5 Biografie und Entstehungsgeschichte 1 Leben und Werk des Autors Karl Georg Büchner kommt am 17. Oktober 1813 in dem hessischen Dorf Goddelau zur Welt – als erstes von sechs Kindern des Distriktsarztes Ernst Karl Büchner und der Beamtentochter Caroline Louise Büchner (geb. Reuß). Sein Geburtstag fällt zeitlich in die Völkerschlacht bei Leipzig (16. bis 19. Oktober 1813), die Deutschland zwar von französischer Besatzung befreit, es aber zurückwirft in absolutistische Kleinstaaterei: in eine Phase der Restauration, in der Bürgerrechte wieder verloren gehen und die Mehrheit der Bevölkerung vom Adel politisch unterdrückt und ausgebeutet wird – Missstände, gegen die Büchner mit sozialrevolutionärer Empörung aufbegehren wird. Erste Anzeichen einer antifeudalistischen Geisteshaltung zeigt Büchner bereits in seiner Jugend, die er wie den Großteil seiner Kindheit in Darmstadt verbringt, nachdem die Familie wegen einer Beförderung des Vaters 1816 in die Residenzstadt übergesiedelt ist. Dort besucht Büchner ab 1825 das hoch angesehene Gymnasium „Pädagog“ und gehört zu jenen Schülern, die mit Burschenschaften und anderen oppositionellen Gruppen sympathisieren: In der sogenannten Cato-Rede (über einen Widersacher Cäsars) prangert Büchner – brisanterweise kurz nach der französischen Julirevolution, die auch zu Aufständen 6 Biografie und Entstehungsgeschichte unter den hessischen Bauern führte – bei einem schulischen Festakt im September 1830 die Willkür von Despoten an; bei dieser Gelegenheit demonstriert er sein herausragendes rhetorisches Talent. Nach dem Abitur immatrikuliert sich Büchner, dem Rat seines Vaters Folge leistend, am 9. November 1831 im französischen Straßburg für Medizin. Auf Vermittlung von Verwandten mütterlicherseits bezieht er Quartier bei dem progressiven Pfarrer und Dichter Johann Jakob Jaeglé, mit dessen Tochter Minna (1810 –1880) er sich im Frühjahr 1832 heimlich verlobt. Auch im Hinblick auf seine politische Sozialisation verbringt Büchner in dem seit der Julirevolution (1830) von Aufständen erschütterten Straßburg, wo ein liberaleres Klima als in seiner Heimat herrscht, zwei anregende Jahre. Er knüpft Kontakte zu republikanischen und frühsozialistischen Kreisen, was seinen Blick für die Zustände in der Heimat schärft: Am 24. Mai 1832 hält er in der Studentenverbindung „Eugenia“ einen Vortrag über die Verderbtheit deutscher Regierungen. Im Oktober 1833 wechselt Büchner an die Fakultät in Gießen, denn das Großherzogtum Hessen untersagte damals seinen Untertanen ein unbegrenztes Auslandsstudium. Der 20Jährige leidet unter dem Zwangsumzug nicht nur wegen der Trennung von seiner Braut; er fühlt sich isoliert durch die repressiven feudalistischen Verhältnisse und hält Distanz zu seinen Kommilitonen, die ihn als spottlustig und überheblich wahrnehmen. Kurz nach seiner Ankunft erkrankt Büchner an einer Hirnhautentzündung; er genest bei seinen Eltern in Darmstadt, wo er sich zudem in philosophische und historiografische Texte vertieft. Die Rückkehr nach Gießen Anfang Januar 1834 stürzt ihn in eine tiefe psychische Krise. Im sogenannten Fatalismusbrief (vgl. Interpretationshilfe, S. 10) schildert er Minna Jaeglé seinen depressiven Gemütszustand mit den Worten: „Ich bin ein Automat; die Seele ist mir genommen.“
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