Ausgabe November 2015 - Staatsschauspiel Dresden

Staatsschauspiel Dresden
Die Theaterzeitung 59
November 2015
Liebes Publikum,
große und kleine Zuschauer sind eingeladen, in diesem
Winter ein neues Abenteuer hinter dem Spiegel zu
wagen, denn die Reckless-Brüder sind zurück! In „Das
Goldene Garn (Reckless III)“ geht es ab dem 1. November weit nach Osten, wo sich Jakob, Will und Fuchs
dem Erlkönig stellen müssen.
Die nachfolgenden Premieren richten den Blick auf die
drängenden Themen unserer Stadt: Volker Lösch untersucht mit Max Frischs rebellischem Grenzgänger
„Graf Öderland“ die Mechanismen, die eine bürgerli-
che Gesellschaft aus den Angeln zu heben vermögen.
Wolfgang Engel lädt ein, mit Lessings „Nathan der
Weise“ über Glaube, Humanität und Toleranz nachzudenken. Dresdner Bürger aus dem Orient erzählen
unter der Leitung von Miriam Tscholl von ihrer Kultur
und von ihrer Begegnung mit der deutschen in „Morgenland“, während das Stück „Ichglaubeaneineneinzigengott.“ von Stefano Massini drei gegensätzliche
Frauenportraits in einem fesselnden Monolog vereint.
Das beliebte Montagscafé im Kleinen Haus ist weiter-
hin wöchentlich geöffnet und lädt Einheimische und
Geflüchtete zum Kennenlernen und Verweilen ein.
In der Vorweihnachtszeit schließlich laden die Regisseure Peter Jordan und Leonhard Koppelmann ins alpine Grandhotel aus Erich Kästners „Drei Männer im
Schnee“ zu einer charmanten, sehr musikalischen Verwechslungskomödie um einen Millionär inkognito.
Wofür Sie sich auch entscheiden –
Sie sind herzlich willkommen!
Ihr Wilfried Schulz
Graf Öderland / Wir sind das Volk
von Max Frisch / mit Texten
von Dresdnerinnen und Dresdnern
Premiere am 28. November um 19:30 Uhr
im Schauspielhaus
weitere Termine: 24.11. (Voraufführung)
sowie 30.11., 5. und 11.12.
Der Alptraum des Alltags
Nach einigen Jahren Pause kehrt der Regisseur Volker
Lösch zurück ans Staatsschauspiel. Hier entstanden
einige seiner wichtigsten Arbeiten wie „Woyzeck“ oder
„Die Dresdner Weber“. Ebenfalls hier erfand er den
„Dresdner Bürgerchor“, der seine Arbeiten seit Jahren ästhetisch und inhaltlich prägt. Nun nimmt sich Lösch – in
einer politisch zur Zeit aufgeladenen Stadt – Max
Frischs selten gespieltes Drama „Graf Öderland“ vor,
ergänzt um den Titel „Wir sind das Volk“.
Ü
ber das Theatermachen im Dresden des Jahres 2015
sprach Lösch mit dem Dramaturgen Robert Koall.
Robert Koall: „Graf Öderland“ ist ein Stück von Max
Frisch, das dieser Tage eher selten den Weg auf die
Bühne findet. Worum geht es für Sie im Kern dieser
Geschichte?
Volker Lösch: Um die große Sehnsucht nach einem anderen Leben, nach einem Ausbruch aus der bürgerlichen
Ordnung: alles hinter sich zu lassen, was mal wichtig war,
ganz neu anfangen. Das Leben, durch entfremdete Arbeit
und leere Freizeitgestaltung geprägt, wird von dem
Staatsanwalt, der dann später von seinen Anhängern zu
Graf Öderland gemacht wird, als tot und ausweglos erlebt.
Fortsetzung auf Seite 02
Ben Daniel Jöhnk als „Graf Öderland“, der Freiheit sucht und Chaos sät.
FOTO: MATTHIAS HORN
Staatsschauspiel Dresden
02
Fortsetzung von Seite 01
Max Frisch hält die Realitätsebene seines Stückes in der Schwebe. Ist „Öderland“ nun ein
Traum oder nicht?
Wunschtraum und Realität, Alptraum und politische Praxis gleichzeitig! Da schwadroniert
am letzten Montag eine Rednerin von
einem „befreiten, unabhängigen Sachsen ohne Ausländer“, und die Zuhörer grölen begeistert „Wir sind das
Volk“. Was ist das nun? Es ist real
und beunruhigend, könnte wirklich gefährlich werden – und
gleichzeitig ist es surreal
und hochkomisch. Der
Wunschtraum ist mit
Händen greifbar, das
Reale daran stößt ab.
„Öderland“ ist der
Alptraum des Alltags. Mehr realer
Alptraum
als
zurzeit
in
Dresden geht
nicht.
Aber es geht nicht nur ihm so: Er trifft den Nerv
einer Zeit, in der immer mehr Unzufriedenheit,
Zukunftsangst und Unsicherheit herrscht.
Und das macht den Stoff so aktuell. Max Frisch
beschreibt in seiner Parabel so etwas wie einen
konservativen Aufstand, eine Revolte von
rechts. Zunächst als Wunschtraum, dann aber
zunehmend als Alptraum. Immer mehr Menschen
schließen sich dieser anarchischen, autoritären und
gewalttätigen Bewegung an – bis zum Umsturz des
Staates.
Das klingt nach einer sehr modernen Figur.
Moderner geht es kaum. Die ganze Unruhe derzeit, die überall mit Händen zu greifende Angst
– Angst vor dem was kommt, Angst vor dem
Abrutschen in Armut, Angst vor dem Fremden
– der existentielle Wunsch vieler nach der einfachen Lösung, nach der einen rettenden Idee,
nach dem Erlöser oder der Erlöserin – deshalb
wird Öderland vom Kollektiv erfunden. Öderland soll es richten, Öderland macht alles gut.
Öderland verkörpert die Sehnsucht nach einem
Leben ohne Probleme und Widersprüche.
Sie verschneiden den Frisch mit Texten,
die Sie in Dresden gesammelt haben.
Was sind das für Stimmen, die da hörbar werden?
Zunächst einmal die Stimmen derjenigen, die hier in Dresden vom konservativen Aufstand träumen, von den
vielen Unzufriedenen, die montags
auf die Straße gehen. Von den sogenannten „besorgten Bürgern“, eine
fürchterliche Wortschöpfung. Aber
auch die Meinungen der Ensembleund Chormitglieder werden miteinbezogen, von Politikerinnen und Politikern und anderen. Wir arbeiten
an einem vielschichtigen Stimmungsbild, welches den politischen und öffentlichen Diskurs in
Dresden Ende 2015
abbilden wird.
Quiz
Die Großbuchstaben
vor der richtigen Antwort
ergeben die Lösung.
Frage 1
In Lessings „Nathan der Weise“ deutet
der Titelheld das Verhältnis der drei
großen monotheistischen Religionen
– Christentum, Judentum, Islam – in
der sogenannten:
LA
LI
LE
Drei-Söhne-Parabel
Ringparabel
Nathanparabel
Frage 2
Im Zentrum von Volker Löschs Arbeiten stehen Bürger, die, als Chor
zusammenfindend, sich mit ihrer unmittelbaren Gegenwart auseinandersetzen. In Dresden entstanden einige
seiner prägendsten Inszenierungen,
dazu zählt:
EB
Die Dresdner Weber
GE
Die Dresdner Volksfeinde
BE
Die Dresdner Stützen
der Gesellschaft
Öderland: Ein Staatsanwalt, der
zur Waffe greift und hinter sich all
jene versammelt, die sich vor der
Zukunft fürchten.
Wie erleben Sie diesen Diskurs hier vor Ort zurzeit?
Aufgeladen, gereizt und hochaggressiv. Mitgliedern unseres
Ensembles ist letzten Montag vor dem Theaterplatz ins Gesicht
gespuckt worden, einfach weil sie als Demonstranten gegen Pegida auszumachen waren. Es wird überhaupt nicht mehr miteinander geredet, eher gekämpft. Es ist eine völlig verhärtete
Situation.
Was kann in so einer Situation das Theater zu einem politischen Klima beitragen? Ist das Theater nicht ein hoffnungslos überkommenes Medium, was gesellschaftliche
Meinungsbildung angeht?
Ich hoffe nicht, wir tun unser Bestes! Das Theater muss sich mit
allem einmischen, was es hat und kann. Es muss eine Haltung
zeigen, sich mit seiner Arbeit positionieren. Es wird immer
dringlicher, für all das einzustehen, was uns wichtig ist. Wir
müssen mit unseren Produktionen spannende, theatralisch
reizvolle Denkanreize bieten, politische Diskurse anbieten und
Provokationen setzen. Das Gespräch wieder ankurbeln. Alles,
was Bewegung in die verkrampfte Situation bringt, ist gut.
Unser größtes Problem bleibt die zwangsläufige Fokussierung
auf ein etabliertes Theaterpublikum. Es kommen halt nicht die
ins Theater, die wir gerne auch erreichen würden. Wer freiwillig
ins Theater geht, kann nicht ganz verbohrt sein.
Frage 3
Die neue Produktion der Bürgerbühne
„Morgenland“ ruft zur Begegnung auf
mit:
FOTO: MATTHIAS HORN
GEL
ESL
Zum Regisseur
Volker Lösch wurde 1963 in
Worms geboren und wuchs in
Uruguay auf. Arbeiten führten ihn an Theater in Berlin, Essen,
Düsseldorf, Freiburg, Hamburg, Zürich und Stuttgart. Seine politisch offensiven Inszenierungen sind stets durch einen starken
Bezug zum Aufführungsort gekennzeichnet. Am Staatsschauspiel Dresden arbeitete Lösch 2003 in seiner Inszenierung der
„Orestie“ erstmals mit einem Sprechchor, der die „außertheatrale Wirklichkeit“ unmittelbar in das Bühnengeschehen integrierte. Es folgten 2004 „Die Dresdner Weber“ nach Gerhart Hauptmann, die vom Fachmagazin „Die Deutsche Bühne“ zur
Inszenierung des Jahres 2005 gewählt wurden. Von 2005 bis 2013
war Volker Lösch unter der Intendanz von Hasko Weber Hausregisseur und Mitglied der künstlerischen Leitung am Schauspiel
Stuttgart. Mit seiner Inszenierung „Marat, was ist aus unserer
Revolution geworden?“ nach Peter Weiss 2009 am Deutschen
Schauspielhaus Hamburg wurde er zum Berliner Theatertreffen
eingeladen. Unter seiner Regie entstand im Januar 2015 am Nationaltheater Weimar die Oper „Die Räuber“ von Giuseppe Verdi.
Besetzung
Mit: Annedore Bauer, Thomas Braungardt, Albrecht Goette, Jannik Hinsch,
Ben Daniel Jöhnk, Benjamin Pauquet, Torsten Ranft, Lea Ruckpaul,
Antje Trautmann, Alexandra Weis und dem Dresdner Bürgerchor
Regie: Volker Lösch
Bühne: Cary Gayler
Kostüm: Carola Reuther
Einstudierung Chor: Bernd Freytag
Dramaturgie: Robert Koall,
Stefan Schnabel
EGL
der eigenen Frage als Gestalt
arabischsprachigen
Dresdnerinnen und Dresdnern
türkischsprachigen
Dresdnerinnen und Dresdnern
Frage 4
Die deutschsprachige Erstaufführung
von Stefano Massinis „ichglaubeaneineneinzigengott.“ erzählt anhand von
drei Frauenbiographien vom:
IND
IED
EID
Leben der Amish
Leben in der Bronx
Israel-Palästina-Konflikt
Das Lösungswort bitte
bis zum 05. November an:
[email protected],
Betreff: „Quiz November 2015“
Unter den richtigen Einsendungen
verlosen wir 10 x 2 Karten für „Das Goldene Garn (Reckless III)“ am 8.11. um
10.30 Uhr im Schauspielhaus.
Die Lösung des Oktober-Rätsels lautete:
HYPOSTASE
Die Theaterzeitung
11/2015
03
Philipp Lux ist Nathan in der Dresdner Inszenierung von Wolfgang Engel.
Lessings „Nathan der Weise“
Ein dramatisches Gedicht
von Gotthold Ephraim Lessing
Premiere am 7. November um 19:30 Uhr
im Kleinen Haus 1
weitere Termine: 3.11. (Voraufführung), 10., 19. und
21.11. sowie 8. und 30.12.
Wie Vorurteile bröckeln
Es ist nicht originell, im Moment Lessings „Nathan der
Weise“ auf den Spielplan zu setzen: 16 Theater im
deutschsprachigen Raum wollen in dieser Spielzeit eine
Premiere von Lessings Stück aus dem Jahr 1779 auf die
Bühne bringen. Kein Wunder: Der „Nathan“ behandelt
Fragen von Religion und Toleranz, von Engstirnigkeit und
Menschlichkeit und stellt die Utopie eines friedlichen
Zusammenlebens aller Menschen, unabhängig von ihrer
Herkunft und Religion, in den Raum. Erreichbar ist sie
für Lessing einzig durch eine Kraft: die Vernunft.
Wolfgang Engel inszeniert das Stück zurzeit in Dresden
und sagt dazu:
„M
anchmal werden einem Texte unter der Hand
immer aktueller. Lessing hat seine Gedanken
in Zeiten der Aufklärung und im Kampf gegen die Kirche
seiner Zeit entwickelt: die Idee von Toleranz, Menschlichkeit und Würde. Er schreibt gegen den Glauben als
Ideologie an und spielt sein Konzept am Beispiel Jerusalems im 13. Jahrhundert durch, diesem Brennpunkt, in
dem damals alle Religionen aufeinander prallten. In unserer Gegenwart, die geprägt ist von Flüchtlingsströmen
und den Bewegungen gegen diese Flüchtlinge, ist es notwendig, an europäische Werte zu erinnern, und ich
denke, ist es nötiger als je, dieses Stück zu spielen.
Trotzdem habe ich nicht vor, mit dem Thema Pegida im
Stück konkret umzugehen. Lessings Text ist so stark,
dass man ihn auch modern lesen kann. Mir bereitet es
besondere Freude, in einem alten Text ein ganz heutiges
Problem zu entdecken und es ohne Fremdtexte aus diesem alten Text herauszulesen. Ich empfinde die Figuren
beim Arbeiten gar nicht als alt und es interessiert mich,
gemeinsam mit den Schauspielern zu entdecken, wie
man eine aktuelle Frage in dieser erst einmal scheinbar
umständlichen deutschen Sprache transportieren kann.
Das Stück spielt in den letzten Tagen eines Waffenstillstandes in Jerusalem. Im Moment ruht der Krieg,
aber der Krieg in den Köpfen ist in vollem Gange. Lessing
meint natürlich den Krieg in den Köpfen seiner Zeit,
doch wir stellen zweihundertfünfzig Jahre später fest,
dass sich nichts geändert hat. Die verschiedenen Religionen, die in den Köpfen verankert sind, beruhen auf Dogmen, die miteinander in Konflikt geraten. So ist es auch
im ‚Nathan‘. Wie diese Dogmen und Vorurteile durch
Austausch von Gedanken anfangen zu bröckeln, kann
man am besten an der Figur des Tempelherren sehen,
diesem jungen, ideologisch verseuchten Menschen. Zu
dieser Art von Läuterung sind alle Figuren im Stück
in der Lage, wenn sie bereit sind, ihre Vernunft zu
benutzen. Wären sie es nicht, wäre das eine Tragödie,
und am Ende des Stückes stünde ein Scheiterhaufen.
Der ‚Nathan‘ aber ist bei allem Realismus, der sich in ihm
verbirgt, in gewisser Weise auch ein Stück Utopie. Es
zeigt, wie die Welt eingerichtet sein möge, es aber nicht
ist. Es gibt in dem Stück in der Figur des Patriarchen den
Punkt, wo die Vernunft keine Rolle mehr spielt, wo nicht
mehr diskutiert wird. Hier wird in Frage gestellt, was
FOTO: DAVID BALTZER
wir so gerne vorausgesetzt sähen, nämlich, dass
Menschen durch Argumente und durch Diskussionen
willens und in der Lage sind, ihre Positionen zu revidieren. Wenn einem aber jemand gegenüber steht, der
das nicht tut, hat Diskutieren keinen Sinn mehr. Das
Stück endet deswegen eben nicht als Märchen, denn der
Patriarch bleibt als Gefahr präsent. Vielleicht entsteht
dadurch dieser Moment von Melancholie, der in dem
Stück steckt, auch wenn es – nach dem Willen des
Autors – für einmal gut ausgeht.
Wir bessern mit Theater keine Menschen. Aber wenn
man seine eigene Schwäche und Unsicherheit bei anderen sieht, macht einen das stärker, das weiß ich spätestens seit 1989.“ Aus einem Gespräch mit Wolfgang Engel,
aufgezeichnet von Felicitas Zürcher
und Caroline Braungardt
Zum Regisseur
Wolfgang Engel wurde 1943 in Schwerin geboren. 1980
ging er als fester Regisseur an das Staatsschauspiel Dresden, wo ihn seine vielbeachteten Inszenierungen zu einem
der wichtigsten Regisseure der DDR machten. 1991 wurde
er fester Regisseur am Schauspiel Frankfurt am Main, von
1995 bis 2008 war Wolfgang Engel Intendant des Schauspiels Leipzig. Am Staatsschauspiel Dresden inszenierte
er zuletzt „Amerika“ nach dem Roman von Franz Kafka.
2011 wurde Wolfgang Engel mit dem Theaterpreis „Der
Faust“ für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
Besetzung
Mit: Christian Freund, Lieke Hoppe, Holger Hübner, Hannelore Koch, Lars
Jung, Kilian Land, Philipp Lux, Matthias Reichwald, Nele Rosetz
Regie: Wolfgang Engel
Bühne: Ansgar Prüwer-LeMieux
Kostüm: Nina Reichmann
Dramaturgie: Felicitas Zürcher
Staatsschauspiel Dresden
04
Ichglaubeaneineneinzigengott.
Monolog von Stefano Massini
Deutschsprachige Erstaufführung am 14. November
um 20:00 Uhr im Kleinen Haus 3
weitere Termine: 17.11. sowie 18. und 29.12.
Leben wie auf einem Vulkan
Stefano Massini gehört zu den wichtigsten neuen
Autoren des italienischen Gegenwartstheaters. Nach „LEHMAN BROTHERS. Aufstieg und Fall einer Dynastie“, das
derzeit im Schauspielhaus zu sehen ist, kommt jetzt sein
Monolog „Ichglaubeaneineneinzigengott.“ auf die
Bühne des Kleinen Hauses. Es spielt Cathleen Baumann,
Regie führt die junge Regisseurin Nora Otte.
J
ahrzehnte voller Gewalt und kein Ende in Sicht im
israelisch-palästinensischen Konflikt. Das Land
kommt nicht zur Ruhe: immer wieder kommt es zu
kriegerischen Auseinandersetzungen, immer wieder
werden Waffenstillstandsvereinbarungen gebrochen –
auf beiden Seiten. Es kommt weiter zu Terror und zu
Selbstmordanschlägen.
Genau darüber hat der italienische Autor Stefano
Massini einen Theatertext geschrieben: „Ichglaubeaneineneinzigengott.“ (Originaltitel: Credoinunsolodio).
Es geht um drei Frauen in Israel, drei Kulturen, drei
Religionen, drei Lebenswege und: ein Schicksal, dass
diese drei Frauen verbindet. Massinis Interesse gilt den
einzelnen Menschen in diesem gesellschafts-politischem Wandel, der doch eher einer Stagnation gleicht.
Er beschreibt die Leben der drei Frauen mit großer
Dringlichkeit. Es treten auf: Eden Golan, Dozentin für
hebräische Geschichte, Mina Wilkinson, eine amerikanische Soldatin, und schließlich Shirin Akhras, eine
20-jährige palästinensische Studentin. Die Perspektiven
der drei Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein; es
ist eben nicht erlaubt, auf der gleichen Seite zu kämpfen,
im Spiel der Gegensätze. Ihre Geschichten laufen
parallel, scheinbar unvereinbar und trotzdem miteinander verbunden im großen Labyrinth des Heiligen
Landes, wo TNT mit der Leichtigkeit von Feuerwerkskörpern explodiert, und Ängste intravenös ins Blut
kriechen.
Diese drei Frauen sind die Hoffnung Israels und Palästinas – und ihre Zusammenkunft das Ergebnis einer endlosen Gewaltspirale, die das Land täglich weiter zerstört.
Der gebürtiger Florentiner Stefano Massini, Jahrgang
1975, der derzeit zu den gefragtesten italienischen Dramatikern zählt, hat klassische Philologie studiert. Seine
Texte zielen auf Internationalisierung. Das könnte auch
daran liegen, dass er als Kind in eine 25-köpfige Schulklasse kam, von denen gerade einmal vier Schüler aus
italienischen Familien kamen. Die anderen stammten
Neues aus dem Staatsschauspiel
Die Inszenierung von Wolfgang Engel „Amerika“ nach
dem Roman von Franz Kafka in der Theaterfassung von
Pavel Kohout und Ivan Klíma ist zum Prager Theaterfestival deutscher Sprache eingeladen, das vom 5. bis
29. November in Prag stattfindet. Das Festival feiert
in diesem Jahr sein 20. Jubiläum. Die Einladung ist auch
eine Hommage an Pavel Kohout, der das Festival
mitbegründet hatte. Das Besondere an der Aufführung:
sie findet in Dresden statt. Das riesengroße Bühnen-
Cathleen Baumann spielt 3 Personen in Personalunion: Eden Golan, Professorin für jüdisch-israelische Geschichte, Shirin
Akhras, muslimisch-palästinensische Studentin und Mina Wilkinson, amerikanische Soldatin.
FOTO: MATTHIAS HORN
aus dem Maghreb, aus China oder Osteuropa. Zudem
besuchte er nachmittags noch eine private jüdische
Schule, weil sein Vater, Arzt von Beruf, einst einem jüdischen Kollegen das Leben rettete und dieser dem Jungen
aus Dankbarkeit den Schulbesuch ermöglichte. Daraus
entstand eine enge Freundschaft und Verknüpfung mit
dem Judentum. Die Leidenschaft für das Theater nahm
auch in dieser Zeit ihren Ursprung, denn Stefano Massini begann, die Laienaufführungen in der jüdischen
Gemeinde regelmäßig zu besuchen. Es verwundert daher
nicht, dass das Judentum in Massinis Stück allgegenwärtig ist. Massini hat bisher 15 Stücke geschrieben,
darunter „LEHMAN BROTHERS. Aufstieg und Fall einer
Dynastie“, das in der letzten Spielzeit mit großem Erfolg
seine Deutsche Erstaufführung am Staatsschauspiel
Dresden erfuhr. Über sein eigenes aktuelles Umfeld zu
schreiben habe ihn nie interessiert, so Massini. Vielmehr gehen seine Stücke zwar von konkreten, genau recherchierten Wirklichkeiten aus, sie beanspruchen
indes aber paradigmatische Geltung. So geht es in einem
seiner Stück beispielsweise um Anna Politkowskaja, in
einem anderen um das Konzentrationslager von Maida-
Besetzung
Mit: Cathleen Baumann
Regie: Nora Otte
Bühne: Ansgar Prüwer-LeMieux
Lisa Edelmann
Dramaturgie: Julia Weinreich
bild von Olaf Altmann ist nicht transportabel, deshalb
kommt das Festival mit seinem Publikum nach
Dresden. Für das anreisende Prager Publikum haben
wir tschechische Übertitel eingerichtet.
Seit Anfang
Oktober steht Ines Marie Westernströer für eine
der Hauptrollen für „Die Hannas“ vor der Kamera.
Anna und Hans sind zusammen die „Hannas“: sie sind
ein gemütliches Langzeitpaar in den eingeschlafenen
Dreißigern, bis sie unabhängig voneinander auf die
Schwestern Kim und Nicola treffen und beide, ohne
vom Betrug des anderen zu ahnen, eine Affäre beginnen.
Regie führt Julia C. Kaiser, der Film kommt 2016
in die Kinos.
Und: Auch in dieser Spielzeit zeigen
wir in der Reihe Theater zu Gast wichtige Inszenierungen führender deutschsprachiger Bühnen und
Ensembles. Im März geht es los mit dem Burgtheater
Wien und „Der Sturm“ sowie der Inszenierung des
Regiekollektivs Rimini Protokoll „Adolf Hitler:
Mein Kampf Band 1 & 2“. Im April geht es weiter
mit den Münchner Kammerspielen und der Revue
„Ekzem Homo“ von und mit dem Kabarettisten
Gerhard Polt und das Deutsche Theater Berlin mit
„Gift“, in den Hauptrollen Dagamar Manzel und Ulrich
Matthes. Der Vorverkauf beginnt jetzt!
nek und in „Ichglaubeaneineneinzigengott.“ eben um
den scheinbar unauflöslichen Israel-Palästina-Konflikt.
Regie führt Nora Otte, die von 2012 bis 2015 als Regieassistentin am Hause beschäftigt war und u.a. mit Tilmann Köhler, Jan Gehler, Wolfgang Engel und Sebastian
Baumgarten zusammenarbeitete. In der letzten Spielzeit
richtete sie u.a. die szenische Lesung „Medea.Stimmen“
von Christa Wolf ein.
Die drei Frauen werden von einer Schauspielerin (Cathleen Baumann) gespielt. So hat es der Autor Stefano
Massini zum einen vorgesehen, zum anderen verdeutlicht dieses Spielprinzip der schnellen Perspektivwechsel vielleicht am besten, dass die scheinbar klaren politischen, sozialen, wirtschaftlichen und persönlichen
Trennlinien eben gar nicht so scharf zu ziehen sind.
Julia Weinreich
Kostüm:
Die Theaterzeitung
11/2015
05
Das Ensemble von Morgenland vor Kulturschätzen aus dem Orient in der Türckischen Cammer.
Morgenland
Ein Abend mit Dresdnerinnen und Dresdnern
aus dem Orient. In arabischer, englischer und
deutscher Sprache, mit deutschen Untertiteln
Premiere am 29. November um 19:00 Uhr
im Kleinen Haus 3.
Weitere Termine: 5. und 6.12. sowie 20.12.
Höchste Zeit,
sie kennen zu lernen
urzeit probt Miriam Tscholl, Leiterin der Bürgerbühne, an einem neuen Projekt. Diesmal sind es
„Dresdner aus dem Orient“. Während der Proben unterhielt sie sich mit der Dramaturgin Felicitas Zürcher
über ihre Begegnung mit einer fremden Welt.
Z
Das Projekt „Morgenland“ wurde im Frühjahr 2014 geplant. Was war der Grund für die Idee, ein Theaterstück mit arabisch-sprachigen Dresdnern zu machen?
Miriam Tscholl: Ich wähle meine Themen danach aus,
was mich gerade beschäftigt. Im Frühjahr 2014 kam ich
gerade von einer großen, berauschenden Reise zurück
und hatte Pegida nur per Internet verfolgt. Pegida war für
mich der Untergang des Abendlandes. Da lag es nahe zu
schauen, was eigentlich das Morgenland zu bieten hat.
Vielleicht war es eine Art emotionale Flucht aus der Dresden-Depression. Ein weiterer Grund ist, dass viele Menschen wenig wissen vom arabischen Raum und seiner
Kultur, mich eingeschlossen. Da Menschen ganz simpel
durch Kennenlernen Angst abbauen, dachte ich: Höchste
Zeit, dass ich und ein Dresdner Publikum unsere arabischsprachigen Mitmenschen besser kennenlernen.
FOTO: DAVID BALTZER
Die erste Idee war, sich über die Literatur an die
andere, arabische Kultur anzunähern. Ging die Idee
auf?
An manchen Stellen ist das aufgegangen, an anderen
Stellen haben sich andere Themen als spannender oder
naheliegender gezeigt. Wir stellen einige Dichter, Musiker, Comiczeichner und Autoren vor, die den Spielern
aus unterschiedlichsten Gründen wichtig sind. Manchmal stehe ich aber auch etwas ratlos vor einem Roman
oder Film, von dem mir berichtet wird. Wie bringe ich
das in einen Zusammenhang? Interessiert das jemanden
aus dem Publikum? Die Lebensgeschichten der Spieler
„Morgenland“ ist ein halb ironischer Titel. Was sind natürlich sofort und ganz offensichtlich interessagen die Spieler dazu? Wie verhalten sie sich zum sant. Wir wollten uns ja mit der arabischen Literatur und
europäischen Blick auf ihre Kultur?
Kultur beschäftigen. Und Kultur ist zum Glück ein weiSchon im ersten Gespräch wurde klar, dass die Spieler ter Begriff.
den Titel lesen, wie er auch gemeint war: als eine westliche Projektion auf ihren Kulturkreis. Den Darstellern Welche Texte sind von den Spielern mitgebracht
ist auch klar, dass Europa ihre Länder für rückständig worden? Und welche anderen Themen werden im
hält und sie verbinden mit dem Projekt die Möglichkeit, Stück zur Sprache kommen?
auch Gegenteiliges zu zeigen. Am Anfang war dennoch Es ist wunderbar, was ich alles zu sehen bekomme: Youetwas Unsicherheit im Spiel. Das wurde in Fragen sicht- tube-Clips, wie sich ein Comedian in Syrien Deutsche
bar wie: Müssen wir traditionelle arabische Kostüme beim Sex vorstellt, Romane von Nagib Machfus, Nobeltragen?
preisträger für Literatur, der als der arabische Thomas
Mann bezeichnet wird, Zeichentrickfilme oder Texte von
Kommunikation, Austausch und Begegnung sind politischen Schriftstellern. Wichtig ist auch der Bereich
ein wichtiger Aspekt und ein Anliegen von Musik, denn vier der Mitwirkenden sind vor allem als
„Morgenland“. Inwiefern prägt das die Gestalt des Musiker dabei. Außerdem widmen wir uns dem Bereich
Abends?
Liebe und Ehe, der Rolle der Frau, dem Mythos Mutter,
Sichtbar wird dieses Anliegen schon am Raum. Die Zu- der Religion und dem Blick auf unsere deutsche Kultur.
schauer sitzen an Tischen mit auf der Bühne, in einer Art Das ist eigentlich schon viel zu viel.
Café-Situation. Es gibt auch die frontale Erzählung im
Stück, wichtiger sind aber die direkten Begegnungen Besetzung
zwischen Spieler und Publikum, die an den Tischen Mit: Tarek Alsalloum, Ashraf Ayash, Rouni Mustafa, Ibrahim Qadi, Sami
Ramadan, Elai Rostom, Diaa Soliman, Yesmine Trigui sowie Anwar
stattfinden.
Es ist eine Gruppe von Menschen im Alter zwischen 19
und 50 Jahren aus Syrien, Tunesien, Palästina und Ägypten. Eine Frau, elf Männer. Manche von ihnen leben bereits seit einigen Jahren in Deutschland, da sie beispielsweise ihre Doktorarbeit hier schreiben, andere sind erst
wenige Wochen vor Projektbeginn nach Deutschland geflohen. Es sind Muslime, Christen und Atheisten unter
ihnen, manche sprechen sehr gut Deutsch und manche
keine drei Sätze. In ihren Heimatländern waren sie Schüler, Studenten, Doktoranden, Hilfsarbeiter, Lehrer, Tierarzt, Grafiker, Musiklehrer.
Es hat sich ein Dutzend Mitspieler gefunden. Was
sind das für Leute? Aus welchen Ländern kommen Welche sprachlichen Barrieren gibt es, und wie geht
Sie und was machen sie in Dresden?
ihr mit den Problemen in der Arbeit damit um?
Neues von der Bürgerbühne
Am 15. November stürzen sich die Teilnehmer des
Clubs der anders begabten Bürger hinein in die Arbeitswelt zwischen Kisten, Kabeln und Fließband, Wäsche,
Kochschürzen und Poststempeln. In Verpackung und
Montage oder Was ich immer schon mal werden
wollte fragen sie nach dem Sinn ihrer Tätigkeit und ob
das, was sie tun, auch das ist, was sie tun wollen.
15:00 Uhr und 19:00 Uhr im Kleinen Haus 3.
Die Idealvorstellung ist natürlich, dass man für die Übersetzungsvorgänge interessante künstlerische Formate
findet und dass gerade die Mehrsprachigkeit einen Reiz
auf der Bühne hat. In der Praxis ist es nicht einfach für
mich, mit vielen der Darsteller nur mittels eines Übersetzers oder mit Händen und Füßen kommunizieren zu
können. Witze und schlagfertige Bemerkungen, die eine
gute Arbeitsatmosphäre schaffen, bleiben dabei oft auf
der Strecke. Zum Glück haben wir einen tollen Übersetzer auf den Proben dabei. Aber manchmal diskutieren
alle wild auf Arabisch, und ich wünschte, ich könnte es
verstehen und – schwupps – eine Szene daraus entwickeln. Manchmal stehen auch lebenspraktische Dinge
an. Von einem Spieler bekomme ich zum Beispiel regelmäßig Formulare von Ämtern unter die Nase gehalten
und komme mir dabei vor wie in einer Kafka-Geschichte:
Wie soll bitte jemand, der noch kein Deutsch spricht,
weil er noch keinen Platz in einem Kurs bekommen hat,
mit diesem komplizierten Vorgang umgehen, den ich als
Deutsche kaum verstehe.
Aldiban, Thabet Azzawi, Abed Sarraf, Abdel Semmoudi (Musiker)
Regie: Miriam Tscholl
Bühne und Kostüm: Belén Montoliú Garcia
Musik: Michael Emanuel Bauer
Übersetzer: Bashar Alwan
Dramaturgie: Felicitas Zürcher
Staatsschauspiel Dresden
Impressum
Adressen:
Schauspielhaus Theaterstraße 2, 01067 Dresden
Kleines Haus Glacisstraße 28, 01099 Dresden
Herausgeber: Staatsschauspiel Dresden
Intendant:
Wilfried Schulz
Redaktion:
Dramaturgie / Öffentlichkeitsarbeit
Layout:
Anett Hahn, Dresdner Magazin Verlag GmbH
Redaktionsschluss:
27.10.2015
Karten:
per Telefon: 0351.49 13 – 555
per Fax: 0351.49 13 – 967
per E-Mail: [email protected]
im Internet: www.staatsschauspiel-dresden.de
Staatsschauspiel Dresden
06
Das Goldene Garn (Reckless III)
Kinder- und Familienstück für alle ab 8 Jahren
frei nach dem Roman von Cornelia Funke
für die Bühne eingerichtet von Robert Koall
Uraufführung am 1. November um 17:00 Uhr
im Schauspielhaus
und zuletzt „Alle meine Söhne“ von Arthur Miller in
Szene gesetzt hat.
Besetzung
Mit: Marius Ahrendt, Henriette Hölzel, Thomas Kitsche, Valentin Kleinschmidt, Jonas Friedrich Leonhardi, Ina Piontek, Karina Plachetka, Rainer
Philippi, Atef Vogel sowie Florian Busch und Cindy Hammer
Regie: Sandra Strunz
Bühne und Kostüm: Sabine Kohlstedt
Musik: Rainer Süßmilch, Karsten Süßmilch
Choreografie: Ted Stoffer
Dramaturgie: Julia Weinreich
ie Autorin Cornelia Funke hat dem Staatsschauspiel Dresden erneut ihr Vertrauen geschenkt und
Für folgende Vorstellungen von Das Goldene Garn
lässt auch den dritten Teil ihrer „Reckless“-Romanserie
(Reckless III) gibt es noch Karten: 1.11. (17:00), 8.11.
im Schauspielhaus zur Uraufführung kommen. In ihrem
(10:30), 9.11. (10:00) 3.12. (16:00), 21.12. (10:30), 22.12.
dritten Buch „Das Goldene Garn“ führt die Reise für
(10:30), 27.12. (15:00 + 19:00)
Will und Jacob Reckless weit in den Osten, bis nach MoskWir spielen das Kinder- und Familienstück Das
va. Dabei schwelgt Nerron, der steinhäutige Schatzjäger
Gespenst von Canterville von Oscar Wilde für alle
und Doppelagent, in Allmachtsfantasien und lehrt Will
ab 10 Jahren auch in dieser Spielzeit weiter. Für diese
und Jacob das Fürchten. Aber Jacob kann der Tod nicht
Termine sind noch Karten erhältlich: 18.11. (19:00),
schrecken; er kommt zurück und nimmt allerlei Aben29.11. (15:00 + 19:00), 13.12. (19:00), 23.12. (19:00), 26.12.
teuer in Kauf, die ihm beinahe das Leben kosten. Und er
(10:30)
schließt ein Abkommen mit einer besonders zwielichtiNur die Weberin kann das Goldene Garn der Liebe durchUnsere Kinder- und Familiengen Gestalt, nämlich dem Erlkönig. Der hat den Pakt schneiden. Deshalb reist die Dunkle Fee zur Weberin, befreit
stücke werden unterstützt
nicht vergessen, den er mit Jacob im Labyrinth des Blau- sich ein für allemal vom Band der Liebe und opfert dafür sogar
durch die Ostsächsische Sparkasse Dresden.
FOTO: DAVID BALTZER
barts mit ihm geschlossen hat: Jacob soll sein künftig ihre Unsterblichkeit.
erstgeborenes Kind an ihn abtreten. In der Welt der Märchen muss nämlich für alles bezahlt werden.
Der spendierte Platz 2015 am 10. Dezember 2015 um 16:00 Uhr
D
Wieder folgen wir dem Brüderpaar Will und Jacob durch
die verzauberte Spiegelwelt. Diesmal aus dem New York
unserer Gegenwart in eine Welt auf der anderen Seite des
Spiegels mit verwunschenen Märchenmotiven. In dieser
Welt gibt es Feen und Unholde, Wassermänner und
Baumwesen, Menschen aus Stein – die Goyl und verwundbare Menschen aus Fleisch und Blut.
Regie führt Sandra Strunz, die bereits „Reckless II – Lebendige Schatten“ am Staatsschauspiel inszeniert hat
Drei Männer im Schnee
Komödie von Erich Kästner
Premiere am 5. Dezember um 19:30 Uhr
im Kleinen Haus 1
weitere Termine: 11.12., 29.12. (19:30 Uhr)
und 31.12. (17:00 und 21:00 Uhr)
Einmal möchte‘ ich
keine Sorgen haben
Peter Jordan und Leonhard Koppelmann inszenieren
Erich Kästners Komödie „Drei Männer im Schnee“
D
as Grandhotel Bruckbeuren ist die erste Adresse für
Reiche und Sorglose, für gelangweilte Gattinnen
und begeisterte Wintersportler. Als die Gewinner eines
Preisausschreibens in dem exklusiven Skihotel eintreffen,
geht es hoch her in der Gerüchteküche: Dr. Fritz Hagedorn, in Wahrheit ein arbeitsloser Akademiker aus Berlin,
wird für einen inkognito reisenden Millionär gehalten
und dementsprechend vom Personal umsorgt und von
den Salonlöwinnen belauert. Er schließt Freundschaft mit
Herrn Schulze, der tatsächlich unter falschem Namen eingecheckt hat. Im Kostüm des armen Schluckers Schulze
steckt der schwerreiche Geheimrat Tobler, dessen Mission
es ist, „endlich zu erfahren, wie die Menschen wirklich
sind“. Sein Butler Johann muss indes den Millionär spielen; er trifft als wohlhabender Reeder Kesselhuth ein. Die
drei gegensätzlichen Männer schließen Freundschaft, und
als plötzlich auch noch Toblers Tochter Hilde im Hotel
auftaucht, ist es um Hagedorns Herz geschehen.
Was in „Drei Männer im Schnee“ mit einem Preisausschreiben, einem philantropischen Millionär und einem in-
Über 750 Kinder und Jugendliche aus Kinderheimen, Behindertenwerkstätten und Förderschulen können
am 10. Dezember 2015 um 16:00 Uhr kostenlos eine Vorstellung „Das Goldene Garn (Reckless III)“ im Schauspielhaus besuchen. Für viele von ihnen ist dies aus finanziellen Gründen die einzige Gelegenheit für einen Theaterbesuch. Möglich wird dieses Erlebnis durch Ihre Spenden. Für 5,00 € pro Karte können Sie an unseren Vorverkaufskassen symbolisch Tickets für diese Vorstellung erwerben, die dann einem Kind oder mehreren Kindern
zugutekommen. Alternativ können Sie auch einen Betrag in beliebiger Höhe auf folgendes Konto bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden überweisen: Kontonummer 31 20 10 52 27, Bankleitzahl 850 503 00 oder IBAN
DE69850503003120105227, BIC OSDDDE81XXX. Für Spenden über 100,00 € erhalten Sie eine Spendenquittung,
andernfalls genügt der Zahlungsbeleg eines Kreditinstituts für das Finanzamt.
szenierten Verwechslungsspiel beginnt, löst sich zum Schluss in
ein Happy End und allgemeines Wohlgefallen auf.
Dass es aber auch ganz
anders kommen kann,
war Erich Kästner nur zu
bewusst. Er selbst musste
als junger Redakteur, obwohl längst gekündigt, noch
kurz vor dem Ausscheiden bei der
Neuen Leipziger Zeitung Tausende von
Einsendungen zu einem Preisausschreiben sichten
und sortieren. Dabei wird Kästner beobachtet haben,
dass die Gewinner dieser Spiele oftmals den Erwartungen derer so gar nicht entsprechen, die die Preise ausschreiben. Denn nur wenige Wochen danach, im August
1927, erschien im Berliner Tageblatt seine Geschichte
„Inferno im Hotel“, die genau dies zum Thema hat und
die die angespannte Atmosphäre der Weimarer Republik
jener Jahre widerspiegelt. „Inferno im Hotel“ gilt als
Keimzelle der „Drei Männer im Schnee“ – doch bis sich
die Geschichte um einen gedemütigten Preisträger zu
einer schwungvollen Komödie mit gesellschaftssatirischem Unterton fortentwickelt hat, war es ein weiter
Weg. Kästner arbeitet den „Inferno“-Stoff zunächst zu
einem Filmexposé und einem Singspielkonzept um, die
beide nicht überliefert sind. „Das lebenslängliche Kind“
lautete schließlich der Titel, unter dem die Bühnenkomödie 1934 von einem Autor namens Robert Neuner veröffentlicht wurde. Erich Kästner war inzwischen gezwungen, unter Pseudonym zu publizieren, da er schon
1933 nach der Bücherverbrennung durch die Nationalso-
zialisten mit einem Arbeitsverbot belegt
worden war. Zahlreiche deutsche
Theater nahmen das Stück sofort
auf den Spielplan, diverse Verfilmungen folgten und bereits im
September 1934 feierte die Komödie auch am Dresdner Staatsschauspiel Premiere. Nun bringen die Regisseure Peter Jordan
und Leonhard Koppelmann, die
seit einigen Jahren sehr erfolgreich gemeinsam inszenieren, die charmante Verwechslungskomödie in einer sehr musikalischen Version auf die Bühne des Kleinen Hauses. Dazu
haben sie einige der schönsten und beliebtesten deutschen Schlager aus den 1930er Jahren ausgewählt, die die
Atmosphäre dieser Zeit auf der Bühne des Kleinen Hauses lebendig werden lassen.
Und wenn dann das Grandhotel Bruckbeuren am 5. Dezember seine Türen öffnet, ist man zu Gast in einer Welt,
deren von Pulverschnee überzuckerte Idylle immer ein
bisschen vorgestrig wirkt. Kästners Komödie lädt für die
Dauer eines Theaterbesuchs dazu ein, in diesen Kosmos
einzutauchen, in dem nur nach und nach zu ahnen ist, in
welchem Zustand der Wirrnis, Kälte und Unruhe sich
die Welt tatsächlich befindet.
Besetzung
Thomas Eisen, Sascha Göpel, Matthias Luckey, Ahmad Mesgarha, AnnaKatharina Muck, Alexandra Sinelnikova, Ines Marie Westernströer sowie
die Musiker Hans-Richard Ludwig/Georg Schumann und Christoph Herrmann/Micha Seifert
Regie: Peter Jordan, Leonhard Koppelmann
Bühne: Christoph
Schubiger
Kostüm: Irène Favre de Lucascaz
Musik: Thomas
Mahn
Dramaturgie: Beret Evensen