Obersee Nachrichten, 2.7.2015

IM FOKUS
OBERSEE NACHRICHTEN Donnerstag, 2. Juli 2015
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BARBARA GYSI: PRÄSIDENTIN DER ARUD UND ST. GALLER NATIONALRÄTIN
«Sucht beginnt, wenn sich
im Kopf zu viel darum dreht»
Roger Federer wird immer reicher.
Fast jeder hat «seine Sucht». Manche sind unbedenklich, wie die nach Tattoos.
Andere sind tödlich. Die Suchtorganisation Arud bekämpft mit einer Kampagne
Vorurteile gegenüber Süchtigen. Die ON sprachen mit der Präsidentin Barbara Gysi.
WOLLERAU
Federer verdiente
62 Millionen
Roger Federer verdiente vergangenes Jahr über 62 Millionen Franken.
Damit ist die Nummer zwei der Weltrangliste der bestbezahlte Tennisspieler der Welt. Im Vergleich zum
Jahr davor konnte Federer, der seit
Jahren in Wollerau wohnt, seine Einkünfte gar um zehn Millionen steigern, wie der «Blick» berichtet. (on)
RAPPERSWIL-JONA
Zweites StudentenWohnheim
Bis 2018 soll in Rapperswil-Jona ein
zweites Wohnheim für Studierende
der Hochschule für Technik (HSR)
entstehen. Kostenpunkt: acht bis zehn
Millionen Franken. Das Architekturbüro Rüegg aus Rapperswil-Jona wird
das Heim planen, so die «Südostschweiz». (on)
KANTON SCHWYZ
Absage an
Lehrplan-21-Gegner
Die Initiative «Lehrplan 21 Nein»
wurde von der Regierung abgelehnt.
Sie empfiehlt dem Parlament, die
Initiative für ungültig zu erklären.
Verstoss gegen Formalitäten und
Widersprüchlichkeiten zur Kantonsverfassung seien die Gründe für die
Ablehnung, wie der Schwyzer Regierungsrat mitteilt. (on)
dieser Menschen und ihrer Probleme
ist. Ich bin oft intelligenten,
sensiblen, manchmal auch etwas
schlitzohrigen Menschen begegnet, die
am Rande der Gesellschaft ohne
Lobby leben. Oftmals erschweren die
gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen ihre Situation. Unsere
Drogenpolitik hat sich jedoch pionierhaft entwickelt, das soll auch in Zukunft so sein. Dazu möchte ich einen
Beitrag leisten.
Ihre Organisation betreut fast 2000
Süchtige. Um welche handelt es
sich?
Wir beraten und behandeln Menschen
mit problematischem Konsum aus dem
ganzen Spektrum legaler und illegaler
Substanzen wie Heroin, Kokain, Cannabis, Tabak, Partydrogen, Alkohol
und Medikamente.
Behandelt Arud auch Internetsucht,
Spielsucht oder Socialmediasucht?
Ja. Häufig gehen diese Süchte übrigens
mit dem problematischen Konsum legaler oder illegaler Suchtmittel einher.
Als Nationalrätin stehen sie an den
Schalthebeln der Politik. Was muss
sich ändern in der Haltung den
Süchtigen gegenüber?
Welches ist das meistgehörte Vorurteil in Zusammenhang mit Sucht?
Dass Drogenabhängige verwahrlost
und mittellos sind. In der Realität ist es
so, dass 95 Prozent eine eigene Wohnung haben und auch viele einer geregelten Arbeit nachgehen.
Sucht wird oft als Versagen bezeichnet, das mit Willenskraft behoben
werden kann. Stimmt das?
Dass jemand in eine Abhängigkeit gerät, hat mehr mit vererbten Belastungs-
Zentrum für Suchtmedizin
Die arud ist ein Schweizer gemeinnütziger Verein, der 1991 von Ärzten
und anderen Suchtfachleuten gegründet wurde, um der Schliessung
der offenen Drogenszenen eine medizinische Antwort entgegenzustellen. Die Arud betreibt vier ambulante
Zentren mit 109 Mitarbeitenden.
www.arud.ch
Die St. Galler Nationalrätin Barbara Gysi ist Präsidentin des Zentrums
für Suchtmedizin Arud.
faktoren, schwierigen Lebensumständen, sozialen Problemen und
Perspektivlosigkeit zu tun als mit dem
eigenen Willen.
Immer mehr Menschen nehmen
Substanzen oder Medikamente,
um ihre Leistung zu steigern.
Wir müssen einerseits den risikoarmen
Konsum anpeilen. Das heisst, die Menschen müssen mehr über Wirkung und
Dosierung von Substanzen informiert
werden. Zum anderen sollte – wie beim
Alkohol und beim Tabak – bei allen
Substanzen der Markt reguliert werden. Das heisst, wir müssen regeln, wer
produzieren, wer verkaufen und wer
kaufen darf. So würde sichergestellt,
dass die verkauften Substanzen sauber
sind. Darum sind Konsumregelungen
besser als Verbote. Denn dies verhindert, dass die Drogen Konsumierenden
in die Illegalität getrieben werden und
sich höheren Gefahren aussetzen, weil
am Schwarzmarkt unsauberer Stoff
verkauft wird.
Wie hilft Arud?
Wir bieten Psychotherapie, medizinische Behandlungen – auch klassische
Hausarztbehandlungen sowie die Abgabe einer legalen Ersatzdroge.
Warum engagieren Sie sich
für die Suchtmedizin?
Ich habe als Sozialpädagogin und später als Stadträtin verschiedene Menschen mit Suchtproblemen kennengelernt und begleitet und dabei selber
erlebt, wie falsch unsere Wahrnehmung
Verena Schoder
«Meine ganze
Leidenschaft gilt der
Musik. Sie zieht sich
durch meinen Beruf
und mein
ganzes Leben. Sogar der Ausgang
wird von ihr bestimmt: Entweder gehts
an ein Konzert oder ein Open Air. Ein
Leben ohne Musik geht nicht.»
Wir müssen Arbeits- und Lebenswelten
schaffen, in denen den Menschen genügend Raum für sich und ihre Familie
bleibt. Darum weniger und nicht immer
mehr arbeiten. Leistung ja, aber auch
genügend Wertschätzung und auch genug zum Leben für alle.
Wo hört Genuss auf und wo beginnt
die Sucht?
Einerseits bei der Menge und der Häufigkeit des Konsums, andererseits, wenn
«sich im Kopf zu viel darum dreht».
Anna Kohler
OBERSEE NACHRICHTEN AG
Hauptplatz 5, 8640 Rapperswil-Jona
Wonach sind Sie süchtig?
Gilles Knobel
(21), Tontechniker
aus Rufi:
Wie sehen Sie die Entwicklung
in Bezug auf die Leistungsgesellschaft. Bleibt der Mensch da auf
der Strecke?
IMPRESSUM
UMFRAGE
Süchtig werden kann
man nicht nur nach
Alkohol, Nikotin oder
Drogen, sondern auch
nach ganz bestimmten
Verhaltensweisen. Wer
isst fürs Leben gern
Schoggi? Zockt, wo
immer sich Gelegenheit
ergibt? Surft stundenlang im Internet oder
braucht den täglichen
Sportkick? Niemand ist
ganz frei von Süchten,
wie die Umfrage beim
Linth-Park in Uznach
zeigt. Da kamen ganz
interessante Outings zum
Vorschein.
Im Zentrum steht für mich eine akzeptanzorientierte Haltung den Süchtigen
gegenüber. Und wir brauchen eine vernünftige Regulierung der Verfügbarkeit, statt hart sanktionierte Verbote.
Gleichzeitig muss der internationale
Drogenhandel bekämpft werden und
nicht die Süchtigen.
Hermann Walker
(76), Pensionär
aus Uznach:
«Früher galt meine
Leidenschaft dem
Wandern, heute ist
es das Reisen. Aber
da es meinem
Lebenspartner gesundheitlich nicht
gut geht, muss das leider warten. Aber
ich hoffe, dass ich irgendwann wieder
meiner Passion frönen kann.»
TELEFON: 055 220 81 81 FAX: 055 220 81 91
www.obersee-nachrichten.ch
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Netti Giusy (52),
Büroangestellte
aus Uznach:
«Ich bin süchtig nach
Süssigkeiten, Schoggi, Kuchen, Glacé!
Ich kann ganz
schlecht widerstehen,
nur die Angst vor dem Zunehmen kann
mich zuweilen stoppen. Aber ich denke,
dass sicher noch viele andere diese
Sucht mit mir teilen ... das tröstet.»
Bruno Hug
Philipp Fanchini, Michèle Fasler,
Anna Kohler, Mario Aldrovandi, Michel Wassner,
Bruno Hug
Freie Mitarbeitende: Martin Mühlegg, Verena Schoder,
INSERATE: Hanspeter Haussener (Verkaufsleiter),
Monika Hofstetter, Iris Oberholzer, Susanne Tobler,
Margrit Giovanettoni
SEKRETARIAT: Janine Kadri, Tamara Kuster,
Jeannine Pfeiffer, Daniela Hüppi
VERLEGER:
REDAKTION:
Wöchentlich
68 822 (WEMF 2014)
LESER: 82 000 (WEMF MACH Basic 2015-1)
ERSCHEINUNG:
AUFLAGE:
ANZEIGENPREISE:
gem. Tarifdokumentation, beim Verlag zu beziehen
oder unter www.obersee-nachrichten.ch (Anzeigen).
JAHRESABO AUSSERHALB VERTEILGEBIET:
Martina Jung (34),
Coiffeuse
aus Jona:
«Ich bin süchtig
nach Tattoos. Das
hat mit 14 Jahren
angefangen und
dauert weiter an. Ich
habe Tattoos über den ganzen Körper
verteilt. Sie zeigen meine Lebenseinstellung, sind Ausdruck meiner
Persönlichkeit. Und gefallen mir.»
Valentin Domgjoni
(24), IT-Supporter
aus Uznach:
«Meine Sucht ist
Fussball. Ich tschutte selber und schaue
mir auch alle Spiele
im Fernsehen an.
Selbst in den Ferien besuche ich einen
Match in einem Stadion, egal in welcher Stadt ich bin. Ohne Fussball geht
nichts.»
Markus Reumer
(58), Servicemonteur aus Benken:
«Meine Sucht ist das
Internet. Ich kann mir
nicht vorstellen, ohne
Internet auskommen
zu müssen. Es ersetzt
mir die Bibliothek, kann mir sofort alles
Wissen holen, das ich brauche. Früher
las ich viele Bücher, heute google ich
mein Wissen.»
Fr. 38.–/Jahr.
SATZ: Somedia Production, Print Video Web,
Zwinglistrasse 6, 8750 Glarus
TELEFON: 055 645 28 28, FAX: 055 645 28 60
DRUCK: Südostschweiz Partner AG, Scharastrasse 9,
9469 Haag TELEFON: 081 750 37 10, FAX: 081 750 37 11
STREUGEBIET: In allen Haushaltungen von Altendorf,
Bäch, Benken, Bollingen, Bürg, Buttikon, Ermenswil,
Ernetschwil, Eschenbach, Feldbach, Feusisberg, Freienbach, Galgenen, Gebertingen, Goldingen, Gommiswald,
Hurden, Innerthal, Jona, Kaltbrunn, Kempraten, Lachen,
Neuhaus, Nuolen, Pfäffikon SZ, Rapperswil, Reichenburg, Ricken, Rieden, Rüeterswil, Rufi, Rüti/Tann, Schänis, Schindellegi, Schmerikon, Schübelbach, Siebnen,
St. Gallenkappel, Tuggen, Uetliburg, Uznach, Vorderthal,
Wagen, Walde, Wangen, Wilen, Wolfhausen, Wollerau.