doktorinwien

16.02.2016
doktorinwien
Erscheinungsland: Österreich | Auflage: 15.200 | Reichweite: k.A. | Artikelumfang: 81.267 mm²
Seite: 38, 39
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Thema: Mathias Preuschl
Autor:
Strafrechtsnovelle
Medizinerprivileg wieder eingeführt
Mit 1. Jänner 2016 ist das Strafrechtsänderungsgesetz (BGBl 112/2015) in Kraft getreten,
welches strafrechtliche Bestimmungen an die jetzigen gesellschaftlichen Standards anpassen
und die Rechtslage vereinfachen soll. Neben der Anhebung von Wertgrenzen bei
Vermögensdelikten und der Erhöhung der Strafrahmen bei Delikten gegen Leib und Leben
finden sich auch Änderungen, die insbesondere für Gesundheitsberufe wesentlich sind.
Von Mathias Preuschl und Daniela Leitner
"Tod nach falscher Spritze" oder
"Falsch operiert": Wenn nach
einer medizinischen Behandlung oder
einer Operation Folgeschäden bleiben,
gehen die emotionalen Wogen meist
hoch
entsprechende Schlagzeilen
inklusive. Doch in der gerichtlichen
Praxis war die Beurteilung dieser Fälle
meist schwierig, da ein großer Auslegungsspielraum bestand.
Mit der Strafrechtsnovelle setzt der
Gesetzgeber nun ein klares Signal in
Richtung Patienten und Gesundheitspersonal. Durch das wieder bestätigte
"Medizinalpersonenprivileg" können
Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal demnach nicht für
jede unerwünschte Folge einer medizinischen Behandlung zur Rechenschaft
gezogen werden, sondern nur, wenn sie
grob fahrlässig gehandelt haben.
Gleichzeitig werden die wirklichen
ärztlichen Kunstfehler strafrechtlich
aus dem Bereich der Kavaliersdelikte
geholt. Der Strafrahmen für die grob
Anfragen für weitere Nutzungsrechte an den Verlag
-
Der Strafrahmen für
die grob
fahrlässige
Tötung wird
im Ver-
gleich zum
Grunddelikt
verdreifacht
und bei der
grob fahrlässig begange-
nen Körperverletzung
verdoppelt.
fahrlässige Tötung wird im Vergleich
zum Grunddelikt verdreifacht und bei
der grob fahrlässig begangenen Körperverletzung verdoppelt.
Lebensbedrohliche Vergiftung
Ein Mann wird am Herzen operiert.
Nach ein paar Tagen verschlechtert
sich sein Zustand zunehmend. Er
zeigt Symptome einer Blutvergiftung.
Bei der Untersuchung stellt man fest,
dass bei der Herzoperation ein Tupfer
vergessen wurde. Das Krankenhaus
reagiert rasch, entfernt den Tupfer,
der tatsächlich der Verursacher war,
und kann den Mann stabilisieren. Die
große Frage ist nun, ob die zuständigen
Operateure hier "grob fahrlässig" gehandelt haben.
Nach dem neuen Strafrechtsänderungsgesetz hängt die strafrechtliche
Verantwortung davon ab, ob der behandelnde Arzt beziehungsweise die
betrauten Pflegepersonen "ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig
Presseclipping erstellt am 17.02.2016 für Prochaska Havranek Rechtsanwälte GmbH zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.
handeln, sodass der Eintritt eines dem
gesetzlichen Tatbild entsprechenden
Sachverhalts als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war".
Im Fall der Herzoperation stellte sich
im Verlauf des Ermittlungsverfahrens
heraus, dass die OP-Schwester beim
Zählen der Tupfer tatsächlich einen
vermisst hatte. Da der Tupfer aber nicht
auffindbar war, hatte der behandelnde
Arzt entschieden, den Brustkorb dennoch wieder zu schließen. Er hatte also
das Risiko in Kauf genommen, dass es
zu einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung kommen könnte. Und damit
liegt der Tatbestand der "groben Fahr-
lässigkeit" vor.
Hätte sich die OP-Schwester tatsächlich verzählt und das Fehlen des Tupfers
nicht bemerkt, dann läge zwar auch ein
Behandlungsfehler vor, aber kein strafrechtlich relevanter Tatbestand. Allfällige Schadenersatzansprüche könnten
dann nur auf dem zivilrechtlichen Weg
eingebracht werden.
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16.02.2016
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Erscheinungsland: Österreich | Auflage: 15.200 | Reichweite: k.A. | Artikelumfang: 81.267 mm²
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Thema: Mathias Preuschl
Autor:
Ist alles klagbar?
der juristischen Beurteilung ärztlichen
Schon bisher hat sich die straf- und
zivilrechtliche Judikatur dahin gehend
entwickelt, dass es einen besonders hohen Grad der Unbesonnenheit voraussetzt, dass der Täter besonders rücksichtslos gehandelt oder eine Norm
verletzt hat, die gerade ihn in besonderem Maße zur Verhinderung eben
jener Rechtsgutsverletzung verpflichtet hat. Es wird jedoch erst die Zukunft
zeigen, ob in der Praxis der zivilrechtliche Begriff der groben Fahrlässigkeit
auch im Strafrecht seinen Durchschlag
finden wird. Zumindest lässt sich aus
dem Erfordernis "ungewöhnliche
und auffallende Sorgfaltswidrigkeit"
ableiten, dass nunmehr das bloße
Vorliegen einer gefährlichen Situation
nicht mehr ausreichend ist, sondern
eine zusätzliche sorgfaltswidrige Verhaltensweise des Handelnden hinzukommen muss. Kurz gesagt: Die
Sorgfaltswidrigkeit muss geradezu ins
Auge springen. Und es muss klar sein,
dass dieser auffällige Fehler die Verletzung oder Gesundheitsschädigung
geradezu zwingend bewirken wird.
Eine Komplikation nach einer Operation ist damit ebenso wenig strafrechtlich beachtlich wie eine medizinisch anerkannte Behandlung, die
sich einige Jahre später aufgrund von
neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen als nicht zielführend herausstellt.
Handelns ablesen.
Ähnlich schwierig war bislang auch die
Situation im Strafrecht. Der bisherige
Tatbestand der "Fahrlässigen Tötung
unter besonders gefährlichen Verhältnissen" (J 81 StGB) hatte nicht nur eine
sperrige Bezeichnung, sondern bereitete bei der rechtlichen Beurteilung in der
Praxis Schwierigkeiten. Zwar konnten
Sachverständigengutachten in vielen
Strafverfahren teilweise auffallende
und ungewöhnliche Sorgfaltswidrigkeit nachweisen. Die Feststellung von
"besonders gefährlichen Verhältnissen"
war jedoch meist nicht möglich. Die
Ablöse der "Fahrlässigen Tötung unter
besonders gefährlichen Verhältnissen"
durch die "Grob fahrlässige Tötung" soll
nunmehr alle Fälle erfassen, in denen
jemand ungewöhnlich und auffallend
sorgfaltswidrig handelt. Weitere Tatbestandsmerkmale sind nicht mehr nötig.
Berufsgeheimnis verletzt
Strenger als bisher geht die Strafge-
Preuschl, Leitner:
"Es bleibt abzuwarten, wie die Recht-
sprechung die neuen
Bestimmungen mit
juristischem Leben
füllt"
richtsnovelle auch bei der Verletzung
des gesetzlich auferlegten Berufsgeheimnisses vor. Wer über den Gesundheitszustand einer Person unrechtmäßig Auskunft gibt, Gesundheitsakten weitergibt oder verkauft, um sich
dadurch einen Vorteil zu verschaffen
oder einer anderen Person zu schaden,
macht sich strafbar.
Während das Strafmaß der Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr unverändert
bleibt, hat sich die alternative Geldbuße
von 360 Tagsätzen auf bis zu 720 Tagsätze verdoppelt.
Entscheidend für die Strafbarkeit ist
aber hier der Vorsatz, sich dadurch zu
bereichern oder einem anderen einen
Nachteil zuzufügen.
Zusammengefasst ist die vorliegende
Novelle, jedenfalls auch im Hinblick
auf die geschilderten für Angehörige
der Gesundheitsberufe besonders relevanten Bestimmungen, als durchaus
gelungen zu bezeichnen. Fehler der
Vergangenheit, wie die Abschaffung
des sogenannten "Medizinalpersonenprivilegs", wurden korrigiert, und die
Schärfung der Tatbestände der "GrobFahrlässigkeitsdelikte" trägt den von der
Praxis seit Jahren geäußerten Bedenken
Rechnung. Es wird nunmehr abzuwarten sein, wie die Rechtsprechung die
neuen Bestimmungen mit juristischem
Leben füllt und ob die von den Verfassern der Novelle erhoffte bessere Anwendbarkeit sich in der Praxis beweist.
Klar ist allerdings auch, dass für den Fall
einer Verurteilung zukünftig mit härteren Strafen zu rechnen sein wird.
Mathias Preuschl und Daniela Leitner
sind Experten für Wirtschaftskriminalität
und Strafrecht bei PHH Rechtsanwälte
in Wien
1.
Hohe Komplexität der Fälle
Noch schwieriger ist es, wenn ein Patient an den Folgen oder vermeintlichen
Folgen einer medizinischen Behandlung stirbt. So prozessiert etwa die
Familie eines Mannes, der nach einer
falsch verabreichten Spritze verstorben
ist, auch zwei Jahre nach dem Tod des
Mannes noch immer gegen das LKH
Graz. Damals hatte sich das Opfer, ein
Grazer Unternehmer, aufgrund seiner Leukämieerkrankung einer am-
bulanten Chemotherapie am Grazer
Landeskrankenhaus unterzogen. Er
sollte im Dezember 2013 zwei Substanzen in je einer Spritze erhalten eine Ärztin verabreichte ihm allerdings
die für die Vene vorgesehene Spritze
fälschlicherweise ins Rückenmark. Der
Mann fiel ins Koma und starb kurz vor
Weihnachten an den Folgeschäden der
Spritzenverwechslung. An diesem Zivilverfahren lässt sich die Komplexität
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Presseclipping erstellt am 17.02.2016 für Prochaska Havranek Rechtsanwälte GmbH zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.
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