersbeuern und Bad Tölz bis
zu den Bergweiden. Die Kreisstadt passierte der Viehtross über die Markstraße,
Badstraße und Ludwigstraße. „Einmal ist
beinahe ein Rind überfahren worden, einmal haben alkoholisierte Burschen eine
Schlägerei mit uns angezettelt – mehr ist
in den fünf Jahren nicht passiert“, erzählt
Verstorbene melden!
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S. K.
14
D Almbauer Oktober 2015
Foto: Bannier
1 Josef und
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der Ausgabe
des „Tölzer
Kurier“ vom
1. Oktober
1968 – auf
der Titelseite
ein Foto vom
Almabtrieb
durch die
Tölzer
Marktstraße.
uns der Landwirt. „Damals sind halt die
Uhren noch anders gegangen!“
In seiner Ausgabe vom 1. Oktober 1968
hat der „Tölzer Kurier“ über den Almabtrieb berichtet: Kurier-Mitarbeiter Walter
Salomon war in den frühen Morgenstunden Zeuge dieser Attraktion geworden
und hielt das Ereignis im Bild fest, als
die Rinder gerade das Redaktionsgebäude passierten: „Die geschmückten Tiere
beanspruchten nicht nur die Fahrbahn,
sondern natürlich auch das Erstaunen der
verwunderten Passanten. Die Autofahrer
waren erstaunt, hatten dann aber Verständnis“, schrieb er zu seinem Bildtext.
Ein Swimmingpool
löst das Wasserproblem
i Begeisterung für die Almwirtschaft
hatte bei Josef Gottfried sein Freund Sebastian Scheck aus Sachsenkam geweckt,
der 1948 kurz nach der Währungsreform
die Obere Hirschen-Alm für 4700 Mark
erworben und sie später an Gut Meilenberg bei Icking weiterverkauft hatte.
Weil am Blomberg häufig Wassermangel
herrschte, hat Josef Gottfried neben der
Wackersberger Alm einen Swimmingpool
aufgestellt, den er mit dem Abfluss aus
den Dachrinnen speiste. „Mein Senner
Bartl Seider hat darin auch gerne mal ein
Bad genommen“, erinnert er sich.
1980 hat Josef Gottfried noch einmal
eine Alm gepachtet: die bekannte Königsalm oberhalb von Wildbad Kreuth. „Dorthin waren es sogar 31 Kilometer. Die
Strecke haben wir mit den Tieren dann
nur noch einmal zu Fuß bewältigt, es war
mit dem Straßenverkehr einfach zu gefährlich geworden.“ Sein 1964 geborener
Sohn teilte früh die Almleidenschaft und
war dort ab 1980 bis 1996 siebzehn Jahre
lang Senner. Nach der Hofübergabe war
Josef Gottfried dann selbst zusammen
mit seiner Frau Therese ebenfalls 17 Jahre lang jeden Sommer auf dieser Alm. Vor
einigen Jahren hatten die Almleute dort
ihr schlimmstes Almerlebnis, als zwölf
Rinder vom Blitz erschlagen wurden, die
bei einem Gewitter Schutz unter einer
Baumgruppe gesucht hatten. Trotzdem
überwog für sie immer das Positive: „Bei
Tieren, die schon mehrere Sommer auf
der Alm waren, konnten wir immer die
erwartungsvolle, unbändige Freude beim
Aufbruch förmlich spüren.“
Zu Bad Tölz hatte Josef Gottfried schon
immer eine besondere Beziehung: Mehrmals ist er bei der Tölzer Leonhardifahrt
mitgeritten. Und als Mitglied der bekannten „Waakirchner Sänger“ ist er ganz oft
in der Kreisstadt aufgetreten, auch bei
Benefizveranstaltungen des Tölzer Kurier.
Rainer Bannier
D‘ Hirschbrunft
ni
Mondnacht war‘s damals auf
der Mühlbergalm im Oktober, die
Zeit der Hirschbrunft. Auf die Zeit hab i
mi schon den ganzen Sommer g‘freut auf
der Alm.
G`sehn hab i‘s net, aber um so lauter
hab i‘s röhrn g‘hört. Duell auf Duell hats
da nur gebn. Mir hat des so guat g‘falln,
dass i mir g‘sagt hab, da machst a mit.
Bin raus von mein‘ Hüterl, hab mi auf
an großen Stein g‘sessen und hab‘s probiert. Es muss mir gut gelungen sein, weil
gleich drauf schon so a Rivale nebn mir
g‘standen is. Aber da hat‘s dann pressiert
in mei Hütterl nei und auf sei Herausforderung hab i ihm koa Antwort mehr gebn.
aus dem Buch „Almerinnerungen“
von Therese Kleinmaier
A