30. September 2015 - 08:30 | Firmennachfolge Warum scheitern Übergaben? Niklas Offermann, Diethard B. Simmert Die Weitergabe eines Unternehmens an die nächste Generation ist ein komplexes Unterfangen. Es gilt, rechtliche, steuerliche und organisatorische Vorgaben in einem emotional aufgeladenen Umfeld zu erfüllen. Deshalb wird nur ein kleiner Teil der Nachfolgen erfolgreich abgeschlossen. Die Weitergabe eines Unternehmens an die folgende Generation birgt viele Fallstricke. (dpa) Im Zeitraum zwischen 2014 und 2018 stehen bei rund 135 000 deutschen Familienunternehmen Nachfolgen an. Einer Studie zufolge schaffen nur zwölf Prozent der Unternehmen die Weitergabe bis in die dritte Generation, und nur ein Prozent schafft die Weitergabe bis in die fünfte Generation. Die Unternehmensnachfolge ist in aller Regel ein in jeder Generation einmaliger Prozess, bei dem die notwendige Erfahrung und das Know-how nicht vorliegen und der von einem Unternehmer in der Regel nicht allein bewältigt werden kann. Besonders emotionale und persönliche Aspekte der im Nachfolgeprozess involvierten Personen, aber auch die erforderliche Vorbereitungszeit des Nachfolgers oder Aspekte der Altersversorgung des Seniors, dürfen nicht unterschätzt werden. Um die Thematik der gescheiterten Nachfolgen bei Familienunternehmen aufzuzeigen und zu untersuchen, wurden gescheiterte Nachfolgelösungen bzw. deren Konflikte anhand von Experteninterviews untersucht. Im Kern haben diese Experten ein Portfolio gebildet, aus dem acht unterschiedliche Sichtweisen abgeleitet wurden. Interviews mit Spezialisten (Sparkasse) Die Gründe, aus denen Nachfolgelösungen bei Familienunternehmen scheitern können, sind sehr individuell. Risiken und Probleme kommen aus unterschiedlichen Bereichen zusammen. Um dieser individuellen Thematik gerecht zu werden, wurden im Zuge der Masterthesis des Autors zur Untersuchung möglicher Ursachen für erfolgreiche sowie scheiternde Nachfolgelösungen Experten interviewt. Jeder dieser Spezialisten verfügt über Wissen und Erfahrung in seinem Bereich und hat einen direkten Bezug zu dem Thema Nachfolge bei Familienunternehmen (s. Abb. 1). Für die jeweiligen Interviews wurden für jeden Interviewpartner spezifische Fragen erarbeitet, die ein offenes Interview gewährleisten, um so möglichst viele Informationen zu erhalten. Vor allem wurden mögliche Gründe für das Scheitern oder das Nicht-Loslassen von Unternehmern untersucht. Im Ergebnis konnten die verschiedenen Ursachen des Scheiterns katalogisiert werden. Parallel wurden Lösungen und mögliche Maßnahmen zur erfolgreichen Gestaltung einer Nachfolgelösung ex ante sowie ex post (im Voraus, bzw. Nachhinein betrachtet) festgehalten. Nicht-Loslassen-Können (Sparkasse) Im Rahmen der jeweiligen Interviews wurde unter anderem die Frage gestellt: „Was sind für Sie die Hauptgründe dafür, dass Unternehmer nicht loslassen?“ Als Kernergebnis wurde Folgendes festgehalten (s. Abb. 2): Prinzipiell kann aus den Aussagen abgeleitet werden, dass das Nicht-Loslassen hauptsächlich aus hoher emotionaler Bindung und der Tatsache resultiert, dass das Unternehmen Leben und Hobby zugleich ist. Dazu kommt, dass der Unternehmer mit der Übergabe einen neuen Lebensabschnitt markiert, der die Endlichkeit des Lebens ins Bewusstsein ruft. Die enge Verbundenheit der Unternehmer mit ihrer Firma – im Betriebsalltag ein wesentlicher Vorteil – wird bei der Nachfolgeregelung zum Nachteil, der die Übergabe erschwert und sogar zum Scheitern bringen kann.1 Dieses Ergebnis kann an dem Beispiel von Eugen Block verdeutlicht werden. Block war im Alter von 74 Jahren geschäftsführender Gesellschafter der Block-Gruppe, die 2014 mit etwa 2200 Mitarbeitern Umsatzerlöse von 340 Millionen Euro erzielt hat.2 In einem in der „Zeit“ erschienenen Interview lässt sich nachlesen, wie der erste Anlauf des Übertragens der Unternehmensgruppe auf seinen Sohn gescheitert ist. Grund hierfür war, dass Block nicht loslassen wollte und konnte sowie in zu vielen Entscheidungen die Konfrontation gesucht hat. In der Konsequenz hat Block seinen Sohn aus dem Unternehmen gedrängt und verfügt, dass künftig ausschließlich familienexterne Personen in die Unternehmensführung eintreten sollen.3 Block ist aktuell mit 75 weiterhin der alles überstrahlende Patriarch der Unternehmensgruppe. Ob das öffentlich bekundete Ziel „loszulassen“ erfolgen wird, bleibt abzuwarten.4 Laut einer empirischen Analyse der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind Unternehmer im Alter von über 60 weniger innovativ und scheuen Investitionen.5 Auch aus diesem Ergebnis kann abgeleitet werden, dass der Patriarch bzw. der nicht loslassende Unternehmer die Wettbewerbsfähigkeit von Familienunternehmen erheblich gefährden kann. Die Auswertung der Interviews hat dabei gezeigt, dass auch von Interviewpartnern mit verschiedenen Spezialgebieten bestehendes Konfliktpotenzial zwischen den beteiligten Personen überdurchschnittlich häufig für das Scheitern einer Nachfolge verantwortlich gemacht wird. Konflikte und Fehler 1 Vgl. Gerke-Holzhäuer, 1996, S. 71 ff. 2 Vgl. Marohn, 2015, S. 32. 3 Vgl. Marohn, 2015, S. 32. 4 Vgl. Marohn, 2015, S. 32. 5 Vgl. Pressemitteilung der KfW vom 23. April 2015. Eugen Block ist auch heute noch mit 75 Jahren der alleinige Lenker seiner Unternehmensgruppe. (dpa) Nachfolgeregelungen scheitern oft, weil rechtliche und steuerliche Belange nicht ausreichend beachtet werden. Hier sind besonders unstimmige Testamente, Gesellschaftsverträge sowie Ehe- und Erbverträge zu nennen, die jeweils einzeln betrachtet zum Zeitpunkt des Verfassens in sich schlüssig erschienen, aber im Ganzen weder inhaltlich noch hinsichtlich der endgültigen Zielsetzung im Interesse der Beteiligten sind. Auch eine zu detaillierte Vorgehensweise, wie etwa eine rein steueroptimierte Nachfolgelösung ohne Blick für die Gesamtsituation, hat in der Vergangenheit häufig zu unüberbrückbaren Problemen geführt. Diese haben in eingen Fällen die gesamte Nachfolge scheitern lassen und so letztlich auch den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens negativ beeinflusst. Auch der Verzicht auf das Einbinden spezialisierter Experten in den Nachfolgeprozess und der damit einhergehende Verzicht auf Know-how, kann Ursache für ein Scheitern sein. Dem Familienunternehmer fehlt es häufig an dem Spezialwissen und an der Zeit bzw. den Freiräumen, die notwendig wären, um seine Nachfolge neben dem operativen Geschäft zu regeln. Auch emotionale Gründe, wie die moralische Verpflichtung des Unternehmers gegenüber seinen Kindern oder fehlende Ehrlichkeit – besonders wenn der familiäre Nachfolger nicht geeignet erscheint – sind kritische Faktoren. Hinzu kommt, dass sich der Unternehmer oft nicht oder zu spät mit der Nachfolge beschäftigt und zusätzlich eine falsche oder zu oberflächliche Kommunikationspolitik mit den Beteiligten betreibt. Bei Familienunternehmen mit einem aus mehreren Familienmitgliedern bestehenden Gesellschafterkreis, sind Pattsituationen und ein Zersplittern dieser Gemeinschaft Situationen, die die erfolgreiche Nachfolge gefährden. Zudem kommt es fast immer zur Bildung von Allianzen innerhalb der Familie und dem Gesellschafterkreis, die das Unternehmen und vor allem auch die Unternehmensnachfolge nachhaltig lähmen und blockieren können. Diese Allianzen entstehen meist durch Neid und Missgunst sowie falsches Gerechtigkeitsempfinden oder fehlendes Wissen. Zusätzlich kann hier das Fehlen einer tieferen Bindung der Familie an das Unternehmen eine bedeutende Rolle spielen. Im Rahmen der Interviews hat sich gezeigt, dass durch Dritte – besonders durch angeheiratete Familienmitglieder – Konflikte erst entstehen und verschärft werden können. Mehrere Interviewpartner haben darüber berichtet, dass es zum Scheitern der Nachfolge geführt hat, als durch diese „Dritten“ negativ Einfluss auf den Nachfolger genommen wurde: Indem man grundsätzliche Regelungen (etwa dass Angeheiratete keine Gesellschafter werden können) infrage gestellt hat, das Familienunternehmen nur als Verdienst- und Vergnügungsquelle angesehen wurde oder kulturelle Unterschiede existierten, die nicht zu überwinden waren. Alles schriftlich fixieren Zeitmangel kann einer geordneten Nachfolgeregelung im Weg stehen. (dpa) Wird keine klare Definition und keine Niederschrift über den Ablauf der Nachfolge festgelegt und nicht alle relevanten Familienangehörigen in den Nachfolgeprozess eingebunden, sind Konflikte vorprogrammiert. So berichtete ein „Interviewpartner der gescheiterten Nachfolgeregelung“ davon, dass bei seiner Nachfolge zwischen ihm als Übergebenden und seiner Tochter als Übernehmenden, keine schriftliche Vereinbarung über den zeitlichen Ablauf getroffen wurde. Unter anderem dieser Aspekt der fehlenden vorherigen Vereinbarung und der unterschiedlichen Ansichten zur zeitlichen Abfolge, haben dann zum Scheitern dieser Nachfolge geführt. Auch die Gefahr des Nicht-Loslassens des Seniors und das Einmischen in die Tätigkeit des Nachfolgers sind Ergebnisse einer fehlenden Ausdefinierung des Nachfolgeprozesses. Ebenso sind das Fehlen von klaren Mehrheiten im Gesellschafterkreis und eine zu große Komplexität desselben Aspekte, die die Wahrscheinlichkeit von Konflikten und Problemen im Nachfolgeprozess erhöhen. In Bezug auf den Nachfolger sind ein Drängen zur Nachfolge, eine fehlende Eignung und das Festhalten an diesem Nachfolger, fehlende Akzeptanz des Nachfolgers bzw. seiner Eignung Gründe für ein mögliches Scheitern. Letztendlich darf auch die wirtschaftliche Lage des Familienunternehmens nicht aus den Augen gelassen werden. Das Interesse an erfolgreichen Unternehmen ist größer als an weniger erfolgreichen Unternehmen. Auch die Altersversorgung des Seniors spielt dabei eine wichtige Rolle. Hat dieser privat nicht ausreichend vorgesorgt, kann die Nachfolgeregelung durch einen zu hohen Kaufpreis belastet werden. Auch werden in der Praxis oft Regelungen getroffen, die den Senior nach der Übergabe über das Unternehmen absichern. Die damit verbundenen Zahlungen können kleine Familienunternehmen erheblich belasten. Der Senior wiederum ist vom künftigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig und trägt somit ein Risiko. Scheitert der Nachfolger, ist die finanzielle Absicherung des Seniors gefährdet. Lösungsansätze Im Rahmen der Interviews wurde eine ganze Reihe von Aspekte aufgezählt, die bei einer Nachfolge zu beachten und anzuwenden sind und die den Prozess der Nachfolge vorbereiten und positiv gestalten können. Diese sind: • Ganzheitlichkeit der Nachfolge beachten und nicht nur einzelne Aspekte berücksichtigen, • Familienstrategien, Familienverfassung und Familiengespräche, • konsequente Berücksichtigung und Einbindung aller Beteiligten, • offene Kommunikation nach innen und außen, • konsequentes Abgrenzen von Übergebenden und Übernehmenden, • Rollentrennung und objektive Auswahl eines Nachfolgers, • Einbinden von Wirtschaftsmediatoren zur Konfliktprävention oder -lösung, • Nachfolger erhält ausnahmslos die absolute Mehrheit, • freie Hand für das Wirken und die Entwicklung des Nachfolgers, • Familienworkshops und -tage sowie Gesellschafterversammlungen, • Mentoren und/oder „Sparringspartner“ zur Unterstützung des Nachfolgers, • Kontrollmechanismen implementieren (z.B. einen Beirat), • frühzeitig Berater mit Expertise in die Nachfolgeregelung einbinden, • Wahrung der Distanz innerhalb der Familie, • Kompromissbereitschaft, Vertrauen und Zusammenarbeit der Gesellschafter, • Konfliktlösung mittels Rechtsanwalt erst im äußersten Notfall. Wenn sich alle Beteiligten dieser Fehler- und Konfliktquellen bewusst sind, haben mögliche Konfliktlösungsansätze wesentlich höhere Erfolgschancen. Das kann bei einer Nachfolge über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Ein Geflecht von Faktoren Das schriftliche Fixieren sämtlicher Vereinbarungen ist für alle Beteilgten von Vorteil. (dpa) Die erfolgreiche Nachfolgelösung bei Familienunternehmen ist von vielen Faktoren abhängig, von denen manchmal ein einzelner eine Nachfolge scheitern lassen kann. Mechanismen, wie eine Familienverfassung, ein Beirat oder auch der Einsatz von Mediatoren zur Konfliktprävention oder -lösung können einem Scheitern vorbeugen. Auch können eine möglichst frühzeitige Regelung sowie ein möglicher Notfallkoffer späteren Komplikationen vorbeugen. Weil Familienunternehmen überwiegend mit den Risiken und Chancen des täglichen und strategischen Geschäfts des Unternehmens beschäftigt sind, wird oftmals das Thema Nachfolge vor sich hergeschoben – das kann unangenehme Konsequenzen haben. Durch die starke Einbindung in das operative Geschäft bis ins hohe Alter und Festhalten an dem Wunsch, das Unternehmen über Generationen in der Familie zu halten, schaffen es viele Unternehmer nicht rechtzeitig, sich um notwendige Optionen der Nachfolge zu kümmern. Hier spielen oft Ängste eine große Rolle, wie auch die Tatsache, dass ein Familienunternehmen häufig ein Lebenswerk darstellt. Wenn dann der Senior keine Beschäftigungsalternativen wie etwa ein Hobby kennt, verschärft das die Situation zusätzlich. Das Konfliktpotenzial von Emotionen wird bei der Nachfolge oft unterschätzt. Neid, Missgunst oder auch einfach Unterschiede im Gerechtigkeitsempfinden können eine Lösung kippen lassen. Durch das Implementieren von Familienstrategien oder -verfassungen oder durch Beiräte und Nachfolgebeiräte kann die Nachfolge bei Familienunternehmen positiv beeinflusst und ein Scheitern verhindert werden. Auch die Notwendigkeit die Eignung des Nachfolgers möglichst neutral zu betrachten, ist herauszustellen. Das Verhältnis, die Ehrlichkeit und Offenheit in der gesamten Familie sowie die Berücksichtigung aller Familienmitglieder spielt eine bedeutende Rolle im täglichen Geschäft eines Familienunternehmens und explizit auch bei der Nachfolgeregelung. Werden Konflikte nicht beachtet oder nicht neutralisiert, kann das schwerwiegende Folgen für die Nachfolge und schließlich auch für das Unternehmen haben. Es empfiehlt sich, dass ein Nachfolgeprozess stets in einem vollumfänglichen Kontext betrachtet und von einem neutralen Dritten begleitet wird. Diese dritte Instanz sollte in der Lage sein, steuerliche, rechtliche und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen und dabei immer das große Ganze im Fokus behalten. Jedes Familienunternehmen sollte sich bewusst machen, dass die Nachfolgeregelung ein Prozess ist, der einen hohen Grad an Komplexität aufweist, ein sehr hohes Konfliktpotenzial beinhaltet und wohlüberlegt über einen langen Zeitraum vorzubereiten ist. Auch ein Verkauf des Familienunternehmens gilt dann als erfolgreiche Nachfolgelösung, wenn die sonst getroffene Nachfolgelösung die Familie und insbesondere das Unternehmen in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährden würde.
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