AUSGABE 02/2015 perspektiven MAGAZIN FÜR BILDUNG UND GESUNDHEIT Burnout: Der lange Weg zurück ins Leben MENSCHEN BILDUNG GESUNDHEIT Ankommen – und dann? Harmonien für schwere Jungs 3-D im OP Valluvan Selvarajah kam als Flüchtlingskind aus Sri Lanka. Musiktherapie hilft straffälligen Jugendlichen und Erwachsenen. Ein neues Verfahren macht Eingriffe schonender. Liebe Leserin, lieber Leser, diese Ausgabe dreht sich gleich in mehreren Beiträgen um das Thema Achtsamkeit. Wie viel Zeit nehmen wir uns für uns selbst? Wie viel Aufmerksamkeit widmen wir unseren psychischen wie physischen Bedürfnissen? Oftmals viel zu wenig, wie unsere Titelgeschichte zum Thema Burnout zeigt. Mehrere SRH Einrichtungen begleiten Menschen auf ihrem mitunter langen Weg zurück in ein normales Leben und zu einer entspannteren Selbstwahrnehmung. Achtsamer mit sich umzugehen, musste auch eine Alkoholabhängige lernen, die wir auf Seite 8 porträtieren. Heute hat sie ihre Sucht besiegt und macht anderen mit ihrer Geschichte Mut. Ein wunderbares Mittel, sich mit sich selbst und mit der Außenwelt auseinanderzusetzen, ist Musik. Deshalb setzen Experten zunehmend auf Musiktherapie, um mit straffällig gewordenen Jugendlichen und Erwachsenen zu arbeiten. Wie das geht, lesen Sie auf Seite 14. Modernste Medizin stellen wir Ihnen in dieser Ausgabe ab Seite 20 vor: Die Urologen am SRH Zentralklinikum Suhl zählen zu den ersten, die bei Operationen auf 3-D-Technik setzen. Und das SRH Wald-Klinikum in Gera arbeitet bei der Behandlung von Krebs erfolgreich mit einer innovativen Immuntherapie, bei der die körpereigene Abwehr auf den Krebs angesetzt wird. Eine spannende Lektüre wünscht Ihr Christof Hettich Hamburg SRH im Überblick Die SRH ist ein führender Anbieter von Bildungs- und GesundheitsBerlin dienstleistungen. Sie betreibt private Hochschulen, Bildungszentren, Hannover Schulen und Krankenhäuser. Mit 11.000 Mitarbeitern betreut die Magdeburg SRH 700.000 Bildungskunden und Patienten im Jahr und erwirtschaftet einen Umsatz von 800 Mio. Euro. Der Unternehmensverbund mit Sitz in Heidelberg. Ziel der SRH ist es, die Lebensqualität und die Lebenschancen ihrer Kunden zu verbessern. Cottbus Hamm steht im Eigentum der SRH Holding, einer gemeinnützigen Stiftung Leipzig Kassel Düsseldorf Leverkusen Köln Kluge Köpfe, die etwas bewegen möchten, finden im Karrierecenter Bad Hersfeld Bonn Gießen Wetzlar Bad Kösen Hermsdorf Friedrichroda Gera Schmalkalden Ilmenau Zeulenroda Zella-Mehlis Suhl Altenburg Dresden Ronneburg Crimmitschau/Meerane Schmölln Greiz neue Perspektiven: www.srh.de/karriere. Frankfurt Bensheim Trier Heppenheim Mannheim/Ludwigshafen Kaiserslautern Schwetzingen Saarbrücken Wiesloch Hochschulen Studienzentren Schulen Fachschulen Mörlenbach Heidelberg Neckargemünd Karlsruhe Berufliche Rehabilitationszentren Bad Wimpfen Heilbronn Ellwangen Karlsbad Stuttgart Calw Kliniken Medizinische Versorgungszentren Offenburg Paraguay Freiburg Asunción 2 Neresheim Sigmaringen Pfullendorf Oberndorf a. N. Riedlingen Lörrach-Zell Bad Säckingen Friedrichshafen Bad Saulgau München Inhalt MENSCHEN Ankommen – und dann? Nicht selten kommen Kinder und Jugendliche als Flüchtlinge ganz alleine in Europa an. Valluvan Selvarajah weiß, wie sich das anfühlt. Fest auf einem Bein Eine Unterschenkelamputation hielt Wojtek Czyz nur kurz auf. Als Fürsprecher für Menschen mit Behinderung umsegelt der Paralympics-Sieger nun die Welt. Siegerin geblieben Jessica Friedrich hat ihre Alkoholabhängigkeit überwunden. Mit ihrer Geschichte macht sie heute anderen Suchtkranken Mut. 4 6 8 4 BILDUNG Außer Betrieb Burnout galt lange Zeit als Modekrankheit. Doch für wirklich Betroffene ist ein Burnout alles andere als trendy. Harmonien für schwere Jungs Strafgefangene trommeln Rhythmen, Gewalttäter singen gemeinsam. Um Häftlinge auf die Freiheit vorzubereiten, wird zunehmend Musiktherapie eingesetzt. Nachrichten Kurse für wissbegierigen Nachwuchs / Einer der ersten Bachelor-Absolventen wird Professor / Bestnoten für Studium an der Gesundheitshochschule in Gera Bereicherung statt bloße Quote 10 Viele Unternehmen zögern, Menschen mit Handicap zu beschäftigen. Dabei können alle davon profitieren – wie es Judith Schüttler und Osman Karcier vormachen. 10 14 17 18 GESUNDHEIT 3-D im OP 3-D-Technik kennen die meisten Menschen vor allem aus dem Kino. Am SRH Zentralklinikum Suhl wird damit erfolgreich operiert. Mund auf gegen Blutkrebs Viele Menschen, die an Blutkrebs erkranken, sind auf eine Stammzellspende angewiesen. Typisierungen helfen, passende Spender zu finden. Körperpolizei stoppt Krebszellen Die Immuntherapie macht stark von sich reden. Medikamente machen das Immunsystem so flott, dass es gegen Krebszellen vorgeht. Nachrichten 20 Schonendes Verfahren für Kinder mit Skoliose / Bessere medizinische Versorgung im Landkreis Sigmaringen / Herzhose lässt natürliche Bypässe wachsen. 20 23 24 26 3 Menschen Eine neue Heimat finden Ankommen – und dann? Krisenherde auf der ganzen Welt zwingen Familien zur Flucht und entwurzeln sie. Nicht selten kommen Kinder und Jugendliche ganz alleine in Europa an. Valluvan Selvarajah weiß, wie sich das anfühlt. Von Iki Kühn Valluvan Selvarajah war gerade einmal zehn Jahre alt, als er schwer verletzt und mutterseelenallein aus Sri Lanka nach Deutschland kam. Der heute 23-Jährige beendet in Kürze seine Ausbildung zum Systeminformatiker, hat eine Zwei-Zimmer-Wohnung und genießt seine Selbstständigkeit. Ein langer Weg. Zum Happy End? Leider noch nicht. Die deutsche Bürokratie macht es weiter spannend. Rückblende: Sri Lanka ist eine grüne Insel im In dischen Ozean mit üppiger Vegetation – und einem Bürgerkrieg, der mehr als 20 Jahre lang tobt. Bis 2008 bekämpften sich die im Norden ansässigen Tamilen und die Singhalesen, die im Land die Mehrheit haben. Valluvan Selvarajah lebte mit seinen Eltern und drei älteren Geschwistern in der Stadt Nedunkeni, die stark umkämpft war. Seine Kindheit endet in einer Nacht 1999. Da ist er sieben Jahre alt. Ein Angriff tötet seine Eltern und zwei Brüder. Nur Schwester Rajitha, die zu dieser Zeit bei der Großmutter ist, überlebt. Er selbst wacht erst Wochen später aus dem Koma auf und kann sich nicht mehr bewegen. Es folgen Jahre mit monatelangen Klinikaufenthalten, in denen sich Oma und Schwester um ihn kümmern. Doch die medizinische Versorgung stößt während des Bürgerkrieges an Grenzen. Der schmächtige Körper des mittlerweile Zehnjährigen ist lebensbedrohlich wund gelegen, Entzündungen und Fäulnis quälen ihn. Die Ärzte geben ihm nur noch wenige Wochen zu leben. 2002 wird er schließlich über ein humanitäres Programm nach Deutschland ausgeflogen und in Ludwigsburg medizinisch notversorgt. „Es gab keine Alternative“, erinnert sich Valluvan 4 Selvarajah und reibt sich etwas unbehaglich das Kinn. Der junge Mann macht nicht gerne viel Aufhebens um seine Vergangenheit. Während sich die meisten Altersgenossen in Deutschland lediglich Gedanken darum machen müssen, wann genau Mama und Papa mit Teddy, Süßigkeiten und jeder Menge Trost am Krankenbett anrücken, bleibt der kleine Valluvan allein mit seinen Sorgen rund um eine ungewisse Zukunft. „Die meisten jungen Flüchtlinge kommen völlig traumatisiert an“, erklärt Karl-Heinz Fenselau, Leiter der Jugendhilfe am Berufsbildungswerk Neckar gemünd, wo man sich um junge, unbegleitete Flüchtlinge kümmert. „Ihre Erlebnisse müssen aufgearbeitet werden, und das stellt sich in einem Land, das sich mit solchen Themen bislang – zumindest in so einem Umfang – noch nicht beschäftigt hat, als eine Herausforderung dar.“ Valluvan Selvarajah am SRH Berufsbildungswerk in Neckargemünd, wo er eine Ausbildung zum System informatiker absolviert. Die Odyssee geht weiter Es folgen neun Monate Klinikaufenthalt in Heidelberg und eine ganze Reihe von Operationen. Für ein Kind eigentlich perspektiven 02/2015 eine Katastrophe. „Für mich war das die schönste Zeit meines Lebens“, erklärt Valluvan Selvarajah. Denn ein gut eingespieltes Team aus Ärzten, Schwestern und Psychologen begleitet ihn. Er fasst Vertrauen. Mit einigen hält er noch heute Kontakt. Doch dann heißt es wieder Aufbruch – von nun an im Rollstuhl, denn der Junge bleibt von der Hüfte abwärts gelähmt. Er ist mittlerweile elf Jahre alt und muss sich erneut alleine zurechtfinden. Das Internat in Markgröningen, auf das ihn die Sozialbehörden schicken, ist auf Jugendliche, die eine sonderpädagogische Betreuung benötigen, ausgerichtet. Nicht ganz die richtige Wahl für den aufgeweckten Jungen. „Eine dichtere Betreuung der Kinder ist absolut notwendig, um solche Umwege zu vermeiden“, fordert der junge Mann. Daheim – und doch nicht zu Hause Ein Jahr später geht seine Reise weiter in eine Pflegefamilie nach Schwäbisch Hall. Die Familie bemüht sich für den offiziell Staatenlosen um die deutsche Staatsbürgerschaft, doch sie merkt schnell: Das wird eine längere Geschichte. Zuständigkeiten, Beglaubigungen, Übersetzungen – all das braucht Zeit. Seine Freizeit verbringt der junge Tamile derweil meist in der Stadtbücherei und liest, denn „in einer Stadt wie Schwäbisch Hall sind die Möglichkeiten im Rollstuhl sehr begrenzt“, erklärt er. Naturwissenschaften und Technik begeistern ihn, „und vor allem Bionik“, ergänzt er. Den Realschulabschluss in der Tasche, würde er für ein Studium noch die Fachhochschulreife benötigen. Ein engagierter Berufsberater macht ihn auf die Möglichkeit aufmerksam, dass sich Fachhochschulreife und Ausbildung zusammen absolvieren lassen. Das will der 18Jährige probieren. 2009 kommt Valluvan Selvarajah mit Sack und Pack in Neckargemünd an, wo er sich mittlerweile mehr daheim fühlt als in seiner Pflegefamilie. Am SRH Berufsbildungswerk Neckargemünd absolviert der junge Mann zwei Jahre seiner Ausbildung zum Systeminformatiker erfolgreich. Dann erzwingen massive Rückenprobleme eine Auszeit. Eine komplizierte Operation, und ein halbes Jahr später nimmt er schrittweise seine Ausbildung wieder auf. Weil es ihm noch an der nötigen Energie dafür fehlt, gibt er sein Ziel Fachhochschulreife schweren Herzens erst einmal auf. Zunächst soll im September die Ausbildung fertig werden. Auf seinen Unterarm hat sich Valluvan Selvarajah einen Kranich tätowieren lassen, der reich ornamentiert bis hinauf zu den Schultern reicht, wo sich ein Koi-Karp fen anschließt: Symbole für Glück und Freiheit, erklärt er. Die kann er weiterhin brauchen – für den richtigen Job und die Sache mit der Staatsbürgerschaft. Der ist er in den vielen Jahren nicht näher gekommen. Auch mühsam beschaffte Dokumente direkt aus Sri Lanka konnten nicht entscheidend dazu beitragen, dass aus der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis die deutsche Staatsbürgerschaft wurde. „Es muss möglich sein, die bürokratischen Prozesse zu beschleunigen, um Kindern und Jugendlichen eine stabile Basis und Sicherheit zu verschaffen“, findet er. Mit seiner ursprünglichen Heimat Sri Lanka verbindet ihn nicht mehr viel. „Meine Muttersprache kann ich zwar noch verstehen, aber nicht mehr sprechen“, erklärt er etwas verlegen. Die Übung fehlt. Mehr als alles andere möchte er sich auf seine Zukunft und ein selbstbestimmtes Leben konzentrieren können – ganz normal, mit einem Vollzeitjob und später einer Familie. Er bleibt optimistisch, dass der aktuelle Anlauf erfolgreich sein wird. Ein neu beantragter sri-lankischer Pass soll auf dem Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft weiterhelfen. Und sobald er Inhaber eines Passes ist, will er ins Ausland reisen. Sein Traumziel: die Strände von Hawaii. Mit rund 400 Mitarbeitern bietet das SRH Berufsbildungswerk (BBW) Neckargemünd jungen Menschen mit individuellem Förderbedarf mehr als 700 Ausbildungsplätze in über 40 staatlich anerkannten Berufen. Sie erhalten neben einer Ausbildung auch die notwendige medizinisch-therapeutische Betreuung wie auch sozialpädagogische oder psychotherapeutische Begleitung. www.bbw-neckargemuend.de Ohne Eltern, ohne Heimat So viele Minderjährige kamen als Flüchtlinge ohne Begleitung nach Deutschland. 2008 2009 763 1.304 2010 1.948 2011 2.126 2012 2.096 2013 2014 2.486 4.399 Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg 5 Menschen Weltumsegelung Fest auf einem Bein Als Fürsprecher für Menschen mit Behinderung umsegelt der mehrfache Paralympics-Sieger Wojtek Czyz jetzt die Welt. Mit an Bord: ein innovativer 3-D-Drucker der SRH Hochschule, um vor Ort Prothesen fertigen zu können. Lkw-Fahrer hat nicht viel Zeit für den Jungen. Doch Czyz kämpft sich durch: von der Hauptschule bis zum Abitur. Und auf dem Fußballplatz, wo er sich beim Training mit den Größeren schnell Respekt verschafft. Fußball ist sein Leben – bis zu jenem Tag, als er sich beim Abschiedsspiel für seinen alten Verein schwer am Knie verletzt. Er erleidet ein Kompartmentsyndrom an der Unterschenkelmuskulatur, eine Durchblutungsstörung, die schnellstens behandelt werden muss. Doch an diesem Samstagabend verbrauchen Rettungssanitäter und Ärzte bei der Odyssee durch verschiedene Krankenhäuser wertvolle Zeit – und Wojtek Czyz verliert seinen linken Unterschenkel. Ein Foto, kurz nach der OP aufgenommen, zeigt einen traurigen jungen Mann ohne Perspektive: „Mein ganzes Leben bezog sich auf Sport, von einem Tag auf den anderen wusste ich plötzlich nichts mehr damit an zufangen“, sagt er rückblickend. Hinfallen, aufstehen, weitergehen Von Kirstin von Elm 6 Montag, der 24. September 2001: Als Wojtek Czyz aus der Narkose erwacht, hat er nur noch ein Bein. Die Amputation trifft den 21-jährigen Fußballer vollkommen unvorbereitet. Noch wenige Tage zuvor schien die ersehnte Profi-Karriere zum Greifen nah. Nach einem erfolgreichen Probetraining will ihn der SC Fortuna Köln unter Vertrag nehmen. Zudem hat er gerade die Zusage für einen Studienplatz an der Deutschen Sporthochschule in Köln erhalten. Erfolge, die sich der in Polen geborene junge Mann hart erarbeitet hat. Mit acht Jahren zieht er allein zu seinem Vater nach Kaiserslautern. Der unverheiratete Aber der Vollblut-Sportler sagt auch über sich: „Bei mir geht es immer gleich von null auf 100“. In der Reha-Klinik zeigt ihm sein Therapeut ein Video von den Paralympics in Barcelona. Czyz ist fasziniert. Er überzeugt die Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes, ihm eine teure Sportprothese zu finanzieren, und beginnt kurzerhand mit dem Training. Keine zehn Monate nach seinem Unfall gewinnt er bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften für Menschen mit Behinderung seine ersten Wettkämpfe. „Endlich konnte ich wieder meinen ganzen Willen in eine Richtung lenken“, sagt er, „nämlich auf die Paralympischen Spiele.“ 2004 holt er in Athen dreimal Gold. Vier Jahre später stellt er in Peking einen neuen Weltrekord im Weitsprung auf, gleich im ersten Anlauf und mit gebrochenem Mittelfuß. Heute ist Wojtek Czyz 35 Jahre alt, durchtrainiert und voller Energie. Auf seinem Ersatzbein hat er in den letzten Jahren mehr sportliche Erfolge eingefahren als viele seiner zweibeinigen Kollegen. Er ist mehrfacher Paralympics-Sieger, Welt- und Europameister in den Disziplinen Sprint und Weitsprung und hat im Behindertensport perspektiven 02/2015 Weltumsegelung Menschen Gedruckte Prothesen 40 x 38 x 80 cm misst der 3-D-Drucker an Bord der „Imagine“, groß genug, um darin Weltrekorde aufgestellt. Ebenso sicher und leichtfüßig wie an Land bewegt er sich an Bord seiner Segeljacht „Imagine“, einem zwölf Meter langen Katamaran. Bei einer Bootstour mit einem Freund hat er vor einigen Jahren das Segeln für sich entdeckt. Jetzt, am Ende seiner aktiven Sportler-Karriere angekommen, ersetzt ihm die neue Leidenschaft die Wettkämpfe. Logisch, dass sich jemand mit solchem Leistungswillen nicht mit gelegentlichen Schönwetter-Törns in Küstennähe begnügt. Nach anspruchsvollen Segeltrainings auf der Nordsee und dem Pazifik segelt Wojtek Czyz lieber gleich um die ganze Welt. Begleitet wird er dabei von seiner italienischen Ehefrau Elena Brambilla, selbst erfolgreiche Leichtathletin. Ende Mai sind die beiden von Neustadt an der Ostsee aus aufgebrochen. Über Cuxhaven und Helgoland geht es die französische Atlantikküste entlang nach Nordafrika. Ende Oktober soll die „Imagine“ in Safi, Marokko, einlaufen. Dort ist ein dreiwöchiger Aufenthalt geplant, denn mit der Weltumsegelung verfolgt das sportliche Paar zugleich eine persönliche Mission. den Schaft einer Prothese für Erwachsene herzustellen. Gebaut hat ihn Michael Eißele, Maschinenbauabsolvent und Akademischer Mitarbeiter der SRH Hochschule Heidelberg. Daraus entstanden ist die Firma Ferrumio, eine Ausgründung der Hochschule Heidelberg, die unter anderem an neuen Herstellprozessen für Beinprothesen arbeitet. Herr Eißele – Beine aus dem Drucker, wie sind Sie darauf gekommen? Entstanden ist die Idee vor einigen Jahren zusammen mit dem SRH Berufsförderungswerk in Heidelberg. Dort machen Menschen, die nach Unfall oder Krankheit ihren Beruf aufgeben mussten, eine Umschulung. Einige der Teilnehmer hatten E rfahrungen mit schlecht sitzenden Prothesen. Da haben wir gemeinsam für einen Probanden aus Rumänien einen neuen, maßgefertigten Schaft gedruckt, mit dem er sehr zufrieden war. 3-D-Drucker kann man heute bereits für weniger als 1.000 Euro im Internet bestellen. Lassen sich mit so einem Gerät Prothesen drucken? Lobby für Menschen mit Handicap Nein, die handelsüblichen Geräte sind dafür zu langsam, zu ungenau und zu klein. Der Drucker an Während ihrer Reise wollen sie Amputierte in ärmeren Regionen mit Prothesen versorgen. Dazu haben sie den Verein Sailing4handicaps gegründet und, unterstützt von Freunden und Förderern, die „Imagine“ zur hochseetauglichen Orthopädiemechaniker-Werkstatt ausgebaut. Mit an Bord: ein wind- und wasserfester 3-D-Drucker, den Michael Eißele, ein ehemaliger Student der SRH Hochschule Heidelberg, entwickelt hat (siehe Interview rechts). Anhand von Laserscans lassen sich damit exakte Kunststoffmodelle der fehlenden Gliedmaßen ausdrucken. Ein eingeflogener Orthopädie-Mechaniker soll daraus dann alltagstaugliche Prothesen erstellen, indem er die Schäfte mit Gelenken und Zehenersatz versieht. Alle Werkzeuge, Materialien und Komponenten findet er an Bord. Der Crew der „Imagine“ geht es jedoch um mehr als um bezahlbare Hilfsmittel. Wojtek Czyz will auf die Situation von Menschen mit Handicap aufmerksam machen. Bei seinen Reisen zu internationalen Wettbewerben hat er viele von ihnen getroffen, unter anderem in Kenia, Thailand, China und Indien. Sein Fazit: Nicht nur die prothetische Versorgung lässt in armen Ländern oft zu wünschen übrig, sondern vor allem auch die Akzeptanz für Menschen mit Behinderung: „Oft werden sie als Krüppel stigmatisiert und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.“ Diese Sichtweise möchte er mit seiner eigenen Erfolgsgeschichte verändern und Betroffenen so eine neue Perspektive aufzeigen. „Ich habe sehr viel Glück gehabt“, sagt er, „jetzt möchte ich etwas zurückgeben.“ Bord der „Imagine“ arbeitet sehr präzise und braucht ungefähr acht Stunden für einen 40 cm hohen Unterschenkel. Für die lange Seereise hat er außerdem einen Wind- und Wasserschutz bekommen und wurde stark versteift, damit er den Seegang unbeschadet übersteht. Könnte Herr Czyz mit einer selbst gedruckten Prothese zu Wettkämpfen antreten? Nein, dafür braucht man spezielle Sportprothesen. Bisher fertigen wir per 3-D-Druck ja auch nur den Schaft, an dem die Metallteile und der künstliche Fuß befestigt werden. Ein dynamisches Bein mit Gelenken auszudrucken, ist sicher eines Tages möglich, derzeit aber noch eine große Herausforderung. www.ferrumio.de Boot und Mannschaft folgen Die Reise der „Imagine“ lässt sich live im Internet verfolgen. Die Crew wird von unterwegs bloggen. Bis Dezember wollen sie die Kanaren erreichen, danach den Atlantik überqueren und St. Lucia, Haiti, die Dominikanische Republik und Kuba ansteuern. Überall wird das Boot mehrere Wochen Station machen, um Prothesenträger und medizinische Fachkräfte vor Ort zu schulen. Um möglichst viele Menschen mit Prothesen versorgen zu können, hat der Verein ein Spendenkonto eingerichtet. www.sailing4handicaps.de Ein Buch, das Mut macht: In „Wie ich mein Bein verlor und so zu mir selbst fand“ schildert Wojtek Czyz sein Leben vor und nach dem Unfall und der Amputation (256 Seiten, Edel Books 2014, 19,95 Euro). Studien zufolge werden jährlich rund 16.000 Menschen oberhalb des Fußgelenks amputiert. Besonders oft betroffen sind Diabetiker. 7 Menschen Abhängigkeit Siegerin geblieben Alkoholabhängigkeit gilt als Krankheit und kann jeden treffen. Dennoch werden Betroffene oft stigmatisiert. Jessica Friedrich hat ihre Sucht überwunden. Heute macht sie mit ihrer Geschichte anderen Mut. Von Kirstin von Elm Der Wendepunkt liegt rund drei Jahre zurück. Damals schaffte Jessica Friedrich (Name geändert) es mit letzter Kraft in den wartenden Krankenwagen. Nach Jahren des Alkoholmissbrauchs und der Sucht war die damals 46-Jährige körperlich am Tiefpunkt. Zwei Tage lang hatte sie von Brechkrämpfen geschüttelt im Bett gelegen, konnte weder Nahrung noch Flüssigkeit bei sich behalten, bis ihr Mann schließlich den Notarzt rief: „Ich habe gedacht, das überlebe ich nicht“, sagt Friedrich heute. Rückblickend war das alarmierende Erlebnis ihre Rettung, denn es half der berufstätigen Mutter, dem Alkohol endlich den Kampf anzusagen. Beim Einsteigen in das wartende Fahrzeug wusste sie: „Der Schritt in dieses Auto wird der erste Schritt in dein neues Leben.“ Sich die eigene Sucht einzugestehen und profes sionelle Hilfe anzunehmen, fällt Betroffenen meist schwer. So auch Jessica Friedrich. „Ich musste erst ganz unten sein, um wirklich etwas zu ändern“, gibt sie offen zu. Zwölf Jahre lang gehörte der Alkohol zu ihrem Leben und zerstörte es fast. Denn um alkoholabhängig zu werden, braucht es keinen besonderen Schicksalsschlag. Der Weg in die Abhängigkeit beginnt meist schleichend, wie die ehemalige Suchtpatientin heute weiß. Lange Zeit war ein Glas Wein oder Sekt für die gebürtige Erfurterin etwas Besonderes. Erst ab Mitte 30, als stellvertretende Leiterin eines mittelständischen Geschäftes, wurde ihr Leben hochprozentiger. Zu geschäft lichen Terminen gehörten jetzt gutes Essen und alko holische Getränke, auch privat stießen die Kollegen oft miteinander an. „Die konnten alle viel vertragen“, erzählt Jessica Friedrich. Sie selbst genoss Wein und Sekt zunehmend zur Entspannung oder als wohlverdiente Belohnung nach einem anstrengenden Tag. „Anfangs habe ich mich dadurch leicht gefühlt, stark und inspiriert“, erklärt sie. 8 Ein langsamer Abstieg Doch die Dosis stieg: Irgendwann griff Jessica Friedrich täglich zur Flasche, auch tagsüber. Gelegentliche Versuche, ihren Konsum zurückzuschrauben, misslangen. „Es blieb nie bei einem Glas Wein. Wenn in der Flasche noch etwas übrig war, hatte ich keine Ruhe“, erinnert sie sich. Trotz zunehmender Abhängigkeit funktionierte sie im Alltag, ging zur Arbeit und erledigte den Haushalt. Auch ihr Mann und ihr Sohn versuchten, den Anschein der Nor malität zu wahren, erfanden Ausreden und vermieden es, Besuch einzuladen. „Richtig schlimm wurde es in den letzten zwei Jahren“, erinnert sich die heute 49-Jährige. Mittlerweile trank sie fast stündlich Schnaps und Wein, die Flaschen versteckte sie im Wäschekorb, nachts litt ihr Körper unter heftigen Entzugserscheinungen. Doch erst die drama tische Nahtod-Erfahrung und der bittere Krankenhaus aufenthalt brachten sie zum Einhalten. Weil auf der Entgiftungsstation damals kein Bett mehr frei war, wurde Jessica Friedrich für einige Tage in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht. „Meine Bettnachbarin hat von Marsmännchen gesprochen – wie im Film! So wollte ich auf keinen Fall enden“, sagt sie. „Trocken zu bleiben wird für mich immer eine Herausforderung sein.“ Jessica Friedrich perspektiven 02/2015 Abhängigkeit Für Männer gilt: Bereits eine Menge von 24 bis 60 Gramm reinen Alkohols täglich zählt zu riskantem Konsum, der Vorstufe zum Alkoholmissbrauch. Dies entspricht maximal 0,7 Litern Wein oder 1,6 Litern Bier pro Tag. Menschen Pro Jahr sterben mehr als 40.000 Menschen an den Folgen ihres Alkoholkonsums, rund 850.000 werden arbeitsunfähig. 3,4 Nur rund jeder zehnte Süchtige macht eine Therapie. Millionen Bundesbürger trinken riskant viel. Für Frauen liegt die Grenze bei zwölf bis 40 Gramm Alkohol, also maximal 0,5 Litern Wein oder einem Liter Bier. Noch im Krankenhaus besorgte sie sich Prospekte von Therapieeinrichtungen und nahm an den ersten Gesprächskreisen teil. Denn fast noch wichtiger als die physische Entgiftung ist die psychische Aufarbeitung der Sucht. Über die Rentenkasse beantragte Friedrich eine Sucht therapie, die sie fünf Monate später in der Burgenlandklinik antreten konnte. Die schön gelegene kleine Klinik hatte sie sich ganz bewusst ausgesucht und vorab bei einem Besichtigungstermin bereits ihre Therapeutin kennengelernt: „Das hat mich während der Wartezeit sehr motiviert, und ich habe mich auf den Aufenthalt gefreut.“ Immer wachsam bleiben Heute, fast drei Jahre nach ihrer Reha, führt Jessica Friedrich ein glückliches und gesundes Leben. Ihre Ehe hat gehalten, nicht zuletzt, weil ihr Mann alle nötigen Veränderungen bereitwillig mitträgt. „Mein Zuhause ist meine Oase“, sagt sie. Hier gibt es keinen Tropfen Alkohol, auch nicht versteckt in Torten oder Pralinen. Nicht einmal Weinoder Schnapsgläser stehen noch im Schrank. Anders als früher hat Jessica Friedrich inzwischen ihr privates Leseund Bastelzimmer als Rückzugsort. Für ihr Körpergefühl unternimmt sie ausgedehnte Spaziergänge und Radtouren – ohne sich dabei negativen Druck zu machen. Sie ernährt sich gesund und hat zwölf Kilo abgenommen, ein schöner Nebeneffekt. Und sie geht wieder arbeiten – 25 Stunden die Woche, mehr wäre derzeit noch zu viel. Auch wenn ihre Therapeutin sagt, dass sie sehr gute Chancen habe, weiß Jessica Friedrich, dass „trocken bleiben“ für ehemals Abhängige immer eine Herausforderung bleibt. Zu ihrer persönlichen Durchhalte-Strategie, die sie während der Therapie erlernt hat, gehören die Notfallkarten: eine Sammlung von mittlerweile 50 laminierten Pappkärtchen, auf denen sie Erfolgserlebnisse, Glücksmomente und motivierende Gedanken notiert hat. „In Stress-Situationen, wo das Verlangen nach Alkohol groß wird, helfen sie mir, mich zu erden“, erklärt sie. Alle drei bis sechs Monate fährt sie außerdem nach Bad Kösen, um dort vor Suchtpatienten zu sprechen: „Ich möchte anderen ein positives Beispiel aufzeigen und sie motivieren“, sagt Friedrich. „Und es hilft mir selbst, diszipliniert und wachsam zu bleiben.“ Eine schlaue Art, der Versuchung ein Schnippchen zu schlagen. Die Burgenlandklinik gehört zur SRH und liegt im Kurort Bad Kösen in Sachsen-Anhalt. Sie ist spezialisiert auf seelische und körperlich-seelische (psychosomatische) Erkrankungen. Neben Alkoholabhängigkeit werden beispielsweise auch Depressionen, Burnout, Angstoder Essstörungen sowie chronische Schmerzen ohne klaren körperlichen Befund behandelt. Alle Patienten sind in einem der 112 Einzelzimmer untergebracht. Eine Entwöhnungstherapie dauert in der Regel zwölf bis 18 Wochen und wird bei der Rentenkasse beantragt. www.burgenlandklinik.de Infotelefon zur Suchtvorbeugung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): 0221/89 20 31 9 Außer Betrieb Burnout galt lange Zeit als Modekrankheit. Wer sich nicht mindestens einmal ausgebrannt fühlte, hat nie richtig gearbeitet, heißt es im Scherz. Doch dahinter steckt eine ernst zu nehmende Erkrankung. Betroffene müssen sich mühsam neu finden. 10 perspektiven 02/2015 Burnout Bildung Von Iki Kühn Thomas Hambrechts Leidenschaft sind Oldtimer. Das Sommerhalbjahr war für ihn stets die Zeit der Glücksgefühle. Dann wurden der Borgward Baujahr 1961 oder der Mustang von 1967 aus der Garage geholt, aufpoliert und ausgefahren. Doch vor ein paar Jahren kam dem 55-jährigen Wirtschaftsinformatiker die Lust völlig abhanden. Nicht nur an seinen alten Automobilen, am Leben insgesamt. Dabei hatte er sich als Projektleiter in einem Weiterbildungsunternehmen pudelwohl gefühlt, war als Mitglied der deutschen Rugbymannschaft mehrfach deutscher Meister und überquerte mit dem Rad die Alpen. „Wenn die Hütte gebrannt hat, fühlte ich mich am wohlsten“, beschreibt Thomas Hambrecht (Bild links) sein damaliges Lebensgefühl. Für ihn gab es kein Problem, das nicht gelöst werden konnte. Auf ihn war Verlass. 2011 beginnt dann ein schleichender Prozess. Hambrecht erlebt Veränderungen, die er an sich nicht kennt und denen er nicht zu begegnen weiß. Egal was er anpackt, er empfindet keine Freude mehr. Eine bleierne Müdigkeit lastet auf ihm. Bluthochdruck muss behandelt werden, und der Internist diagnostiziert Depressionen. Ein Jahr später steigt die Belastung am Arbeitsplatz massiv. Und er, der bisher in solchen Situationen mit Enthusiasmus die Ärmel hochkrempelte, liegt nachts wach, die Gedanken kreisen um Punkte, die er womöglich vergessen hat. „Ich mache keine Fehler“, war bislang sein Credo. Und jetzt kommen die Zweifel. Im August 2012 ist die Schmerzgrenze erreicht. Thomas Hambrecht erkennt, dass er Hilfe braucht. Völlig erschöpft weist er sich selbst in eine psychiatrische Klinik ein. „Wenn man aufs Pedal drückt, kommt einfach nichts“, beschreibt er seinen Zustand. Ausgebrannt. Burnout. Viele Symptome sind möglich Burnout ist medizinisch betrachtet keine Krankheit, für die es eine einheitliche Diagnose gäbe. „Es ist ein Modell, das ursprünglich aus den sozialen Berufen kommt, für Menschen, die sich über ihre Grenzen hinaus ver ausgaben. Wie sich das bemerkbar macht, ist individuell sehr unterschiedlich“, erläutert Professor Dr. Matthias Weisbrod, Chefarzt der Psychiatrie des SRH Klinikums Karlsbad-Langensteinbach. Charakteristische Züge für Menschen mit diesem Erschöpfungssyndrom sind zum Beispiel: Anpassungs- und Schlafstörungen, Zukunftsängste, Selbstvorwürfe, Hilflosigkeit, mangelnde Freude, gestörte Interaktion, häufig verdeckte Depressionen oder Selbstmordgedanken (siehe auch Kasten rechts). Weil ein einheitliches Krankheitsbild fehlt, gibt es bei Burnout auch keine Standardtherapie. Die Bandbreite ist groß. In leichten Fällen kann es genügen, die eigene Lebens- und Arbeitssituation zu überdenken und unter „Die Anforderungen, wie man zu sein hat, erzeugen heutzutage einen hohen Druck.“ Udo Hecker, Leiter des Geschäftsbereichs SRH Berufliche Trainingszentren des Berufsbildungswerks Sachsen Anleitung „Ordnung“ in den Alltag zu bringen (siehe Kasten S. 12). Macht sich die Belastung schwerer bemerkbar, können intensive stationäre Therapien oder Medikamente nötig werden – so wie bei Hans Marten (Name geändert). Der 57-Jährige war schon so weit, dass er seinem Leben ein Ende setzen wollte. Alles war zu viel, jeder Schritt eine Anstrengung, jeder Arbeitstag, jede Anforderung am Wochenende eine Qual, selbst Mahlzeiten nur noch eine Pflicht. Freude, Sinnhaftigkeit und das Gefühl, selbst etwas ändern zu können, waren völlig verloren gegangen. Seine Frau konnte ihn von einer stationären Behandlung im SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach (KKL) überzeugen, wo zunächst seine akuten Symptome unter anderem mit Psychopharmaka behandelt wurden. Zurück zu sich selbst finden Doch wichtiger ist, dass Hans Marten „Raum findet, sich wieder neu zu sortieren, Wahrnehmung übt und der Frage nachgeht, warum kann ich mich vor Überforderung nicht selbst schützen“, erklärt Elke Hofmann, Oberärztin am Psychiatrischen Zentrum des KKL. Musik und Sport gehören zu Martens Therapie. Für ihn eine völlig neue Erfahrung. Weder für das eine noch für das andere hatte er bislang Zeit. Jetzt steht er in einer Gruppe, lauscht Tönen, die aus einem kleinen klavierähnlichen afrikanischen Instrument kommen, das er sich ausgesucht hat. Er horcht auf die anderen, reagiert mit seinem Instrument So kündigt sich ein Burnout an Schlafstörungen Gedanken kreisen Verlust an Freude Verlust von sozialen Kontakten Gereiztheit, Dünnhäutigkeit Konzentrationsfähigkeit leidet Merkfähigkeit sinkt Organisationsvermögen lässt nach Probleme bei der Priorisierung Hilflosigkeit Quelle: Prof. Dr. Matthias Weisbrod, SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach 11 Bildung Burnout In der Arbeitstherapie können Patienten etwa zwischen Schreinerei, Druckerei, Elektrotechnik und Büro wählen. Dort, wie auch in den Trainingsgruppen der Ergotherapie, üben die Patienten Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit. Wichtig, um im Beruf wieder klarzukommen. Der Vorteil: Die Patienten trainieren unter realitätsnahen, aber geschützten Bedingungen. Diese Kombination ist einmalig in Deutschland. www.klinikum-karlsbad.de Bei der kognitiven Verhaltenstherapie geht es darum, unangemessene Wahrnehmungen, Bewertungen und Gedanken, die zu Angst, Ärger oder Depression führen, umzugestalten. www.burgenlandklinik.de Das SRH Berufliche Trainingszentrum des Berufsbildungswerks Sachsen arbeitet an den Standorten Dresden, Cottbus und Leipzig. Dort erhalten Menschen nach psychischer Erkrankung ein speziell auf ihre Leistungsfähigkeit zugeschnittenes berufliches Training, um wieder erfolgreich in den Beruf zurückkehren zu können. www.btz-dresden.de und spürt, „wie sich Momente entwickeln, in denen wir uns gemeinsam einschwingen.“ Hans Marten will in seinen Beruf zurück. Der ge lernte Elektrotechniker weiß, dass sich Druck und Stress an seinem Arbeitsplatz nicht eliminieren lassen. „Ich muss hier Werkzeuge lernen, wie ich damit umgehen kann“, erklärt er zuversichtlich. An der Klinik in Karlsbad hat Hans Marten die Möglichkeit, eine individuell auf ihn zugeschnittene arbeitstherapeutische Phase zu durchlaufen. Damit übt er Arbeitsbelastungen Schritt für Schritt. „Eines der wichtigsten Werkzeuge für Patienten mit Erschöpfungssyndrom ist es, das Neinsagen zu lernen. Besonders wichtig für die Genesung ist die Fähigkeit, Achtsamkeit für sich selbst zu entwickeln, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen“, erklärt Dr. Olaf Ballaschke, Chefarzt an der Burgenlandklinik in Bad Kösen. Die SRH Fachklinik ist auf seelische und psychosomatische Erkrankungen spezialisiert. Bei der Behandlung stützen sich die Ärzte im Wesentlichen auf die kognitive Verhaltenstherapie. Wer hierher zur Reha kommt, bleibt in der Regel fünf Wochen. „Reha lohnt sich“, betont der Chefarzt. Ein strukturiertes Programm soll schrittweise ins Leben zurückführen. Das gelinge gut, je früher Patienten professionelle Hilfe erhalten. Aufmerksamkeit wächst Die Frage ist, was läuft falsch, wenn Menschen den Anforderungen ihres Alltags nicht mehr gewachsen sind? Statistiken zur Burnout-Entwicklung gibt es nicht, zu vielschichtig sind die Symptome und Ausprägungen. Und doch scheint es, als ob das Überlastungsphänomen präsenter geworden ist. Betroffene Prominente wie Sven Hannawald oder Tim Mälzer haben die Hemmschwelle gesenkt. Immer mehr Menschen trauen sich, nach Hilfe zu fragen. „Den Betroffenen fällt es oftmals leichter, den Grund für ihre Überlastung in ihrer Umwelt oder an ihrem So beugt man einem Burnout vor Für Selbstzufriedenheit sorgen, Zeit für sich nehmen Regelmäßige Bewegung einplanen Eigene Bedürfnisse wahrnehmen und wichtig nehmen Achtsamkeit steigern, Bewusstsein für die eigene Situation entwickeln Quelle: Dr. Olaf Ballaschke, Burgenlandklinik Die Überzeugung „Ich kann selbst etwas ändern“ stärken Eigene Werte hinterfragen und neu priorisieren Hausarzt ins Vertrauen ziehen Neinsagen lernen Arbeitsplatz festzumachen. Damit stigmatisieren sie sich weniger selbst. Das hilft ihnen eher, Unterstützung zu suchen, als bei anderen psychiatrischen Krankheiten“, erklärt Professor Weisbrod. Anders als bei Depressionen wird der Begriff „Burnout“ weniger mit Schwäche oder Versagen verbunden. Er gilt in der Öffentlichkeit als die Krankheit der Leistungsträger, Manager, Leistungssportler. In der Realität lassen sich jedoch keine solchen beruf lichen Charakteristika ausmachen. Es kann jeden treffen. Und es wäre zu kurz gegriffen, Burnout auf eine Überforderung am Arbeitsplatz zu reduzieren. „Die Ansprüche und die Erwartungen des Umfeldes haben sich auch im privaten Bereich nach oben geschraubt“, gibt Dr. Olaf Ballaschke zu bedenken. „Reiseziele müssen exotisch und aufregend sein, kulturelle Ereignisse muss man gesehen haben, Studenten brauchen unbedingt ihr Auslandssemester. Das Bedürfnis nach Erholung kommt dabei oftmals zu kurz.“ Prävention – ein Thema für Arbeitgeber Udo Hecker, Leiter des Geschäftsbereichs SRH Beruf liche Trainingszentren des Berufsbildungswerks Sach sen, glaubt, dass die Anforderungen, „wie man zu sein hat“, heute hohen Druck erzeugen. Der Normalitätsbegriff sei dabei sehr eng geworden. „Was vor ein paar Jahrzehnten noch als Facette des Lebens galt, hat heute schon Krankheitswert entwickelt“, betont er. Deshalb ist ihm wichtig, Sensibilität für Werte und Erwartungen zu wecken, und zwar direkt am Arbeitsplatz. Seit 2006 veranstaltet Hecker am BTZ Dresden den Arbeitgebertreff. Dort kommen aufgeschlossene Unternehmer einmal im Jahr zusammen, diskutieren und nehmen aktuelle Informationen mit, auch zum Thema Burnout. Arbeit habe eine positive Wirkung und biete Wertschätzung. „Doch es muss die richtige Arbeit sein“, erklärt Hecker. Arbeitgeber täten gut daran, sich klar zu werden, welche Werte und sozialen Kompetenzen zu ihrem Unternehmen passen – statt beispielsweise bei Bewerbern nur fachliche Fähigkeiten nachzufragen. Günter Jacob, Mitgeschäftsführer des Fassadenund Systemtechnikunternehmens Fasytec im sächsischen Schönteichen, weiß das: „Wir können es uns in unserem Betrieb mit 15 Mitarbeitern gar nicht leisten, eine wertvolle Fachkraft zu verlieren oder jemanden neu einzustellen, der nicht ins Team passt.“ Deshalb hat sich Jacob etwa angewöhnt, Mitarbeitergespräche ganzheitlich zu führen, sprich: nicht nur Unternehmens- und klassische Karriereziele zu besprechen, sondern auch private Pläne der Mitarbeiter mit einzubeziehen und möglich zu machen. Der lange Weg zurück ins Leben Das kann ein wichtiger Schritt bei der Burnout-Prävention 12 perspektiven 02/2015 Burnout Bildung Mach keine Fehler! Aus Fehlern kann ich lernen. Ich darf meine Grenzen nicht zeigen! Grenzen zu kaschieren, kostet viel Kraft. Hab alles unter Kontrolle! Nicht alles im Leben lässt sich kontrollieren. Sei perfekt! Nobody is perfect. Aus Alt mach Neu: Viele Burnout-Patienten müssen lernen, negative Glaubenssätze in positive umzuwandeln (oben). Thomas Hambrecht steht kurz vor der Rückkehr in den Beruf (rechts). sein. „Ein guter Schutz vor Erschöpfung gelingt schon durch das Achten auf Symptome, die entsprechende Fürsorge durch Möglichkeiten zur Erholung und eine gesunde, ausgewogene Lebensführung“, betont Dr. Britta Anke Skoeries, Leiterin des Psychosozialen Dienstes am SRH Beruflichen Trainingszentrum Wiesloch. Diese Achtsamkeit müssen Menschen nach einem Burnout oft neu lernen. Denn nicht selten liegen die Fundamente für die Erkrankung weit in der Vita der Betroffenen zurück. Sie legen sich bewusst oder unbewusst Werte und Glaubenssätze zu, die sie über ihre Belastungsgrenzen führen. Einstellungen wie „Ich darf keine Fehler machen!“ oder „Was man anfängt, muss man zu Ende bringen“ werden zum Fluch. Patienten lernen in der Therapie, Sätze dieser Art künftig zu hinterfragen und neue, anerkennende Werte wie „Nur aus Fehlern lernt man“ oder „Auch wenn mir ein Fehler unterlaufen ist, so bin ich doch ein liebenswerter Mensch“ für sich zu etablieren. Nur so können sie den Kreislauf dauerhaft durchbrechen und powern sich nicht immer wieder aufs Neue aus. Oldtimer-Fan Thomas Hambrecht ist mittlerweile am Beruflichen Trainingszentrum in Wiesloch angekommen. Nach einem Klinikaufenthalt und einer ambulanten therapeutischen Betreuung wagte er im April 2013 den beruflichen Neustart in die Selbstständigkeit. Doch schon ein Jahr später gelangte er wieder an seine Belastungsgrenze. Nach einer Kur trainiert Thomas Hambrecht nun seit Dezember am BTZ den schrittweisen Übergang in die alltägliche Belastung. Er eignet sich Software-Kenntnisse an, durchläuft ein Bewerbertraining und bereitet sich aktuell auf ein Vertriebspraktikum in einem Unternehmen für Großbäckereibedarf vor. „Darauf bin ich schon sehr gespannt“, erklärt der 55-Jährige. „Vielleicht wird es für mich ja der Einstieg in einen neuen Job. Das kann ich mir gut vorstellen.“ Die Lust ist jedenfalls wieder da. Das SRH Berufliche Trainingszentrum (BTZ) Rhein-Neckar in Wiesloch war bundesweit die erste Einrichtung, die sich auf berufliche Rehabilitation für psychisch erkrankte Menschen konzentrierte, und verfügt deshalb heute über die längste Erfahrung. Am BTZ erhält jeder Teilnehmer – unabhängig von der Art der angebotenen Maßnahme – eine fachspezifische und psychoso ziale Begleitung im Betreuungstandem durch einen beruflichen Trainer und einen psychosozialen Mitarbeiter. www.btz-rn.de 13 Harmonien für schwere Jungs Strafgefangene trommeln Rhythmen, Gewalttäter singen gemeinsam. Um straffällig gewordene Jugendliche und Erwachsene auf das Leben in Freiheit vorzubereiten, setzen Experten zunehmend auf Musiktherapie. Von Melanie Rübartsch 14 perspektiven 02/2015 Musiktherapie Schon durch die Tür rockt es gehörig. Nicht ganz melodisch, dafür laut. In dem 17 Quadratmeter großen, hellen Raum dahinter jammen gerade drei Jungen im Alter zwischen 13 und 14 Jahren. Einer sitzt vor einem Keyboard, ein anderer bearbeitet die Seiten einer E-Gitarre, der Dritte lässt seine Schlagzeugsticks auf eine kleine Trommel niedersausen. Hier probt eine ganz normale Schülerband, möchte man meinen. Doch dahinter steckt mehr: Die drei Jungs sind Bewohner einer Jugendeinrichtung in BadenWürttemberg. Hier sind sie wegen einer richterlichen Anordnung „eingezogen“: weil sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. In der Jugendhilfeeinrichtung gehen sie zur Schule und erhalten therapeutische Hilfe, um die Störung des Sozialverhaltens – so ihre Diagnose – in den Griff zu bekommen. Einmal in der Woche steht nachmittags Musiktherapie auf dem Stundenplan. „Die Musik schafft einen guten Zugang zu den Jungs. Sie ist quasi der Mantel, unter dem psychotherapeutische Prozesse stattfinden können“, erklärt Oliver Feuerstein, Musiktherapeut und Dozent an der SRH Hochschule Heidelberg. Seit 2011 betreut er Jugendliche in der Einrichtung im Rahmen einer Kooperation mit der Hochschule. Aktuell hat er drei Gruppen mit acht Jugendlichen unter seinen Fittichen. Die Stunden folgen einem bestimmten Muster: „Erst reden wir darüber, was in der Woche alles gelaufen ist, dann machen wir Musik“. In der Regel schreibt jede Gruppe im Laufe eines Semesters ein eigenes Lied, das sie zum alljährlichen Sommerfest präsentiert. „Für die Jugendlichen hier ist das eine enorme Herausforderung“, erklärt Feuerstein. „Sie haben bisher in ihrem Leben vorrangig erfahren, dass sie sich durchsetzen müssen, ohne Rücksicht auf andere. Viele haben zudem Probleme mit der Emotionsregulation und eine extrem niedrige Frustrationstoleranz.“ Nun müssen sie sich plötzlich mit anderen einigen – wer spielt welches Instrument, wer steht als Sänger im Vordergrund, wer hält das Stück mit seinen Beats zusammen – und aufeinander achten, damit ein hörbarer Song entsteht. Außerdem beherrscht anfangs kaum einer ein Instrument. Es zu lernen, braucht Ausdauer und Geduld. „Selbst kleinste Fortschritte sind dabei riesige Erfolge“, hat Therapeut Feuerstein erfahren. „Anfangs ist für die Jungs alles grundsätzlich ‚Mist‘. Ablehnung pur.“ Doch irgendwann kippt das und sie öffnen sich. sischen Psychiatrien und zunehmend auch in Gefängnissen werden musiktherapeutische Techniken als Ergänzung zu Gesprächstherapien oder Medikamenten eingesetzt, um einen Zugang zu eigenen – auch problematischen – Gefühlen, Denk- und Verhaltensweisen zu ermöglichen. Übergeordnetes Ziel ist die Resozialisierung: Häftlinge, Patienten oder straffällige Jugendliche sollen auf ein Leben „da draußen“ intensiv vorbereitet werden. Sie lernen, sich den Regeln der Gesellschaft unterzuordnen. Das hilft, künftigen Straftaten vorzubeugen. Über die Arbeit mit Musik können Therapeuten bei den Teilnehmern soziale Kompetenzen und das Selbstwertgefühl stärken, ihre Kommunikations- und Empathiefähigkeit verbessern. „Gefangene oder Patienten, denen es schwerfällt, über sich zu sprechen, und deren Gefühle und Gedanken schwer zugänglich sind, erhalten zum Beispiel über die Musik eine alternative Form des Ausdrucks“, erklärt Biljana Coutinho, Musiktherapeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der SRH Hochschule Heidelberg. „Zudem geht es auch um musikgestützte Entspannungstechniken, die den Stress in der neuen Lebenssituation und Spannungen im Gefängnisalltag lindern können“, ergänzt Dekan Thomas Hillecke. Töne statt vieler Worte Die eingesetzten Techniken sind dabei sehr unterschiedlich und reichen vom Songwriting über gemeinsames Improvisieren und Singen bis zu musikgestützten Rollen- und Regelspielen. Eines davon heißt „Rauswerfen“. „Ein Patient beginnt zu trommeln, ein anderer setzt später ein und versucht, den ersten aus dem Takt zu bringen“, erklärt Bildung In einer therapeutischen Behandlung wird Musik gezielt eingesetzt, um seelische, körperliche oder geistige Gesundheit wiederherzustellen, zu erhalten oder zu fördern. So lassen sich Sozial- und Kommunikationskompetenzen stärken, Emotionen ausdrücken und regulieren oder Stress abbauen. Musik wird dabei rezeptiv – der Patient als Zuhörer – oder aktiv eingesetzt. Dann spielt der Pa tient, therapeutisch begleitet, allein oder in der Gruppe ein Instrument oder singt. Forensik stammt vom Lateinischen „forum“ für „Marktplatz“ ab. Im alten Rom wurden dort öffentlich Gerichtsprozesse abgehalten, Urteile verkündet und vollstreckt. Heutzutage fasst man unter Forensik alle Arbeitsgebiete zusammen, in denen kriminelle Handlungen systematisch erfasst, untersucht und rekonstruiert werden. Die forensische Psychiatrie ist ein Teil der Psychiatrie. Dabei geht es um die Behandlung, Begutachtung und Unterbringung von (psychisch kranken) Straftätern. Musiktherapie studieren Der Bachelorstudiengang an der SRH Hochschule Heidelberg ist in Deutschland der einzige grundständige Musiktherapiestudiengang mit staatlicher Anerkennung. Er startet jeweils zum Wintersemester und dauert dreieinhalb Jahre. Das Curriculum basiert auf wissenschaftlichen, theoretischen und praktischen Inhalten. Praxissemester sind unter anderem in Psychiatrien, in der Psychotherapie, der Neurologie, der Neue Hilfsangebote für Straftäter Palliativmedizin und in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen möglich. „Was Musiktherapie in der forensischen Psychiatrie, also in der Arbeit mit psychiatrisch auffälligen Straftätern, alles bewirken kann, wird Wissenschaftlern wie Praktikern immer deutlicher“, stellt auch Prof. Dr. Thomas Hillecke fest. Er ist Dekan der Fakultät für Therapiewissenschaften an der SRH Hochschule Heidelberg (siehe Kasten rechts). Nicht nur in Jugendhilfeeinrichtungen, auch in foren Nach Abschluss des Studiums arbeiten die Absolventen in psychotherapeutischen, medizinischen oder heilpädagogischen Einrichtungen, oder sie schließen den weiterführenden Masterstudiengang an. Der Master qualifiziert zu einer akademischen Laufbahn mit der Option zur Promotion. www.hochschule-heidelberg.de 15 Bildung Musiktherapie Judith Behnke. Die 22-Jährige studiert Musiktherapie an der SRH Hochschule Heidelberg und hat dieses interaktive Spiel während ihres sechsmonatigen Praktikums in einer forensischen Psychiatrie kennengelernt. „Musik zu machen ist ein sehr unmittelbarer Ausdruck von Gefühlen und sagt oft mehr als 1.000 Worte.“ Und so kam es vor, dass Patienten im Gespräch mit einem Richter, Arzt oder Psychologen gerade noch erklärt hatten, sie hätten das mit der Wut jetzt im Griff. Bei der Trommeljagd zeigte sich dann, dass ihre Frustrationstoleranz doch gering war. Musik sei aber eben auch ein Spiegel der Seele, sagt Behnke. In manchen Sitzungen durften sich Patienten Lieder wünschen. „Schwierige und prägende Ereignisse wie Abschied, Tod oder erfahrene Gewalt sind manchmal verbunden mit einem bestimmten Lied“, weiß die Studentin. An der Auswahl der Stücke konnten die Therapeuten erkennen, ob es ihren Patienten gut oder schlecht ging. Für die Studentin war das sechsmonatige Praktikum eine sehr spannende und intensive Zeit. Damit, dass sie es teilweise mit Gewaltverbrechern und Sexualstraftätern zu tun hatte, konnte sie gut umgehen. „In der Therapie saß vor allem der Mensch vor mir.“ Trotzdem war sie aus Sicherheitsgründen nie allein in einer Sitzung, sondern immer begleitet von einer Mentorin. In Gruppensitzungen sind ohnehin regelmäßig zwei Therapeuten anwesend. Musik lockert „Musik zu machen ist ein sehr unmittelbarer Ausdruck von Gefühlen und sagt oft mehr als 1.000 Worte.“ Judith Behnke studiert Musiktherapie und arbeitete im Praktikum mit forensischen Psychiatriepatienten. Forensik studieren Forensik spielt in mehreren Studiengängen der SRH Hochschule Heidelberg eine Rolle. Neben Musiktherapie sind das Rechtspsychologie und Forensische Soziale Arbeit. Der Masterstudiengang Rechtspsychologie bezieht sich auf alle Bereiche, in denen Psychologie und Recht aufeinandertreffen. In der Theorie geht es dabei vor allem um die Fragen, wie „abweichendes“ Verhalten entsteht, aufgedeckt, bestraft oder vermieden wird. In der Praxis arbeiten viele Rechtspsychologen im Strafvollzug, Maßregelvollzug, bei der Polizei, in Ambulanzen und Beratungsstellen für Straffällige oder Opfer sowie in kriminologischen Forschungseinrichtungen. Der Masterstudiengang Forensische Soziale Arbeit beschäftigt sich mit der Entstehung und Existenz von Kriminalität, mit Prävention, mit der Resozialisierung von Opfern und Tätern und dem rechtlichen Rahmen. Ein staatlich anerkannter Forensischer Sozialarbeiter arbeitet dort, wo Menschen in Konflikte mit gesellschaftlichen Normen geraten oder Opfer von Kriminalität sind, also zum Beispiel im (Jugend-)Straf- und Maßregelvollzug, in der Bewährungshilfe, in Opferberatungsstellen oder Jugendhilfeeinrichtungen. 16 Dass Musiktherapie Psychologen, Sozialarbeitern und Vollzugsmitarbeitern sehr gute Rückschlüsse auf die Befindlichkeiten von Häftlingen liefern kann, hat auch Dr. Dirk Bruder erfahren. Der Neuropsychiater ist Leiter der Sozial therapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Offenburg. Seit März absolvieren in seiner JVA acht Insassen wöchentlich eine anderthalbstündige Therapie sitzung. Xylofon, Trommeln, Triangel, Harfe, Bongos und Klavier stehen dafür parat. „Wir können zum Beispiel erkennen, wer arg unter Druck steht oder wie sich die gefängnisinternen Hierarchien oder die Gruppendynamik im gemeinsamen Musizieren widerspiegeln“, berichtet der Mediziner. Die Männer nähmen Musik als Art von Psychotherapie sehr gut an, sagt er. Einige lebten regelrecht auf. „Sie sehen die Sitzungen als Chance, sich Luft zu machen und etwas auszudrücken, ohne immer reden zu müssen.“ Offenburg ist eine der ersten JVAs in Deutschland, die Musiktherapie einsetzt. Dirk Bruder möchte die Effekte nun auch wissenschaftlich dokumentieren. In Kooperation mit der SRH Hochschule Heidelberg soll untersucht werden, was Musiktherapie im Strafvollzug bewirkt und welche Techniken sich für welche Therapieziele anbieten. In der schwäbischen Jugendhilfeeinrichtung hat unterdessen eine der wichtigsten Bandphasen begonnen. Die Jugendlichen schreiben ihre Texte. Bedingung: Etwas Autobiografisches soll eingebaut werden. Vielleicht entsteht wieder ein Rap wie schon einmal vor einigen Jahren. Da nutzte ein Junge den Song, um sich bei seiner Mutter für seine Straftaten zu entschuldigen. Viel Zeit haben die Gruppen nicht mehr. Im August ist bereits das Sommerfest. Für Therapeut Feuerstein sind die Auftritte ein Highlight. „Die Jungs, die noch vor einem dreiviertel Jahr cool und unnahbar vor mir saßen, sind dann sogar in der Lage, sich dafür zu bedanken, dass ich an sie geglaubt habe.“ perspektiven 02/2015 Nachrichten Bildung NACHRICHTEN Kurse für wissbegierige Kinder Für begabte Kinder und Jugendliche in der Metropolregion Rhein-Neckar, die gern ein bisschen mehr von der Welt wissen wollen, bietet das Cen trum für Begabtenförderung am SRH Leonardo da Vinci Gymnasium in Neckargemünd spezielle Wochenendseminare an. „Prima da Vinci“ richtet sich an Grundschüler, die „Da Vinci Akademie“ an Jugendliche der 5. bis 8. Klasse. Beide bieten spannende Experimentier- und Arbeitsgruppen in Informatik, Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Kunst und auch Chinesisch. Die Kurse finden an zwei Samstagen im Monat statt, starten jedes Jahr im Februar und erstrecken sich über das gesamte zweite Schulhalbjahr. Die insgesamt acht Termine stehen auch Schülern anderer Schulen offen und kosten 125 Euro. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein diagnostisches Gutachten oder ein Test am Centrum für Begabten förderung, aus dem eine überdurchschnittliche intellektuelle Begabung des Nachwuchses hervorgeht. Bewerbungen sind jederzeit möglich, der nächste Tag der offenen Tür zum Informieren und Kennenlernen ist am 14. November. www.ldvg.de Vom Bachelor zum Professor In der Formel 1 würde man so etwas wohl einen klassischen Start-Ziel-Sieg nennen, was Wirtschafts- und Rechtswissenschaftler Alexander Wulf da hingelegt hat. Im Februar wurde der 31-Jährige an der SRH Hochschule Berlin zum Professor für Wirtschaftsrecht ernannt. Neun Jahre zuvor war er an gleicher Stelle einer der ersten Studenten in Deutschland, die ihren Bachelor-Abschluss machten. Die Zeit dazwischen hat Alexander Wulf bereits mit einer ansehnlichen wissenschaftlichen Kar riere gefüllt: Master und Doktor erlangte er an der London School of Economics und an der Bucerius Law School in Hamburg. Seit zwei Jahren unterstützt er Lehre und Forschung am Contractual Management Institute an der SRH Hochschule Berlin mit seinem Fachwissen Alexander Wulf erhält die Professorenurkunde von der Präsidentin der Hochschule, Prof. Dr. Victoria Büsch. auf dem Gebiet des EU-Vertragsrechts. Die Hochschule war 2002 die erste Anbieterin von Bachelorstudiengängen in Berlin. Aktuell bietet sie 900 Studierenden in 17 Studiengängen deutsch- und englischsprachige Bachelor- und Masterprogramme mit verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Schwerpunkten an. www.srh-hochschule-berlin.de In Gera studiert es sich exzellent Die SRH Fachhochschule für Gesundheit in Gera bietet hervorragende Studienbedingungen. Zu diesem Ergebnis kommt das diesjährige „U-Multiranking“, das durch die EU-Kommission finanziert wird und zum zweiten Mal in Folge weltweit Hochschulen miteinander vergleicht. Spitzennoten erhielt die Gesundheitshochschule vor allem für ihr Kursangebot, die Qualität der Lehre sowie für den Praxisbezug der Studienangebote. Auch der Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden sowie das IT-Angebot bekamen Bestbeurteilungen. Insgesamt wurden bei dem Ranking 850 Hochschulen aus 74 Ländern untersucht (www.umultirank. org). Die Ranking-Ergebnisse basieren auf Daten der Hochschulen, aus öffentlich zugänglichen Datenbanken sowie aus einer Studentenbefragung. www.gesundheitshochschule.de 17 Judith Schüttler (39) und Osman Karcier (30) sind seit fünf Jahren Kollegen. Sie arbeiten im Sozialdienst der SRH Pflege, dem Pflegedienst des SRH Berufsförderungswerkes Heidelberg, und beraten Menschen, die neurologisch erkrankt sind, etwa durch einen Schlaganfall. Sie vermitteln im Kontakt mit Krankenkassen, unterstützen bei Anträgen von Hilfsmitteln und koordinieren die Maßnahmen für den jeweiligen Kunden. Osman Karcier ist von Geburt an auf den Rollstuhl angewiesen und hat zudem ein eingeschränktes Sehvermögen. Das Büro von Schüttler und Karcier liegt auf dem SRH Campus in Heidelberg. Dort sind die meisten Anlagen barrierefrei. Bei der SRH arbeiten ein Viertel mehr Menschen mit Handicap als gesetzlich verlangt. 18 perspektiven 02/2015 Inklusion Bereicherung statt bloße Quote Laut Gesetz muss ein Unternehmen fünf Prozent Mitarbeiter mit Behinderung beschäftigen. Viele zahlen stattdessen lieber eine Ausgleichsabgabe. Dabei können alle Beteiligten davon profitieren – wie es Judith Schüttler und Osman Karcier vormachen. Von Ulrike Heitze Warum können Sie als Musterbeispiel für eine gut funktionierende Inklusion stehen? Judith Schüttler: Wir arbeiten seit mittlerweile fünf Jahren zusammen und sind ein eingespieltes Team. Die Arbeit haben wir rein nach fachlicher Kompetenz aufgeteilt und nutzen bewusst die Fähigkeiten jedes Einzelnen – ohne dass die körperliche Konstitution eine Rolle spielen würde. So sollte Inklusion doch sein, oder? Die Behinderung spielt im Joballtag gar keine Rolle? Schüttler: Wenn man es genau nimmt, sind wir beide in irgendeiner Form behindert. Ich bin Mutter und arbeite derzeit nur halbtags. Also bin ich zeitlich gehandicapt. Dinge oder Termine, die ich nicht machen kann, übernimmt Osman. Wir halten uns da gegenseitig den Rücken frei. Osman Karcier: Wir kommen uns alle entgegen. Mir fällt es zum Beispiel körperlich schwer, Faxe zu verschicken. Das erledigen die Kollegen dann mit, wenn sie ohnehin gerade damit beschäftigt sind. Oder wenn unter meinen vielen Außer-Haus-Terminen einer partout nicht barrierefrei ist, springen die Kollegen ein. Im Gegenzug übernehme ich andere Arbeiten. Wo profitieren Sie voneinander? Schüttler: Osman hat erst jüngst berufsbegleitend seinen Master in Sozialer Arbeit gemacht. Dadurch bringt er frisches Wissen mit, zum Beispiel bei sozialrechtlichen Regelungen, von dem wir beide profitieren. Karcier: Judith hat dagegen die längere Berufserfahrung. Jeder bringt etwas anderes Hilfreiches ein. Wir ergänzen uns prima und schauen je nach Fall, wo wer am besten passt. Und damit sind wir dann wieder ganz weit weg vom Thema Behinderung. Was haben Sie voneinander gelernt? Schüttler: Ich habe vor allem ein stärkeres Bewusstsein für die Probleme Bildung Behinderter entwickelt. Als Rollstuhlfahrer setzt du dich nicht einfach in einen Zug, sondern du musst erst anrufen und das aufwendig organisieren. Dann merkt man erst mal, was es heißt, im Leben so eingeschränkt zu sein. Nicht weil man selbst eingeschränkt ist, sondern weil einen das Umfeld so limitiert. Osman begegnet dem allen unglaublich gelassen und beharrlich. Ich selbst wäre da viel ungeduldiger und zorniger. Diese Gelassenheit und Flexibilität habe ich mir über die Jahre von ihm abgeguckt. Karcier: Durch ein Handicap lernt man tatsächlich eine gewisse Geduld. Weil immer irgendetwas ist. Entweder ist ein Aufzug kaputt, die Bahn hat Verspätung oder die Türen sind zu schmal. Da schreit man dann nicht herum, sondern sucht gelassen nach einer Lösung. Man fragt sich durch, und mit Humor und Charme kriegt man das hin. Solche Fähigkeiten helfen auch im Job. Warum stellen Unternehmen Mitarbeiter mit Behinderung so zurückhaltend ein? Schüttler: Arbeitgebern geht es um Leistung, und sie haben dabei immer das schnelle, starke, agile Ideal vor Augen. Behinderten Menschen wird gleich unterstellt, dass sie die Leistung nicht so erbringen können, wie man das von ihnen erwartet. Man traut ihnen nicht zu, dass sie ihr Handicap kompensieren können. Dabei ist das reichlich unfair. Auch in einem Büro, in dem nur körperlich unversehrte Menschen arbeiten, ergänzt und arrangiert man sich. Jeder kann unterschiedliche Dinge gut oder schlecht – egal ob behindert oder nicht. Karcier: Arbeitgeber fragen sich immer, was bringt uns ein Mitarbeiter. Diese Frage stellen sie sich bei allen, aber der Behinderte kommt eben schon mit seinem sichtbaren Handicap daher. Bei körperlich unversehrten Menschen ist eine mögliche Einschränkung nicht gleich so offensichtlich. Allein schon, wenn im Büro eine Treppe oder enge Türen sind, geht es mit dem Kopfkino los. Der Arbeitgeber fragt sich gleich, wie viel mehr Zeit er in diesen Kandidaten investieren muss. Berechtigte Bedenken? Karcier: Eigentlich nicht. Sehen Sie, ich bin von Geburt an behindert. Ich habe gelernt, mein Handicap so in mein Leben zu integrieren, dass es mich möglichst wenig einschränkt. Man lernt, seine Kräfte und Möglichkeiten so einzuteilen, dass man den Job gestemmt bekommt. Schüttler: Man muss auch aufhören, Behinderung automatisch mit Minderleistung zu verknüpfen. Auch körperlich fitte, durchtrainierte Kollegen empfinden Leistungsdruck und Stress, kommen mit Aufgaben nicht klar oder brauchen länger für bestimmte Jobs. Viele Problematiken im Berufs alltag entstehen nicht durch ein Handicap. Die erleben auch nicht behinderte Kollegen. Also sind Sonderbehandlungen gar nicht nötig? Karcier: Nein, ich möchte von meinem Arbeitgeber gar nicht anders be- handelt werden als alle anderen. Ich bin tatsächlich sehr froh, dass sich meine Behinderung in meiner bisherigen Laufbahn nicht ausgewirkt hat – in keine Richtung. Im Übrigen sind eine gute Zusammenarbeit und Erfolge im Team keine Frage von behindert oder nicht behindert, sondern von Charakter. Wäre ich ein kerngesunder, aber unangenehmer Kollege, würde niemand auf mich zugehen – und umgekehrt. 19 Spezielle Brillen machen aus dem Kamerabild vom Körperinneren eine dreidimensionale Aufnahme. 20 Moderne OP-Verfahren Gesundheit 3-D im OP 3-D-Technik kennen die meisten Menschen vor allem aus dem Kino. Weniger bekannt sind die Einsatzmöglichkeiten bei Operationen. Die Klinik für Urologie im SRH Zentralklinikum Suhl ist eine der ersten Einrichtungen in Thüringen, die damit arbeitet. Von Julian Kerkhoff Ein früher Mittwochmorgen im Juni. Fünf Mediziner ar beiten gut aufgelegt und konzentriert in einem weiß getäfelten Operationssaal. Alle tragen die typische grüne OP-Kleidung: sterile Kittel, Mundschutz, Haube sowie OP-Handschuhe. Nur ein Detail passt nicht so recht in das gewohnte Bild: Das gesamte Team trägt dunkel getönte Brillen – ein Hauch von Blues Brothers zwischen all den Apparaten und Monitoren. Doch die vermeintlichen Son nenbrillen sind kein modischer Gag, sondern gehören zum medizinischen Hightech: In der urologischen Abtei lung des SRH Zentralklinikums Suhl wird seit Anfang des Jahres mit modernster 3-D-Technik operiert. „Als junger Medizinstudent hätte ich nie gedacht, dass das technisch einmal möglich sein wird“, sagt Dr. Udo Wachter, Chef arzt der Suhler Urologie. Und doch, mithilfe der neuen Technologie entfernt er heute gemeinsam mit seinem Team einen Nierentumor. Der Patient ist bereits in Narkose, sein Körper mit sterilen Tüchern abgedeckt, nur eine kleine Fläche rund um seinen Bauchnabel schaut heraus. „Moderne Endos kopie-Instrumente ermöglichen es uns, minimalinvasiv durch die Bauchdecke zu arbeiten“, erklärt Udo Wachter. So sind bei dieser Operation lediglich drei je etwa einen Zentimeter lange Schnitte nötig. Die eingeführte Mini kamera überträgt gestochen scharfe Videobilder aus dem Bauchinneren auf einen großen 3-D-fähigen Monitor oberhalb des Operationsgeschehens: gut ausgeleuchtet, siebenfach vergrößert und, im Zusammenspiel mit den Brillen, für die Ärzte dreidimensional sichtbar. Wird nur die Kartenansicht gezeigt, lässt sich schwieriger abschätzen, wo man ist und wie man zum Ziel kommt. Wechselt man hingegen in die 3-D-Version, fällt die Orien tierung in der Landschaft leichter. Und in der Tat erscheinen die inneren Organe des Patienten sehr plastisch auf dem Monitor, während Wachter die Kamera mit sanften Bewegungen von außen lenkt. Strukturen und Abstände im Inneren des Patienten lassen sich gut erkennen. Dabei bietet die Kamera noch einen weiteren großen Vorteil: Sie liefert nicht nur glas klare 3-D-Aufnahmen, sondern lässt sich auch in vier Rich tungen um bis zu 100 Grad abwinkeln. „Dadurch kann ich sogar hinter die Niere schauen“, erklärt der Experte. Präzisionsarbeit gefragt Genau hier findet Wachter auch den Tumor, den es heute zu entfernen gilt. Seine Strukturen sind auf dem Monitor deutlich sichtbar, in der dreidimensionalen Darstellung scheint er zum Greifen nah. Vorsichtig verschließt der Uro loge mit einer Klemme die Nierenarterie. Das verhindert das Abschwimmen von Krebszellen in den Körper und er möglicht ein blutloses Arbeiten an dem Organ. Als Nächs tes trennt er mit einer Schere den kaum zehn Gramm schweren Tumor von der Niere ab. Schließlich kommen eine Art Miniaturkescher und eine Minipinzette zum Einsatz, mit denen Wachter den Tumor sorgfältig einsam melt. All diese Instrumente sind superschlank und werden über das Endoskop in die Bauchhöhle eingeführt. Bei minimalinvasiven Ope rationen geht es im Wesent lichen darum, die für eine Ope ration der inneren Organe bislang nötigen langen Ein schnitte durch wenige, zentime terkurze Schnitte zu ersetzen und durch diese hindurch mit Instrumenten zu arbeiten. Durch den ersten Schnitt wird der Bauch mit Kohlendioxid auf gebläht, um so die sonst eng anliegenden Organe von einander zu trennen. So be kommt der Arzt freie Sicht und die Bewegungsfreiheit, um in der Bauchhöhle arbeiten zu können. Durch den zweiten und dritten Schnitt werden über sogenannte Trokare das winzige Operationsbesteck und eine Videokamera eingeführt. Diese Methode heißt SchlüssellochTechnik oder Laparoskopie und hilft, die Belastung für den Körper des Patienten zu verrin gern, seine Erholung zu be schleunigen und das kosme tische Ergebnis zu verbessern. Tolle Ein- und Aussichten „Durch die 3-D-Technik habe ich einen ganz plastischen Tiefeneindruck aus dem Körperinneren“, stellt der Urolo ge fest. „Gegenüber den zweidimensionalen Aufnahmen, mit denen wir bisher gearbeitet haben, erleichtert die räumliche Sicht die Orientierung während der Operation enorm. Ein erfahrener Operateur kann dadurch rascher und so für den Patienten noch schonender operieren“, er klärt der Chefarzt. Die Vorteile der neuen Perspektive seien vergleichbar mit einem Navigationsgerät im Auto: Minimalinvasive Eingriffe sind für Patienten schonender, weil nur wenige kleine Schnitte gesetzt werden. 21 Gesundheit Moderne OP-Verfahren „Bei einer Geschwulst ist es sehr wichtig, das gesamte Gewebe zu erwischen, damit daraus keine neuen Krebs herde entstehen. Durch die dreidimensionale Sicht ist das viel leichter und schneller möglich“, erklärt der Chefarzt. Investition für mehr Patientensicherheit Nach gut einer Stunde ist die Operation erfolgreich be endet. Udo Wachter ist zufrieden. „Mit der 3-D-Technik können wir nun auch da minimalinvasive Operationen vornehmen, wo es bisher zu kompliziert für dieses Ver fahren wurde“, erklärt er. Dadurch würden auch die Risi ken einer Operation sinken: „Gerade große und lang wierige Eingriffe können rascher und sicherer ausgeführt werden. Starke Blutungen und Gewebeverletzungen treten seltener auf.“ Außerdem müssten die Patienten weniger lange im Krankenhaus bleiben, und die Schnitte seien kleiner als bei der konventionellen Methode. 100.000 Euro hat das Klinikum in die Technologie investiert, die auch bei Eingriffen an Harnleiter, Blase oder Prostata zum Einsatz kommt. Zehn bis 15 Operationen pro Monat werden aktuell in der Urologie mit der scho nenden 3-D-Technik durchgeführt – immerhin knapp die Hälfte aller Nierenoperationen. Man wolle die neue Tech nik nicht überstrapazieren, nicht bei allen Patienten sei der Einsatz sinnvoll und nützlich. „Aber wo sich die Mög lichkeit bietet, werden wir künftig minimalinvasiv drei dimensional operieren“, betont Udo Wachter. Will der Urologe einem Außenstehenden erklären, welche neuen Perspektiven ihm die Technologie eröffnet, vergleicht er das auch gerne mal mit dem Seherlebnis in 3-D-Kinos. „Dabei unterscheidet den OP- vom Kino-Saal, dass wir für unseren Teil am liebsten so unblutig wie möglich arbeiten“, fügt er augenzwinkernd hinzu. Diesmal ohne 3-D-Aufmachung: Chefarzt Dr. Udo Wachter (drit ter von links) mit Ärzten und Schwestern aus der Urologie. www.zentralklinikum-suhl.de Noch mehr 3-D im OP Auch im SRH Wald-Klinikum in Gera operiert man „Operieren mit 3-D-Brille ermöglicht uns ähnlich tolle Perspektiven wie ein Kino-Blockbuster in 3-D. Im Unterschied zu Hollywood mögen wir es allerdings so unblutig wie möglich.“ Dr. Udo Wachter, Chefarzt in der Klinik für Urologie am SRH Zentralklinikum Suhl 22 mithilfe von 3-D-Technik. Anders als in Suhl geht es hier aber nicht um den Einsatz von 3-D-Brillen, sondern um einen neuen mobilen Computertomografen, der während Operationen am Schädelinneren, an der Wirbelsäule oder am Brustkorb dreidimensionale Schnittrönt genbilder in Echtzeit liefert. Die Operateure in Gera (oben im Bild mit ihrem mobilen CT-Gerät) können dadurch in Bereiche des Körperinneren blicken, in die man noch nicht einmal mit Miniaturkameras kommt. So können Implantate noch präziser gesetzt werden – und das bei gleichzeitiger Minimierung der Verletzungsgefahr. Das Gerät im Taschenformat ist nicht nur wesentlich kleiner als seine raumgroßen Vorgänger, sondern hilft durch seine Verbindung mit einem Navigationscomputer auch, wichtige Operationsschritte exakt zu steuern. Zudem kann noch während des Eingriffs die Qualität der Implantate kontrolliert werden. Das macht Korrektur- und Folgeeingriffe überflüssig. Das SRH Wald-Klinikum in Gera gehört zu den ersten fünf Einrichtungen in Deutschland, die mit diesem mobilen Computertomografen arbeiten. www.waldklinikumgera.de perspektiven 02/2015 Typisierung Mund auf gegen Blutkrebs Viele Menschen, die an Blutkrebs erkranken, sind auf eine Stammzellspende angewiesen. Ein Spender lässt sich eher finden, wenn sich möglichst viele Menschen typisieren lassen – wie jüngst an der SRH Hochschule Heidelberg. Gesundheit 6 Millionen Menschen sind in Deutschland als potenzielle Spender registriert. Von Ulrike Heitze Blutstammzellen können auf zwei Wegen gespendet werden. Bei 80 Prozent der Spender kommt die periphere Blutstammzellentnahme zum Einsatz. Dabei erhält ein Spender fünf Tage lang ein Medikament, durch das Stammzellen vom Knochenmark ins periphere Blut – das Blut, das durch die Adern fließt – übergehen. Anschließend werden die Zellen über die Armvene wie bei einer Dialyse entnommen. Dies dauert einige Stunden. Bei der klassischen Knochenmarkspende werden unter Vollnarkose ein bis anderthalb Liter Knochenmark aus dem Beckenknochen entnommen. Das dauert eine Stunde, ein paar Tage Auszeit muss man trotzdem einplanen. Stammzellen und Knochenmark bilden sich binnen zwei Wochen nach. Thomas Attner hatte Glück im Unglück: Der 47-jährige SRH Mitarbeiter war an Leukämie erkrankt, und nur noch eine Stammzelltransplantation konnte sein Leben retten. Glücklicherweise stimmten die Gewebemerkmale seiner Schwester so mit seinen überein, dass sie ihm die nötigen Stammzellen spenden konnte. Doch so viel Glück hat nicht jeder. Nur jeder dritte Blutkrebs-Patient, der eine Stammzellspende benötigt, findet einen Lebensretter in der eigenen Familie. Die Mehrheit ist darauf angewiesen, dass sich im Rest der Welt jemand findet, der in puncto Gewebemerkmale passt und zu einer Spende bereit ist. Damit die Suche nach der Nadel im Heuhaufen überhaupt Aussicht auf Erfolg haben kann, gibt es Spenderdateien wie etwa die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS). Menschen, die sich vorstellen können, Blutkrebspatienten mit einer Stammzellspende zu helfen, können sich hier „typisieren“ lassen. Das Verfahren ist denkbar einfach: Mit einem Wattestäbchen wird ein Abstrich von der Wangeninnenseite genommen. Aus der Speichel- oder alternativ aus einer Blutprobe ermitteln DKMS & Co die Gewebewerte und melden alles anonymisiert an das Zentrale Knochenmarkspender-Register Deutschland. Sollte dann im Laufe der Jahre jemand mit ähnlichen Gewebewerten eine Stammzellspende benöti- gen, wird der potenzielle Spender angefragt, ob er willens ist zu helfen. Eine Typisierung kann man in Eigenregie in Angriff nehmen – etwa ein Registrierungsset bei der DKMS anfordern – oder aber an einer der zahlreichen bundesweiten Typisierungsaktionen teilnehmen. Eine sehr erfolgreiche hat Studentin Juliane Knabe im Frühjahr an der SRH Hochschule Heidelberg initiiert (im Bild rechts beim Infogespräch). Die Benefizaktion galt Prof. Dr. Manuel Nodoushani. Der 42-jährige SRH Dozent ist an Lymphkrebs erkrankt und benötigt eine Fremdspende. Zusammen mit der DKMS, die das Info- und Typisierungsmaterial stellte, rührte die SRH Psychologiestudentin an allen Fakultäten kräftig die Werbetrommel und gewann Kommilitonen für Infostände in der Mensa. „Wir waren erstaunt, wie wenig die Menschen über das Thema wissen“, sagt die 22-Jährige. „Kaum einer konnte etwas mit Typisierung und Stammzellspende anfangen. Da ist es dann auch kein Wunder, wenn viele abwinken.“ Ihre Mühen um mehr Aufklärung wurden belohnt: 473 Personen – Studierende, Professoren, Beschäftigte des SRH Campus und einige Heidelberger – ließen sich von Juliane Knabe und ihren Mitstreitern ein Wattestäbchen reichen. Darüber hinaus wurden 1.750 Euro gespendet, die die SRH auf über 5.000 Euro aufstockte. Thomas Attner, der auch fleißig informiert und geworben hat, freut sich über die große Resonanz: „Wenn man selbst betroffen war und weiß, dass ein Leben davon abhängt, dann ist es schön zu sehen, dass den Menschen solch ein Schicksal nicht gleichgültig ist.“ Für Professor Nodoushani war bei der Typisierung an der Hochschule kein passender Spender dabei, aber mittlerweile wurde für ihn einer über die ZKRD gefunden. Ein Argument mehr, sich typisieren zu lassen. Mehr zu Typisierung und Stammzellspende Zentrales Knochenmarkspender- Deutsche Knochenmarkspender- Register Deutschland (ZKRD): datei (DKMS): www.zkrd.de www.dkms.de 23 Gesundheit Immuntherapie Körperpolizei stoppt Krebszellen Bei der Behandlung von Krebs macht die Immuntherapie derzeit von sich reden. Mithilfe von Medikamenten wird das Immunsystem so flott gemacht, dass es gegen Krebszellen vorgeht. Das SRH Wald-Klinikum Gera setzt diese Methode bereits erfolgreich ein. Von Ulrike Heitze 24 Erst ein ausgiebiger Spaziergang am Ufer der Elbe entlang, dann hinauf zur Albrechtsburg bei allerbestem Frühlingswetter und zum Abschluss einen Abstecher in den gotischen Dom der Stadt. Zusammen mit ihrem Mann genießt Helga Göpel die drei Tage Kurzurlaub im sächsischen Meißen von ganzem Herzen. „Mittlerweile fühle ich mich wieder sehr, sehr wohl“, erklärt die 72-Jährige fröhlich. Dass es ihr noch mal so gut gehen würde, hätte die Rentnerin aus Gera kaum noch für möglich gehalten. Denn Helga Göpel leidet seit acht Jahren an schwarzem Hautkrebs. Über die Jahre hatte der Krebs Metastasen in mehreren Organen und an der Wirbelsäule gebildet. Nicht alle ließen sich durch Operationen, Bestrahlungen und Chemothera- pien zurückdrängen. „Zu der Zeit war ich wirklich sehr niedergeschlagen“, erinnert sie sich. Doch ihr Arzt, Privatdozent Dr. Martin Kaatz, Chefarzt der Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie am SRH Wald-Klinikum Gera, machte ihr immer wieder Mut. Er schlug ihr vor, an einer klinischen Studie zur Erprobung einer neuen Krebstherapie teilzunehmen. Im Sommer 2013 bekam sie ihre erste halbstündige Infusion im Studienzentrum der Klinik, seither alle drei Wochen, bislang 32 Mal. Eine Computertomografie im Sommer letzten Jahres zeigte: Alle Metastasen hatten sich zurückgebildet – und sind seither nicht wieder aufgetaucht. „Das war so ein tolles Gefühl nach all den Jahren“, erinnert sie sich mit Erleichterung. perspektiven 02/2015 Immuntherapie In Deutschland ist aktuell ein Medikament zur Behandlung des schwarzen Hautkrebses zugelassen. Im Sommer sollen Antikörper zur Therapie von Lungenkrebsarten folgen. An den dafür notwendigen klinischen Studien waren auch Patienten des Lungenkrebszentrums am SRH Wald-Klinikum beteiligt. Weltweit laufen aktuell Hunderte Studien zur Erprobung von Immuntherapie-Medikamenten. „Mittlerweile fühle ich mich wieder sehr, sehr wohl.“ Helga Göpel, Hautkrebspatientin Fieberhafte Forschung Helga Göpel profitiert von einer neuen Behandlungsmethode gegen Krebs, der Immuntherapie. Chefarzt Martin Kaatz, der auch Leiter des Zentrums für Klinische Studien am Wald-Klinikum ist, erklärt die Wirkweise: „Normalerweise erkennt unser Immunsystem einzelne Krebszellen und vernichtet sie. Aber Tumorzellen haben Mechanismen, um sich zu tarnen.“ Die Krebszellen überziehen sich dabei beispielsweise mit bestimmten Proteinen. Diese sogenannten Checkpoint-Proteine geben der Hauptwaffe des Immunsystems gegen Krankheiten, den T-Lymphozyten (kurz T-Zellen), zu verstehen, dass es hier für sie nichts zu tun gibt. Das Immunsystem schlummert also vor sich hin, während der Krebs unbehelligt wächst. In der Immuntherapie setzt man deshalb Anti körper ein, die die jeweiligen Proteine binden und blockieren. „Die Medikamente bewirken, dass die körpereigenen Immunzellen von der Bremse gehen und wieder aufmerksamer werden“, erklärt Martin Kaatz. Anders als Chemotherapie und Bestrahlung zielt die Immuntherapie also nicht auf den Tumor selbst ab, sondern mobilisiert das eigene Immunsystem, damit es die Krebszellen angeht. Das Bemühen der Mediziner, dem Schreckgespenst Krebs über das Immunsystem beizukommen, ist nicht neu. Schon vor mehr als 150 Jahren gab es entsprechende Anläufe, die körpereigene Abwehr anzustacheln. Und die Stammzellspende, beispielsweise zur Behandlung von Leukämie, ist ebenfalls eine Form der Immuntherapie und längst gängige Praxis. „Neu ist aber, dass man über sie auch solide Tumore angehen kann“, sagt Chefarzt Kaatz. Erst seit wenigen Jahren könne man Stoffe herstellen, die an Proteine andocken oder in Zellen eindringen können. Die Forschung arbeitet nun fieberhaft daran, sukzessive die vielen verschiedenen Checkpoint-Proteine zu identifizieren, die auf so einer Krebszelle sitzen können, und dann den passenden Hemmer zu finden, der das Protein blockiert. Lebenszeit verlängern Trotzdem ist die Immuntherapie kein Allheilmittel gegen Krebs. Die Nebenwirkungen, die das angestachelte Immunsystem produziert, sind nicht zu unterschätzen, auch wenn man sie, wie Martin Kaatz erklärt, heutzutage gut in den Griff bekommt. Und: Die Immuntherapie wirkt nicht bei jedem und nicht gleich gut. „Beim schwarzen Hautkrebs sprechen etwa zehn bis 20 Prozent der Patienten klar auf die Medikamente an. Ihre Tumore verkleinern sich oder bilden sich sogar komplett zurück“, weiß Kaatz. „Und bei einer weiteren großen Gruppe bleibt die Erkrankung stabil. Die Tumore wachsen über Monate oder Jahre nicht.“ So ist das Hauptziel der Mediziner, die Erkrankung mithilfe der Immuntherapie in eine chronische Phase zu bekommen – insbesondere bei sehr bösartigen Krebsarten. „Die Menschen gewinnen so Lebenszeit.“ Gesundheit Neue Methoden zur Behandlung einer Erkrankung werden in der Regel in klinischen Studien überprüft, bevor sie zugelassen und so beispielsweise von Krankenkassen übernommen werden. Studienobjekt kann ein Medikament sein, aber auch eine innovative Opera tionstechnik, ein Gerät, ein Implantat oder eine Prothese. An einer Forschungsstudie teilnehmende Patienten können so auch von Arzneimitteln und Verfahren profitieren, die noch nicht zugelassen sind. Weil Sicherheit oberstes Gebot ist, werden die Studienteilnehmer medizinisch ganz eng begleitet und mit modernsten Mess geräten überwacht. Am SRH Wald-Klinikum Gera sind die Studien quer durch alle Fachgebiete im Zentrum für Klinische Studien gebündelt. Seit der Eröffnung 2011 wurden bereits mehr als 150 Studien mit mehr als 600 Patienten initiiert. www.waldklinikumgera.de „Die Menschen gewinnen so Lebenszeit.“ Privatdozent Dr. Martin Kaatz, Leiter der Hautklinik und des Zentrums für Klinische Studien am Wald-Klinikum Gera. Auch Helga Göpel kann noch nicht sagen, wie lange sie die Infusionen noch bekommen muss und ob sie tatsächlich geheilt ist. Dafür sind die Erfolge der Immuntherapie noch zu frisch und Langzeitstudien erst im Entstehen. Aber im Grunde ist es der Rentnerin auch egal, so lange alles so bleibt, wie es zurzeit ist. „Alle drei Wochen habe ich wegen der Infusion zwei schlappe Tage. Aber damit arrangiere ich mich“, sagt sie voller Energie. „Denn danach habe ich immer zweieinhalb tolle Wochen ganz für mich und meine Familie.“ 25 Gesundheit Nachrichten NACHRICHTEN Schonendes Verfahren hilft Kindern mit Skoliose Die Behandlung von Skoliose ist nach wie vor eine Herausforderung – besonders bei Kindern. Weil Kinder noch wachsen, mussten die implantierten Wirbelsäulenstäbe, die die Fehlbildung korrigieren, bislang in immer neuen Operationen verlängert werden. Das SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach setzt nun ein neues Verfahren ein, bei dem das Stabsystem nahezu schmerzfrei von außen über eine Art Fernsteuerung angepasst werden kann. Das erspart den kleinen Patienten viele weitere Operationen. Die Stäbe werden mit den üblichen Schrauben, Haken und Verbindungen im Rücken implantiert und gesichert. Sie schienen dann die Wirbelsäule während des Wachstums, um das Fortschreiten der Skoliose zu verhindern und Medizinische Versorgung verbessert Das SRH Krankenhaus Sigmaringen legt bei der medizinischen Versorgung im Landkreis Sigmaringen zwei weitere Schippchen drauf: Seit Jahresbeginn profitieren Krebspatienten davon, dass die Klinik zum „Onkologischen Schwerpunkt“ ernannt wurde. Bereits seit 2011 ist das Krankenhaus „Onkologisches Zentrum“, nun erfolgte die nächsthöhere Auszeichnung durch die Deutsche Krebsgesellschaft. Allein die Berufung zum „Zentrum“ garantiert Betroffenen eine Versorgung mit hoher Qualität, insbesondere durch eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit aller behandelnden Ärzte. Der Teilnahme an klinischen Studien wird ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Der Aufstieg zum „Schwerpunkt“ ermöglicht den Aufbau einer Brückenpflege im Versorgungskonzept: Hausarzt, ambulante Pflege und Krankenhaus werden noch enger vernetzt. Patienten mit undefinierten Brustschmerzen gewinnen durch den Ausbau der Brustschmerz-Abteilung („Chest Pain Unit“), die Ende 2014 von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zertifiziert wurde. Mit dem Siegel wird bestätigt, dass die Klinik eine kardiologische Schwerpunktversorgung nach a ktuellsten Leitlinien gewährleisten kann. Dr. Gabriele Käfer, Sprecherin des Onkologischen Zentrums, im Planungsgespräch mit Dr. Peter Krezdorn, Oberarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe www.klksig.de 26 die Form der Wirbelsäule zu korrigieren. Der Clou: Das neue Implantat enthält ein kleines Magnetsystem. „Über einen Magnetcontroller kann ich dann den Stab von außen ohne weitere Eingriffe anpassen“, erklärt der Chefarzt der Wirbelsäulenchirurgie Priv. Doz. Dr. Michael Ruf (im Bild links). Die Skoliose ist eine mehrdimensionale Verkrümmung der Wirbelsäule, bei der die Wirbelkörper um die eigene Achse verdreht und meist auch deformiert sind. In Deutschland leiden rund 400.000 Menschen an Skoliose. www.klinikum-karlsbad.de www.youtube.com Stichwort: mitwachsende Implantate Chefarzt Dr. Reinhard F. Lang mit einer Herzhosen-Patientin Herzhose lässt natürliche Bypässe wachsen Ein neues Verfahren bietet Herzpatienten mit Gefäßverengungen und -verschlüssen eine schonende Alternative zu Operationen und künst lichen Bypässen: Bei der Methode, die das SRH Gesundheitszentrum Bad Wimpfen im Mai eingeführt hat, kommt eine sogenannte Herzhose zum Einsatz. Dem Patienten werden dabei Manschetten um Beine und Gesäß gewickelt, die das Blut von dort beschleunigt in Richtung Herz pumpen – ähnlich wie beim Sport. Dadurch erweitert der Körper die Nebengefäße des Herzens und bildet natürliche Bypässe aus. Der Vorteil des Verfahrens ist, dass die Herzfrequenz – anders als bei sportlichen Aktivitäten – nicht wesentlich ansteigt. Das Herz wird also geschont und erhält dennoch die notwendigen Impulse, um das Wachstum neuer Blutbahnen im Herzen zu stimulieren. „Von dieser Therapie profitieren insbesondere Menschen, die aufgrund gesundheitlicher und körperlicher Einschränkungen nicht in der Lage sind, Sport zu treiben“, erklärt Dr. Reinhard F. Lang, Chefarzt der Kardiologie am SRH Gesundheitszentrum Bad Wimpfen. Deutschlandweit wird die Herzhose derzeit nur in Bad Wimpfen, an der Berliner Charité und in Düsseldorf eingesetzt. www.gesundheitszentrum-badwimpfen.de Wir schenken Ihnen perspektiven im kostenlosen Abonnement Sollen wir Ihnen viermal pro Jahr die neuesten Informationen über Bildung und Gesundheit druckfrisch ins Haus schicken? Dann teilen Sie uns einfach per E-Mail ([email protected]) oder Fax (0 62 21/82 23-06123) Ihren Namen und Ihre Adresse mit, oder schicken Sie uns die ausgefüllte und frankierte Postkarte. Wir schenken Ihnen perspektiven! eg? w n x. ho der ein Fa o l c i a s M rte infach eine Ea k e t Poesn Sie uns ick Sch Impressum Herausgeber: SRH Holding (SdbR), Bonhoefferstraße 1, 69123 Heidelberg, Internet: www.srh.de Nils Birschmann, Direktor Kommunikation Redaktion (SRH) und Kontakt:Christiane Wolf, SRH Holding, Telefon: 0 62 21/82 23-123, Fax: 0 62 21/82 23-06123, E-Mail: [email protected] Redaktion und Gestaltung:Siccma Media GmbH, Köln, Internet: www.siccmamedia.de Redaktion: Ulrike Heitze, Julian Kerkhoff, Iki Kühn, Melanie Rübartsch, Kirstin von Elm Art-Direction: Ulrich Schmidt-Contoli Gestaltung: Periodical.de, Bildredaktion: Karin Aneser Druck: abcdruck GmbH, Heidelberg, Internet: www.abcdruck.de Bildnachweise: Andreas Reeg: Titel, Seite 10–13, Seite 18; Kay Herschelmann: Seite 2; Timo Volz: Seite 4–5; Frank Siemers: Seite 6–7; cydonna/photocase: Seite 8; SRH Burgenlandklinik: Seite 9; Sergey Nivens/shutterstock: Seite 14; Annette Mueck: Seite 16; SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach: Seite 17 oben; SRH Krankenhaus Sigmaringen: Seite 17 unten; Karl-Heinz Frank: Seite 20–22; SRH Wald-Klinikum Gera: Seite 22 unten rechts; SRH Hochschule Heidelberg: Seite 23; Maurice Vink: Illustrationen Seite 24–25; privat: Seite 25 oben; SRH Wald-Klinikum Gera: Seite 25 unten; SRH Leonardo da Vinci Gymnasium: Seite 26 oben; SRH Hochschule Berlin: Seite 26 unten; Fotolia: Seite 27; Ulrich Schmidt-Contoli: Illustration Seite 28; SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach: Seite 28 unten; Icons made by Freepik from www.flaticon.com Erscheinungsweise: vier Ausgaben pro Jahr (17.000 Exemplare) Alle Rechte vorbehalten. Reproduktion nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Herausgebers und der Redaktion. Für unverlangt eingesandtes Material übernimmt die Redaktion keine Gewähr. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 10. Juli. Die nächste Ausgabe von perspektiven erscheint im Oktober 2015. ZU GUTER LETZT Studentenalltag 3.0 ke c o S n o v s e Neu , aus kleinen Leute. Und en d er w ern e n: aus Kind flott richtig es so schö en ziemlich d er w Wie heißt n el m wollknäu Socke kau en Welpen r alt ist, ist h Ja in ke knopfäugig och ie e immer n zu einem kn ch wenn si din hat sich n ü Hunde. Au -H o o Klip ie Cocker g des SRH kennen: D hige Lieblin sc u fla er wiederzuer D . . 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