Predigt zu Prediger Salomo 1,9-10 Universitätsgottesdienst am 15.11.2015 in der Schlosskirche Karsten Matthis, Dipl. Theol. Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommt. Liebe Hochschulgemeinde, wer es unternimmt, sich eingehender mit dem Buch des Prediger Salomo zu beschäftigen, der wird nicht schlecht erstaunt darüber sein, wies sehr dieses biblische Buch zu allen Zeiten Menschen bewegt und inspiriert hat. Kirchenvater Hieronymus sah in diesem Weisheitsbuch eine Anleitung aus der Welt zu fliehen. Martin Luther hingegen erkannte beim Prediger Salomo einen rechten Gebrauch, wie man die Welt und Fürsten zu verstehen hat. Viele andere kluge Köpfe nehmen Anleihen beim Prediger so spricht Heinrich Heine davon, dass der Prediger Salomo ein „Hohes Lied der Skepsis“ geschrieben habe. Sicherlich übt das Buch Kohlet auf Menschen Anziehungskraft aus, die die Welt skeptisch betrachten und alles für eitel auf Erden halten, was tagtäglich unter der Sonne geschieht. Diesen Skeptizismus bedient der Prediger Salomo scheinbar: In schonungsloser Offenheit legt Kohelet eine ganze Liste negativer Erfahrungen vor. Reichtum, selbst wenn er unvorstellbar groß ist, macht nicht glücklich. Ohnehin auf der Erde geht es nicht gerecht zu. Der Fromme und Gerechte hat nicht die Garantie, besser zu leben als der Ungerechte. Im Gegenteil: Oft ist der Ehrliche der Dumme. Der Skrupellose führt ein schönes Leben. Der Prediger Salomo hat längst erkannt, dass Tun und Ergehen nicht im Einklang stehen muss. In einer so widersprüchlichen und verrückten Welt gibt es scheinbar immer wiedervergleichbare Schicksale, die an der Gerechtigkeit zweifeln lassen müssen. Die herbe Kritik des Predigers an den Zuständen seiner Zeit verleiht dem Buch beim ersten Hören einen melancholischen Grundton. Aber ist der Prediger Salomo tatsächlich ein Skeptiker und Pessimist durch und durch? Ein kulturmüder Gelehrter für den alle menschlichen Aktivitäten „ein Haschen nach dem Winde sind“? Eine vertiefte Lektüre dieses kleinen philosophischen Buches, liebe Gemeinde, kann zu ganz anderen Schlüssen führen. Nicht ein Spötter oder ein grenzenloser Pessimist ist Kohelet, sondern vielmehr liebte er das Leben. Und weil er es liebt, will er zu einem rechten Gebrauch mit dem Leben anleiten. Denn um das Leben zu lieben, muss man diese ungerechte Welt ertragen können, in ihrer Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit. Lachen, tanzen und fröhlich sein, sollen ihren Platz im Leben haben. So stellt sich der Prediger Salomo uns als ein Mensch vor, der mit seinem Realismus und Erfahrungen im Glauben sein Leben meistern will. Mit einem scharfen Blick auf die Ereignisse auf Erden tut er es, ohne daran irre zu werden. Uns begegnet in jenem unbekannten Verfasser ein äußerst lebenskluger Mann. Dieser Prediger kennt sich auf vielen Feldern aus: Er ist nicht nur ein guter Theologe. Er weiß mit Politik und mit ihren Mächtigen umzugehen. Er ist ein verständiger Naturwissenschaftler, der die Prozesse der Natur zu deuten weiß. Er ist ein weltoffener Mensch, der sich mit der Geschichte und Kultur seiner Nachbarvölker auseinandergesetzt hat. Kurzum: Der Prediger Salomo war ein Universalgelehrter seiner Zeit, der sich zu vielen Dingen seinen Kopf zerbrochen hat, was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält. Der Autor stellt sich eingangs uns als Sohn Davids und König zu Jerusalem vor. Wer immer er sein mag, ob er mit Salomo zumindest in Kontakt stand oder nicht, eines ist gewiss: So schreiben wie er, kann nur einer, der an Gott glaubt. Das Werk seiner Schöpfung stellt er nicht ansatzweise in Zweifel. Die Menschen erkennen das Werk seiner Hände, aber sind nicht in der Lage, sein Handeln verstehen zu können. Unser Prediger ist ein gläubiger Gelehrter, der letztendlich bescheiden geblieben ist. Er überschätzt menschliche Weisheit nicht, denn auch sie kann keine letztgültigen Antworten geben. Der menschlichen Klugheit sind Grenzen gesetzt. Nichts, was der Mensch ins Werk setzt, ist neu unter der Sonne. Liebe Hochschulgemeinde, der Prediger glaubt an einen verborgenen Gott, der den Menschenkindern so viel Mühe aufgegeben hat. Bei ihrer tagtäglichen Arbeit und im Umgang mit ihren Mitmenschen lastet viel auf ihren Schultern. So erkennt der Prediger den ewigen Kreislauf von Mensch und Natur. Eine sich immer wiederholende Abfolge von Sonnen Auf- und Untergängen. Die alte Erde bleibt im Ganzen gleich. Ihre Geschichte ist eine Folge von menschlichen Taten und Schicksalen in einer Endlosschleife, die sich in jeder Generation wiederholen und sich immer wieder so vollziehen werden. Vom Menschen her gesehen, kann sich offenbar nichts Neues ereignen. Es gibt offenbar nicht Neues, was die Menschenkinder unter der Sonne zustande bringen könnten. Es ist das ewig gleiche Spiel von Macht und Ohnmacht, von Kriegen und brüchigen Friedenschlüssen, von Vertreibungen und Neuansiedlungen. Und der Mensch bleibt in seinem Wesen gleich. Es gelingt ihm verschiedene Ideologien zu kreieren und diese gewaltsam durchzusetzen, aber sie scheitern alle am Ende grandios, wenn die Initiatoren dieser Weltanschauungen die Achtung vor dem Leben verlieren und sich die Erde zum Untertan machen wollen. Rote - und braune Ideologien haben unendlich viel Leid über die Menschen gebracht. Immer wieder sind Diktatoren aufgestanden und haben eine Weile Menschen unterdrücken können; und sind dann wiederum in sich zusammengesunken. Ja, vieles ist eitel! Jeder der mit der bundesdeutschen Politikszene einmal in Berührung gekommen ist, mag darüber so urteilen, weil nicht immer das Allgemeinwohlwohl im Mittelpunkt steht, sondern persönliche Eitelkeiten. Populistische Reden, die nach guten Wahlumfragen schielen, aber nicht der Wahrhaftigkeit dienen. Viele politische Ankündigungen nach mehr Gerechtigkeit überall auf der Welt und vor Ort sind ein „Haschen nach dem Wind“. Viele Worte verhallen ohne Taten. Der Prediger hat zu seiner Zeit diese politischen Spielereien erkannt und entlarvt. Er wäre heutzutage gang gewiss ein guter Kommentator und geschätzter Autor von Leitartikeln. Nichts Neues geschieht unter der Sonne oder etwa doch? „All Morgen ist ganz frisch und neu“ haben zu Beginn des Gottesdienstes gesungen, weil wir hoffen, dass jeden Morgen Gott sein Werk neu mit uns beginnt. Seine Schöpfung ist nicht abgeschlossen, ist vielmehr dynamisch und wirkungsmächtig. Mit Jesus Christus ist uns vor Augen geführt, dass Gott sich beständig um seine Menschen müht und wieder und wieder voller Freundlichkeit uns gegenübertritt. Damit sich tiefgreifend Neues unter der Sonne ereignet, hat er sich selbst unter die Sonne gestellt. Mühen und Qualen hat er auf sich genommen. Der kleine Jesus musste nach Ägypten vor Herodes fliehen. Er hat als Handwerker gearbeitet und hat unserer Arbeit damit Bedeutung verliehen. Er hat Armen das Evangelium gepredigt und Kranke geheilt. Dies hat unserem Bemühen um menschliche Würde und sozialer Gerechtigkeit einen Sinn gestiftet. Und Christus hat die bedingungslose Nächstenliebe ausgerufen. Immer wieder neu und provozierend für uns, dass am Ende die göttliche und nicht die menschliche Gerechtigkeit das letzte Wort hat. Dass Kommen Gottes in die Welt konnte der Prediger nicht erahnen und sich wahrlich zu seiner Zeit nicht vorstellen. Hier irrte einst der Prediger Salomo, denn er hat Gott vermutlich in seiner schöpferischen Kraft unterschätzt. Dass Gott Mensch wurde, war für ihn außerhalb seiner Vorstellungskraft. Gott macht alles neu, besiegt den Tod und weckt Menschen auf. Unser Gott versöhnt Erbfeinde. Möge unser Vater im Himmel auch die tiefen kulturellen Gräben zwischen westlicher und islamischer Welt überbrücken. Gräben, die durch blutigen Terror so tief erscheinen und schlimmstes erwarten lassen. Er besiegt unsere Skepsis, überwindet unseren Weltschmerz und Pessimismus durch sein befreiendes Wort. Denn er ist ein Freund des Lebens. Ja Herr so sei es: Mache alles heil, alles neu auf Erden und uns zu Menschen nach deinem Willen. Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
© Copyright 2024 ExpyDoc