G 20011 EUTSCHER DODOSTDIENST 57. Jahrgang / Nr. 03/2015 Nachrichtenmagazin des Bundes der Vertriebenen Gedenken an die Opfer von Flucht und Vertreibung Politik: Verband: Kanzlerin an der Seite der Vertriebenen Erika Steinbach Ehrenpräsidentin Stationen der Wanderausstellungen 2015 Zentrum GeGen VertreibunGen Angekommen Die Integration der Vertriebenen in Deutschland Donauschwäbisches Zentralmuseum 22. Mai bis 20. September 2015 Schillerstraße 1, 89077 Ulm Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr Westpreußisches Landesmuseum 25. Juli bis 27. September 2015 Klosterstraße 21, 48231 Warendorf Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr Eintritt: 4,00 €, ermäßigt 2,50 €, Familienkarte 7,00 € Erzwungene Wege Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts Aichach-Friedberg Kreisgut Aichach 13. Juli bis 14. August 2015 Am Plattenberg 12, 86551 Aichach Öffnungszeiten: Während der regulären Geschäftszeiten Landkreis Waldeck-Frankenberg – Kreishaus Korbach 16. September bis 31. Oktober 2015 Südring 2, 34497 Korbach Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 08.00 Uhr bis 16.00 Uhr Freitag 08.00 bis 13.00 Uhr Landratsamt Kitzingen 19. August bis 13. September 2015 Kaiserstraße 4, 97318 Kitzingen Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr Montag und Dienstag 13.00 Uhr bis 15.30 Uhr Donnerstag von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr Freitag von 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr Die Gerufenen Deutsches Leben in Mittel- und Osteuropa Alle Ausstellungen können gebucht werden. Informationen dazu unter Tel.: 0228/8100730 DOD 01/2015 Editorial 3 Liebe Leserinnen und Leser, im Bundesgesetzblatt vom 14. Oktober 2014 findet sich auf Seite 1599 die „Bekanntmachung über den Beschluss der Bundesregierung zur Einführung eines jährlichen Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung“ vom 6. Oktober, gezeichnet von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der Gedenktag wird auf den 20. Juni festgelegt. Mit der Veröffentlichung wurde der Beschluss amtlich und der Gedenktag somit erstmalig am 20. Juni 2015 festlich begangen. Die Bundesregierung lud dazu nach Berlin. Mit dem Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums fand man für den Festakt einen eindrucksvollen Ort, mit den geladenen Gästen – unter ihnen viele Zeitzeugen – einen würdigen Rahmen. Bundespräsident Joachim Gauck hielt eine bewegende Rede, als deren roter Faden sich das Gedenken an die deutschen Opfer der Vertreibungen und der Flucht vor 70 Jahren herauskristallisierte. „Zum ersten Mal gedenkt Deutschland an einem offiziellen bundesweiten Gedenktag jener Millionen von Deutschen, die am Ende des Zweiten Weltkrieges zwangsweise ihre Heimat verloren.“ Mit diesen Worten bestätigte der Bundespräsident, dass nunmehr diese langjährige Forderung des BdV, Deutschland möge seiner Opfer angemessen und empathisch gedenken, umgesetzt wurde. „Mit welcher Begründung können wir den eigenen Müttern und Großmüttern jene Empathie verweigern, die wir den vergewaltigten Frauen in Bosnien zu Recht entgegenbringen? Die Erfahrung aktuellen Unrechts hat dazu beigetragen, dem weit Zurückliegenden mit neuer Empathie zu begegnen“, so der Bundespräsident weiter. Wir dokumentieren seine Rede im Wortlaut in diesem Heft. Gleichzeitig verwehrt er mit seiner klaren Botschaft den geschichtsvergessenen Kreisen in Deutschland, die Meinungsoder gar Deutungshoheit über den Festakt und den gesamten Gedenktag zu übernehmen. Dass im Nachgang des Festaktes der Tenor der medialen Berichterstattung trotzdem überwiegend die aktuelle Flüchtlingsproblematik in den Vordergrund rückt, ist nicht nur Ausdruck eines selektiven Journalismus‘, sondern konterkariert auch die bemerkenswerte Aussage des Bundesinnenministers, „dass wir als Land und Gesellschaft erwachsen geworden sind, auch im Umgang mit dem Thema Heimatvertriebene“. Im Namen aller deutschen Heimatvertriebenen, Zwangsarbeiter, Aussiedler und Spätaussiedler, die noch bis 1989 unter massiven Repressalien in den Heimatländern gelitten haben, danke ich der Bundesregierung dafür, den Gedenktag beschlossen, eingesetzt und würdig begangen zu haben. Diesen Gedenktag war Deutschland den eigenen Opfern schuldig! Mit freundlichen Grüßen Dr. Bernd Fabritius MdB 4 Inhalt DOD 03/2015 Kanzlerin stellt sich erneut an die Seite der Vertriebenen Die Bundesregierung steht auch künftig an der Seite der Vertriebenen – in guten Stunden, aber auch, wenn es einmal ein Problem zu lösen gilt.“ So beendete Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB ihre äußerst zugewandte und mit starkem Applaus bedachte Rede beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen am 5. Mai 2015 im Atrium des Hauses der Bundespressekonferenz in Berlin. Wie wichtig ihr gerade dieses Schlusswort gewesen sein mag, zeigte sich, als sie danach spontan auf einige der anwesenden VerbandsmitSeite 5 glieder zuging, diese persönlich begrüßte und sich nach deren Herkunft erkundigte. Bundesversammlung will Geste für Zwangsarbeiter Keine Überraschungen, aber durchaus Neuigkeiten brachte die diesjährige Bundesversammlung des BdV, die im Vorfeld des Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung am 19. Juni im Berliner Hotel Hamburg stattfand. Die diesjährige Bundesversammlung des BdV dankte Erika Steinbach für ihr Wirken, in dem ihr das oberste Beschlussorgan des Verbandes spontan die Ehrenpräsidentschaft verlieh. In einem Entschließungsantrag forderten die Delegierten den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung auch auf, endlich für die Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter Sorge zu tragen. Seite 8 Gedenken an die Opfer von Flucht und Vertreibung Am Morgen des 20. Juni 2015. Heute – am Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen – wird der erste deutschlandweite Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung um 11 Uhr zentral mit einer Gedenkstunde im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums in Berlin begangen. Fast zehn Monate ist es jetzt her, dass die Bundesregierung dieses Gedenken beschlossen und damit ein lange und immer wieder von den deutschen Heimatvertriebenen und ihren Verbänden vorgebrachtes Anliegen umgesetzt hat. Seite 9 Sudetendeutscher Tag: Menschenrechte ohne Grenzen Mehr junge Teilnehmer und viele, die zum ersten Mal kamen, mehr Besucher aus der Tschechischen Republik als jemals zuvor und mehr Aussteller prägten den 66. Sudetendeutschen Tag zu Pfingsten in Augsburg. 70 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs und dem Beginn der Vertreibung der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien entfaltete das traditionelle Pfingsttreffen der Sudetendeutschen eine unerwartete Anziehungskraft. Seite 26 Flucht,Vertreibung, Deportation Als Vorstandsmitglied der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) begrüßte der Vorsitzende der CDU/CSUFraktion im Deutschen Bundestag Volker Kauder MdB am 9. Juni 2015 in Berlin ein zahlreiches und interessiertes Publikum zu dem gemeinsam von der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen (ZgV) und der KAS organisierten Symposium „Flucht, Vertreibung, Deportation – Das Schicksal der Deutschen im Osten nach dem Ende das Zweiten Weltkrieges“. Unter den Besuchern in der Konrad-AdenauerStiftung waren viele Zeitzeugen. Titel: Henning Schacht (1) Seite 30 BdV-Archiv (6); Henning Schacht (1); Flögel (1) DOD 03/2015 Politik 5 Kanzlerin stellt sich erneut an die Seite der Vertriebenen Zum achten Mal besuchte Angela Merkel den Jahresempfang des BdV Die Bundesregierung steht auch künftig an der Seite der Vertriebenen – in guten Stunden, aber auch, wenn es einmal ein Problem zu lösen gilt.“ So beendete Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB ihre äußerst zugewandte und mit starkem Applaus bedachte Rede beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen am 5. Mai 2015 im Atrium des Hauses der Bundespressekonferenz in Berlin. Wie wichtig ihr gerade dieses Schlusswort gewesen sein mag, zeigte sich, als sie danach spontan auf einige der anwesenden Verbandsmitglieder zuging, diese persönlich begrüßte und sich nach deren Herkunft erkundigte. Es war bereits das achte Mal, dass Angela Merkel am Jahresempfang teilnahm und vor etwa 250 Gästen aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Kultur sprach. ie Erinnerung an das Schicksal der D von Flucht und Vertreibung Betroffenen bleibe auch weiterhin „Mahnung und Auftrag, dafür Sorge zu tragen, dass uns und künftigen Generationen ein solches Leid erspart bleibt“, hatte Merkel vorher deutlich gemacht. Auch vor dem Hintergrund heutiger Flüchtlingsströme sei es daher gut, dass mit dem bundesweiten Gedenken an die deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, die öffentliche und politische Wahrnehmung der Themen Flucht und Vertreibung gestärkt werde. „Wir rufen das Leid in Erinnerung“ „Wir rufen das Leid durch den Verlust von Heimat und von Angehörigen in Erinnerung, das auf dem Weg ins Unge- Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. wisse millionenfach durchlebt wurde. Und wir würdigen, was Vertriebene für den Wiederaufbau Deutschlands in den Nachkriegsjahren geleistet haben“, so die Bundeskanzlerin. Genauso wichtig seien die Kulturarbeit, aber auch die vielen Brücken, die Vertriebene und Aussiedler in ihre Heimatgebiete bauten: „Die Schicksale, die Millionen Deutsche durch Flucht und Vertreibung erlitten haben, sind auch für uns heute Mahnung und Auftrag, dafür Sorge zu tragen, dass uns und künftigen Generationen solches Leid erspart bleibt. Die beste Antwort auf die Herausforderung der Sicherung von Frieden, Freiheit und Stabilität ist und bleibt die europäische Einigung. Daher brauchen wir Brückenbauer, wie wir sie auch und gerade in Ihren Reihen finden. Viele von Ihnen engagieren sich in der Heimat Ihrer Vorfahren. Sie unterstützen die Restaurierung von Kirchen oder den Aufbau von Begegnungsstätten und Bibliotheken. Sie organisieren Ausstellungen, Symposien und Studienfahrten. So unterhalten Sie vielfälti- ge Kontakte zu unseren europäischen Nachbarn. Für dieses breite und unermüdliche Engagement danke ich Ihnen herzlich. Sie helfen mit, die Erinnerung an die Vergangenheit wachzuhalten, die Verbindung zur Heimat und zu den Deutschen in mittel- und osteuropäischen Staaten zu pflegen und denen zur Seite zu stehen, die zu uns kommen. Das Verständnis, für eine gute Zukunft zu sorgen, indem wir uns der Verantwortung für die Vergangenheit bewusst sind – das ist von Generation zu Generation immer wieder aufs Neue zu pflegen, mögen sich auch die jeweiligen Perspektiven ändern. Dafür stehen auch die Wechsel an der Spitze des Bundes der Vertriebenen. In den 90er Jahren folgten auf Herbert Czaja im Präsidentenamt zuerst Fritz Wittmann und dann Erika Steinbach, die wir hier heute ganz herzlich begrüßen. Das war ein erster Generationenwechsel. Auf diejenigen, die Krieg und Vertreibung als Erwachsene oder Jugendliche unmittelbar erlebt hatten, folgten diejeni- 6 gen, deren Lebensgeschichte von der Nachkriegszeit und den Anstrengungen der Integration geprägt war.“ Das diesjährige Leitwort des Bundes der Vertriebenen „Vertreibungen sind Unrecht – gestern wie heute“, spanne einen Bogen „von den Flüchtlingsdramen der Vergangenheit zu denen der Gegenwart, Historisches und Aktuelles zueinander in Beziehung zu setzen und beides gleichermaßen in den Blick zu nehmen“, wie Merkel es ausdrückte, sei ein Ansatz, den die Bundesregierung und der BdV teilen. Es sei natürlich kaum damit zu vergleichen, so die Kanzlerin, „wie schwer es Vertriebene in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hatten, fern der Heimat neu Fuß zu fassen. Doch auch diejenigen, die heute aus den Staaten Mittelund Osteuropas zu uns kommen, haben mit großen Eingewöhnungsschwierigkeiten zu kämpfen. Daher arbeiten wir daran, dass sie sich aufgenommen fühlen und gute Startbedingungen vorfinden. Dies gilt umso mehr, als wir Ende 2013 die Möglichkeiten für den Familiennachzug bei Spätaussiedlern erleichtert haben. Der Zuzug hat sich daraufhin mehr als verdoppelt – auf über 5.600 Menschen im vergangenen Jahr.“ Menschenrechte und Empathie einfordern BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB wies in seinen Begrüßungsworten darauf hin, dass das diesjährige Leitwort „leider brandaktuell“ sei. Hinter jeder Politik DOD 03/2015 eingeforderten Frieden in einem vereinigten Europa zu sichern. Fortschritt und Aufbruch BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB konnte zahlreiche Ehrengäste im Atrium im Haus der Bundespressekonferenz begrüßen. der öffentlich gewordenen Flüchtlingszahlen ständen schließlich „ebenso viele Einzelschicksale, deren Leidensweg viele Mitmenschen in Deutschland nur erahnen können.“ Auch darum gelte es, von Verbandsseite aus immer wieder „Menschenrechte und Gesten der Empathie für Vertriebene und Flüchtlinge, für Opfer von Gewalt und Terror einzufordern, Vertreibungen als politisches Machtinstrument zu ächten, das kulturelle Erbe der Vertriebenen zu erhalten und die gesamtgesellschaftliche Erinnerung an unser Schicksal zu fördern“, so Fabritius. Dieser Einsatz trage dazu bei, den schon weitblickend in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen von 1950 „Insgesamt erleben wir – und das möchte ich besonders betonen – wie viel mehr unter dem Dach der Schritt um Schritt erweiterten Europäischen Union heute möglich ist. Was vor 25 Jahren noch undenkbar war und vor 10 Jahren noch als unmöglich galt, ist heute machbar. Nach Medienberichten befindet sich der BdV auf „Modernisierungskurs“. Nun, Fortschritt und Aufbruch sind sicherlich gut. Aber man darf dabei nicht alles über Bord werfen, was über Jahrzehnte historisch gewachsen ist. Der BdV ist nach wie vor der einzig repräsentative Dachverband der Vertriebenen und Spätaussiedler. Seine Aufgaben und Ziele sind klar definiert. Gestern wie heute ging und geht es darum, durch zeitgemäße Herangehensweise den Dialog nach innen und nach außen zu führen. Immer wieder werben wir dafür, • Menschenrechte und Gesten der Empathie für Vertriebene und Flüchtlinge, für Opfer von Gewalt und Terror einzufordern, Vertreibungen als politisches Machtinstrument zu ächten, • das kulturelle Erbe der Vertriebenen zu erhalten • und die gesamtgesellschaftliche Erinnerung an unser Schicksal zu fördern. BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius konnte zahlreiche Ehrengäste begrüßen, so den Vorsitzenden der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Klaus Brähmig (l.), den russlanddeutschen Abgeordneten Heinrich Zertik (M.) und den Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk (r.). BdV-Archiv (6) DOD 03/2015 Damit wollen wir zum Frieden im vereinigten Europa beitragen, den unsere Charta bereits 1950 visionär eingefordert hat. Sie alle, meine Damen und Herren, können uns dabei zur Seite stehen. Wir haben großen Rückhalt, und wir brauchen auch Unterstützung aus Politik und Gesellschaft. Niemand hat jemals genug Fürsprecher. Ich hoffe, dieser Abend dient dazu, dass wir in fruchtbaren Gesprächen viele weitere Mitstreiter gewinnen. Deshalb – und um gemeinsam miteinander, aber auch um gut und fair übereinander zu sprechen – sind wir heute hier“, schloss BdV-Präsident Dr. Fabritius seine Ansprache. Dank an Erika Steinbach Sowohl Fabritius als auch Merkel nutzten die Gelegenheit, die ebenfalls anwesende, ehemalige BdV-Präsidentin Erika Steinbach MdB für deren 16-jährige Verbandsführung zu würdigen. Durch Steinbachs Arbeit seien viele der nun Wirklichkeit werdenden Projekte erst angestoßen worden, so die einhellige Meinung. Prominente Gäste des Jahresempfangs waren u.a. Altbundespräsident Christian Wulff, der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt MdB, der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller MdB, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Prof. Monika Grütters MdB, der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk MdB, der Vorsitzende der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion Klaus Brähmig MdB, der Vorsitzende des Netzwerks Aussiedler der CDU Heinrich Zertik MdB, der Vorsitzende des Verbandes der Deutschen in Polen Bernard Gaida und der ungarische Botschafter Dr. József Czukor. Die Gäste freuten sich im Anschluss an die Ansprachen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des BdV-Präsidenten Dr. Bernd Fabritius über die Möglichkeit fruchtbarer Gespräche und eines lebhaften Gedankenaustausches. Marc-P. Halatsch/Markus Patzke Politik 7 Spontan ging die Kanzlerin nach ihrer Ansprache auf einige der anwesenden Verbandsmitglieder zu und begrüßte diese persönlich. Applaus für die Rede der Bundeskanzlerin: BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB, der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt MdB, die Vorsitzende der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen Erika Steinbach MdB, der Vorsitzende des Netzwerks Aussiedler in der CDU Heinrich Zertik MdB, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB, BdV-Vizepräsident Stephan Grigat und BdV-Vizepräsident Albrecht Schläger (v.l.n.r.). Altbundespräsident Christian Wulff, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Prof. Monika Grütters MdB und BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB (v.l.n.r.). 8 Politik DOD 03/2015 Bundesversammlung will Geste für Zwangsarbeiter Erika Steinbach einstimmig zur Ehrenpräsidentin gewählt Berlin. (dod) Keine Überraschungen, aber durchaus Neuigkeiten brachte die diesjährige Bundesversammlung des BdV, die im Vorfeld des Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung am 19. Juni 2015 stattfand. „Liebe Frau Steinbach, 16 Jahre lang waren Sie als Präsidentin des BdV tätig und haben ihm Gesicht und Stimme verliehen. Selbstbewusst und mit klaren Worten haben Sie sich für die Rechte und Belange der Vertriebenen eingesetzt. Das hat Ihnen Anerkennung, aber auch Kritik und sogar Anfeindung eingebracht. Davon haben Sie sich aber nicht beirren lassen. Sie sind dem Anliegen treu geblieben, das Wissen über das Schicksal der Heimatvertriebenen lebendig zu halten. Viele Projekte zeugen davon. Deshalb noch einmal ganz herzlichen Dank dafür“, so formulierte es Bundeskanzlerin Angela Merkel im Mai beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen. Die diesjährige Bundesversammlung des BdV dankte Erika Steinbach für ihr Wirken, indem ihr das oberste Beschlussorgan des Verbandes spontan die Ehrenpräsidentschaft verlieh. Zuvor hatte BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB die ersten Monate seiner Amtszeit Revue passieren lassen. Er sei jetzt ein gutes halbes Jahr Präsident im Dienste des BdV; es sei ein schönes Amt mit sehr verantwortungsvollen Aufgaben, in dessen vielfältige Themenpalette er sich bereits als Vizepräsident habe einarbeiten können. Zugleich konnte er auch bereits erste Neuerungen präsentieren, etwa die überarbeitete Außendarstellung des Verbandes, die luftiger und leichter sei und sich vor allem auch an die jüngere Generation wende. Er forderte die Mitgliedsverbände auf, sich dieses neuen Logos zu bedienen und damit die gemeinsame Identität auch nach außen sichtbar werden zu lassen. Das inhaltliche Schwerpunktthema der Bundesversammlung war die Entschädigung für deutsche Zwangsarbeiter. Bereits in seinem Bericht hatte der BdVPräsident darauf hingewiesen, dass es ein Gebot der Gerechtigkeit und eine humanitäre Geste gegenüber deutschen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern sei, einen Entschädigungsfonds – wie ihn der BdV fordere – zu errichten. Das war dann auch der Titel einer Resolution, die die Bundesversammlung einstimmig verabschiedete. Es sei an der Zeit, dass auch diese Opfergruppe, von Lebenszeit und Lebensqualität gekostet. Heute sind nur noch zwischen 10.000 und 20.000 der zur Zwangsarbeit Herangezogenen über 80-Jährigen unter uns und können von den unmenschlichen und brutalen Haft-, Lager- und Lebensbedingungen und ihren bis heute nicht überwundenen Traumata berichten“, heißt es in der Resolution. „Diese Schicksale, die weit über das allgemeine Kriegsfolgenschicksal hinausgehen, sind Teil vieler deutscher Familiengeschichten. Die Betroffenen bedür- Einstimmig wurde Erika Steinbach MdB von den Delegierten der Mitgliedsverbände des Bundes der Vertriebenen zur Ehrenpräsidentin gewählt. der nur noch wenige Vertreter lebten, aus einem Entschädigungsfonds eine gerechte Entschädigung erführen. Daran könn-ten sich auch die Staaten beteiligen, die Zwangsarbeit angeordnet und Unternehmen, die aus der Zwangsarbeit Nutzen gezogen hätten. „Deutsche Zwangsarbeiter waren vor allem Frauen, alte Menschen und Kinder, die verschleppt und unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden. Tod, Kälte, Hunger, Krankheit und Entkräftung haben vielen das Leben, allen aber fen endlich deutlicher Gesten der Anerkennung und Würdigung durch Deutschland, für das sie stellvertretend in Haftung genommen wurden, die in der Höhe nicht hinter vergleichbaren Entschädigungsregelungen zurückfallen dürfen.“ Der BdV wirbt dafür, per Gesetz eine entsprechende Entschädigungsregelung herbeizuführen. Im Hinblick auf die Unteilbarkeit der Menschenrechte können der Verstöße gegen grundlegende Menschenrechte nicht unterschiedlich bewertet werden. Markus Patzke BdV-Archiv (1); Henning Schacht (1) DOD 03/2015 Politik 9 Gedenken an die Opfer von Flucht und Vertreibung Eine Gedenkstunde in Berlin – Beobachtungen Am Morgen des 20. Juni 2015. Heute – am Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen – wird der erste deutschlandweite Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung um 11 Uhr zentral mit einer Gedenkstunde im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums in Berlin begangen. Fast zehn Monate ist es jetzt her, dass die Bundesregierung dieses Gedenken beschlossen und damit ein lange und immer wieder von den deutschen Heimatvertriebenen und ihren Verbänden vorgebrachtes Anliegen umgesetzt hat. D er kurze Blick in die Wettervorhersage einer großen Berliner Stadtzeitung lässt nichts Gutes erahnen: Immer wieder soll es Niederschläge geben, gewittern gar. Regen hat zwar keine Chance, im glasbedachten Hof des wunderbaren, unter anderem vom Danziger Architekten Andreas Schlüter und vom Insterburger Baumeister Martin Grünberg entworfenen, barocken Zeughauses auch nur einen Gast zu belästigen, könnte aber die positive Grundstimmung verleiden. Die Freude, die Befriedigung, die Erleichterung, die Befreiung, 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und etwa 70 Jahre nach dem Beginn von Flucht und Vertreibung von Millionen Deutschen aus ihren Heimatgebieten endlich auch gesamtgesellschaftlich des Leides der Betroffenen gedenken zu können. Wie so oft in diesem wechselhaften Jahr irrt der Wetterbericht – zumindest bis zum Nachmittag, als die Gedenkstunde lange vorbei sein wird. Strahlende Sonne, blauer Himmel und einige schnell durchziehende Wolkenfelder erzeugen eine freundliche und warme Atmosphäre im für die Gedenkstunde festlich geschmückten Hof. Das Bundes- Bundespräsident Joachim Gauck spricht im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums (DHM) anlässlich des Gedenktages. ministerium des Innern hat die Veranstaltung organisiert. Für die durchweg geladenen Gäste sind etwa 400 Stühle aufgestellt worden. Freier Einlass ist aus den üblichen Sicherheitserwägungen nicht möglich, da als Hauptredner immerhin der Bundespräsident angekündigt ist. Nicht durch Masse, sondern durch den Inhalt, durch die persönliche Begegnung im Nachhinein und durch die Medienpräsenz soll der Gedenkstunde also nach außen wirken. Eine Brücke vom damaligen zum heutigen Leid Viele der eingeladenen Zeitzeugen von Flucht und Vertreibung haben den für sie oft beschwerlichen Weg ins Zeughaus auf sich genommen. Auch heutige Vertriebene und Flüchtlinge, die aus verschiedenen Teilen der Welt nach Deutschland gekommen sind, haben sich eingefunden, denn an diesem Tag soll eine Brücke gespannt werden von damaligem zu heutigem Leid. Aus den Gesprächen am Rande wird eine Anspannung deutlich, in der auch jede vorab mancherorts vernommene Kritik eine Zeitlang zu verstummen scheint und in den Schatten tritt. Es wird als positiv empfunden, dass der Bundespräsident heute persönlich sprechen wird und daher dem Thema wohl große Bedeutung beimesse. Es sei ein wichtiges Zeichen an die betroffenen Deutschen, dass auch einer Zeitzeugin Raum gegeben werde, über ihre Vertreibung und ihre Erfahrungen zu berichten, heißt es anderswo. Noch weiß niemand Genaueres über die Reden. Unterdessen sind auch viele bekannte Gesichter aus der Politik und aus dem Bund der Vertriebenen (BdV) zu entdecken. BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB etwa, ein Siebenbürger Sachse, spricht gerade mit den anwesenden Mitgliedern des BdV-Präsidiums. Er wird heute die Schlussrede halten. Seine Amtsvorgängerin Erika Steinbach MdB, die in Westpreußen geboren wurde, ist ebenfalls anwesend. Sie hat sich jahrelang vehement für den Gedenktag einge- 10 setzt. Auch für dieses Engagement haben die Delegierten der BdV-Bundesversammlung am Vortag einstimmig einem Antrag zugestimmt, ihr die BdV-Ehrenpräsidentschaft zu verleihen. Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk MdB ist zu sehen – ein Sohn oberschlesischer Vertriebener und ehemaliger BdV-Generalsekretär. Als amtierender Bundesratspräsident ist Hessens Landesvater Volker Bouffier MdL gekommen, dessen Mutter eine Donauschwäbin war. Vor dem Hintergrund der gerade erst bekannt gewordenen, weltweiten Flüchtlingszahlen – aktuell sind es fast 60 Millionen Menschen – ist die Anwesenheit von Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier MdB, dessen Mutter aus Breslau vertrieben wurde, ein deutliches Zeichen aus dem Auswärtigen Amt. In der ersten Reihe sitzt bereits Dr. Edith Kiesewetter-Giese aus dem Sudetenland. Stellvertretend für die Erlebnisgeneration wird sie als Zeitzeugin heute über ihre Vertreibung sprechen. Zwei Plätze weiter nimmt Asma Abubaker Ali Platz, eine junge Frau, die mit ihrer Familie aus Somalia geflohen ist und 2012 im Rahmen des UNHCR-Resettlement-Programms aus dem Flüchtlingslager Politik DOD 03/2015 Vor der Veranstaltung (v.l.n.r.): Der OMV-Bundesvorsitzende Helmut Sauer, der VdG-Vorsitzende Bernard Gaida, Innenminister Thomas de Mazière, BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius und der Bundesbeauftragte Hartmut Koschyk. floh. Unter stehendem Applaus begrüßen die Gäste schließlich Bundespräsident Dr. h.c. Joachim Gauck. Die Gedenkstunde beginnt mit John Williams‘ „Thema“ aus Steven Spielbergs Film über Oskar Schindler, der während des Zweiten Weltkrieges etwa 1.200 jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung durch die Nationalsozialisten rettete. Die musikalische Gestaltung übernimmt das „Deutsch-Polnische Jugendorchester“ der Musikschule Frankfurt (Oder). Es ist ein eindringlicher Beginn, der sofort deutlich macht, worum es heute neben dem Opfergedenken auch gehen soll: um Schuld und um grenzüberschreitende Verständigung. Aus der dem Anlass angemessenen, würdigen Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier MdB im Begrüßung durch den BunGespräch mit Renate Zajączkowska, der Vorsitzenden der desinnenminister bleibt ein Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft in Breslau. Detail besonders in Erinnerung: Weltkunde entstehe Choucha in Tunesien nach Deutschland erst aus Heimatkunde, die Welt werde geholt wurde. Sie wird über ihre Flucht erst erklärbar über die Erkenntnis des und ihre Ankunft hier berichten. Bun- eigenen Seins, zitiert Thomas de Maizière desinnenminister Dr. Thomas de Maizi- den ostpreußischen Schriftsteller Siegère MdB, der als Gastgeber die Begrü- fried Lenz. Die eigene Geschichte zeige, ßungsrede halten wird, trifft ein. Er ent- dass man politische Auseinandersetzunstammt einer hugenottischen Flücht- gen niemals auf dem Rücken der von lingsfamilie, die im 17. Jahrhundert aus Flucht und Vertreibung Betroffenen fühder Nähe von Metz nach Brandenburg ren dürfe. Ein sehr guter Beginn. Wahrhaft historisch sind die Worte des Bundespräsidenten. Joachim Gauck nimmt sich Zeit. In fast einer Dreiviertelstunde Redezeit findet er eine mögliche Erklärung dafür, dass dem Gedenken an die deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung erst nach so vielen Jahren ein fester Platz im Gedächtnis der Nation gegeben wird. Er spricht über die Entwicklung Deutschlands in den Nachkriegsjahren. Einfühlsam zeichnet er den schweren Weg der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge sowie die Bedingungen ihrer Ankunft nach, spricht aber auch über die nationalsozialistischen Verbrechen, deren notwendige, aber langwierige Aufarbeitung und Verankerung im Bewusstsein unserer Gesellschaft viel Zeit erfordert hätten und das Schicksal der Vertriebenen in den Hintergrund hätten rücken lassen. Erst neue Kriege, neues Leid und öffentlich bekundetes Mitgefühl mit neuen Opfern hätten die eigene deutsche Opfergeschichte wieder mehr in den Fokus gerückt. Der Bundespräsident beschreibt die weltweite Flüchtlingslage und die Aufnahme Betroffener in Deutschland. Dabei macht er nicht nur Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der heutigen Zeit und der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aus, sondern zeigt auch mögliche Grenzen gesellschaftlicher Aufnahmebereitschaft. Gauck redet seinem Volk ins Gewissen: Er wünsche sich eine Erinnerung, in der Platz für Trauer, Schuld und Scham ist sowie eine GesellLukasz Bily/VdG (2); BdV-Archiv (1) DOD 03/2015 schaft, die selbstbewusst in den Herausforderungen der Zukunft auch ihre Chancen erkennt und – aufgrund der eigenen Geschichte oder wegen der heutigen Erfahrungen – Empathie für sämtliche Opfer von Flucht und Vertreibung aufbringt. Verzeihen, nicht vergessen Gaucks Rede wirkt nach. Das Orchester beginnt schon während des lange anhaltenden Applauses mit dem nächsten Musikstück: „Oblivion“ – Vergessenheit – von Astor Piazzolla. Das Werk lässt Raum für eine kurze geistige Entspannung. In den hinteren Reihen tippen einige Journalisten weiter auf ihren Laptops. Ob es ihnen im begrenzten Rahmen heutiger Berichterstattung gelingen wird, die Schwerpunkte dieser sehr inhaltsreichen Rede des Bundespräsidenten und die Eckpunkte der Gedenkstundees umfassend wiederzugeben? Werden die Fernsehnachrichten, mit ihren 5- bis 30-minütigen Sendezeiten über sämtliche wichtigen Ereignisse der ganzen Welt, hierzu in der Lage sein? Dies wird sich erst im Laufe der Berichterstattung zeigen. Mit Asma Abubaker Ali kommt nun die erste persönlich Betroffene zu Wort. Bewegend schildert sie die zweifache Flucht ihrer Familie – zunächst aus Somalia, als die Familie Zuflucht in Libyen fand, und dann – Jahre später, als der sogenannte „Arabische Frühling“ begann, die Militärdiktatur Muammar al-Gaddafis zusammenbrach und Gewalt und Misshandlungen gegenüber Schwarzafrikanern zunahmen – aus Angst in ein tunesisches Flüchtlingscamp, wo sich die Lage bereits wieder beruhigt hatte. Von dort kam sie dann über ein Umsiedlungsprogramm der Vereinten Nationen nach Deutschland, wo sie nun hofft, Medizin studieren zu dürfen. Von der Angst, erschlagen oder erschossen zu werden, weiß auch Edith Kiesewetter-Giese zu berichten, deren Vertreibung aus dem Sudetenland nun etwa 70 Jahre zurückliegt. Zehn Jahre war sie alt, als sie erleben musste, wie Soldaten Säuglinge aus den Kinderwagen rissen und „zum Tontaubenschießen“ in die Luft warfen. Ruhig sagt sie, sie könne heute davon sprechen, aber es wird klar, dass sie noch immer von dem Politik gequält wird, was sie nicht schildern kann: den Geräuschen, dem Schreien der Kinder und Mütter, dem Lachen der Peiniger. Erfahrenes Unrecht könne man vielleicht verzeihen, erklärt sie, jedoch nie vergessen. An diesem Gedenktag bekämen die Vertriebenen aber ein kleines Stückchen Würde zurück. Als Kiesewetter-Giese das Rednerpult verlässt, erklingt „Ein Tag“ von Wolfgang Schumann. Erneut eine Gelegenheit, das Gehörte zu verinnerlichen. Wieder einmal wächst die Überzeugung, dass Zeitzeugenberichte wichtig sind und unbedingt gesammelt und aufbewahrt werden müssen. Die authentischen Darstellungen persönlich Betroffener können wie kaum ein anderes Dokument die Lehre des „Nie wieder!“ vermitteln – eben weil sie erfahrbar werden lassen, wie es damals war. Zuletzt spricht BdV-Präsident Bernd Fabritius. Er beginnt sein wohl durchdachtes Schlusswort mit einer Darstel- 11 felsfrei herausgestellt, dass auch die Vertreibung der deutschen Zivilbevölkerung ein Verbrechen gewesen sei, für das weder Kollektivschuld noch Rechtfertigungstheorien geltend gemacht könnten, schließt Fabritius mahnend. Ihre Geschichte ist nicht in Vergessenheit geraten Als der BdV-Präsident wieder an seinem Platz ist und die Nationalhymne erklingt, wirkt das gemeinsame Singen wie eine Bekräftigung sämtlicher soeben gehörter Reden. Unter dem gläsernen Dach des Schlüterhofes haben sich frühere und heutige Opfer von Flucht und Vertreibung versammelt. Sie alle haben erfahren, dass ihre Geschichte nicht in Vergessenheit geraten und jedes der sehr verschiedenen Einzelschicksale im Gedenken angemessen gewürdigt werden soll. Der Bundespräsident nach der Gedenkstunde im Gespräch mit (v.l.) Dr. Bernd Fabritius, den BdV-Vizepräsidenten Albrecht Schläger und Christian Knauer und dem OMV-Bundesvorsitzenden Helmut Sauer. lung des Massakers von Prerau, das fast auf den Tag genau vor 70 Jahren geschah. Mehr als einen Monat nach Kriegsende waren dort 265 Kinder, Frauen und Männer – in der Überzahl Karpatendeutsche – von Soldaten der tschechoslowakischen Armee ermordet worden. Er weist auf die vielen anderen deutschen Opfer hin, an die erinnert werden müsse. Dies relativiere doch nicht die deutsche Kriegsschuld. Durch die Verbindung des Gedenkens mit dem Weltflüchtlingstag werde endlich zwei- Die Gelegenheit, nun ohne Scham und Berührungsängste einige Zeit miteinander zu sprechen, nehmen viele der Anwesenden dankbar an – vom Staatsoberhaupt über Bundesminister und Abgeordnete bis hin zu Zeitzeugen von damals, Flüchtlingen von heute und Jugendlichen aus dem grenzüberschreitenden Jugendorchester. Dies macht diesen Veranstaltung noch zusätzlich zu einem gelungenen Auftakt für alle zukünftigen Gedenktage für die Opfer von Flucht und Vertreibung. Marc-P. Halatsch 12 Politik DOD 03/2015 Weltkunde entsteht aus Heimatkunde Der Bundesminister des Innern Dr.Thomas de Mazière zum Gedenktag Wir begehen heute – 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges – zum ersten Mal in Deutschland den Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung. Warum erst jetzt? Es gab sicher viele Gründe. Wir alle erinnern uns an die mitunter erbitterten Debatten, in denen es um Grenzen ging, um den Vorwurf des Revisionismus, das große Thema Schuld und auch das zu Beginn sehr fragile Verhältnis zu unseren osteuropäischen Nachbarn, besonders zu Polen. Dass Flucht und Vertreibung der Deutschen auch die Folge des zuvor von Deutschen über Europa gebrachten Unrechts waren, machte für manche den Umgang mit dem Leid der deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen schwierig. In der DDR wurde offiziell sogar überhaupt nicht mehr von „Flüchtlingen und Vertriebenen“ gesprochen. Beschönigend nannte man sie „Umsiedler“. Es dauerte 30 Jahre, bis Christa Wolf mit dieser Vorgabe brach: In ihrem Roman „Kindheitsmuster“ (1976) sprach sie erstmalig nicht mehr von „Umsiedlung“, sondern von „Flucht“. Politische Instrumentalisierung der Vertreibung Im Zuge der politischen Instrumentalisierung von Flucht und Vertreibung rückte die Frage nach dem Leiden der einzelnen Opfer zunehmend in den Hintergrund. Siegfried Lenz wehrte sich 1978 mit seinem Roman „Heimatmuseum“ auch gegen diese Form von Verdrängung. Lenz` Romanheld Zygmunt Rogalla, der auf der Flucht Frau und Sohn verloren hat, erinnert sich an seine gefährliche Flucht über die Ostsee: „Taucher könnten unseren Fluchtweg rekonstruieren; auf dem Grund des Haffs Innenminister de Mazière war Gastgeber der Veranstaltung. und der Ostsee, von Fischen bewohnt, von Seepocken beschlagnahmt und besiegt von Rost, liegen noch heute die unzähligen Zeugen unseres verzweifelten Zuges nach Westen, kolossale Findlinge der Not, Wegzeichen selbstverschuldeten Unglücks, die erbarmungslose Antwort der Gewalt, die wir selbst gesät hatten; ach wie oft bin ich hinabgestiegen in die Lichtlosigkeit, in dieses Schweigen, hinab zur unterseeischen Todesspur, um mir die unfassbare Sinnlosigkeit der Opfer zu bestätigen.“ Verbundenheit mit den Heimatvertriebenen Diese Worte, die vergangenes Leid beschreiben, erinnern uns – auch wenn das Thema Schuld nicht vergleichbar ist – heute auf fast schon unheimliche Weise an das Leid der Menschen, die im Mittelmeer den Tod finden. Der heutige Gedenktag ist Ausdruck der Verbundenheit mit den Heimatvertriebenen, die die Last der Verantwortung Deutschlands für die grauenhaften Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands in besonderer Weise zu tragen hatten. Und er erinnert uns zugleich daran, dass heute weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht sind, die Hälfte von ihnen Kinder. Wenngleich die Situation der heutigen Flüchtlinge grundsätzlich anders ist als die Situation der Flüchtlinge und Vertriebenen nach 1945, so liegen mitunter die Schicksale und das persönliche Erleben mancher Betroffener möglicherweise gar nicht so weit auseinander: Die Entwurzelung des Einzelnen, die elementare Angst um das eigene Leben und das Leben der Kinder, die sexuelle Gewalt, der Hunger, der Verlust von Angehörigen und der Heimat und allem, was man sich dort erarbeitet hatte sowie auch die Schwierigkeiten des Neubeginns – das sind, bei allen gebotenen Differenzierungen, gemeinsame Erfahrungen. Ich bin froh und dankbar, dass heute mit Frau Abubaker Ali und Frau Dr. Kiesewetter-Giese zwei Frauen zu uns sprechen werden, die Flucht und Vertreibung selbst erlitten haben – zu sehr unterschiedlichen Zeiten, in sehr unterschiedlichen Umständen. Als Land und Gesellschaft erwachsen geworden Für mich ist der heutige Gedenktag auch ein Zeichen dafür, dass wir als Land und Gesellschaft erwachsen geworden sind, auch im Umgang mit dem Thema Heimatvertriebene. Die Beziehungen auch zu unseren östlichen Nachbarn sind vertrauensvoll, freundschaftlich und verlässlich. So ist es doch wirklich ein Grund zur Freude, Henning Schacht (1); Lukasz Bily/VdG (1) Politik DOD 03/2015 dass unsere Veranstaltung heute durch das deutsch-polnische Jugendorchester eröffnet wurde. Wir sind in den letzten 70 Jahren einen langen Weg gegangen. Und das bringt mich wieder zu Siegfried Lenz, der mit seinem „Heimatkundemuseum“ eine ganz bestimmte Erkenntnis fördern wollte: „Die Erkenntnis, dass Weltkunde erst aus Heimatkunde entsteht und die Welt erst erklärbar ist über die Erkenntnis des eigenen Seins.“ Das gilt auch umgekehrt und in ganz besonderer Weise für den Umgang mit Flucht und Vertreibung. Wir stehen gemeinsam vor großen Herausforderungen. UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres sprach erst vorgestern von einem Paradigmenwechsel. Er sagte: „Wir geraten in eine Epoche, in der das Ausmaß der globalen Flucht und Vertreibung sowie die zu deren Bewältigung notwendigen Reaktionen alles davor Gewesene in den Schatten stellen.“ 13 Rund 400 Gäste aus Politik, Wirtschaft Kultur und Kirchen sowie Zeitzeugen verfolgten die Gedenkstunde zum Gedenken an die Opfer von Flucht und Vertreibung. Deutschland und auch die Werte- und Solidargemeinschaft Europa sind jetzt gefordert. Wir arbeiten hart daran, neue INFO Seit vielen Jahren wurde gefordert, einen nationalen Gedenktag für die Vertriebenen zu schaffen. Die Initiative für einen Gedenktag ging dabei maßgeblich auf den Bund der Vertriebenen (BdV) zurück. Entsprechende Forderungen des BdV sind seit der ersten Jahreshälfte 2001 bekannt. Auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE hin hat die Bundesregierung in ihrer Antwort (DS 18/4011) nochmals die besondere Bedeutung dieses Gedenktages hervorgehoben: „Mitte des Jahres 2014 waren nach Angaben der Vereinten Nationen weltweit 56,7 Millionen Menschen auf der Flucht; viele als Flüchtlinge im Ausland, der größere Teil als Vertriebene im eigenen Land. Flucht und Vertreibung sind aber auch Teil der europäischen Geschichte im 20. Jahrhundert. Millionen Menschen mussten im Kontext des von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieges ihre Heimat verlassen. Die Vertreibung der europäischen Juden fand ihr grauenvolles Ende in den Vernichtungslagern. Auch Millionen Deutsche mussten schließlich aufgrund von Flucht, Vertreibung, Zwangsumsiedlung und Deportation ihre angestammte Heimat verlassen. Die historische Aufarbeitung dieser Ereignisse sowie die Erinnerung und das Gedenken an die Opfer werden von der Bundesregierung nachhaltig unterstützt. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung am 27. August 2014 beschlossen, dass ab dem Jahre 2015 jährlich am 20. Juni der Opfer von Flucht und Vertreibung gedacht werden soll. Mit dem Datum 20. Juni knüpft die Bundesregierung an den Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen (VN) an und erweitert das Flüchtlingsgedenken um das Schicksal der Vertriebenen. Durch den „Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung“ soll auch deutlich gemacht werden, dass der Wille und die Kraft zu Versöhnung und Neuanfang, zu gemeinsamem Aufbau und Zusammenhalt in der Gesellschaft das Fundament bilden, auf dem unser Land heute Menschen aus 190 Nationen eine Heimat bietet.“ Wege zu finden, aber einfache Lösungen wird es nicht geben. Erfolge werden nicht schnell sichtbar sein. Und wir müssen auch – bei allem was wir tun – die Aufnahmefähigkeit unserer Bevölkerung erhalten. Wenn wir heute, an diesem 20 Juni, eine Lektion aus dem Umgang mit dem Schicksal der deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen gelernt haben sollten, dann ist es doch die, dass es sich absolut verbietet, das Schicksal der Opfer von Flucht und Vertreibung – in welcher Weise auch immer und immer auf dem Rücken der Vertriebenen – politisch zu instrumentalisieren. Eine würdige Tradition In diesem Sinne wollen wir heute gemeinsam der Opfer von Flucht und Vertreibung gedenken. Es ist mir eine besondere Ehre und Freude, dass Sie, Herr Bundespräsident, die Ansprache an diesem ersten Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung halten werden. Ich weiß, dass Ihnen das Thema dieses Tages ein ganz besonderes Anliegen ist. Das Schlusswort wird der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Herr Dr. Fabritius, halten. Die Schaffung dieses Gedenktages ist seit vielen Jahren ein Anliegen des Bundes der Vertriebenen gewesen. Mit Erfolg. Machen wir aus diesem Gedenktag eine schöne und würdige Tradition. 14 Politik DOD 03/2015 „Die Wiedergewinnung der uns möglichen Empathie“ Bundespräsident Joachim Gauck gedenkt der Opfer von Flucht und Vertreibung Über Entwurzelte wollen wir heute sprechen. Über Flüchtlinge und Vertriebene, zwangsweise Emigrierte. Über Heimatlose einst und Heimatlose heute und morgen. Über Menschen, die nicht mehr dort sind und auch noch nicht ganz hier. Über Menschen, die etwas vermissen und gleichzeitig froh sind, nicht dort leben zu müssen, wohin das Heimweh ihre Gedanken lenkt. Über Entwurzelte wollen wir heute sprechen. Über Menschen – gleichgültig ob schwarz oder weiß, ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, ob Christ, Jude oder Muslim – über Menschen, die alle tief in der Seele dieselbe schmerzliche Erfahrung machten, die der Schriftsteller Jean Améry, Flüchtling vor Nazi-Deutschland und Überlebender von Bergen-Belsen, in die einfache, für die einen tröstliche, für die anderen bedrückende Formel fasste: „Man muss Heimat haben, um sie nicht nötig zu haben.“ Ausgegrenzt, verfolgt, vertrieben Zum ersten Mal gedenkt Deutschland an einem offiziellen bundesweiten Gedenktag jener Millionen von Deutschen, die am Ende des Zweiten Weltkrieges zwangsweise ihre Heimat verloren. Zum ersten Mal begeht Deutschland damit auch regierungsamtlich den internationalen Weltflüchtlingstag, wie er vor fünfzehn Jahren von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen wurde. Auf eine ganz existenzielle Weise gehören sie nämlich zusammen – die Schicksale von damals und die Schicksale von heute, die Trauer und die Erwartungen von damals und die Ängste und die Zukunftshoffnungen von heute. Ich wünschte, die Erinnerung an die geflüchteten und vertriebenen Menschen von damals könnte unser Verständnis für geflüchtete und vertriebene Menschen von heute vertiefen. Und umgekehrt: Die Auseinandersetzung mit den Entwurzelten von heute könnte unsere Empathie mit den Entwurzelten von damals fördern. Ausgegrenzt, verfolgt, vertrieben wurden Menschen seit Urzeiten. Aus der Geschichte kennen wir Konflikte zwischen Sesshaften und Nomaden, zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Und im Nationalstaat des 19. und 20. Jahrhunderts erschienen Minderheiten als potenziell illoyal, als Fremdkörper, die es zu assimilieren oder auszutauschen, zu vertreiben oder gar zu vernichten galt. Zeitweise sah die Politik im Bevölkerungsaustausch sogar ein probates Mittel der Konfliktlösung. Der sogenannte „Bevölkerungstransfer“ von Millionen Deutschen aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien, Böhmen, Mähren, aus der Batschka und vielen anderen Gegenden in Mittel- und Südosteuropa erschien auch den alliierten Regierungschefs Churchill, Roosevelt und Stalin als adäquate Antwort auf den Tod und Terror, mit dem Nazi-Deutschland den Kontinent überzogen hatte. Als die Potsdamer Beschlüsse im August 1945 die rechtliche Basis dafür schufen, waren allerdings längst Fakten geschaffen: Millionen Deutsche waren bereits aus Polen, der Tschechoslowakei, aus Ungarn, Jugoslawien, Rumänien geflüchtet und vertrieben. Und was „in ordnungsgemäßer und humaner Weise“ erfolgen sollte, hatte sich in der Realität als Alptraum erwiesen. Erst flohen sie vor dem Krieg. Bei eisiger Kälte quälten sich Trecks mit Frauen, Kindern und Alten über verstopfte Landstraßen und brüchiges Eis, beschossen von Tieffliegern und überrannt von der Front. Völlig überladene Flüchtlingsschif- fe versanken nach Torpedo- und Bombentreffern in der Ostsee. Ungezählte Frauen wurden vergewaltigt. Dann wurden viele von denen, die zurückblieben in der alten Heimat, Opfer von Hass und Vergeltung: entrechtet, enteignet, verhaftet, misshandelt, auf Todesmärsche geschickt, ermordet, interniert, herangezogen zur Zwangsarbeit, erst scheinbar „wild“, dann vermeintlich „geordnet“ vertrieben, als „lebende Reparation“ verschleppt in Arbeitslager in der Sowjetunion. Die letzten kehrten erst zwischen 1948 und 1955 zurück. „Unsterbliche Schande“ „Sofern das Gewissen der Menschheit jemals wieder empfindlich werden sollte“, erklärte der britisch-jüdische Verleger Sir Victor Gollancz 1947, „wird diese Vertreibung als die unsterbliche Schande all derer im Gedächtnis bleiben, die sie veranlasst oder die sich damit abgefunden haben. Die Deutschen wurden vertrieben, aber nicht einfach mit einem Mangel an übertriebener Rücksichtnahme, sondern mit dem denkbar höchsten Maß an Brutalität.“ Insgesamt verloren 12 bis 14 Millionen Deutsche am Ende des Zweiten Weltkrieges durch Flucht und Vertreibung ihre Heimat. Hunderttausende Menschen kamen durch Kriegshandlungen, Krankheiten, Hunger, Vergewaltigungen, auch durch Entkräftung und Zwangsarbeit in der Nachkriegszeit um. Das Schicksal von weiteren Hunderttausenden ist bis heute ungeklärt. Die Bevölkerung in jenen Gebieten, die später Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik heißen sollten, wuchs um nahezu 20 Prozent. Das sollten wir uns gerade heute wieder bewusst machen: Flucht und VertreiHenning Schacht (1) DOD 03/2015 bung verändern nicht nur das Leben der Aufgenommenen, sondern auch das Leben der Aufnehmenden, nicht nur das der „neuen“, sondern auch das der „alten“ Bewohner eines Landes oder Landstriches. Die Erinnerung an Flucht und Vertreibung der Deutschen war in unserer Gesellschaft fast immer schwierig und fast immer emotional. Denn unsere Haltung zum Leid der Deutschen war und blieb verknüpft mit unserer Haltung gegenüber der Schuld der Deutschen. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis wir – wieder – an das Leid der Deutschen erinnern konnten, weil wir die Schuld der Deutschen nicht länger ausblendeten. Der Weg dahin war lang und keineswegs geradlinig. In der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR wurde die Gründung von eigenständigen Flüchtlingsorganisationen von Anfang an untersagt. Erinnerungen der sogenannten Umsiedler an die alte Heimat waren lange Zeit unerwünscht. Vertreibung galt als legitime Reaktion auf nationalsozialistische Besatzungs- und Vernichtungspolitik. Kritik an den Vergewaltigungen der Roten Armee und den Vertreibungen durch Tschechen und Polen wurde unterdrückt. Bereits 1950 verzichtete die Staatspartei SED auf die deutschen Ostgebiete, indem sie die Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Staatsgrenze anerkannte, was sogar innerhalb der Partei Verstörung auslöste – und erst recht unter vielen Vertriebenen in der DDR. Weder Verzicht noch Tabuisierung, noch ideologische Umdeutung konnten allerdings Trauer und Trauma vertreiben. „Man lässt den Auszug aus der Heimat nicht unbeweint“, schrieb Christa Wolf 1976 in ihrem Roman „Kindheitsmuster“. Mit 15 Jahren war sie vor der Front geflohen, aus dem ostbrandenburgischen Landsberg, das heute Gorzów Wielkopolski heißt. Perspektivwechsel Mitte der 60er Jahre Im Westen Deutschlands wurden die Vertreibungen zunächst politisch benutzt, um das Vordringen der Sowjetunion, die Untaten der Roten Armee und das Unrecht der sogenannten „Vertreiberstaaten“ anzuklagen. Zwar hatten die Vertriebenenverbände früh auf die Politik Anwendung von Gewalt verzichtet, und der von den Alliierten befürchtete Revanchismus blieb aus. Doch für Christ- wie für Sozialdemokraten galt: „Dreigeteilt – niemals“. Noch 1963 verkündete Willy Brandt auf dem Deutschlandtreffen der Schlesier: „Verzicht ist Verrat“. Deutsche – beileibe nicht nur die Vertriebenen – verstanden sich damals vor allem als Opfer. Ein Perspektivwechsel breiterer Kreise setzte erst Mitte der 1960er Jahre ein – wesentlich vorangetrieben durch die Ostdenkschrift der evangelischen Kirche und den Brief der polnischen katholischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder, der unter der programmatischen Überschrift stand: „Wir vergeben und bitten um Vergebung.“ Mit dem Warschauer Vertrag 1970 wurde die neue polnische Westgrenze de facto von der Bundesregierung und – mit knapper Mehrheit – auch vom Parlament anerkannt. Die damaligen Debatten in der deutschen Gesellschaft waren schmerz- 15 lich, aber sie waren notwendig, um neue Wege zu finden. Viele von Ihnen, die Sie heute hier versammelt sind, dürften sich noch an die große Enttäuschung, ja Bitterkeit erinnern, mit denen nicht wenige Vertriebene dem faktischen Verzicht auf die Ostgebiete begegneten. Im Herzen fiel es immer noch schwer, die Realitäten zu akzeptieren, auch weil die Landsmannschaften ebenso wie Parteipolitiker über lange Jahre Ansprüche verteidigt und Illusionen geschürt hatten. Doch „niemand kann heute mehr hoffen, dass die verlorenen Gebiete je wieder deutsch sein werden“, schrieb Marion Gräfin Dönhoff. „Wer anders denkt, der müsste schon davon träumen, sie mit Gewalt zurückzuerobern.“ Die Vertriebenenverbände, die auf Konfrontationskurs zur neuen Ostpolitik der Regierung Brandt gingen, erschienen vielen fortan als Störenfriede einer außenpolitischen Neuorientierung. Seit den 1970er Jahren lernten die Deutschen zunehmend, ihr Leid einzu- 16 ordnen in den historischen Kontext. Was ihnen angetan worden war, wurde nun vor dem Hintergrund dessen gesehen, was Deutsche – zuvor – Anderen angetan hatten. So empfinde ich auch das Musikstück des deutsch-polnischen Jugendorchesters Frankfurt (Oder), das wir zu Beginn dieser Feierstunde gehört haben. Vertreter der jungen Generation sagen uns hier mit der Sprache der Musik: „Ja, wir wissen, von wem dieses Unrecht ausging.“ Es war doch das nationalsozialistische Deutschland, das Tod und Verderben über Europa gebracht hat, das Vertreibung, Gewalt, Besatzungsterror und Vernichtung zur Alltags- Politik Heute vermag ich nicht ohne eine gewisse Scham daran zu denken. Denn in den 1950er Jahren war ich, wie die meisten Ostdeutschen, durch die westdeutschen Medien informiert über die Schicksale von Vertriebenen. Und an den langen Sonnabendnachmittagen meiner Jugend hatte ich die vielen Rundfunkwunschkonzerte vom nordwestdeutschen Rundfunk gehört, hatte Dutzende Male das Ostpreußenlied vernommen und selbst die Sehnsucht nach dem „Land der dunklen Wälder und kristall’nen Seen“ gespürt. Umso unverständlicher, warum ich, warum wir Einheimischen später so bereitwillig ver- DOD 03/2015 se nicht einmal die Söhne und Töchter der Geflüchteten und Vertriebenen. Viele von ihnen wollten nichts hören vom verlorenen Zuhause der Eltern und von ihren Fluchtgeschichten. Es war ihnen peinlich, wenn auf Geburtstagen bei fortgeschrittener Stunde alte Heimatlieder angestimmt wurden und den Verwandten die Tränen in die Augen traten. Heimatliebe war diskreditiert durch die nationalsozialistische Propaganda, durch die romantisch-verklärenden Heimatfilme der 1950er Jahre und nicht zuletzt durch die Rhetorik mancher Vertriebenenfunktionäre. Mitleid mit Vertriebenen galt nicht selten als Relativierung historischer Schuld, als Geschichtsrevisionismus, als eine Umdeutung von Tätern zu Opfern. Aufgabe der Abwehrhaltung Anfang der 90er Jahre Das u.a. vom Danziger Architekten Andreas Schlüter und vom Insterburger Baumeister Martin Grünberg entworfene barocke Zeughaus war der Ort der Gedenkveranstaltung. erfahrung für viele Völker Europas werden ließ. Und das einen „Generalplan Ost“ entwickelte, nach dem ganze Völker als vermeintlich minderwertig von der Landkarte getilgt und zum Teil ermordet werden sollten. Fehlendes Verständnis für das Leid der Anderen So wie in den Jahren zuvor die Betonung des Leids der Deutschen dazu gedient hatte, Deutsche zu entschulden, so verdrängte nun allerdings das Bewusstsein von der Schuld der Deutschen jede Empathie für die deutschen Opfer. Heimatverlust wurde weitgehend akzeptiert als vermeintlich zwangsläufige Strafe für die Verbrechen von Deutschen. So dachten auch viele Bewohner der DDR, und so hatte es die dort diktatorisch regierende SED als Deutungsmuster durchzusetzen versucht. drängten, dass andere, die Vertriebenen, so unendlich mehr bezahlt hatten für den gewaltsamen, grausamen Krieg als wir. Warum wir, die wir unsere Heimat behalten hatten, aufzurechnen begannen und eigene Bombardierungen und Tote anführten, um uns gegen die Trauer der Anderen zu immunisieren. Mit politischen Thesen blockierten wir die uns mögliche Empathie. Heute weiß ich: Wer die Gefühle des Anderen abwehrt, wehrt auch die eigenen Gefühle ab. Offenheit für das Leid des Anderen hingegen führt zu Verständnis und Nähe. Daran sollten wir auch heute denken, wenn in unserem Ort, in unserem Stadtteil oder in unserer Nachbarschaft Fremde einquartiert werden, die des Schutzes bedürfen. Verständnis für das Leid des Anderen ist eine Grundvoraussetzung mitmenschlichen Zusammenlebens. Doch Verständnis für das Leid des Anderen hatten in Deutschland zeitwei- Glücklicherweise hat unsere Gesellschaft ihre zeitweilige Abwehrhaltung seit Anfang der 1990er Jahre Schritt für Schritt aufgegeben. Der Zwei-plus-VierVertrag und der Grenzvertrag zwischen der Republik Polen und dem wiedervereinigten Deutschland schreiben die völkerrechtliche Verbindlichkeit der OderNeiße-Grenze endgültig fest. Zudem ist Europa wieder zusammengewachsen. Man kann wieder frei in Gegenden reisen, die über vier Jahrzehnte hinter dem Eisernen Vorhang verschwunden waren. Hunderttausende Vertriebene und ihre Kinder haben seit den 1990er Jahren vor Nicht-MehrElternhäusern gestanden, vor NichtMehr-Protestantischen-Kirchen, vor Nicht-Mehr-Deutschen-Schulgebäuden und auf parkähnlichem oder verwildertem Gelände, wo sie oft vergeblich nach den Gräbern der Verwandten suchten. Und als Deutschland in eben jenen Jahren auch noch mehrere Hunderttausend Bürgerkriegsflüchtlinge aus Jugoslawien aufnahm, fragten sich viele beschämt: Mit welcher Begründung können wir den eigenen Müttern und Großmüttern jene Empathie verweigern, die wir den vergewaltigten Frauen in Bosnien zu Recht entgegenbringen? Die Erfahrung aktuellen Unrechts hat dazu beigetragen, dem weit Zurückliegenden mit neuer Empathie zu begegnen. Wer die Heimat zwangsweise verlassen muss, spürt häufig eine lebenslange Lukasz Bily/VdG (1) DOD 03/2015 Wunde, die nur oberflächlich verheilt und immer wieder aufbricht. Und so haben wir respektieren gelernt, was die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann folgendermaßen formulierte: „Es gibt so etwas wie ein Menschenrecht auf die eigene Erinnerung, das man mit Zensur und Tabuisierung schwerlich aus der Welt schaffen kann.“ Günter Grass reichten nicht einmal die 800 Seiten der „Blechtrommel“, um sich das verlorene Danzig von der Seele zu schreiben. 43 Jahre später, Grass war inzwischen 75 Jahre alt, musste er im „Krebsgang“ den Untergang der Heimat noch ein weiteres Mal inszenieren. Ähnlich hatte sich auch Siegfried Lenz mit den Erzählungen über Suleyken noch nicht von seiner Heimat gelöst. Gut 20 Jahre später erweckte er Masuren ein weiteres Mal zum Leben, und konnte sich dann nur gewaltsam davon trennen: Er ließ das „Heimatmuseum“ in Flammen aufgehen mit allen Exponaten, die nach der Flucht geblieben waren. Heute gibt es auch viele Nachgeborene, Söhne und Töchter, die, inzwischen selbst ins Alter gekommen, dieselbe Frage wieder zulassen, wie sie einst Christa Wolf stellte: „Wie sind wir so geworden, wie wir heute sind?“ Und so erleben wir Jahrzehnte nach den Ereignissen etwas Wunderbares: die Wiedergewinnung der uns möglichen Empathie. Endlich ein tieferes Verständnis der Nachgeborenen für das Trauma ihrer vertriebenen Mütter und Väter, endlich ein tieferes Verständnis von Einheimischen für ihre Nachbarn und Freunde, die einst als Flüchtlinge und Vertriebene gekommen sind. Und endlich eine umfassende Erinnerung an Krieg und Nachkrieg, in der Platz ist für Trauer, Schuld und Scham. Die Gründung der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung im Jahre 2008 ist für mich ein wichtiges Zeichen dieser Entwicklung: Flucht und Vertreibung der Deutschen gehen ein in das Geschichtsbewusstsein der ganzen Nation, eingeordnet in einen Kontext, der uns nicht mehr von unseren Nachbarn trennt, den Kriegsgegnern von einst, sondern eine neue Verständigung ermöglicht. Jahrzehntelang gehörte die Vertreibung der Deutschen in den Staaten Mittel- und Osteuropas zu den ideologisierten und politisch instrumentalisierten Themen: Vertreibung galt als gerechte Strafe für deutsche Verbrechen und Politik Westdeutschland als Hort von Revanchismus und Revisionismus. Mit diesen Thesen vermochten kommunistische Regierungen sogar Menschen an sich zu binden, die ihnen im Übrigen tief misstrauten. Vertreibungen werden zunehmend als Unrecht anerkannt Erst nach 1989, als Archive zugänglich wurden, ideologische Barrieren fielen, Menschen sich ungehindert austauschen konnten und die Angst vor Grenzrevisionen und Rückgabeforderungen wich, da konnten auch Polen, Ungarn und andere mitteleuropäische Völker einen selbstkritischen Blick auf ihre eigene Geschichte werfen. Sogenannte ethnische „Säuberungen“ sind heute überall – zumindest in Europa – als Mittel der Politik diskreditiert, Vertreibungen in der Vergangenheit werden zunehmend als Unrecht anerkannt. Dafür gibt es eindrucksvolle Zeugnisse, zum Beispiel diese: • Der Slowakische Nationalrat bat die Karpatendeutschen bereits Anfang 1991 um Verzeihung für ihre Evakuierung und Vertreibung. • Władysław Bartoszewski, der unermüdliche Brückenbauer zwischen Polen und Deutschland, erklärte 1995 im Deutschen Bundestag: „Das uns angetane Böse, auch das größte, ist [...] keine Rechtfertigung [...] für das Böse, das wir selbst anderen zugefügt haben.“ • In Ungarn legte das Parlament 2012 den 19. Januar als Nationalen Gedenktag für die Vertreibung der Ungarndeutschen und Donauschwaben fest, nachdem man dort schon im März 1990 die Vertreibungen verurteilt und sich bei den Opfern und ihren Nachkommen entschuldigt hatte. • Das rumänische Parlament verurteilte die Deportation von arbeitsfähigen Rumäniendeutschen in die Sowjetunion als politische Verfolgung und stimmte jüngst Entschädigungszahlungen auch an Deutsche zu, die nicht mehr im Lande leben. • In Tschechien bat die Stadt Brünn anlässlich des 70. Jahrestages des sogenannten Brünner Todesmarsches die Opfer der Vertreibung offiziell um Vergebung. „Es tut nicht mehr so weh, wenn wir Fehler zugeben“, erklärte die junge tschechische Autorin Kateřina Tučková, 17 „im Gegenteil, wir empfinden dies als notwendig und reinigend.“ Solange Europa geteilt war, erschien kaum möglich, was wir heute immer häufiger erleben: Das Belastende zwischen unseren Völkern wird nicht mehr ausgeklammert, Leid nicht mehr gegeneinander aufgerechnet. Wenn Menschen sich ihre Geschichten erzählen, wird Heimatverlust erlebbar als eine gemeinsame existenzielle Erfahrung, als tiefes inneres Mitfühlen mit dem Anderen, ungeachtet seiner nationalen oder religiösen Zugehörigkeit. Und deutsche Vergangenheit ist mehr und mehr ein Teil der Geschichte auch Polens, Tschechiens, der Slowakei, Lettlands und Ungarns geworden – und im Bewusstsein von Polen, Tschechen und Ungarn nicht selten lebendiger als im Bewusstsein von Deutschen. Ich möchte diesen Tag nutzen, um unseren Nachbarländern für ihre souveränen Gesten und für ihr neues Vertrauen meinen tief empfundenen Dank auszusprechen. Unbehagen gegenüber den Fremden gab es zu allen Zeiten. Wir erleben es heute, wir erlebten es nach 1945, obwohl es sich bei den Flüchtlingen um Landsleute handelte, die in derselben Kultur verankert und Teil derselben nationalen Geschichte waren. Fremd – das lernen wir daraus – ist jeweils derjenige, der neu in eine schon bestehende Gruppe hineinkommt und als Eindringling empfunden wird. Gründe für Distanz oder Ablehnung finden sich immer. Die Flüchtlinge und Vertriebenen nach Kriegsende wurden häufig diskriminiert und beschimpft als Polacken, Zigeuner, Rucksackdeutsche oder Habenichtse, wurden gebrandmarkt als rückständig und hatten sich angeblich dem NaziReich besonders angedient. So fand die mangelnde Solidarität noch eine zynische Begründung. Nicht nur die Beschimpfungen aus den Schilderungen jener Jahre kommen mir seltsam vertraut vor: Fast niemand wollte sein Haus mit den „Fremden“ teilen, bei Bewerbungen um freie Arbeitsstellen wurden Einheimische bevorzugt, die kulturellen Unterschiede weckten nur selten Neugier und Interesse. Noch jahrelang feierten Einheimische ihre eigenen Feste und Gottesdienste und rümpften die Nase über fremde Dialekte und fremde Gerüche. 18 Es dauerte lange, bis Deutschland ein mit sich selbst ausgesöhntes Land wurde. Ein Land, in dem die einen Heimat behalten und die anderen Heimat neu gewinnen konnten. Ein Land, in dem sich die einen nicht fremd und die anderen nicht ausgegrenzt fühlten. Die Erfahrung gelungener Integration von Flüchtlingen blieb kein Einzelfall. Westdeutschland hat im Laufe der Jahrzehnte fast vier Millionen Flüchtlinge aus der DDR aufgenommen. Es hat zehntausenden Geflüchteten aus den kommunistischen Staaten Ost- und Mitteleuropas eine neues Zuhause geboten, Flüchtlingen aus Bürgerkriegsgebieten, Militärdiktaturen und zerfallenden Staaten, ob sie Griechenland oder Türkei hießen, Iran oder Jugoslawien. Deutschland hat also viel Erfahrung mit Flüchtlingen und Vertriebenen, eine positive Erfahrung, auf die wir im öffentlichen Diskurs viel zu selten zurückgreifen. Dabei täte uns Rückversicherung gut, wenn wir uns heute mit neuen Herausforderungen konfrontiert sehen. Anstieg der Flüchtlingszahlen Noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren so viele Menschen entwurzelt wie augenblicklich: Gerade haben die Vereinten Nationen neue, erschreckende Flüchtlingszahlen bekanntgegeben. Ende 2014 waren es weltweit 59,5 Millionen Menschen, 8 Millionen mehr als nur ein Jahr zuvor. Nie zuvor wurden so viele Flüchtlinge gezählt. Die allermeisten sind Vertriebene im eigenen Land: rund 40 Prozent der Bevölkerung in Syrien, Hunderttausende im Irak, im Südsudan, im Kongo und in Nigeria. Die Hälfte aller Flüchtlinge sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre – besonders bedrückend! Selbst Europa erlebt einen massiven Anstieg von Binnenflüchtlingen. In der Ukraine stieg ihre Zahl auf fast 650.000. Viele Flüchtlinge bleiben in der Nähe der Heimat, weil sie auf eine schnelle Rückkehr hoffen. Ich habe einige von ihnen getroffen: syrische Familien in einem Lager in der Türkei. Aber immer mehr Menschen nehmen immer längere, gefährlichere und kostspielige Fluchtwege in Kauf, um einen Neuanfang zu wagen: Viele streben nach Europa, dem Ort ihrer Sehnsucht, dem Kontinent der Freiheit und des Wohlstands, der ihnen Politik und ihren Familien ermöglichen soll, ein besseres Leben ohne Gewalt, Angst und Hunger zu führen. Ich habe einige von ihnen getroffen: junge Menschen aus Westafrika in einem Lager in Malta. Sie sind wochen-, monate- und manchmal jahrelang unterwegs und wehrlos Plünderern, Erpressern und Schleusern ausgeliefert. Sie werden ausgebeutet, ausgeraubt, gefoltert, sexuell missbraucht. Und sie riskieren ihr Leben, wenn sie sich auf überladenen Lastwagen durch die Sahara und auf schrottreifen Frachtschiffen und untauglichen Schlauch- und Holzbooten auf das Mittelmeer wagen. Viele werden durch die Flucht erst recht traumatisiert. Die Flüchtlinge von heute sind nicht allein politische Nachfahren der Verfolgten während der nationalsozialistischen Diktatur, nicht allein Nachfahren der Vertriebenen bei Kriegsende. Sie sind auch Wahlverwandte jener verfolgten und verarmten Menschen in den Dörfern und Städten des 19. Jahrhunderts, an die Edgar Reitz in seinem Film „Die andere Heimat“ eindringlich erinnerte. Wir haben es fast vergessen: Auch Deutschland war einmal ein Land voller verzweifelter, hoffender Auswanderer. Fast 5,5 Millionen Deutsche trieb es zwischen 1812 und 1912 trotz lebensgefährlicher Überfahrten über den Atlantik zu einem ungewissen Neuanfang in Amerika. Sie flohen vor der Not, und sie flohen vor politischer Repression und religiöser Intoleranz – so wie die Flüchtlinge und viele Migranten heute. Wir stehen vor einer großen Herausforderung, einer Herausforderung von neuer Art und neuer Dimension. In den letzten fünf Jahren sind mindestens fünfzehn neue Konflikte entflammt oder wieder ausgebrochen – in Afrika, im Nahen Osten und auch in Europa. Die staatlichen Strukturen ganzer Regionen drohen zu zerfallen. Je länger Bürgerkriege, islamistischer Terror, bewaffnete Konflikte zwischen Regierungen und Rebellen oder Separatisten dauern, je mehr sich Anarchie, Armut, Korruption und Perspektivlosigkeit breit machen, desto mehr Menschen werden ihre Familie, ihre Freunde, ihre Heimat verlassen. Die Flüchtlingszahlen dürften – auch mittelfristig – weiter steigen. Angesichts dieser dramatischen Entwicklung haben wir unseren Blick zu weiten. Flüchtlingspolitik ist längst mehr als Innenpolitik. Flüchtlingspolitik reicht DOD 03/2015 längst hinein in unsere Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Beginnen wir mit dem, was selbstverständlich sein sollte: Es ist meines Erachtens eine moralische Pflicht aller Staaten Europas, Flüchtlinge vor dem Tod im Mittelmeer zu retten. Wir würden unsere Selbstachtung verlieren, wenn wir Menschen, die vor den Toren unseres Kontinents auf dem Wasser treiben, sich selbst überließen. Es sollte meines Erachtens auch eine selbstverständliche moralische Pflicht aller Staaten Europas bleiben, Menschen eine sichere Zuflucht zu gewähren, die – wie es das Grundgesetz in Artikel 16a und die Bestimmungen des Genfer Flüchtlingsschutzes festhalten – aus politischen, ethnischen, religiösen und rassischen Gründen verfolgt werden. Einen derartigen Schutz halte ich nicht für verhandelbar und solange für verpflichtend, bis diese Menschen gefahrlos in ihre Heimat zurückkehren oder auch in Deutschland oder anderswo an einem anderen sicheren Ort bleiben können. Deutschland hat gelernt Deutschland hat gelernt im Umgang mit Asylbewerbern: Heute reagieren wir ganz anders auf den Anstieg der Flüchtlingszahlen als noch vor zwanzig Jahren. Es freut mich, wie viel Anteilnahme zahlreiche Bürger unseres Landes für Bürgerkriegsflüchtlinge und politisch Verfolgte aufbringen, wie viele Patenschaften übernehmen, Sprachkenntnisse vermitteln, Asylbewerber bei Behördengängen begleiten, ein Zimmer zur Verfügung stellen. Der Blick auf das Leiden der Anderen – er hat sich in unserem Land geschärft. In der Diskussion über den Umgang mit Flüchtlingen ist noch viel zu klären. Zunächst gilt es, sich über die Fakten zu verständigen. Fast die Hälfte der Asylbewerber kommt zurzeit noch aus dem Westbalkan, dessen Länder zum Teil vom Gesetzgeber trotz mancher Bedenken als sichere Herkunftsstaaten eingestuft wurden. Die Anerkennungsquote von Flüchtlingen aus diesem Raum liegt bei 0,1 bis 0,2 Prozent. Die andere Hälfte der Asylbewerber in Deutschland aber stammt aus Ländern, in denen Krieg, Terror oder eine Diktatur herrschen – augenblicklich kommen sie vor allem aus Syrien, Eritrea und dem Irak. Die Henning Schacht (1) DOD 03/2015 Anerkennungsquoten liegen zwischen 70 und mehr als 90 Prozent. Es sind neben vielen Muslimen auch Christen und Jesiden darunter. Menschen, die aus ihren Dörfern vertrieben, zu Bekehrungen und Schutzgeldzahlungen gezwungen wurden. Deren Kinder auf der Flucht verdursteten und verhungerten, und deren Frauen als Beute verkauft wurden. Es sind unbegleitete Minderjährige darunter, Kinder und Jugendliche, die Angehörige in bewaffneten Konflikten oder auf der Flucht verloren haben. Sie alle suchten ein freies und ein sicheres Land. Ein Land, in dem sie ihren Glauben ausüben können, nicht missbraucht und nicht gewaltsam unterdrückt werden. Ein Land, in dem sie ihr Leben in Freiheit selbst bestimmen können. Wir wissen, dass weder Deutschland noch Europa allen, die dies wünschen, eine Zuflucht und eine Zukunft bieten können. Flüchtlingspolitik muss daher über die Europäische Union hinaus reichen. Wir haben stärker als bisher unmittelbare Nachbarstaaten von Krisengebieten zu unterstützen. Wir haben uns stärker als bisher um eine Stabilisierung der Länder Nordafrikas und besonders auch des Westbalkan zu kümmern. Schließlich muss uns weiterhin an einer gezielteren Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort gelegen sein – allerdings im Wissen darum, dass alles, was wir tun, kaum Erfolge zeitigen wird, solange Regierungen den Aufbau einer friedlichen, sicheren und lebenswerten Zukunft für ihre Völker nicht stärker in die eigene Hand nehmen. Betrachten wir also vor allem unsere Möglichkeiten in Deutschland und in Europa, hier, wo wir Einfluss haben und unmittelbar Verantwortung tragen. Wir haben die Seenotrettung im Mittelmeer zwar wieder verstärkt, aber viele andere Fragen immer noch nicht geklärt: Wie bekämpfen wir Banden krimineller Schlepper? Wie sehen neue, sichere Formen der Anerkennung von Flüchtlingen aus? Wie werden die Flüchtlinge in Europa gerechter verteilt, wie wird in allen Mitgliedstaaten ein Asylsystem mit ähnlichen Standards aufgebaut? Wie gehen wir menschlich mit abgelehnten Asylbewerbern um? Kurzum: Wie stellen wir sicher, dass wir, bedingt durch die Dimension des Problems, mehr tun? Und zwar mehr von allem: mehr aufnehmen und mehr Politik 19 Betroffene aus Nordafrika Asma Abubaker Ali, Innenminister Dr. Thomas de Mazière und BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius lauschen den Worten des Staatsoberhauptes. helfen, zugleich aber besser steuern, schneller entscheiden, und ja, auch konsequenter abweisen – damit wir aufnahmefähig für diejenigen bleiben, zu deren unbedingtem Schutz wir uns verpflichtet haben und die unserer Hilfe stärker als andere bedürfen. Eine Nation lebt vom Zusammengehörigkeitsgefühl In jüngster Zeit ist nämlich erneut die Frage zu hören: Wie viele Flüchtlinge kann unsere Gesellschaft überhaupt verkraften? Eine Nation lebt vom Zusammengehörigkeitsgefühl, vom Vertrauen, der Kooperation und vom Mitgefühl unter ihren Bürgern. Flüchtlinge und andere Zuwanderer erhöhen einerseits die soziale und kulturelle Vielfalt und vergrößern die Innovationskraft der Gesellschaft. Andererseits wissen wir aus jüngsten Untersuchungen, dass gegenseitige Rücksichtnahme und die Bereitschaft zur Solidarität innerhalb einer Gesellschaft auch zurückgehen können, wenn etwa die Zahl der Flüchtlinge und Zuwanderer in Ballungsräumen zu schnell und zu stark steigt oder die kulturelle Distanz allzu groß erscheint. Zugleich dürfen wir aber die Möglichkeiten von Flüchtlingen und die Chancen für unsere Gesellschaft nicht verkennen. Erinnern wir uns daran, welch gro- ßen Anteil Flüchtlinge und Vertriebene am erfolgreichen Wiederaufbau Deutschlands hatten. Eben diesen Geist, der den Neuanfang sucht und die Zukunft gestalten will, erkenne ich auch bei vielen Flüchtlingen von heute. Über Entwurzelte wollten wir heute sprechen. Über Flüchtlinge und Vertriebene, zwangsweise Emigrierte. Und wir sehen: Wir geraten mitten hinein in ein großes Thema der Weltpolitik und zugleich mitten hinein in ein großes politisches und moralisches Dilemma. In der Abwägung zwischen Idealen der Humanität und Realpolitik kann es keine ideale Lösung geben. Die gibt es fast nie. In der Politik können wir uns nur entscheiden zwischen guten und weniger guten Lösungen, manchmal sogar nur zwischen schlechten und weniger schlechten Lösungen. Vor 70 Jahren hat ein armes und zerstörtes Deutschland Millionen Flüchtlinge zu integrieren vermocht. Denken wir heute nicht zu klein von uns. Haben wir Vertrauen in die Kräfte, über die dieses Land verfügt. Wir brauchen immer auch ein Selbstbild, das uns trägt. Und wir werden uns selbst auf Dauer nur akzeptieren können, wenn wir heute alles tun, was uns möglich ist. Warum sollte ein wirtschaftlich erfolgreiches und politisch stabiles Deutschland nicht fähig sein, in gegenwärtigen Herausforderungen die Chancen von morgen zu erkennen? 20 Politik DOD 03/2015 Den Gedenktag war Deutschland seinen Opfern schuldig BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB bei der Gedenkveranstaltung Der Chronist schreibt das Jahr 1945, es ist die Nacht vom 18. zum 19. Juni. Der Krieg ist seit über einem Monat vorbei. Im Bahnhof von Prerau, einer Kleinstadt im Herzen Mährens (heute Tschechien), steht ein Flüchtlingszug mit 265 Zivilisten. Die meisten sind Karpatendeutsche aus der Zips, ihrer angestammten Heimat in der heutigen Slowakei. Sie waren kurz vor Kriegsende nach Nordböhmen evakuiert worden und wollten nach Hause zurückkehren. Ein Militärtransport mit tschechoslowakischen Soldaten, die von einer Siegesfeier heimkehren, trifft ein. Die 265 Zivilpersonen werden gezwungen, den Zug zu verlassen. Sie müssen persönliche Wertgegenstände abgeben und sich bis auf die Unterwäsche entkleiden. Dann werden sie mit Genickschüssen ermordet. Der Chronist notiert 71 erschossene Männer, 120 Frauen und 74 Kinder. Das jüngste Opfer war acht Monate alt. Heute erinnert eine Gedenkstätte in Prerau an diesen Massenmord vor 70 Jahren. Prerau ist nur ein Ort von unzähligen, die stille Zeugen solcher Gräueltaten wurden. Es kam nach der Befreiung vom Naziterror zu zahlreichen Verbrechen an der deutschen Zivilbevölkerung, zu ethnischen Säuberungen in deren seit Jahrhunderten angestammten Heimat. In Internierungslagern und bei Zwangsarbeit ging das Sterben weiter. Ich erinnere an den Todesmarsch von Brünn, den mindestens 2.000 Menschen nicht überlebten, und danke dem dortigen Stadtrat, der dieses Unrecht jüngst anerkannt und ebenfalls in öffentliches Gedenken einbezogen hat. Ich erinnere an die grausamen Vertreibungen im Sudetenland und im slowakischen Karpatenraum. Ich erinnere an die Vertreibungen in Südosteuropa, einschließlich des gesamten Donauraums. Ich erinnere sowohl an die wilden als auch an die geplanten Vertreibungen aus Dr. Bernd Fabritius MdB. Schlesien, Ost- und Westpreußen, aus Pommern, Ostbrandenburg und Danzig. Ich erinnere an die Wilhelm Gustloff, die vom sowjetischen U-Boot S-13 versenkt wurde. 9.343 Menschen, die in der Flucht vor der Roten Armee ihr Heil suchten, fanden am 30. Januar 1945 den Tod in der eisigen Ostsee. Ich erinnere an die Vertreibungen der Deutschen aus dem Baltikum und – schon ab 1941 – die Deportation der Deutschen aus Russland, vor allem aus den Gebieten der Wolgarepublik. Ich erinnere an die geschätzt mehr als eine Million deutsche Zwangsarbeiter, die als menschliche Kriegsentschädigung missbraucht wurden. Ich erwähne auch die Heimatverbliebenen, die mehrheitlich weitere Jahrzehnte Vertreibung in der Heimat, in Isolation und Entrechtung, hinter dem Eisernen Vorhang ertragen mussten. Diese Brüder und Schwestern leben heute noch in der Heimat – und sind dort Pfeiler für Brücken, die ich als große Chance für ein friedliches Europa sehe. Jeder Krieg fordert seine Opfer, auf allen Seiten. Ich stelle in Deutschland in Teilen unserer Gesellschaft eine verwunderliche Zurückhaltung fest, auch der eigenen Opfer zu gedenken. Im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg steht die deutsche Schuld außer Frage: Dieser Krieg hat über ganz Europa unermessliches Leid, Tod und Elend gebracht, über alle Völker. Flucht und Vertreibungen waren ein Teil davon. Daran zu erinnern relativiert gar nichts. Von den mehr als 18 Millionen Deutschen im Osten verloren bis zu 15 Millionen ihre Heimat, weit über 2 Millionen haben Flucht und Vertreibung nicht überlebt. Das war, ist und bleibt Unrecht – gedenkwürdiges Unrecht! Für die bleibende Erinnerung, zur Mahnung und aus Achtung vor den Opfern ist es ein gutes und wichtiges Zeichen, dass wir heute besonders auch ihrer gedenken. Im Namen dieser Menschen und deren Nachfahren danke ich der Bundesregierung dafür, dass sie das Gedenken an die eigenen Opfer von Flucht und Vertreibung aufrechterhält, indem sie den heutigen Gedenktag ausgerufen hat. Diesen Gedenktag war Deutschland den eigenen Opfern schuldig – und hat ihn nun geschaffen. Durch die Verbindung dieses Gedenkens mit der Erinnerung an das Leid aller anderen Flüchtlinge und Vertriebenen, bringen wir noch etwas Wesentliches zum Ausdruck: Die Vertreibung der deutschen Zivilbevölkerung aus ihrer Heimat zum Ende des Zweiten Weltkrieges – und noch viele Jahre danach – war genauso ein Verbrechen, wie es andere ethnische Säuberungen auf der ganzen Welt bis heute sind. Dieser Gedenktag ist daher eine deutliche Ansage gegen Kollektivschuld und Rechtfertigungstheorien. Auch für diese Botschaft danke ich. Unsere eigene Geschichte mahnt. Sie zeigt eindringlich, wie wichtig es ist, Menschenrechte zu achten, Krieg und Gewalt zu verhindern, und Vertreibungen – gestern wie heute – weltweit zu ächten! Henning Schacht (1); BMI (1) DOD 03/2015 Politik 21 „Mir ist es wichtig, dieses Thema wachzuhalten“ Mit Innenminister de Mazière und Bundesbeauftragtem Koschyk im Gespräch Herr Minister de Maizière, Herr Bundesbeauftragter, mit dem Beschluss des Bundeskabinetts vom 27. August 2014, ab 2015 immer am 20. Juni der Opfer von Flucht und Vertreibung zu gedenken, hat die Bundesregierung eine Initiative des Bundesrates in die Tat umgesetzt, für die der BdV lange geworben hat. Sie haben sie gleich am Beginn dieser Legislaturperiode mit in den gemeinsamen Koalitionsvertrag aufgenommen. Wie kam es dazu? Minister: Dieses Anliegen steht schon seit längerer Zeit auf der politischen Agenda. Der Bundesrat hat die Bundesregierung bereits im Jahr 2003 in einer Entschließung zur Einrichtung eines Gedenktags für die Opfer von Flucht und Vertreibung aufgefordert. Im Jahr 2013 hat sich der Bundestag dann auf Betreiben der Union für einen solchen Gedenktag ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund ist es gelungen, in Umsetzung des Koalitionsvertrags einen entsprechenden Beschluss des Bundeskabinetts herbeizuführen. Mit dem Beschluss der Bundesregierung, den Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung am 20. Juni, also am Weltflüchtlingstag, zu begehen, wollen wir Brücken bauen und einen Beitrag zur Versöhnung leisten. Bundesbeauftragter: Mit der Wahl des 20. Juni, der ja zugleich schon der Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen ist, wird die besondere Bedeutung der Einführung des Gedenktages für die deutschen Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation keineswegs relativiert. Wir erhalten aus den Reihen der Vertriebenenverbände viel Zustimmung, u.a. mit dem Argument, dass sich gerade durch die Wahl des 20. Juni der Hypothese einer Kollektivschuld der Deutschen, die so tragisch ihre Heimat verloren, von vorneherein entgegengestellt wird. Am 11. Juni 2015 traf sich BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB (2.v.l.) zu einem Meinungsaustausch mit Minister Dr. Thomas de Maizière MdB (2.v.r.) im Bundesministerium des Innern. Ebenfalls anwesend waren der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk MdB (ganz l.) sowie BdV-Generalsekretär Klaus Schuck (ganz r.). Schwerpunktthema des Meinungsaustausches war der Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung, der am 20. Juni 2015 zum ersten Mal begangen werden sollte. Dr. Fabritius lag daran zu verdeutlichen, dass bei diesem Gedenktag im Wesentlichen des Schicksals der deutschen Heimatvertriebenen gedacht werde. Es müsse darum gehen, dass durch diesen Gedenktag die dramatische Vertreibung von fast 15 Mil lionen Deutschen aus ihrer Heimat einen festen Platz im histo rischen Gedächtnis Deutschlands erhalten werde. „Die Vertreibung der deutschen Zivilbevölkerung war genauso ein Verbrechen, wie es alle ethnischen Säuberungen auf der ganzen Welt bis heute sind“, so Fabritius. Otto Schily hat am 29. Mai 1999 im Berliner Dom gesagt, „Die politische Linke hat in der Vergangenheit zeitweise über die Vertreibungsverbrechen, über das millionenfache Leid, das den Vertriebenen zugefügt wurde, hinweggesehen, sei es aus Desinteresse, sei es aus Ängstlichkeit vor dem Vorwurf, als Revanchist gescholten zu werden.“ Beobachten Sie eine dauer- hafte Wiederzuwendung des gesamten demokratischen Spektrums zur gesamten Opfergruppe? Bundesbeauftragter: Ich nehme bei meinen vielen Besuchen sowohl bei den deutschen Heimatvertriebenen als auch bei den in der Heimat verbliebenen Deutschen im östlichen Europa eine zunehmende Sensibilisierung in allen 22 demokratischen Parteien in Deutschland wahr. Das kann man z.B. festmachen an zahlreichen Schirmherrschaften und Grußworten für Veranstaltungen von Vertriebenenverbänden oder auch an persönlichen Bekenntnissen zur eigenen Familiengeschichte. Minister: Das Thema ist in der Tat sehr stark präsent. Zum einen haben die Flüchtlingskatastrophen insbesondere im Mittelmeer den Fokus insgesamt stark auf Flucht und Vertreibung gelenkt. Zum anderen beobachte ich in letzter Zeit über Parteigrenzen hinweg eine Entspannung in Bezug auf den Umgang mit dem speziellen Komplex der Aufarbeitung der Vertreibungsgeschichte der Deutschen. Mir ist es wichtig, dieses Thema wachzuhalten und zu betonen, dass es dabei nicht um Revanchismus oder um das Ausspielen verschiedener Schicksale gegeneinander geht. Die alten Schlachten voller Vorurteile sind vorbei. Das ist gut. Am „Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung“ wird künftig der weltweiten Opfer von Flucht und Vertreibung und „insbesondere der deutschen Vertriebenen“ gedacht. Wird hier eine Grundlinie der Bundesregierung deutlich? Minister: Angesichts der täglichen Meldungen im Zusammenhang mit dem Thema Flucht und Vertreibung wollen wir das Gedenken an die deutsche Vertreibungsgeschichte mit einem Blick auf aktuelle Geschehnisse verbinden. Wenngleich die Situation der heutigen Flüchtlinge nicht vergleichbar mit derjenigen der Vertriebenen nach 1945 ist, liegen die Schicksale und das persönliche Erleben der Betroffenen gar nicht so weit auseinander: Der Verlust der Heimat, des gewohnten sozialen Umfeldes, der Kultur und die Schwierigkeiten des Neubeginns werden hier wie dort empfunden. Das auch vom BdV vertretene Anliegen, dass die Erinnerung an das Schicksal der deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen als Mahnung dienen möge, dass sich solche Geschehnisse nicht wiederholen dürfen, wird hier konkret. Gleichzeitig kann die große Aufbau- und Integrationsleistung der deutschen Heimatvertriebenen auch Vorbild für die heute in Deutschland anerkannten Flüchtlinge sein, sich aktiv in die weitere Politik Entwicklung unseres Landes einzubringen. So war es nach Ansicht der Bundesregierung ein logischer Schritt, einen Gedenktag an diesem 20. Juni einzurichten – nicht zuletzt, weil auch der am gleichen Tage stattfindende, von den Vereinten Nationen eingerichtete Weltflüchtlingstag ein Gedenktag für alle Flüchtlinge weltweit ist. Bundesbeauftragter: Das ist tatsächlich eine Grundlinie der Bundesregierung. In einer Rede im Sommer 2014 hat auch Bundeskanzlerin Merkel die Zukunftsdimension des Gedenktages unterstrichen: „Ich bin sicher, dieser Gedenktag wird dazu beitragen, Schicksal und Kultur der deutschen Heimatvertriebenen vielen Deutschen in Erinnerung zu rufen, denen dieses Thema nicht oder nicht mehr bekannt ist.“ Der Bundesbeauftragte Hartmut Koschyk MdB (l.) und Innenminister Thomas de Mazière MdB. Der vormalige Bundespräsident, Christian Wulff, hat vor Jahren die letzten Wolfskinder, jene deutschen Kriegswaisen, die in den Wäldern Ostpreußens und des Baltikums überlebten, zu sich ins Schloss Bellevue eingeladen. Es erscheint heute von tiefgreifender Bedeutung, dass Bundespräsident Joachim Gauck nun auch bei dieser Gedenkveranstaltung der Bundesregierung sprechen wird. War es schwierig, das Staatsoberhaupt für die Veranstaltung zu gewinnen? Minister: Nein, im Gegenteil. Der Herr Bundespräsident war gerne bereit, bei der Veranstaltung eine Rede zu halten, und hat das umgehend zugesagt. Es sprechen der Bundespräsident, Dr. h.c. Joachim Gauck, Frau Asma Abubaker Ali, ein Flüchtling aus Nordafrika, Frau Dr. Edith Kiesewetter-Giese, eine Vertriebene aus dem Sudeten- DOD 03/2015 land, und Dr. Bernd Fabritius, der Präsident des Bundes der Vertriebenen. Eine hochrangige und weit gespannte Rednerliste, man darf vermuten, dass dies sehr bewusst so symbolhaft ausgewählt wurde? Minister: Ja, wir wollen mit dieser Auswahl die Bedeutung und Würde des Gedenkens hervorheben und den weiten thematischen Bogen dieses Gedenktages füllen. Bundesbeauftragter: Neben den eindrucksvollen Zeugnissen, welche Frau Abubaker Ali und Frau Dr. KiesewetterGiese beitragen werden, kommen in der aktiven Teilnahme des Herrn Bundespräsidenten und des Präsidenten des BdV zwei weitere wichtige Aspekte zum Ausdruck: die Bedeutung des Themas Flucht und Vertreibung in der Bundesrepublik Deutschland sowie die Stellung des Bundes der Vertriebenen als die zentrale Vertretung der deutschen Heimatvertriebenen in Politik und Gesellschaft. Inwiefern sind unsere europäischen Nachbarn, die gemeinsam Frieden und Freiheit wahren, bei der Planung und Durchführung dieses Tages eingebunden? Minister: Dies ist uns ein großes Anliegen. Bereits vor der Beschlussfassung zur Einführung des Gedenktages haben wir Vertreter der Regierungen der Republik Polen und der Tschechischen Republik eingebunden. Zur Gedenkstunde sind neben dem diplomatischen Corps auch offizielle Vertreter und engagierte Bürger aus Nachbarstaaten mit eigener Vertreibungs- oder Vertriebenengeschichte geladen. Bundesbeauftragter: Insgesamt ist in den letzten Jahren ein zunehmendes Bewusstsein hinsichtlich der Vertreibungsgeschichte bei unseren Nachbarn deutlich wahrnehmbar geworden. In Ungarn hat das Parlament 2012 einstimmig einen Gedenktag zur Erinnerung an die Deportation und Vertreibung der Ungarndeutschen proklamiert. Rumänien zahlt Deportationsopfern eine Entschädigungsrente. Besonders eindrucksvoll war die jüngste „Deklaration der Versöhnung und gemeinsamen Zukunft“ des Stadtrats von Brünn, mit der er sich für die Opfer beim berüchtigten „BrünKoschyk (1); LV (1) DOD 03/2015 ner Todesmarsch“ vom Mai und Juni 1945 entschuldigt hat. Die Aufnahme dieser Versöhnungsbotschaft bei den Sudetendeutschen war sehr bewegend und mit keinerlei Forderungen verbunden. Nicht zuletzt wurde das gegenseitige Vertrauen gestärkt. Hier ist ein Prozess in Gang gekommen, der nach meiner Einschätzung künftig an Dynamik noch zunehmen wird. Haben Sie ein ganz persönliches Anliegen, das Sie den Lesern des DOD mit auf den Weg geben wollen? Bundesbeauftragter: Die deutschen Heimatvertriebenen haben einerseits über Jahrzehnte hinweg bis heute beharrlich und unermüdlich für das Recht auf die angestammte Heimat gestritten, andererseits von Beginn an Gewaltverzicht und den Wunsch nach echter Versöhnung und Verständigung mit den neuen Bewohnern ihrer Heimatgebiete ausgesprochen, wie es in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen vom 5. August 1950 eindrucksvoll niedergelegt ist. Damit haben sie maßgeblich dazu beigetragen, dass Vertreibungen und Umsiedlungen gegen den Willen der Betroffenen heute in Europa allgemein geächtet sind. Das ist ein bis heute noch unzureichend bekannter Beitrag der deutschen Heimatvertriebenen zum Frieden und zur Versöhnung in Europa. Immer wieder aufbrechende ethnische Konflikte in Europa sowie die Instrumentalisierung von Minderheitenfragen durch Nachbarstaaten wie derzeit in der Ukraine zeigen, dass dieser Weg noch nicht zu Ende gegangen ist. Auch hierfür halte ich die weitere Mitarbeit der deutschen Heimatvertriebenen für unverzichtbar. Minister: Mein Dank und meine Hochachtung gelten der großen Integrationsund Aufbauleistung der Vertriebenen und ihrer Nachfahren. Ihre Bemühungen, die Erinnerung an dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte wachzuhalten und Lehren daraus zu ziehen, sind nicht nur für die Aufarbeitung, sondern auch für die heutigen Überlegungen zum Umgang mit den Herausforderungen von Flucht und Vertreibung überall auf der Welt besonders wertvoll. Das Gespräch für den dod führte Dr. Gunnar Digutsch. Politik 23 Prof. Dr.Winfrid Halder neuer Direktor der „SFVV“ Halder vor großen Herausforderungen Berlin. (dod) In seiner Sitzung am 29.06. hat der Stiftungsrat der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ Prof. Dr. Winfrid Halder in der Nachfolge von Prof. Dr. Manfred Kittel zum Stiftungsdirektor gewählt. Hierzu erklärt BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB: Die gestrige Wahl des bisherigen Direktors der „Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus-Deutsch-osteuropäisches Forum“ in Düsseldorf Prof. Dr. Winfrid Halder zum neuen Direktor der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ begrüße ich ausdrücklich. Mit der deutlichen Entscheidung des Stiftungsrates, in dem der BdV mit sechs Mitgliedern vertreten ist, findet die Suche nach einem Nachfolger für Gründungsdirektor Prof. Dr. Manfred Kittel einen guten Abschluss. Im Bewerbungsverfahren waren am Ende zwei Kandidaten von gleichermaßen hoher wissenschaftlicher Reputation in die engere Auswahl gekommen. Überzeugen konnte letztlich Professor Halder aufgrund seiner langjährigen Praxis als Leiter einer Einrichtung, die sich der Pflege und der Weiterentwicklung des Kulturerbes der Deutschen aus den historischen deutschen Ostgebieten und den deutschen Siedlungsgebiete in Ostund Südosteuropa verschrieben hat. Die Entwicklung der Bundesstiftung bleibt damit auf einem guten Weg. Es ist nun Professor Halders vorrangige Aufgabe, das geltende Stiftungskonzept umzusetzen, wofür der BdV sich stets nachdrücklich eingesetzt hat. Dabei bauen wir auf eine gute Zusammenarbeit. Darüber hinaus liegen große Herausforderungen vor ihm. So müssen die Bauarbeiten am Berliner Deutschlandhaus fristgemäß fertiggestellt und die geplante Dauerausstellung möglichst bald eröffnet werden. 70 Jahre nach Flucht und Vertreibung erwarten die deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, dass die historische Aufarbeitung ihres schweren Schicksals endlich auch sichtbar wird. Zukunftswerkstatt für die deutsche Minderheit 9. Fachseminar für Nachwuchskräfte der Minderheit Oberplan. (dod) Zum neunten Mal fand im „Adalbert-Stifter-Zentrum“ in Oberplan im Böhmerwald (Südböhmen) das vom Adalbert-Stifter-Zentrum und der „Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien“ gemeinsam ausgerichtete jährliche Fachseminar für die Führungskräfte der deutschen Minderheit und deren Nachwuchskräfte statt. Zum Auftakt referierte Steffen Hörtler, Geschäftsführer der „Stiftung Sudetendeutsches Sozial- und Bildungswerk“, über „Die Entwicklung der politischen Beziehungen zwischen Bayern und der Tschechischen Republik und mögliche Auswirkungen und Chancen für die deutsche Minderheit“. Der Samstagvormittag war zwei wissensvermittelnden Referaten gewidmet: Dr. Peter Becher, Geschäftsführer des Münchener „Adalbert Stifter Vereins“, sprach über „Adalbert Stifters Kinderjahre in Oberplan“, und die Heimatpflegerin der Sudetendeutschen Dr. Zuzana Finger ging der Frage nach „Böhmische Küche – erfunden oder wahr?“ Ein weiterer Tag stand im Zeichen von Arbeitsgruppen unter dem Motto „Zukunftswerkstatt für die deutsche Minderheit“. Dabei wurden unter der Leitung von Mgr. Martin Dzingel, dem Präsidenten der „Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien“, von jeder Arbeitsgruppe Überlegungen und Thesen für die Gestaltung der weiteren Arbeit in den einzelnen Verbänden und Begegnungszentren erarbeit, formuliert, vorgetragen und diskutiert. 24 Politik DOD 03/2015 Erfolgreicher Tag der Vertriebenen Bouffier: „Die Arbeit der Vertriebenen wird geschätzt und unterstützt“ In Hofgeismar startete der traditionelle Tag der Vertriebenen auf dem Hessentag mit der öffentlichen Sprechstunde der Landesbeauftragten der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Margarete ZieglerRaschdorf. Im Anschluss fand unter Teilnahme von Staatsminister Stefan Grüttner eine öffentliche Sitzung des Landesbeirates für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen statt, bei der vor dem Hintergrund gestiegener Zugangszahlen die Eingliederung von Spätaussiedlern im Vordergrund stand. öhepunkt des Tages war der traditiH onelle Brauchtumsnachmittag des Bundes der Vertriebenen (BdV), zu dem der Vorsitzende Siegbert Ortmann den Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier mit seiner Gattin Ursula, Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke, den Minister für Soziales und Integration Stefan Grüttner, die Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung Margarete Ziegler-Raschdorf sowie die Landtagsabgeordnete Brigitte Hofmeyer, Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Hofgeismar und zahlreiche Besucherinnen und Besucher aus ganz Hessen willkommen hieß. Flüchtlingsaufnahme bleibt aktuell In seiner Festrede sprach Ministerpräsident Volker Bouffier den Vertriebenen seinen Dank dafür aus, dass sie Hessen mit aufgebaut und zu dem gemacht hätten, was es heute darstellt, nämlich ein weltoffenes, wirtschaftsstarkes Bundesland. Er nahm Bezug auf die Worte von Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier, der gesagt habe, die Welt Musikalisch gestaltet wurde der Brauchtumsnachmittag von den Dörnberg-Musikanten. Der Frauenchor und die Kindergruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland aus Rotenburg sangen und spielten bekannte deutsche Volkslieder. scheine derzeit „irgendwie aus den Fugen“. Die Ereignisse zeigten, dass es auch heute wieder eine Notwendigkeit gebe, Menschen Zuflucht und neue Heimat zu bieten. 50 Millionen Menschen seien weltweit auf der Flucht, weil es um uns herum zahlreiche ungeordnete und unbefriedete Regionen gebe, die zu Brandherden geworden seien. So bleibe die Aufnahme von Flüchtlingen ganz aktuell und weiterhin eine Notwendigkeit und unser Bemühen, da die Zahlen weiter steigen. „Die Heimatvertriebenen verstehen besser als andere, was es bedeutet, vertrieben zu werden und die Heimat zu verlieren“, sagte der Ministerpräsident. Der große Verband des BdV habe verdienstvoll gewirkt, als in den 90er Jahren eine ganz große Anzahl Spätaussiedler kam. Bei der Eingliederung dieser Menschen, die teils drei Mal ihre Heimat verloren hatten, hätten der BdV und die Organisationen der Landsmannschaften der Deutschen aus Russland und der Wolgadeutschen viel geleistet. Der Ministerpräsident richtete seinen Dank an die genannten Verbände, die eher als alle anderen als Brückenbauer wirken könnten und betonte: „Hessen ist mit seiner Vertriebenenpolitik im Bundesvergleich einmalig und hat keinen Nachholbedarf. Die Arbeit der Vertriebenen wird geschätzt und unterstützt“. Für die Verbände der Vertriebenen und der Spätaussiedler gebe es feste Partner in der Landesregierung wie den Minister für Soziales und Integration und die Landesbeauftragte. Beiden spreche er seinen besonderen Dank für ihre Arbeit aus. Stolz auf die Charta Im 70. Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges mit 60 Millionen Toten, der den moralischen Tiefpunkt in der Geschichte unseres Landes darstelle, erinnerte Bouffier an die besondere Verantwortung die daraus erwachse. Die Antwort darauf, damit so etwas nie wieder passieren könne, sei das vereinte Europa. Dieser gewaltige Auftrag bedeute: „Europa darf nie mit kleiner Münze daherkommen!“ Europa biete die Chan- Hessisches Ministerium für Soziales und Integration (1); Sabine Gorenflo (1) DOD 03/2015 ce, unterschiedliche Interessen ohne Krieg auszugleichen. Die Vertriebenen könnten stolz sein auf die Erklärung, die sie in ihrer Charta der deutschen Heimatvertriebenen im Jahr 1950 – fünf Jahre nach dem Krieg – abgegeben haben, nämlich den Verzicht auf Rache und Vergeltung und den Willen, ein gemeinsames Europa zu schaffen: „Da war kein rührseliger Blick nach hinten, sondern da war ein entschlossener Blick nach vorne!“ Der Ministerpräsident lobte in diesem Zusammenhang die gute Idee des BdV-Landesvorsitzenden, künftig darüber nachzudenken, auch volksdeutsche Gruppen aus Ungarn und Russland und anderen Herkunftsgebieten zum Brauchtumsnachmittag beim Hessentag einzuladen, um eine unmittelbare Begegnung der Menschen zu ermöglichen. In seiner Festrede ging der Ministerpräsident schließlich auf die beiden 25-jährigen Patenschaften des Landes Hessen über die Landsmannschaft Weichsel-Warthe und die Deutsch-Baltische-Gesellschaft sowie die 30-jährige Patenschaft über die Wolgadeutschen in diesem Jahr ein. Alle drei Jubiläen wolle die Hessische Landesregierung beim 2. Hessischen Gedenktag und Tag der Heimat am 13. September 2015 im Biebricher Schloss in besonderer Weise würdigen. Nach der Festansprache des Ministerpräsidenten leitete Minister Stefan Grüttner zur dritten Verleihung des Landespreises „Flucht, Vertreibung, Eingliederung“, der mit 7.500 € dotiert ist, – siehe den Artikel auf Seite 25 dieses Deutschen Ostdienstes – über. Musikalisch gestaltet wurde der Brauchtumsnachmittag von den Dörnberg-Musikanten. Der Frauenchor und die Kindergruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland aus Rotenburg sangen und spielten bekannte deutsche Volkslieder. Die BdV-Musikgruppe Biebesheim-Dornheim erfreute die Besucher mit Liedern aus dem Egerland, die Tanzgruppe der Siebenbürger Sachsen aus Kassel führte alte Volkstänze vor. Der Männerchor 1862 e.V. Hofgeismar brachte weitere Lieder zu Gehör und begleitete das mit den Anwesenden gesungene Volkslied „Kein schöner Land“. Mit der gemeinsam gesungenen Deutschen Nationalhymne klang der gelungene Nachmittag aus. (PM) Politik 25 3.Verleihung Landespreis „Flucht, Vertreibung, Eingliederung“ Ministerpräsident Bouffier übergibt Preise Hofgeismar. (dod) Im Rahmen des traditionellen Tages der Vertriebenen auf dem Hessentag wurde von Ministerpräsident Volker Bouffier in Hofgeismar zum dritten Mal der Hessische Landespreis „Flucht, Vertreibung, Eingliederung“ vergeben. „Fast ein Drittel aller in Hessen lebenden Bürgerinnen und Bürger hat Flucht und Vertreibung selbst erlebt, ist durch das Schicksal der nächsten Angehörigen betroffen oder wohnt hier als Spätaussiedler. Die Hessische Landesregierung ist sich der Verantwortung bewusst, die daraus erwächst. Auch mit dem heute verliehenen Preis halten wir die Erinnerung wach“, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier. In seiner Einführung zur Preisverleihung sprach der Minister für Soziales und Integration Stefan Grüttner über die Entstehung des Preises und die Entscheidung der Jury in diesem Jahr. Minister Grüttner führte aus, dass die Jury sich auch in diesem Jahr die Ent- scheidung nicht leicht gemacht, letztlich aber unter 24 Bewerbungen die Auswahl der Preisträger einstimmig getroffen habe. Eingesandt worden seien Sachbücher, Zeitungen, Biographien, Erlebnisberichte, Schularbeiten und VideoAufzeichnungen. In ihrer Laudatio gab die Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler Margarete Ziegler-Raschdorf die Gewinner des Preises bekannt: „Der Hauptpreis in Höhe von 4.500 Euro geht im Jahr 2015 an das Weilburger Forum für die Videodokumentation „Gegen das Vergessen: Flucht–Vertreibung–Aussöhnung“. Die weiteren Preisträger sind die Adam-von-Trott-Schule in Sontra für den Projekttag „Geschichte und Integration der Deutschen aus Russland“ und der Schüler dieser Schule, Marcel Isinger für seine schulische Jahresarbeit „Erzählte Traditionen der Russlanddeutschen“. Diese beiden Preisträger erhalten jeweils ein Preisgeld von 1.500 Euro.“ Nach der Preisverleihung (v. l.): BdV-Landesvorsitzender Siegbert Ortmann, Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf, Pädagogischer Leiter der Adam-von-Trott-Schule Ludger Arnold, Minister für Soziales und Integration Stefan Grüttner, Preisträger Marcel Isinger, für „Preisträgerin Schule“ die Schulleiterin der Adam-von-Trott-Schule Sontra Susanne Herrmann-Borchert, Hauptpreisträger Weilburger Forum e.V.: Werner Röhrig (Drehbuch und Text), Ralph Gorenflo (Kamera, Schnitt, Herstellung), Edeltraud Göpel (Künstlerin), Hessischer Ministerpräsident Volker Bouffier. 26 Kultur DOD 03/2015 Menschenrechte ohne Grenzen 66. Sudetendeutscher Tag in Augsburg Mehr junge Teilnehmer und viele, die zum ersten Mal kamen, mehr Besucher aus der Tschechischen Republik als jemals zuvor und mehr Aussteller prägten den 66. Sudetendeutschen Tag zu Pfingsten in Augsburg. 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Beginn der Vertreibung der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien entfaltete das traditionelle Pfingsttreffen der Sudetendeutschen eine unerwartete Anziehungskraft. ür besonderes Aufsehen sorgte eine F überraschende Videobotschaft des Stellvertretenden Ministerpräsidenten, Wissenschaftsministers und Vorsitzenden der christdemokratischen Partei KDU-ČSL der Tschechischen Republik Pavel Bělobrádek bei der Hauptkundgebung des Sudetendeutschen Tages am Pfingstsonntag. Er unterstrich die Wahrheit als befreienden Wert und fügte hinzu: „Zu den grundlegenden christlichen Elementen, zu den Werten, gehört die Vergebung. Diese ist niemals möglich, ohne dass man die eigene Schuld bekennt.“ Besonders zu Herzen ging den sudetendeutschen Heimatvertriebenen ein Grußwort der Tschechischen Bischofskonferenz, das Bischofsvikar Vojtěch Eliáš im Rahmen des eindrucksvollen Pfingstgottesdienstes überbrachte. Recht und Unrecht, Menschlichkeit und Unmenschlichkeit müssten beim Namen genannt werden, hieß es da. „Wir Menschen mit tschechischer Sprache und auch mit katholischem Glauben, die in Tschechien leben, müssen sagen, dass Sie, die vertrieben wurden, uns noch immer fehlen, dass auch wir Opfer der seinerzeitigen Entscheidungen sind, dass Sie, die Katholiken, die vertrieben wurden, uns noch immer fehlen!“ Der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bei der Hauptkundgebung des 66. Sudetendeutschen Tages in Augsburg. Dass die Stadt Brünn (heute: Brno) für den sogenannten „Brünner Todesmarsch“, bei dem Ende Mai 1945 etwa 20.000 deutsche Bewohner der Stadt unter entsetzlichen Leiden nach Niederösterreich getrieben wurden und Tausende zu Tode kamen, um Vergebung und Versöhnung gebeten hat, wurde dankbar vom Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und dem Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe Bernd Posselt hervorgehoben. Als besonders bemerkenswert bezeichnete es Posselt, dass die Stadt Brünn die Anwendung des Prinzips der Kollektivschuld als Ursache für die Vertreibung benannt habe. „Man hat Unschuldige vertrieben, nur weil sie deutscher Muttersprache waren. Diese Klarheit ist beeindruckend an der Erklärung der Brünner.“ Anhand der Geschichte seiner eigenen Familie stellte Posselt fest: „Die Vertreibung war kein Kollateralschaden des Zweiten Weltkriegs, sie war ein eiskalt geplantes Nachkriegsverbrechen.“ Das heiße aber nicht, „dass wir die Kausalität leugnen“. Die überwältigende Mehrheit der Erlebnisgeneration habe sehr früh nach der Vertreibung den Kurs eines „Nie wieder“ eingeschlagen, den die Nachgeborenen heute fortsetzen. Und Posselt fügte hinzu: „Auch Angehörige unserer Volksgruppe haben schwere Schuld auf sich geladen in der Zeit des Nationalsozialismus. Wir stehen zu unserer Verantwortung für die Aufarbeitung dieser Schuld, denn jeder muss zunächst vor seiner eigenen Türe kehren.“ Wie dieses in der Grundsatzerklärung der Sudetendeutschen Landsmannschaft Ende Februar 2015 neu verankerte Eingeständnis einer Mitverantwortung erwähnte Posselt in seiner Ansprache bei der Hauptkundgebung auch die Satzungsänderung, die bei einigen Mitgliedern Unmut und Widerstand hervorgerufen hatte. Statt der Forderung, die „Wiedergewinnung“ der Heimat „durchzusetzen“, wie es in der bislang gültigen Satzung formuliert war, soll die „Wiederbelebung“ der Heimat das Ziel sein. „Eine Wiedergewinnung im Sinne Flögel (1); Schuster (1) DOD 03/2015 von Grenzänderung, kollektiver Rücksiedlung oder dergleichen hält kein vernünftiger Mensch für möglich oder wünschenswert. Aber eine Wiederbelebung der Heimat in Partnerschaft mit den Menschen, die dort leben, ob es Tschechen oder in der Heimat verbliebene Deutsche sind, das ist, was wir seit Jahrzehnten tun.“ Der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bezeichnete die Ansprache des Sprechers der Sudetendeutschen Volksgruppe als „eine historische Rede“ und würdigte die Anwesenheit so vieler Vertreter der hohen Geistlichkeit, der Regierung sowie des Parlaments aus der Tschechischen Republik und das Miteinander beim Sudetendeutschen Tag als „eine historische Dimension“. Er nannte die Vertreibung der Sudetendeutschen eines der größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts, erinnerte aber auch an ihre segensreiche Eingliederung in Bayern. Bayern sei ein Integrationsland. Aber „wer zu uns kommt heute, muss mit uns leben wollen und nicht neben oder gegen uns“, betonte Seehofer. „Wir Kultur te für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Harmut Koschyk MdB. Mit dem in diesem Jahr erstmals am 20. Juni in Berlin stattfindenden nationalen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung, der an den Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen anknüpft, werde auch an das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen erinnert. Er dankte den Sudetendeutschen für ihre Brückenfunktion im Dienste der Völkerverständigung. Nicht zuletzt die Änderung der Satzung sowie die heimatpolitische Grundsatzerklärung der Sudetendeutschen Landsmannschaft bekräftigten deren Willen zur Mitgestaltung der deutsch-tschechischen Beziehungen. Der Europäische Karls-Preis, die höchste Auszeichnung der Sudetendeutschen Landsmannschaft, wurde in diesem Jahr an Valentin Inzko, Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, verliehen. Der Diplomat, ein österreichischer Slowene aus Kärnten, lenkt seit sechs Jahren als Beauftragter der Vereinten Nationen die Geschicke dieses Balkanstaats. Der Sprecher der Sudetendeut- Der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina Valentin Inzko (l.) wird vom Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe Bernd Posselt mit dem Europäischen Karls-Preis der Sudetendeutschen Landsmannschaft ausgezeichnet. helfen Menschen, die auf der Flucht sind. Das ist für uns ein Gebot der Menschenwürde, der Humanität und für uns alle eine Selbstverständlichkeit“, stellte der Bayerische Ministerpräsident fest. Die Grüße der Bundesregierung an die Teilnehmer des 66. Sudetendeutschen Tages überbrachte der Bundesbeauftrag- schen Volksgruppe Bernd Posselt ehrte Valentin Inzko als verdienten Volksgruppenvertreter, der nicht nur dazu beigetragen habe, den sogenannten Kärntner Ortstafelstreit zu lösen, sondern auch im Dienste der Vereinten Nationen in Asien – von der Mongolei bis nach Sri Lanka – unzählige Konflikte moderiert und ein- 27 geebnet habe. Der Preisträger bedankte sich mit dem bescheidenen Geständnis, er empfinde „Demut, aufrichtige Freude, zu allererst aber Unglauben, wenn (er) an die bisherigen Preisträger denke“. Im Rahmen eines erstmals veranstalteten Internationalen Menschenrechtskongresses vor dem Beginn des Sudetendeutschen Tages, an dem sich Vertreter der Jesiden im Irak, der Armenier in der Türkei, der Krimtataren in der Ukraine, des Südtiroler Volksgruppen-Instituts und anderer religiöser oder ethnischer Minderheiten beteiligten, wurde Prof. Dr. Manfred Kittel mit dem Menschenrechtspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft ausgezeichnet. Als Historiker und als Gründungsdirektor der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ von 2009 bis 2014 habe sich Kittel immer für die europäische Einigung, gegen Nationalismus, für Menschenrechte und mit hohem wissenschaftlichen Ethos für das Thema Vertreibung engagiert. In einer Vortragsveranstaltung im Rahmen des Sudetendeutschen Tages referierte Kittel über Parallelen und Unterschiede von Vertreibung und Integration nach 1945 und heute. Während die Empathie, die Hilfe und der Schutz für Flüchtlinge überall und jederzeit gewährleistet waren und sind, seien die Fluchtgründe und die Voraussetzungen für die Integration damals und heute sehr unterschiedlich, so das Fazit von Manfred Kittel. Einen frischen Akzent setzte der junge Obmann der Landesgruppe Bayern und Stellvertretende Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft Steffen Hörtler. Er erinnerte nicht nur daran, was die Vorfahren bei der Vertreibung vor 70 Jahren erleiden mussten, weil die Menschen- und Volksgruppenrechte missachtet wurden. Verletzt und verbittert habe viele Heimatvertriebene aber vor allem, dass sie und ihr Schicksal jahrzehntelang ignoriert wurden. Diese Einstellung habe sich erst in den 90erJahren geändert, als die Flüchtlinge aus dem früheren Jugoslawien zu uns kamen. Und im Hinblick auf den Reformprozess in der Sudetendeutschen Landsmannschaft unterstrich Hörtler, dass diese Entwicklung entscheidend sowohl für das Fortbestehen der sudetendeutschen Volksgruppe als auch für den weiteren beharrlichen Einsatz für deren politischen Ziele sei. Ute Flögel 28 Kultur DOD 03/2015 Heimattag der gelebten Identität 65. Pfingsttreffen der Siebenbürger Sachsen von der Jugend geprägt Der 65. Heimattag der Siebenbürger Sachsen fand vom 22. bis 25. Mai unter dem Motto „Identität lohnt sich“ in Dinkelsbühl statt. Rund 26.000 Besucher nahmen daran teil, so viele wie noch nie seit dem ersten Pfingsttreffen 1951. Rekordzahlen wurden auch beim Festumzug verzeichnet: 108 Gruppen mit weit über dreitausend siebenbürgisch-sächsischen Trachtenträgern. Wie der Bundesvorsitzende und BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB, Bayerns Landtagspräsidentin Dr. Barbara Stamm, der Forumsvorsitzende Dr. Paul Jürgen Porr und andere Redner feststellten, sei die siebenbürgisch-sächsische Identität Voraussetzung für eine sich voll entfaltende Persönlichkeit. Es war ein Heimattag der gelebten Identität und der Jugend, die voller Stolz und mit Leichtigkeit mitmachte. er Heimattag stand im Zeichen des D Erinnerns an die Russlanddeportation vor 70 Jahren sowie der 30-jährigen Partnerschaft zwischen Dinkelsbühl und dem Verband der Siebenbürger Sachsen. In einer Gedenkveranstaltung am 23. Mai erinnerte Peter Leber, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben, an die rund 120.000 Deutschen aus Südosteuropa, die im Januar 1945 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert worden waren. Aus Siebenbürgen, dem Banat und anderen Teilen Rumäniens waren es über 70.000 Deutsche, von denen fast 15.000 ihr Leben lassen mussten. Die Reihen der Zeitzeugen hätten sich immer weiter gelichtet, es gelte, das Vermächtnis der ehemaligen Deportierten anzunehmen, betonte Leber. Für eine Weiterentwicklung der Kultur und sozialen Identität sprach sich der Weit über 3000 Trachtenträger nahmen am Festumzug teil, darunter 13 Brautpaare, hier jenes von der Heimatortsgruppe Rode aus dem Zwischenkokelgebiet. BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius am 24. Mai in seiner Festansprache aus. Er bekundete seine Freude über die sehr vielen jungen Menschen, die am farbenprächtigen Festumzug teilgenommen haben. Identität lohne sich für die Gemeinschaft und für jeden Einzelnen, „weil jeder von uns tief in seinem Herzen einen siebenbürgischen Schatz trägt“. Fabritius zeigte sich dankbar für die vielen Mitstreiter und Fürsprecher, die die Siebenbürger Sachsen in der Gesellschaft finden, stellte aber auch eine Reihe von Forderungen an Deutschland und Rumänien, um die Kultur zu fördern, Zwangsarbeiter zu entschädigen oder enteignetes Vermögen zurückzugeben. Barbara Stamm, Präsidentin des Bayerischen Landtags, würdigte in ihrer Festrede den Beitrag des landsmannschaftlichen Verbandes zum Erhalt und zur Weitergabe der siebenbürgisch-sächsischen Kultur an die junge Generation. Es sei Aufgabe der Politik, diese deutsche Kultur zu unterstützen: „Bayern war, ist und bleibt der verlässliche Partner der Siebenbürger Sachsen.“ Die CSU-Politikerin zeigte sich zuversichtlich, dass Klaus Johannis seinen Gestaltungsspielraum als Präsident Rumäniens weiterhin bestmöglich nutzen und noch sehr viel Positives für sein Land bewirken werde. Wie sich die Identität der Siebenbürger Sachsen im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat und doch im Wesen erhalten geblieben ist, zeigte Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, auf. Überall in der Welt, ob in Siebenbürgen oder in anderen Ländern lebend, hätten sich die Siebenbürger Sachsen vielfach behauptet, integriert, ohne auf ihre Identität zu verzichten. Herausragendes Beispiel sei Klaus Johannis. Dr. Christoph Hammer, Oberbürgermeister der Stadt Dinkelsbühl, erinnerte bei der Eröffnung des Heimattages am Pfingstsamstag an die Partnerschaft zwischen der Stadt Dinkelsbühl und der Schuster (1); Bruss (1); Buchner (1) DOD 03/2015 Landsmannschaft, die am 25. Mai 1985 vereinbart worden war, um „die gewachsenen Beziehungen zu festigen und zu fördern“. Das Ziel sei allen bestens gelungen. „Patenminister“ Thorsten Klute, Staatssekretär für Integration im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, würdigte den Geist der Versöhnung, der den Heimattag trage und der sich täglich in der Arbeit der Siebenbürger Sachsen zeige. Seitens des Landes Nordrhein-Westfalen, das 1957 die Patenschaft für die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen übernommen hatte, sicherte der SPD-Politiker zu: „Wir möchten gerne Ihre Partner bleiben und sein.“ Der Präsident des Hessischen Landtags, Norbert Kartmann, betonte, dass die Siebenbürger Sachsen als ein Teil der Heimatvertriebenen mit der Charta der Heimatvertriebenen von 1952 ein Bekenntnis zum Frieden in Europa abgelegt hätten, und das kurz nach ihrer Befreiung. Das sei eine großartige Leistung, die den Friedensnobelpreis verdient habe, sagte der CDU-Politiker. Grüße von Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis übermittelte dessen Berater für Kultur, Sergiu Nistor. Er würdigte die siebenbürgisch-sächsische Zivilisation als Vorbild für Europa und „originelles Paradigma der Wahrnehmung des Kulturerbes als Ursprungs- und Entwicklungsmodell“. Das multikulturelle Erbe Siebenbürgens bezeichnete Präsidialberater Sergiu Nistor als großen Segen für Rumänien und einen Schatz, der beim Kultur 29 Festredner und Ehrengäste auf dem Weg zur Tribüne, erste Reihe, von links: Dr. Peter Boehm, Vizeaußenminister Kanadas, BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius, Bayerns Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Forumsvorsitzender Dr. Paul Jürgen Porr und Dinkelsbühls Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer. Heimattag in Dinkelsbühl „in seiner ganzen Lebendigkeit zum Ausdruck gebracht“ werde. Dr. Peter Boehm, Staatssekretär im kanadischen Außenministerium, Vizeaußenminister Kanadas, übermittelte ein Grußwort seitens der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada. Er stellte erfreut fest: „Wir vom siebenbürgisch-sächsischen Stamm sind doch wirklich überall zu finden, wir leben und arbeiten in Dinkelsbühl, in Ottawa, im Hessischen Landtag, in Cleveland, Drabenderhöhe, auf der Rockbühne oder auch im Präsidentenpalast in Bukarest. Die Jugend begeisterte das Publikum beim Heimattag in Dinkelsbühl, wie bei der Volkstanzveranstaltung vor der Schranne am Pfingstsonntag. Für uns zahlt es sich aus, eine eigene Identität zu haben!“ Werner Hans Lauk, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, verwies auf eine Initiative des Deutschen Bundestages, die die Situation der Lehrkräfte im deutschsprachigen Schulwesen Rumäniens verbessern soll, und rief die Siebenbürger Sachsen auf, sich als Lehrkräfte in Rumänien zu engagieren. Zum niveauvollen Programm des Heimattages gehörten u.a. Ausstellungen, Konzerte, Tanzveranstaltungen, die Podiumsdiskussion zum Thema „Repräsentation und Interessenvertretung“ und – als kultureller Höhepunkt – die Preisverleihungen am Pfingstsonntag in der St.-Pauls-Kirche. Der SiebenbürgischSächsische Kulturpreis 2015 ging an den Musiker Peter Maffay (in Abwesenheit) und den Theologen, Kulturhistoriker und Politiker Prof. Dr. Dres. h.c. Paul Philippi. Mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis wurde der Deutschsprachige Studentenverein Gutenberg Klausenburg ausgezeichnet. Die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland gestaltete in bewährter Weise die Volkstanzveranstaltung „Aus Tradition und Liebe zum Tanz“, präsentierte den Nachwuchs in der Schranne und zeichnete verantwortlich für die Sportturniere, beste Partystimmung im Festzelt und vieles mehr. Siegbert Bruss 30 Kultur DOD 03/2015 Flucht,Vertreibung, Deportation Symposium des Zentrum gegen Vertreibungen und der KAS Als Vorstandsmitglied der KonradAdenauer-Stiftung (KAS) begrüßte der Vorsitzende der CDU/CSUFraktion im Deutschen Bundestag Volker Kauder MdB am 9. Juni 2015 in Berlin ein zahlreiches und interessiertes Publikum zu dem gemeinsam von der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen (ZgV) und der KAS organisierten Symposium „Flucht, Vertreibung, Deportation – Das Schicksal der Deutschen im Osten nach dem Ende das Zweiten Weltkrieges“. Unter den Besuchern waren viele Zeitzeugen. seinen Eröffnungsworten rief KauItennderErinnerung zu einer ehrlichen und ungeteilan die Vertreibungen am Ende des von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieges auf. Heute könne man unbefangener darüber sprechen, dass auch Millionen Deutsche Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden seien. „Menschenrechte sind nicht teilbar!“, erklärte Kauder und machte deutlich, dass dies auch vor dem Hintergrund der heutigen Situation von Flucht und Vertreibung gelte. Die ZgV-Vorsitzende Erika Steinbach MdB betonte in ihrer Ansprache, gerade wegen des Schicksals der Deutschen im Osten müsse das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren richtig eingeordnet werden: „Der 8. Mai 1945, dessen landauf und landab gedacht wurde – und mit Recht gedacht wurde –, ist eines der Schlüsseldaten der Geschichte des 20. Jahrhunderts. An diesem Tage endete die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten über Deutschland, über weite Teile Europas, und es endete der fürchterlichste Krieg, den die Welt bis dahin durchlitten hatte. Und dennoch ist der fast euphorische und knappe Satz ‚Tag der Befreiung‘ ein Ausblenden der millionenfachen Menschenrechts- Schlussrede des BdV-Präsidenten (Bühne v.l.n.r.): Dr. Bernd Fabritius MdB, Prof. Dr. Dr. h.c. Horst Möller, Milan Horáček, Sven Felix Kellerhoff, Freya Klier und Erzbischof Dr. Robert Zollitsch. verletzungen auch nach diesem Tag.“ Mit Hilfe vieler ausländischer Stimmen aus Literatur und Wissenschaft, darunter etwa Lew Kopelew und Norman Naimark, zeigte Steinbach, dass für viele Menschen – Flüchtlinge, Vertriebene, Zwangsarbeiter, aber auch die Bewohner der ehemaligen SBZ/DDR und vieler Länder Osteuropas – mit dem 8. Mai 1945 und der anbrechenden kommunistischen Diktatur neues Leid begann. Für all jene müsse doch die Reduzierung dieses Tages auf einen „Tag der Befreiung“ wie ein Hohn wirken, so Steinbach. Auch daher gehe es dem ZgV darum, an die Ereignisse danach – an Flucht, Vertreibung und Deportation – als Teil der gesamtdeutschen Geschichte zu erinnern. Prof. Dr. Dr. h.c. Horst Möller, ehemaliger Direktor des Institutes für Zeitgeschichte (IfZ) und BdV-Ehrenplakettenträger des Jahres 2013, nahm Erika Steinbachs Argumentation auf und sagte, dass das seit der Formulierung von Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1985 immer prominenter gewordene Schlagwort „Tag der Befreiung“ im Hinblick auf seine Entstehungsgeschichte nur eingeschränkt Geltung besitze. Zwar sei überall Erleichterung darüber spürbar gewesen, dass der furchtbare Krieg zu Ende sei, aber gerade im Hinblick auf die „Befreiung“ unterscheide sich die konkrete „Erfahrung der damals Lebenden fundamental von derjenigen heutiger Generationen.“ Aus einem faktenreichen und historisch fundierten Vortrag über viele Aspekte von Flucht, Vertreibung und Deportation während und nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er Täter und Opfer auf allen Seiten klar benannte, leitete Professor Möller am Ende Schlussfolgerungen ab, aus denen die Bedeutung der Vertreibung der Deutschen als „insgesamt geplanter und vorsätzlicher Vorgang, der gegen das Völkerrecht verstieß“, deutlich wurde. Daher sei es notwendig, die deutsche Erinnerungskultur BdV-Archiv (2) DOD 03/2015 aus ihrer Einseitigkeit zu lösen, um auch den eigenen Opfern darin Raum zu geben. Dies bedeute keinesfalls eine Relativierung der singulären deutschen Verbrechen, etwa an den europäischen Juden. Professor Möllers Ausführungen folgend, benutzte Welt-Redakteur Sven Felix Kellerhoff ein Selbstzitat, um auf die anschließende, von ihm moderierte Podiumsdiskussion hinzuführen: „Glaubwürdig der Opfer anderer Völker gedenken kann nur, wer auch an die unschuldigen Opfer des eigenen Volkes erinnert“, habe er schon im Jahr 2000 über die Vertreibung der Deutschen geschrieben. Kellerhoff bat die Podiumsgäste um eine Stellungnahme zu dieser These. Der emeritierte Freiburger Erzbischof Dr. Robert Zollitsch konnte hierzu aus seiner eigenen Familiengeschichte antworten: Geboren 1938 im jugoslawischen Filipowa – in der Batschka – und einer der dortigen donauschwäbischen Familie entstammend, habe er 1944 miterleben müssen, wie 212 deutschstämmige Einwohner von der sogenannten Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee ermordet worden seien – darunter sein zehn Jahre älterer Bruder. Er selbst sei mit seiner Großmutter und drei Cousinen 1945 in Titos größtes Vernichtungslager im damaligen Gakowa gebracht worden, von wo dann die Flucht nach Deutschland gelungen sei. Erst 60 Jahre später habe Zollitsch seinen Heimatort wiedergesehen, sei aber wie viele andere als „Brückenbauer“ gekommen, der zwar auch über seine Erlebnisse gesprochen habe, nicht jedoch, um mit den heutigen Bewohnern „abzurechnen“. Über diese Brücken der Verständigung seien die europäische Integration des heutigen Serbien und später auch die heilsame Aufarbeitung der damaligen Verbrechen vorangekommen. Thematisierung des Erlebten Wie wichtig Erinnerung, Begegnung und Thematisierung des Erlebten gerade für die traumatisierten Opfer ist, betonte auch die Autorin, Regisseurin und ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier. Mit ihrem Dokumentarfilm und späteren Buchprojekt „Verschleppt bis ans Ende der Welt“ habe sie schon 1993 ein Tabu gebrochen, indem sie mit zehn Kultur Die Vorsitzende der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen Erika Steinbach MdB. deutschen Frauen, die das Glück hatten, aus der sowjetischen Zwangsarbeit nach Deutschland zurückzukehren, nach Russland gereist sei. Am Ort ihres größten Leids und im Gespräch mit den dort lebenden Russen hätten einige der Frauen erstmals offen über ihr Schicksal sprechen können. Für viele habe dies das Ende jahrzehntelanger Albträume bedeutet. Ähnliches habe Klier auch im Hinblick auf die vertriebenen Kinder erlebt, deren Erinnerungen sie ihr zuletzt erschienenes Buch „Wir letzten Kinder Ostpreußens“ gewidmet habe. Milan Horáček, der kurz nach dem Krieg in der damaligen Tschechoslowakei geboren wurde, im Zuge der Ereignisse des Prager Frühlings 1968 in die Bundesrepublik Deutschland floh, später Gründungsmitglied der Grünen, Bundestags- sowie Europaabgeordneter war und seit 2014 BdV-Präsidialmitglied ist, ging nochmals auf die auch von Erika Steinbach thematisierte kommunistische Diktatur über halb Europa ein. Im Hinblick auf die Tschechische Republik könne man aufgrund der Ereignisse von 1918, 1938 und 1968 von der Traumatisierung eines ganzen Landes sprechen, erklärte er. Horáček selbst habe erlebt, wie sein Heimatland „über Nacht von 5.000 Panzern und 500.000 sowjetischen Soldaten besetzt wurde.“ Auch dadurch komme die Auseinandersetzung mit eigener Schuld in der Tschechischen Republik nur langsam voran. Umso wichtiger sei das volksdiplomati- 31 sche Engagement der Sudetendeutschen für die deutsch-tschechische Verständigung. Wenn der Stadtrat von Brünn zuletzt für den Brünner Todesmarsch um Vergebung gebeten habe, sei dies das Resultat einer Entwicklung mindestens über die letzten 15 Jahre. Für ein angemessenes Gedenken an erlittenes Unrecht sei eine genaue historische Aufarbeitung unbedingt notwendig, verdeutlichte Professor Möller, der auch Podiumsteilnehmer war. Hierfür seien Zeitzeugenberichte unersetzbare Dokumente, die jedoch immer durch wissenschaftliche Forschung ergänzt werden müssten, erklärte er. Dies zeige schon das aus den Stellungnahmen deutlich gewordene Phänomen, dass viele Menschen lange Zeit nicht in der Lage seien, über ihre Erlebnisse zu sprechen. In einem eindringlichen Schlusswort mahnte BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB, dass eben jene vielen, zum Teil auch im Symposium zu Tage getretenen Einzelschicksale von Flucht, Vertreibung und Deportation nicht in Vergessenheit geraten dürften. Auch sein Großvater sei als Siebenbürger Sachse und Soldat der rumänischen Armee nach Russland zur Zwangsarbeit deportiert worden. Dies habe das Familienleben nachhaltig geprägt. Achtung vor den Opfern „Warum nur tut sich die deutsche Gesellschaft bis heute so schwer damit, historische Wahrheit als solche zu benennen?“, fragte der BdV-Präsident und versicherte, dass es nicht darum gehe, das eine Leid am anderen zu messen oder gar zu relativieren. Zwar gebe es in Deutschland bereits Erinnerungsorte, Museen und Mahnmäler für Flucht und Vertreibung wie etwa die „Ewige Flamme“ am Berliner Theodor-HeussPlatz, doch sei es „sowohl zur Mahnung an kommende Generationen als auch aus Achtung vor den Opfern notwendig, über kurz oder lang einen unumstrittenen, angemessenen und würdigen Rahmen für diesen Teil unserer Kollektiverinnerung zu definieren.“ „Das Vergangene zeigt heute mehr denn je, wie wichtig es ist, Krieg und Gewalt zu verhindern, Menschenrechte zu achten – gestern wie heute“, schloss Fabritius. Marc-P. Halatsch 32 Kultur DOD 03/2015 Die ehemalige preußische Rheinprovinz Auftaktveranstaltung zum „Preußensommer im Siebengebirge“ in Haus Schlesien Fakt ist, dass vor 200 Jahren das Rheinland beim Wiener Kongress Preußen zugesprochen wurde. Damit begann eine intensive politische, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Beziehung zwischen der Rheinprovinz und dem preußischen Kernland. In Anlehnung an dieses historische Ereignis fanden und finden im Preußenjahr 2015 insgesamt rund 450 Veranstaltungen unter dem Motto „Danke Berlin – 200 Jahre Preußen am Rhein“ statt. Das Projekt steht unter der Schirmherrschaft der Ministerpräsidentinnen der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, Hannelore Kraft und Malu Dreyer. as vom Ministerium für Familie, D Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen sowie vom Landschaftsverband Rheinland und der NRW-Stiftung geförderte Projekt bezieht sich auf eine historische Beziehung mit Folgen. Der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz stellte gemeinsam mit Kooperationspartnern ein umfangreiches Programm zusammen, das im gesamten Gebiet der ehemaligen preußischen Rheinprovinz und auch in Berlin an die 200-jährige Beziehung zwischen Preußen und Rheinländern erinnert. Das große Finale wird am 18. Oktober im Rahmen eines Bürgerfestes auf der Preußenfestung Ehrenbreitstein in Koblenz stattfinden. Ziel des Projektes ist, das weitgehend negative Bild zu durchbrechen, das in der Region von der Preußen-Herrschaft festzustellen ist. Tagung mit Daten und Fakten Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott hat Ende Mai – als Initiator und Gastgeber – gemeinsam mit Kulturpartnern aus der Region eine Tagung zum „Preußensommer im Siebengebirge“ bestritten. Unter dem Titel „Das Rheinland – Preußens unbequeme Provinz“ beteiligten sich u.a. das Siebengebirgsmuseum Königswinter, der Verschönerungsverein Siebengebirge, die Stiftung Konrad-Adenauer-Haus, das Brückenhofmuseum, die Volkshochschule Siebengebirge und Haus Schlesien an der Veranstaltung. Die rund 60 Teilnehmer wohnten nicht nur einem interessanten Vortragsprogramm bei, sondern sie besuchten auch eine thematische Ausstellung im Siebengebirgsmuseum Königswinter, sie unternahmen eine Wanderung auf preußischen Spuren im Siebengebirge und lauschten dem Großen Zapfenstreich im Hof von Haus Schlesien. Dr. Albrecht Tyrell, Vizepräsident des Vereins Haus Schlesien e.V., und Nicola Remig, Leiterin des Dokumentationsund Informationszentrums für schlesische Landeskunde, führten in das zweitägige Tagungsprogramm ein und hoben die Gemeinsamkeiten zwischen dem Rheinland und Schlesien in Bezug auf das Thema „Preußen“ hervor. Während Schlesien seit Mitte des 18. Jahrhunderts preußische Provinz war, wurde das Rheinland erst 1815 nach dem Wiener Kongress und der Neuordnung Europas Preußen zugeschlagen. Beide Regionen haben die Zugehörigkeit nicht freiwillig gewählt. Die engen Verflechtungen führten auch zu einer erkennbaren Abwanderung aus Schlesien in Richtung Rheinland. Die Historikerin Dr. Inge Steinsträßer beschrieb in ihrem Referat unter dem Titel „Das Rheinland – Preußens ungeliebte Provinz“ mit Daten und Fakten die Situation, die die Preußen im Rheinland vorfanden und sie zeigte auch die wichtigsten Entwicklungsetappen auf: „Als der Wiener Kongress 1815 die Preußische Provinzen im Rheinland. Grenzen in Europa neu ordnete, wurden Rheinland und Westfalen Teil der preußischen Monarchie. Weder entsprach dies dem Wunsch der preußischen Regierung, noch war die Bevölkerung dazu befragt worden. Wahrscheinlich hätte sie dies sogar mehrheitlich abgelehnt. … Ohne die beiden neuen Provinzen Rheinland und Westfalen hätte Preußen nicht zur stärksten Wirtschaftsmacht in Mitteleuropa aufsteigen können.“ Dr. Steinsträßer schlussfolgerte: „Gerade im Rheinland lässt sich der Übergang vom ‚weichen‘ zum ‚harten‘ Stil in der Integrationspolitik feststellen. Dies brachte die von Anfang an vorhandenen Vorbehalte gegen Preußen verstärkt zum Ausdruck.“ Über die ambivalente Rolle, die Preußen im Leben Konrad Adenauers spielte, sprach Dr. Holger Löttel von der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus. In seinem Vortrag „Konrad Adenauer – ein Göllner (2) DOD 03/2015 Kultur 33 Preuße wider Willen?“ betonte Dr. Löttel abschließend: „Unter dem Eindruck von Diktatur und Krieg wandelte sich Adenauer, der alte Mann, jedoch zu einem Preußenkritiker, wobei seine Kritik am preußischen Staatsgedanken auch als Chiffre für seine Menschenskepsis insgesamt verstanden werden kann.“ Preußische Spuren im Rheinland Silke Findeisen vom Haus Schlesien stellte in ihrem Vortrag „Auf Preußen gebaut. Schlesische Architekten im Rheinland“ Spuren des Wirkens bekannter Baumeister im Rheinland des 19. Jahrhunderts vor. Erwähnung fand u.a. der Oberschlesier Ernst Friedrich Zwirner, der die Fertigstellung des Kölner Domes vorantrieb und markante Gebäude wie die Appolinariskirche in Remagen und Schloss Arenfels am Rhein schuf. Klaus Breuer vom Verschönerungsverein für das Siebengebirge (VVS) hob „Die Bedeutung Preußens für die Rettung des Siebengebirges durch den VVS“ hervor. Gerhard Fieberg vom Brückenhofmuseum zeigte in seinem Beitrag „Preußen und der rheinische Karneval“ Aspekte der Auseinandersetzungen zwischen Preußen und Rheinländern auf. Elmar Scheuren, der Leiter des Siebengebirgsmuseums Königswinter, präsen- „Das Rheinland – Preußens unbequeme Provinz“ war die Tagung im Haus Schlesien überschrieben. tierte Schwerpunkte der im Rahmen des Projektes „Danke Berlin“ eröffneten Ausstellung „Preußenadler über dem Rhein. Eine Spurensuche rund um den Drachenfels“. Mehr als 20 Denkmäler, öffentliche und private Bauten sowie markante Schauplätze veranschaulichen das preußische Streben nach Präsenz im Rheinland. Wer sein Wissen rund um die Ausstellung „Preußenadler über dem Rhein“ vertiefen möchte, findet im reich illustrierten Begleitbuch detaillierte Informationen. Auch weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Siebengebirgsmuseums boten thematische Vorträge im Rahmen des Preußen-Seminars. Dr. Irene Haberland widmete ihren Vortrag dem Thema „Preußische Burgen am Rhein“, Sandra Laute sprach über „Protestanten am Fuß des Drachenfels“ und Dr. Elmar Heinen erläuterte Aspekte der „Rechtsprechung im preußischen Rheinland.“ Ein Höhepunkt des Programms war für viele Beteiligte der Große Zapfenstreich. Das Zeremoniell wurde vom Musikzug Bergklänge Heisterbacherrott, vom Spielmannszug TV Eiche Bad Honnef 1912 e.V. und von der Ehrengarde der Stadt Bonn bestritten. DG Brachert-Museum wurde modernisiert Nach Fassade auch die Ausstellung im Inneren des Hauses neu konzipiert worden Georgenswalde/Ostpr. (dod) Vor 125 Jahren wurde der berühmte Bildhauer Hermann Brachert geboren. Bekannt wurde er durch seine Arbeiten, mit denen viele Häuser in Königsberg und anderen ostpreußischen Städten ausgeschmückt worden waren. In Rauschen sind seine Skulpturen „Wasserträgerin“ und „Nymphe“ zu bewundern. Im Königsberger Gebiet gibt es in Georgenswalde/Otradnoje ein Hermann-Brachert-Museum in der Nähe von Rauschen. Es ist im ehemaligen Landhaus der Familie Brachert untergebracht, das im Jahr 1931 gebaut wurde. Zwischen 1992 und 1993 hat man das Haus zum Museum umgebaut, das 1993 eröffnet wurde. Das kleine Haus mit einer Gesamtfläche von 140 Quadratmetern steht auf einem überschaubaren, 350 Quadratmeter kleinen Grundstück. Seit seiner Gründung war das Museumsgebäude nicht mehr renoviert worden, erst mit dem verbesserten Status war es möglich, das Museum einer umfassenden Erneuerung zu unterziehen. Zunächst wurde die Fassade renoviert, danach folgten die Räume im Inneren. Die Exponate in den Ausstellungsräumen wurden neu arrangiert. Die Museumsleitung arbeitet derzeit an einem Konzept zur weiteren Entwicklung der Einrichtung. Dazu soll auch das Museumsgelände in einen verbesserten Zustand gebracht und die Exponate im Freien neu angeordnet werden. Und, wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, ist es äußerst wichtig, die kulturelle Einrichtung bei Touristen, aber auch den Bewohnern des Königsberger Gebiets, bekannt zu machen. Bisher war es nicht einfach, das Museum zu finden, da Hinweisschilder fehlten. Wer das Museum besuchen wollte, musste sich dorthin durchfragen. Doch selbst viele Bewohner in Georgenswalde wussten nichts von der Existenz des Museums. Bleibt zu hoffen, dass das Haus bald einen größeren Besucherandrang auch von Bewohnern des Ortes erwarten darf. Jurij Tschernyschew 34 Nachrichten DOD 03/2015 „Zwischen Hurrapatriotismus und Friedenssehnsucht“ Schlesisches Museum zu Görlitz zeigt Krieg aus der Sicht von Künstlern Görlitz. (dod) Die neue Sonderausstellung im Schlesischen Museum zu Görlitz (SMG) trägt den Titel „Kunst zur Kriegszeit 1914-1918. Künstler aus Schlesien zwischen Hurrapatriotismus und Friedenssehnsucht“. Die gezeigten Kunstwerke berichten anschaulich sowohl von der anfänglichen Kriegsbegeisterung der Menschen, wie auch von ihren Ängsten und schrecklichen Erfahrungen, die ab 1916 zum Ruf nach Frieden führten. Gezeigt werden rund 200 Exponate von Künstlern, die in Schlesien tätig waren oder auf andere Weise mit Schlesien in Verbindung standen. Bei einem Rundgang durch die Schau wird deutlich, dass zu den schlesischen Künst- lern im Ersten Weltkrieg nicht nur bekannte Namen wie Ludwig Meidner, Willy Jaeckel und Willibald Krain gehören, die mit ihren Antikriegsmappen schon zur Kriegszeit überregional auf sich aufmerksam machten, sondern ebenso der in Bres-lau tätige Akademieprofessor Max Wislicenus (1861-1957) oder der jüdische Nachwuchskünstler Heinrich Tischler (1892-1938). Ab 1915 entwarfen Wislicenus und Tischler mehrere Bilderfolgen, die im Mittelpunkt der Sonderausstellung stehen. Hinzu kommen Beiträge von insgesamt 26 Künstlern, die ihre Eindrücke zur Kriegspropaganda und zum Kriegserlebnis kreativ verarbeitet haben. Das Görlitzer Museum griff in diesem Jahr aufgrund einer Schenkung von 12 Gemälden durch den Förderverein des Museums und von privater Seite die Kriegsthematik mit Beiträgen aus INFO Von November 2015 bis Juni 2016 ist im Schlesischen Museum zu Görlitz eine neue Ausstellung geplant, für die Erinnerungsstücke und Erzählungen von Bürgern aus Görlitz und Zgorzelec aus den Jahren 1945 bis 1948 gesucht werden. Mit Informationen, Berichten und Gegenständen von Privatpersonen und Institutionen möchte das Haus eine Ausstellung und eine Internetpräsentation entstehen lassen, in der die Erinnerungen an die Nachkriegszeit in Görlitz-Zgorzelec und Umgebung gebührende Erwähnung finden. Kontakt: Schlesisches Museum Görlitz, Dr. Martina Pietsch, Tel. 03581 / 8791-132, Untermarkt 4, 02826 Görlitz, E-Mail: [email protected], www.schlesisches-museum.de Max Wislicenus: Friedhof von Inowłódz, Ostfront, um 1915. Schlesien erneut auf. Die Werke sind Teil einer umfangreichen Dokumentation von Max Wislicenus über den Kriegsschauplatz RussischPolen. Der Maler war bei Kriegsausbruch 53 Jahre alt und wurde in der schlesischen Metropole für seine Malerei und dekorativen Textilkunstentwürfe im Geschmack des Historismus und Jugendstil geschätzt. Bereits 1915 präsentierte Wislicenus auf einer Breslauer Ausstellung seine ersten Bilder. Der Blick des Malers galt vor allem denen, die der Krieg zu Flüchtlingen, Bettlern und Obdachlosen gemacht hatte. Seine Bilder sind damit ein wichtiger Beitrag zum deutschen Blick auf Polen. Der 22-jährige Heinrich Tischler wiederum, der bei Kriegsausbruch an der Breslauer Akademie Architektur und Malerei studierte und den gesamten Krieg über im Einsatz war, entwarf mehrere Mappenwerke zum Kriegsge- schehen. Eine Mappe zeigt Szenen des Krieges, aus denen hervorgeht, wie sehr sich der junge Künstler bereits 1915 als machtlose anonyme Spielfigur inmitten der gigantischen Kriegsmaschinerie erlebte. Es folgten die Mappenwerke „Gebete“ und „Menschen“, die den Wunsch nach Frieden und Halt in einer auseinanderbrechenden Welt veranschaulichen. Die Ausstellung im SMG ist bis zum 31. Oktober 2015 zu besichtigen. Ein reich bebilderter Begleitband enthält Texte in deutscher und polnischer Sprache. Ausstellung und Katalog wurden durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und durch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst sowie durch eine Projektförderung seitens des Sächsischen Staatsministeriums des Innern gefördert. D.G. Göllner (2) Nachrichten DOD 03/2015 35 Aktualisierung, Modernisierung, Erweiterung Veranstaltungshinweise aus den Museen und Institutionen Umgestaltung Das Donauschwäbische Zentralmuseum Ulm versteht sich als Vermittlungsinstanz zwischen wissenschaftlichem Anspruch, dem Erfahrungsschatz der Erlebnisgeneration und den Bedürfnissen des Publikums. Das im Jahr 2000 eröffnete Haus ist eine kulturelle Bildungseinrichtung, die ihre Inhalte auf eine populäre und unterhaltende Art und Weise vermitteln will. Es wendet sich gerade auch an diejenigen, die bisher keine oder nur wenige Kenntnisse über die Donauregion und die Donauschwaben haben. Am 22. Juni 2015 beschloss der Stiftungsrat ein Eckpunk- tepapier, nach dem die permanente Ausstellung aktualisiert und zusätzlich ein neuer Rundgang zur Kulturgeschichte der Donau entstehen soll. Der Vorsitzende des Stiftungsrats, Innenminister Reinhold Gall MdL, erklärte, er halte es für richtig, dass man mit einem weiteren Rundgang den Donauraum insgesamt im Museum stärker in den Fokus rücken wird. Dabei müsse auch an neue Formen der kulturellen Bildung und deren Vermittlung gedacht werden. Die Vorstandsvorsitzende, Bürgermeisterin Iris Mann, sieht in einer Überarbeitung vor allem die Chance, das Haus mit neuen Themen für weitere Zielgruppen noch attraktiver zu machen. So soll auch die Geschichte der Donauschifffahrt stärker berücksichtigt werden. Schließlich waren es die Ulmer Schiffleute, die die Auswanderer vor 300 Jahren auf ihren Ulmer Schachteln bis nach Ungarn transportierten. Herzstück des Museum ist und bleibt die Darstellung der donauschwäbischen Geschichte von der Auswanderung im 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Durch die Umgestaltung soll ein neuer Parallelrundgang zu den großen Themenräumen entstehen, der das Leitthema „Donau“ facettenhaft beleuchten wird. Zusätzlich soll das Museum aktuelle länderkundliche und touristische Aspekte verstärkt aufgreifen und diese mit Exponaten aus der Sammlung des Hauses veranschaulichen. Nach dem grundsätzlichen Beschluss des Stiftungsrates wird das Team um Direktor Christian Glass zusammen mit dem wissenschaftlichen Beirat eine Detailkonzeption erarbeiten, so dass sich das Museum zum 20-jährigen Jubiläum im Jahr 2020 mit der aktualisierten und modifizierten Dauerausstellung präsentieren kann. Erweiterung Das Ostpreußische Landesmuseum von Lüneburg vermeldet, dass – während die Ausstellungen wegen der Umbau- und Anbaumaßnah- Sonderausstellung im Haus Schlesien: „Der Weg ins Ungewisse – Vertreibung aus und nach Schlesien 1945-1947“. men noch für mehrere Monate geschlossen sind – die Verwaltung bereits in die Obergeschosse eines neu hergerichteten, 500 Jahre alten Baudenkmals, dem so genannte Scharffschen Haus, umgezogen ist. Ab sofort befindet sich der Eingang direkt in der historischen Altstadt Lüneburgs. Auch das Erdgeschoss wird sich demnächst mit Leben füllen, voraussichtlich noch im Juli soll das Museumscafé eröffnen. Bis das Museum seine Ausstellungsräume wieder eröffnet, werden noch einige Monate vergehen. Der Neubau im Innenhof, der zukünftig als zentrales Eingangsgebäude dienen wird, geht zügig voran. Parallel erfolgen vorbereitende Maßnahmen für die 2.000 Quadratmeter große Dauerausstellung sowie die „Deutschbaltische Abteilung“ als wesentlicher, völlig neuer Aufgabenbereich. Mit einem modernen Vortragssaal, schöneren und größeren Räumen für Sonderausstellungen und Museumspädagogik sowie vielen Überraschungen wird das Museum zukünftig noch attraktiver für Besucher jeden Alters sein. Die neue Adresse lautet: Heiligengeiststraße 38, 21335 Lüneburg. Integration und Ferienexpress Um das Thema der Integration der Vertriebenen in Deutschland geht es in der bis zum 20. September geöffneten Sonderausstellung „Angekommen“ im DZM 36 Ulm. Die von der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen ausgerichtete und vom Bund der Vertriebenen präsentierte Schau erinnert an Aspekte des langen und schwierigen Weges der Heimatvertriebenen bis hin zum „Integrationswunder“. Das DZM ergänzt die Wanderausstellung um Exponate aus der eigenen Sammlung, die sich u.a. auf donauschwäbische Erfahrungen vom Ankom- men in Ulm und Umgebung, aber auch auf die Entstehung donauschwäbischer Hilfsorganisationen und politischer Interessensvertretungen beziehen. Zur Eröffnungsveranstaltung vgl. S. 42 dieses Hefts. Das DZM lädt am 18 Juli in Ulm und Neu-Ulm lebende Flüchtlinge, ihre Betreuer und ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer zu einem Begegnungstag unter dem Motto „Ankommen in Ulm. Flüchtlinge damals – Flüchtlinge heute“ ein. Vom 31. Juli bis zum 15. August bieten Ulmer und Neu-Ulmer Kultureinrichtungen Kindern zwischen 8 und 12 Jahren ein interessantes und spannendes Programm mit dem Titel „Ferienexpress“ an. Das DZM Ulm beteiligt sich am Projekt mit der Veranstaltung vom 12. August, die Erlebnisse unter dem Motto „Vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer“ verspricht. Kurische Nehrung und Surminski Trotz der Umbauarbeiten bietet das Ostpreußische Landesmuseum dem Publikum auch weiterhin interessante Programme an, die im kleineren Umfang und in Räumlichkeiten von Kooperationspart- Nachrichten nern bzw. bei anderen Kulturinstitutionen stattfinden. Bis zum 18. Juli 2015 ist im Lötzener Heimatmuseum in Neumünster die Sonderausstellung „Zwei Teile – ein Ganzes. Die Kurische Nehrung mit Maleraugen gesehen“ geöffnet. Ausgestellt sind die Ergebnisse einer Malreise mit der Lüneburger Künstlerin Gudrun Jakubeit im Juli 2014 auf die Kurische Nehrung. Im Muzeum Kultury Ludowej in Węgorzewo/Angerburg (Polen) ist bis zum 28. August 2015 eine Ausstellung zu sehen, die das Ostpreußische Landesmuseum im vergangenen Jahr dem 80. Geburtstag von Arno Surminski gewidmet hat. Die Wanderausstellung, die das Ostpreußische Landesmuseum in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat für Ostpreußen erstellt hat, schafft unter dem Titel „Erinnertes Leben – Gelebte Erinnerung“ einen umfangreichen Überblick über das Leben und Werk des gebürtigen ostpreußischen Literaten. Bis zum 2. August 2015 ist im Museum Stadt Königsberg in Duisburg die in Lüneburg erarbeitete Ausstellung „Alles brannte! – Jüdisches Leben und seine Zerstörung in den preußischen Provinzen Hannover und Ostpreußen“ zu sehen. Die Präsentation ermöglicht auf Grundlage zahlreicher bisher unveröffentlichter Dokumente erstmals einen vergleichenden Einblick in die jüdische Geschichte zweier deutscher Regionen. Beide Provinzen waren annähernd gleich groß, hatten kulturell und historisch bedeutende Hauptstädte: Hannover und Königsberg. Gezeigt werden die Situation der jüdischen Gemeinden bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten und ihre Verfolgung durch das neue Regime, die Pogromnacht am 9. November 1938 und die Auslöschung bis 1945. Die Ausstellung „Alles brannte!“ ist ein gemeinsames Projekt der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und des Ostpreußischen Landesmuseums Lüneburg in Zusammenarbeit mit dem Nordost-Institut/IKGN e. V. (Lüneburg). Noch bis 16. August 2015 ist ebenfalls im Duisburger Museum Stadt Königsberg eine Ausstellung über die Künstlerkolonie Nidden auf der Kurischen Nehrung „Zwischen Haff und Meer“ zu besichtigen. Ein wichtiger Teil der Arbeit des Museums Stadt Königsberg besteht in der Präsentation der kulturellen Leistungen der einstigen Hauptstadt der Provinz Ostpreußen, gerade auch in den weit überregional wirksamen Aspekten. Hierzu zählt nicht zuletzt die Künstlerkolonie Nidden, die einzigartig in den historischen deutschen Ostgebieten war und in einem engen Verhältnis zu dem Wirken der Königsberger Kunstakademie stand. Böhmen im Fokus Im Sudetendeutschen Haus München wird am 11. August die neue Ausstellung „Zerstörte jüdische Denkmäler in Nordböhmen 19381989“ eröffnet. Die deutschtschechische Schau der Gesellschaft zur Erneuerung von Denkmälern der Region von Úštěk/Auscha knüpft an die Präsentation „Vernichtete Kirchen in Nordböhmen 1945-1989“ an, die im Jahre 2012 im Sudetendeutschen Haus gezeigt wurde. Die durch die Sudetendeutsche Stiftung geförderte Ausstellung ist in München bis zum DOD 03/2015 25. September 2015 zu besichtigen. Dr. Zuzana Finger, die Heimatpflegerin der Sudetendeutschen, lädt vom 30. August bis zum 2. September 2015 zu einer Informationsreise nach Pilsen und ins westböhmische Umland ein. Ein wichtiger Aspekt der Reise ist die Begegnung mit M e n schen, die auch heute noch die Spuren der jahrhundertelangen deutschen Kulturgeschichte pflegen. Hinzu kommt, dass Pilsen als europäische Kulturhauptstadt 2015 eine besonders attraktives Reiseziel ist. Am Besichtigungsprogramm stehen u.a. Kloster Kladrau, Loreto in Haid, Kirchen in Bischofteinitz, Reithalle in Heiligen, der untergegangene Ort Wischkowitz und Museen in Pilsen. Internationaler Glaskunstpreis Die Ausstellung zum 8. Internationalen Glaskunstpreis der Stadt Rheinbach ist bis zum 26. September 2015 im Glaspavillon/Hans-Schmitz-Haus zu sehen. In diesem Jahr nahmen Schülerinnen und Schüler aus insgesamt neun Glasfachschulen aus dem Inund Ausland teil. Schirmherrin des Wettbewerbs ist die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters MdB. Die Fachjury hat die drei Gewinner bereits gekürt, die Preisverleihung findet in feierlichem Rahmen am 26. September statt. Bis zum 1. September haben DOD 03/2015 Besucher die Möglichkeit, für den Publikumspreis „Alexandra Bruns“ abzustimmen. Gedenkjahr 2015 Mit der Ausstellung „Mitgenommen – Heimat in Dingen“ erinnert das Haus des Deutschen Ostens München an 70 Jahre seit dem Kriegsende und dem Beginn von Flucht, Vertreibung und Deportation der Deutschen aus dem östlichen Europa. Im Fokus der Präsentation stehen Gegenstände, die im Flucht-, Vertreibungs- oder Aussiedlungsgepäck mitgenommen wurden und mit denen sich für ihre Besitzer bis heute eine ganz besondere Erinnerung verbindet. Ob es nun der Teddybär aus dem Rucksack eines kleinen Brünner Mädchens, der Blechteller aus dem Lager in Ungarn, die Truhe aus Karlsbad mit dem doppelten Boden oder die Schlüssel von „Zuhause“ in Oberschlesien sind – diese und viele andere Gegenstände der Ausstellung erinnern an die alte Heimat, an Flucht, Vertreibung, Deportation. Die Ausstellung erzählt bei- spielhaft von Schicksalen, wie sie auch heute noch von Krieg, Gewalt und Verfolgung bedrohte Menschen auf der ganzen Welt erleben müssen. Ein im Volk-Verlag erschienener Begleitband liegt vor. Die Ausstellung ist bis zum 9. Oktober zu besichtigen. Führungen, Zeitzeugengespräche Nachrichten und thematische Vorträge ergänzen die Präsentation. 70 Jahre nach Kriegsende ist es an der Zeit, gemeinsam an den Teil der deutsch-polnischen Nachkriegsgeschichte zu erinnern und Flucht, Zwangsumsiedlung und Heimatverlust aus der Perspektive beider Nationen darzustellen. Das hat sich das Museumsteam vom Dokumentations- und Informationszentrum für schlesische Landeskunde Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott vorgenommen und eine Ausstellung in Kooperation mit dem Muzeum Archeologiczno-Historyczne in Glogau und dem Museum in Neisse erarbeitet. Ziel der bis zum 24. Januar 2016 geöffneten Sonderausstellung „Der Weg ins Ungewisse – Vertreibung aus und nach Schlesien 19451947“ ist es, durch die Darstellung des Schicksals der vertriebenen Schlesier und der in Schlesien angesiedelten Polen dazu anzuregen, sich näher mit der Geschichte des Nachbarn zu befassen, seine Sichtweise und Erinnerung kennenzulernen und zu versuchen, sie zu verstehen. Hirschberger Spitzen und Bunzlauer Bis zum 16. Juli 2015 präsentiert das Schlesische Museum zu Görlitz im Nordhof „Hirschberger Spitzen aus den 1920er/30er Jahren“. Dank der großzügigen Unterstützung von Familie Dr. Hans-Joachim Vits hat das SMG eine umfangreiche Sammlung Hirschberger Spitzen erhalten. Nach der Übergabe an den Museumsdirektor Dr. Markus Bauer wird eine Auswahl dieser feinen Textilien für kurze Zeit der Öffentlichkeit gezeigt. Es sind Spitzen aus den 1920er und 1930er Jahren zu sehen, die in den Hirschberger „Schulen 37 Königin Victoria – The Lafayette Collection of Photographs, Photographic Studio Archive, Victoria & Albert Museum, London. für künstlerische Nadelarbeiten“ bzw. in den „Spitzenschulen der Fürstin von Pless“ angefertigt wurden. Während des traditionellen Schlesischen Tippelmarktes am 18. und 19. Juli können Besucher das SMG zum ermäßigten Eintrittspreis besichtigen. Bis zum 28. August ist im Nordhof „Keramik Bunzlauer Art von 1900 bis 1945“ zu sehen. Das Schlesische Museum zu Görlitz erhielt vor kurzem gemeinsam mit dem Muzeum Ceramiki w Bolesławcu (Keramikmuseum Bunzlau) eine Schenkung von rund 800 Keramiken des Sammlerpaares Kühn. In über 50 Jahren hatten Hans-Martin Kühn und seine Frau eine beachtliche Sammlung handwerklicher Keramik aus dem Bezirk Bunzlau und der Oberlausitz zusammengetragen. Fotografien vom Kostümball Am 26. Juli 2015 eröffnet das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen-Hösel die neue Sonderausstellung „Von Kleopatra bis Nelson. Kostümball zu Ehren des Diamantenen Thronjubiläums Königin Victorias“. Im Mittelpunkt stehen Fotografien aus dem Victoria & Albert Museum London. Mit solchen sel- tenen Schätzen europäischer Fotokunst setzt die Sonderschau die erfolgreiche institutionelle Zusammenarbeit mit dem Schlossmuseum Pless/ Pszczyna (MZP) fort. Die Präsentation ist in Ratingen bis zum 18. Oktober 2015 zu besichtigen. Dieter Göllner 38 Nachrichten DOD 03/2015 Patenschaft des Landes Hessen Ausdruck gelebter Solidarität Staatssekretär Dr. W. Dippel Festredner beim 25-jährigen Patenschaftsjubiläum Langenselbold. (dod) Die dreitägige Bundeskulturtagung der Landsmannschaft Weichsel-Warthe (LWW) in Langenselbold stand in diesem Jahr unter dem Leitwort „25 Jahre Patenschaft des Landes Hessen über die Landsmannschaft WeichselWarthe“. Bundessprecher Dr. Martin Sprungala gab vor rund 50 Te i l n e h merinnen und Teilnehmern seiner Freude darüber Ausdruck, als Festredner zum PatenschaftsJubiläum den Hessischen Staatssekretär für Soziales und Integration Herrn Dr. Wolfgang Dippel ebenso wie die Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler Margarete Ziegler-Raschdorf begrüßen zu können. Staatssekretär Dr. Dippel überbrachte die besten Grüße und Glückwünsche der Landesregierung und versprach dem Bundesverband die weitere ideelle und materielle Unterstützung: „Die seit 25 Jahren gepflegte Patenschaft über die Landsmannschaft Weichsel-Warthe sind wie auch die beiden weiteren Patenschaften des Landes Hessen zu einzelnen Vertriebenenverbänden und Landsmannschaften Ausdruck der gelebten Solidarität mit den Flüchtlingen und Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten“. In seiner Festansprache erinnerte der Staatssekretär daran, dass erst nach 40 Jahren ihres Bestehens die LWW mit dem Land Hessen einen Paten gefunden habe. Es habe mehrerer Anläufe bedurft, ehe am 11. Mai 1990 vom damaligen Ministerpräsidenten Walter Wallmann im Biebricher Schloss feierlich die Patenschaft begründet wurde. Damit erfuhr die LWW eine starke Unterstützung, verlegte ihre Bundesgeschäftsstelle von Hannover nach Wiesbaden und veranstaltet seither auch ihre Bundeskulturtagungen in Hessen. „Die Patenschaft unseres Landes ist ein Garant der Verantwortlichkeit für die Landsmannschaft. Wir stehen zu dieser Patenschaft und wollen sie auch künftig mit Leben erfüllen“ versicherte Staatssekretär Dr. Dippel zum Ende seiner Festrede. Auch die Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene Bei der Verleihung des Wappentellers der LWW (v.l.n.r.): Bundessprecher der LWW Dr. Martin Sprungala, Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf, stellv. Bundessprecherin Dr. Ursula Mechler, stellv. Bundessprecher Götz Urban. und Spätaussiedler Margarete Ziegler-Raschdorf überbrachte Im Laufe der Veranstaltung ihre herzlichsten Grüße und drückte ihre Verbundenheit zur LWW aus. Sie erinnerte an die regelmäßige ideelle und materielle Unterstützung, die die LWW durch das Land Hessen erfahre, weil man die Arbeit der LWW für wertvoll und wichtig erachte. „Die hervorragende und intensive Arbeit der LWW ist vorbildlich. Ich freue mich über das in den Jahrzehnten gewachsene Vertrauen und danke für die verlässliche Zusammenarbeit“, betonte sie. Das Land Hessen stehe an der Seite der Heimatvertriebenen. Dies werde durch den gerade auf dem Hessentag in Hofgeismar zum dritten Mal vergebenen Landespreis „Flucht, Vertreibung, Eingliederung“ ebenso sichtbar wie mit dem jährlichen Neujahrsgespräch des Ministerpräsidenten Volker Bouffier in der Staatskanzlei. Ein wichtiges Bekenntnis zum bitteren Schicksal der Heimatvertriebenen sei der neue „Hessische Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation“. Er sei neben dem in diesem Jahr erstmals begangenen Bundesgedenktag am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, ein besonderes Zeichen der Erinnerung, der Verbundenheit und Solidarität. Leitwort 2015 Vertreibungen sind Unrecht – gestern wie heute Wilhelm Tappert, LWW (1); Henning Schacht (1) DOD 03/2015 Nachrichten 39 Leiterin der Berliner BdV-Frauengruppe sprach als Zeitzeugin beim Gedenken Wir gratulieren Dr. Edith Kiesewetter-Giese zum 80. Geburtstag eim ersten nationalen B Gedenktag für Flucht und Vertreibung im Schlüter- hof im Deutschen Historischen Museum am 20. Juni trat Dr. Kiesewetter-Giese als Rednerin neben dem Innenminister, Dr. Thomas de Maizière MdB, Bundespräsident Joachim Gauck und dem BdV-Präsidenten Dr. Bernd Fabritius MdB, sowie einer heutigen Flüchtlingsfrau als Rednerin auf. Sie hat uns würdig vertreten und verdeutlicht, wie wichtig es ist, über die Opfer von Flucht und Vertreibung zu reden, um ihnen ihre Würde zurückzugeben. Der Frauenverband im BdV e. V. und besonders die Berlinerinnen danken unserer aktiven, sozial und bildungspolitisch tätigen Jubilarin für ihren langjährigen ehrenamtlichen Einsatz. Zu ihrem 80. Geburtstag wünschen wir ihr Gesundheit, weiterhin viel Energie und Freude beim Gestalten des Miteinanders und vor allem Zufriedenheit über ein erfülltes Leben! Edith Anna Auguste Beier wurde am 13. Juni 1935 in Neutitschein geboren. Ihre Eltern Gustav und Karoline Beier waren Pächter der Gaststätte im dortigen „Hotel am Hirsch“ am Stadtplatz. Die unbeschwerten Kindheitstage wurden bald durch den Krieg überschattet und dann jäh durch die Vertreibung beendet. In der „PirnaNacht“ am 5. Juli 1945 wurden fast 6.000 Neutitscheiner aus ihren Häusern getrieben, in offene Kohlewaggons verfrachtet, nach einer mehrtägigen Fahrt entlang der deutschen Grenze in TetschenBodenbach ausgeladen und bis nach Pirna getrieben. Nachdem der Familie der Weg in den Westen verwehrt blieb, fand sie auf einem Bauernhof in der Altmark eine Lebensmöglichkeit. Edith war eine fleißige, ehrgeizige Schülerin. Nach dem Abitur studierte sie Landwirtschaft erarbeitete sich einen ausgezeichneten Abschluss in dieser Männerdomäne und wurde im Wissenschaftsbetrieb des Landwirtschaftsministeriums tätig. Nach der Wende stellte sie mit Bedauern fest, dass das Wissen und die Lebenserfahrungen der Menschen aus dem Osten in Frage gestellt wurden. Das empörte sie, aber sie verbitterte nicht darüber, sondern sie wurde zur Buchautorin. In ihren Büchern schildert sie, wie es den Bürgern der ehemaligen DDR durch Fleiß und Einfallsreichtum gelang, das Leben lebenswerter zu gestalten und sich an den Annehmlichkeiten zu freuen, die greifbar waren; sei es die Reise in ein befreundetes Ostblockland oder Karten für eine Veranstaltung im FriedrichstadtPalast Berlin. Von Unzulänglichkeiten wie Knappheit und geringer Auswahl von Lebensmitteln oder dem Fehlen von alltäglichen Gebrauchsgütern und Baumaterialien ließen sich die Menschen nicht entmutigen. Sie improvisierten, tauschten Dr. Edith Kiesewetter-Giese am Rednerpult im Berliner Zeughaus, wo sie als Zeitzeugin bei der ersten Gedenkstunde an die Opfer von Flucht und Vertreibung spricht. und organisierten, was das Zeug hielt, bis sie ihr Ziel erreichten. Das Reisen empfand Dr. Kiesewetter als eine Gunst im Sinne von Eichendorff: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt. Dem will er seine Wunder weisen, in Berg und Tal und Strom und Feld.“ Es war ihr wichtig, fremde Menschen und Sitten unvoreingenommen anzunehmen und diese Einstellung auch an ihre Tochter weiterzugeben. Als Leiterin der Berliner Frauengruppe im BdV organisiert Dr. Kiesewetter-Giese die monatlichen Treffen der Berliner Frauen, zu denen sie interessante Gastdozenten einlädt. Im Mai referierte Dr. Tessa Hoffmann über den Genozid an den Armeniern im Osmanischen Reich. Im Monat davor besuchten die Berliner Frauen den CDUBundestagsabgeordneten Klaus Brähmig. Als Mitglied der Zeitzeugenbörse fühlt sich Kiesewetter auch für die Lebenslage „ihrer Berliner Frauen“ verantwortlich. In ihrem aktuellen Brief an den BdV-Präsidenten Dr. Fabritius in seiner Eigenschaft als Mitglied des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe fordert Dr. Kiesewetter-Giese die Entschädigung der ehemaligen deutschen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter durch die Aufstockung der Mittel der Heimkehrerstiftung. Alles was im Kuhländchen und in ihrem Heimatstädtchen Neutitschein passiert, verfolgt unsere Jubilarin mit Interesse und unterhält als Brückenbauerin rege Beziehungen zu den Menschen von hüben und drüben. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit hält sie jedoch nicht davon ab, sich Gedanken über unseren Umgang mit den Flüchtlingen hier und heute zu machen. Politiker, die sich für „Frau Kiesewetters Liste“ Zeit nehmen würden im Internet, könnten da Anregungen für die Politikgestaltung finden. Im Sinne eines achtsamen Miteinanders moderierte sie am 21. Juni die intergenerationale Veranstaltung „Willkommen in Oranienburg“ des BdVKreisverbandes Oberhavel in Oranienburg. Maria Werthan 40 Nachrichten DOD 03/2015 Die Oder in Bildern Ausstellung zu Schlesiens „Lebensader“ im Oberschlesischen Landesmuseum Ratingen. (dod) Das Thema des Ausbaus von Schlesiens „Lebensader“, der Oder, ist für das Oberschlesische Landesmuseum in RatingenHösel nicht neu. Bis zum 19. Juli ist erneut eine Sonderschau zu besichtigen, die der „Bändigung der Oder – Vom natürlichen Flusslauf zur regulierten Wasserstraße“ gewidmet wird. Die aktuelle Dokumentation geht bis ins 18. Jahrhundert zurück, als es unter Friedrich II. umfangreiche Umbauten rund um den Fluss gab. So etwa wurde die Oder durch verschiedene Maßnahmen um nahezu ein Viertel ihrer gesamten Länge gekürzt. In der Ausstellung wird auch der von 1792 bis 1812 entstandene Klodnitzkanal zwischen Gleiwitz und Cosel erwähnt, der die Verbindung der Oder mit dem oberschlesischen Industrierevier schuf. Der Kern der Sonderausstellung sind historische Fotografien, die das „Museum des Oppelner Schlesien“ (Muzeum Śląska Opolskiego) unter dem Titel „Bändigung“ zeigte. Ergänzt wurde die Präsentation mit Ansichten aus der Sammlung des Architekturmuseums der Technischen Universität in Berlin, das bei der Ausstellung mitwirkte. Diese Bilder entstanden während der Regulierungsarbeiten der oberen Oder zwischen Cosel und der Neiße-Mündung in den Jahren zwischen 1892 und 1893. Dokumentiert werden fast alle in dieser Zeit errichteten Staustufen. Das Ratinger Gastgeberhaus vervollständigte die Schau durch Exponate aus dem Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in Duisburg sowie durch Objekte aus eigenen Beständen. Der systematische Ausbau des Odergebietes wurde 1819 mit dem Protokoll von Oderberg initiiert, in dem erstmals ein umfassender Stromregulierungsplan Das Landesmuseum vervollständigte die Schau durch Exponate aus dem Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in Duisburg. Ergänzt wurde die Präsentation mit Ansichten aus der Sammlung des Architekturmuseums der Technischen Universität in Berlin, das bei der Ausstellung mitwirkte. beschlossen wurde. 1861 wurde in Breslau der OderVerein gegründet, der die Idee des Fluss-Umbaus zu einem Verkehrsweg voranbrachte. Im Jahr 1874 erfolgte die Gründung der Oderstrombauverwaltung, die den planmäßigen Ausbau des Flusses zum Großschifffahrtsweg weiter unterstützte. Von 1880 bis 1886 befand sich die größte Baustelle an der Oder in Oppeln. In der Zeit, in der die Arbeiten liefen, wurde die Schifffahrt über den so genannten Winauer Oder-Arm umgelenkt, während der rechte Arm als Hafen diente. Das Modernisierungsprojekt, mit dem Preußen im 18. Jahrhundert begonnen hatte, dauerte bis ins 20. Jahrhundert an. Zwischen Cosel, dem zweitgrößten Binnenhafen des Deutschen Reichs, und Breslau wurden 26 Staustufen gebaut. Übrigens: Der deutlich ansteigende Schiffsverkehr Ende des 19. Jahrhunderts bedingte den wachsenden Bedarf nach einer leistungsfähigen Schiffswerft an der Oder. Caesar Wollheim veranlasste im Jahr 1897 den Bau der Caesar Wollheimschen Werft in Breslau. Die Ausstellung informiert zum einen über die Oderkanalisierung, zum anderen allgemein über die Oder als Wasserstraße, den Handel im Mittelalter, über Hochwasserkatastrophen und Hochwasserschutz bis hin zur Oder in der Literatur und als Kulturlandschaft mit vielen Freizeitmöglichkeiten. Nicht zuletzt gibt es Hinweise zu den Eingriffen durch Menschenhand, die den Flusslauf insofern veränderten, als es in den Jahren 1903, 1997 und 2010 zu verschärften Hochwassersituationen kam. Zur Ausstellung ist ein 80-seitiger illustrierter Katalog erschienen. D.G. OSLM (2); BdV-Archiv (1); Hesssiches Sozialministerium (1) Nachrichten DOD 03/2015 41 Willibald J.C. Piesch wiedergewählt Hamburg. (dod) Am 1. Juni 2015 im „Haus der Heimat“ am Michel waren sich bereits in der vorangegangenen Sitzung die angeschlossenen Landsmannschaften und Verbände einig, dass der alte auch der neue Vorstand bleiben sollte. In seiner Begrüßung dankte Willibald Piesch allen Verbänden für die vorbildliche heimatpolitische, sozial- und kulturpolitische Mitarbeit in einer wechselnden und oft unberechenbaren Verbandspolitik der Hansestadt Hamburg. Er betonte, dass die bisherige Öffentlichkeitsarbeit nicht nur vom Senat, der Hamburgischen Bürgerschaft und den Bürgern, sondern auch von den hanseatischen Mitbürgern nicht nur weiter beachtet, sondern voll unterstützt werde. Dabei wies er auf die gut besuchten Veranstaltungen im „Haus der Heimat“ und in den Stadtteilen hin. Dass die Verbandsarbeit aller unterschiedlich organisierten Vereine mit ihrer vielfältigen Kulturgeschichte der Mittelund Ostdeutschen sowie der Siedlungsdeutschen aus Südost-Europa die hanseatischnorddeutsche Kulturszene um Aspekte bereichert hätten, wäre ab 1945 nie erwartet worden. Im Verlauf der satzungsnotwendigen Regularien war der Vorschlag von Piesch, Dr. Franz Buchmann, Obmann und Bundesvorstandsmitglied der sudetendeutschen Landsmannschaft, als Wahlleiter vorzuschlagen, ein Glücksgriff. Einstimmig gewählt, leitete dieser souve- rän den weiteren Verlauf. Dem von allen Delegierten neugewählten Geschäftsführenden Landesvorstand, Soziales und Politik, Willibald J.C. Piesch, Peter Voß, gleichzeitig gewählter Kulturreferent, sowie Hartmut Klingbeutel (Landesvorsitzender der LM Ostpreußen), sowie den wiedergewählten Dr. Otto Horst (LM der Deutschen aus Rußland), Helga Brenker, Landesfrauenreferentin (Landesvorsitzende der Hamburger Pommerschen LM), Georg Galauner, Schriftführer (LM der Donauschwaben), Torsten Freygang, Medien-PCReferent (Hamburger LM der Pommern), als Landesrechnungsprüfer Johanna Kalläwe (LM Berlin-Mark Brandenburg), Heinz Silkenath (Freunde Pommerns Hamburg) und Irmgard Laue (LM Westpreußen) wurde ge- Willibald J.C. Piesch. dankt. Der Geschäftsleitung und Kassenführung, Lilia Heffel, dankten alle für die seit Jahrzehnten vorbildliche Leistung, ebenso wie der neuen Migranten-/Aussiedlerbetreuerin Valentina Weidner. In seinem Schlusswort dankte Piesch für das Vertrauen und wies auf neue Aktivitäten hin. Alfred Herold (von 1981 bis 2015 Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft), und Margarete Ziegler-Raschdorf, Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler. Dank des Landes Hessen an Alfred Herold Wiesbaden. (dod) Die Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Margarete ZieglerRaschdorf, würdigte auf der Landesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft Landesgruppe Hessen e. V. am 18. April 2015 das Engagement des Verbandes und insbesondere dasjenige des langjährigen Vorsitzenden, Alfred Herold. Margarete Ziegler-Raschdorf unterstrich, dass es mit Blick auf die Vertreibungen ab dem Winter 1945 wichtig sei, nicht zu verdrängen, sondern das schwere Schicksal der Vertriebenen in Würde zu tragen und aktuelle Ereignisse, die einen vergleichbaren Hintergrund haben, kritisch zu begleiten. „Wissen um die Vergangenheit schärft das Bewusstsein für die Gegenwart“, so die Landesbeauftragte. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft handele in dieser Geisteshaltung. Sie sei ein wichtiger Partner der Hessischen Landesregierung und engagiere sich vorbildlich, indem sie ihre Landsleute wirtschaftlich und sozial betreue, das kulturelle Erbe bewahre und fördere und partnerschaftliche Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen pflege, führte die Landesbeauftragte aus. Besonders dankte Margarete Ziegler-Raschdorf dem langjährigen Landesobmann Alfred Herold, der bei der diesjährigen Vorstandswahl nicht mehr kandidierte. „Sie haben der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Hessen 34 Jahre lang ein Gesicht und eine Stimme gegeben. Sie haben viel bewegt und sich, wenn es sein musste, gegenüber den jeweilig politisch Verantwortlichen auch kritisch geäußert“, lobte die Landesbeauftragte. Sie dankte Alfred Herold im Namen der Hessischen Landesregierung aus ganzem Herzen für seinen nicht selbstverständlichen jahrzehntelangen ehren-amtlichen Einsatz. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL) ist die größte Organisation unter den hessischen Verbänden der Heimatvertriebenen. 42 Nachrichten DOD 03/2015 Aus Trümmern und Elend zum Wirtschaftswunder Geschichte macht weise für immer, aber nicht klug für ein anderes Mal Ulm. (dod) „Angekommen“ heißt die neue Sonderausstellung des Zentrum gegen Vertreibungen im Ulmer „Donauschwäbischen Zentralmuseum“ (DZM). Sie thematisiert die schwierige, aber im Ergebnis weitestgehend erfolgreiche Integration von rund 15 Millionen Deutschen, die innerhalb weniger Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat im Osten Europas sowie den östlichen Teilen des Deutschen Reichs ins zerstörte West- und Mitteldeutschland geströmt waren. Die Eingliederung so vieler seelisch und körperlich erschöpfter Menschen, die zudem völlig mittellos waren, hätte schon ein intaktes Staatswesen vor kaum lösbare Probleme gestellt. Sie schien in den ersten Jahren schlicht unmöglich. Neben Hunger und Elend herrschte Mangel an Wohnraum, die Not der Vertriebenen äußerte sich nur deshalb nicht in Tumulten, weil sie zunächst in eine aus Hoffnungslosigkeit geborene Apathie versanken. Aber sie hegten keine Rachegedanken, sondern zeigten immer wieder ihren Willen zu einem neuen Miteinander mit den Staaten und Menschen, die sie vertrieben hatten. Statt sich abzukapseln, stellten sie sich den gewaltigen Herausforderungen, bauten sich eine neue Existenz auf, engagierten sich sozial und politisch, veränderten und prägten ihr neues Gemeinwesen, bereicherten die Aufnahmegesellschaft mit ihrem technischen, handwerklichen oder akademischen Wissen, mit ihrer interkulturellen Kompetenz, ihrer Mehrsprachigkeit, auch wenn sie nicht selten auf Ablehnung stießen und lange zwischen die Mahlsteine der politischen Auseinandersetzungen gerieten. Was anfangs unmöglich erschien, gelang zum Erstaunen vieler und gehört rückblickend zu den größten Leistungen der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Am 21. Mai um 19 Uhr, fand die Eröffnung der Ausstellung statt. Christian Glass, der Direktor des Donauschwäbischen Zentralmuseums, freute sich, rund hundert Besucher begrüßen zu können. Prof. Dr. Manfred Kittel vom Deutschen Historischen Museum Berlin führte in das Thema ein, indem er zwischen der vergleichsweise unspektakulären physischen Ankunft der deutschen Ostvertriebenen in den Trümmern der Besatzungszonen und dem vielschichtigen Prozess ihrer mentalen Neubeheimatung unterschied. Zum Geschehen der Integration lasse sich gar nicht sprechen, ohne die aktuelle Flüchtlingsproblematik mit zu bedenken. Fundamentale Differenzen zeigte Kittel beim Vergleich zwischen beiden Vorgängen auf, verwahrte sich aber gegen Missdeutung, indem er vorausschickte, dass der christliche Abendländer nicht gleichgültig zusehen könne, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken. Im Unterschied zu den deutschen Heimatvertriebenen, bei denen bloß andere Dialekte oder Konfessionen eingegliedert werden mussten, handle es sich heute allerdings um andere Sprachen und Religionen, um nicht nur geografisch, sondern auch kulturell und mental viel weiter entfernte Regionen als jene Deutschen aus Schlesien oder dem Banat etwa. Während sich Deutschland in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in einer Ausnahmesituation befunden habe, in der die Flüchtlinge dringend gebraucht wurden, Lücken in der Bevölkerungspyramide schlossen, wichtige berufliche Qualifikationen mitbrachten, auf eine prinzipielle Solidarbereitschaft stießen und unausweichlich gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung Neuaufbau und Wirtschaftswunder vollbrachten, erfolge dagegen die heutige Einwanderung in eine saturierte Wohlstandsgesellschaft, die keine politische, bestenfalls eine moralische Verantwortung übernehme. Wenn man sich die trotz aller günstigen Umstände dennoch beträchtlichen Integrationshürden von damals vergegenwärtige, lasse das eine Ahnung davon gewinnen, welche Herausforderung die heutige Situation bei ungleich schwierigeren Konditionen in sich birgt. Vollends auf ideologisch ver- Prof. Dr. Manfred Kittel beim Vortrag. mintes Terrain begab sich der Historiker mit der These, dass Flüchtlingspolitik sowohl verantwortungs- wie auch gesinnungsethisch diskutiert werden könne – „mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen in bezug auf die für möglich erachteten Aufnahmekapazitäten“. Beachtenswert ist, was Kittel resümierend und als Denkanstoß in den Raum stellte: Die Integrationsherausforderung sei gegenwärtig bei insgesamt acht Millionen Menschen in Deutschland „mit ausschließlich ausländischem Pass“ von ganz anderer und größerer Art als nach der Epochenschwelle des Kriegsendes. Durch vordergründige Analogien solle man die Geschichte nicht überstrapazieren, ihre Lehren würden zwar nach Jakob Burckhardt weise für immer machen, aber nicht unbedingt klug für ein anderes Mal. Zu sehen ist die Ausstellung noch bis 20. September 2015. Stefan P. Teppert Teppert (1); Privat (2); BdV-Archiv (1) DOD 03/2015 Nachrichten 43 PERSONALIEN Editha Lorberg MdL ist neue BdV-Landesvorsitzende in Niedersachsen Editha Lorberg MdL ist neue Landesvorsitzende des BdV-Landesverbandes Niedersachsen. Lorberg wurde am 13. Juni von der Delegiertenversammlung des niedersächsischen Landesverbands des BdV einstimmig zur neuen Vorsitzenden gewählt. Die CDU-Politikerin ist am 10. Dezember 1963 in Seesen geboren, verheiratet, und hat 3 Kinder. Von 2002 bis zur Wahl in den Landtag 2003 war sie Kundenberaterin im Service der Sparkasse Hannover. Seit Februar 2015 ist sie stellvertretenden Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion. Außerdem ist sie Aussiedlerbeauftragte der CDU-Landtagsfraktion. BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius gratulierte Editha Lorberg mit den folgenden Worten: „Herzlich möchte ich Ihnen zu Ihrer Wahl zur Landesvorsitzenden des Bundes der Vertriebenen in Niedersachsen gratulieren und Ihnen für die neue Aufgabe viel Kraft und Erfolg wünschen. Als Landesbeauftragte der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag setzen Sie sich seit zwölf Jahren erfolgreich für die Belange der Aussiedler und Spätaussiedler ein und haben auch dadurch ein gutes Verständnis für die Anliegen der Vertriebenen und Flüchtlinge erworben. Es ist gut, dass die Verbandsinteressen der vom BdV vertretenen Gruppen mit Ihrer Amtsübernahme in Niedersachsen auch zukünftig gewahrt bleiben.“ BdV-Präsident Fabritius MdB feiert 50. Geburtstag Der Präsident des Bundes der Vertriebenen Dr. Bernd Fabritius MdB hat seinen 50. Geburtstag gefeiert. Die BdV-Bundesversammlung gratulierte und überraschte ihn mit einem Weinkorb. Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk MdB gratulierte mit den folgenden Worten: „Durch sein beispielhaftes Engagement als Mitglied des Deutschen Bundestages, als Vorsitzender des Unterausschusses für Auswärtige Kultur und Bildungspolitik, als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, als Mitglied des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, aber auch als erster stellvertretender Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutsche Minderheiten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, als stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Rumänische Parlamentariergruppe, als Mitglied der Deutsch-Kanadischen Parlamentariergruppe und der Parlamentariergruppe USA und als Mitglied der Interparlamentarischen Union hat sich Dr. Fabritius große Verdienste um unser Land erworben, was größten Dank und höchste Anerkennung verdient. Persön- lich habe ich ihm für eine stets vertrauensvolle und menschlich angenehme Zusammenarbeit zu danken. Als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und früherer Generalsekretär des Bundes der Vertriebenen danke ich ihm ganz besonders für seinen Einsatz als Präsident des Bundes der Vertriebenen, als Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, als Präsident der Föderation der Siebenbürger Sachsen in aller Welt, als Mitglied im Sudetendeutschen Rat e.V. sowie als stellvertretender Landesvorsitzender der Union der Vertriebenen und Aussiedler und als Mitglied im Bundesvorstand der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU.“ Hohe Ehrung durch die Landsmannschaft der Donauschwaben für Prof. Dr. Georg Wildmann Die Landsmannschaft der Donauschwaben – Landesverband Bayern e. V. hat in einer Feierstunde im Haus der Donauschwaben am 13. Juni 2015 in Anwesenheit zahlreicher donauschwäbischer Landsleute und Weggefährten Prof. Dr. Georg Wildmann für die wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte der Donauschwaben mit der Verdienstmedaille in Gold ausgezeichnet. In seiner Laudatio stellte der Landesvorsitzende der Donauschwaben, Hermann Schuster, u. a. fest: „Es gibt wohl keinen anderen Landsmann, der sich in so qualifizierter und sorgfältiger Weise der Geschichte seines Heimatortes wie aber auch besonders der Gesamtgeschichte der Donauschwaben angenommen hat, wie dies unser hochgeschätzter Landsmann Prof. Dr. Georg Wildmann getan hat!“ Zu seiner Persönlichkeit und zu seinem wissenschaftlichen Wirken führte der Landesvorsitzende weiter aus: „Prof. Dr. Georg Wildmann ist im Jahr 1929 in Filipowa in der Batschka (im heutigen Serbien) geboren. Nach Lagerinternierung und Flucht über Ungarn setzte er zunächst in Österreich seine schulische Weiterentwicklung fort und studierte in Linz und Rom Theologie und Philosophie mit Promotion Dr. theol. Ab dem Jahr 1959 war er Lehrer für Philosophie und Religion, von 1970 bis 1974 Professor für Philosophie an der phil.-theol. Hochschule Linz. In seiner wissenschaftlichen Tätigkeit widmete er sich besonders der donauschwäbischen Geschichtsschreibung: So war er Mitverfasser der achtbändigen Reihe „Filipowa – Bild einer donauschwäbischen Gemeinde“, Wien 1978-1994, seit 1980 Mitarbeiter der Donauschwäbischen Kulturstiftung München, dort Mitverfasser der Bände 1-3 des „Leidensweges der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien“, München 1991 – 1995, Hauptautor der Dokumentation „Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944-1948 – Stationen eines Völkermordes“, Erstauflage München 1998, und nicht zuletzt ist er Hauptverantwortlicher für die Herausgabe der Geschichte der Donauschwaben.“ 44 Nachrichten DOD 03/2015 Bayern-SPD verknüpft Vertriebene und heutige Flüchtlinge Seliger-Gemeinde würdigt Sudetendeutsche Landsmannschaft und Ehrenamt München. (dod) Die bayerische SPD-Landtagsfraktion verknüpft die Erinnerung an die Vertreibung von Millionen Menschen aus ehemals deutschen Gebieten in Osteuropa mit der Mahnung, den heutigen Kriegs- und Terrorflüchtlingen beizustehen. Der vertriebenenpolitische Sprecher und Parlamentar i s c h e Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Volkmar Halbleib sagte beim jährlichen Vertriebenenempfang der Fraktion am Sonntag im Bayerischen Landtag: „Flucht und Vertreibung sind kein historisch abgeschlossenes Phänomen, von dem man nur in Geschichtsbüchern lesen kann. Sie gehören zu den drängendsten und bedrückendsten Herausforderungen unserer Zeit. Wohl niemand kann besser nachvollziehen, was Kriegsflüchtlinge aus Syrien oder dem Irak heute durchmachen, als Menschen die selbst vertrieben wurden und in Bayern eine neue Heimat gefunden haben.“ Halbleib sagte, er sei dankbar, dass sie mithelfen, den heutigen Flüchtlingen und Asylbewerbern eine menschenwürdige Aufnahme in Deutschland zu bereiten. Die SPD-Fraktion zeichnete Heimatvertriebene, die sich aktuell als Flüchtlingshelfer engagieren, als „Brückenbau- er“ aus. Eduard Neuberger, ein Russlanddeutscher aus Straubing, der sich ehrenamtlich als Betreuer für Asylbewerber und andere Migranten engagiert, und Peter Paul Polierer aus Landshut, Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Jugend, nahmen die Auszeichnungen entgegen. Der Jugendverband hilft Menschen aus heutigen Fluchtgebieten, hier eine neue Heimat zu finden. Außerdem würdigte die Fraktion als „Brückenbauer“ die Banater Jugend- und Trachtengruppen unter der Leitung von Harald Schlapansky. Laudatorin Christa Naaß sagte, die Organisation übernehme wichtige Aufgaben für den Erhalt und die Pflege von Banater Traditionen und Brauchtum. Die Jugendli- Volkmar Halbleib (SPD) und Bernd Posselt (CSU). chen engagierten sich aber auch für die Völkerverständigung, zum Beispiel durch Hilfsaktionen. Im Rahmen der Veranstaltung würdigte die SeligerGemeinde zudem die Sudetendeutsche Landsmannschaft für ihren Reformkurs. Der Bundesvorsitzende Bernd Posselt nahm die Ehrung entgegen. In der Lau- Der vertriebenenpolitische Sprecher Volkmar Halbleib sagte beim jährlichen Vertriebenenempfang der Fraktion im Bayerischen Landtag: „Flucht und Vertreibung sind kein historisch abgeschlossenes Phänomen, von dem man nur in Geschichtsbüchern lesen kann.“ datio sagte der Ko-Vorsitzende der Seliger-Gemeinde und Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen, Albrecht Schläger, unter Posselts Führung seien von der Sudetendeutschen Landsmannschaft viele jahrelange Forderungen der Seliger-Gemeinde zum Ausgleich zwischen Deutschen und Tschechen übernommen worden. Der CSU-Politiker Posselt dankte der sozialdemokratischen Seliger-Gemeinde für die Ehrung und appellierte an die Politik, weiter über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Er warb für gemeinsame Anstrengungen für eine gute und friedliche Nachbarschaft. Posselt betonte in Anwesenheit des Generalkonsuls der Tschechischen Republik, Milan Coupek, eine kollektive Rückkehr der Vertriebenen oder eine gleichwertige Entschädigung wären völlig absurd und unrealistisch. Den WenzelJaksch-Gedächtnispreis der Seliger-Gemeinde erhielt in diesem Jahr Hanna Zakhari, die Vorsitzende des Deutschen Kulturverbands Region Brünn. Laudator Dr. Helmut Eikam, Ko-Vors. der SeligerGemeinde, lobte den persönlichen Einsatz von Zakhari für die deutsche Minderheit in Tschechien. Zakhari zeigte sich tief bewegt. Sie sagte, sie nehme den Preis im Namen der deutschen Minderheit entgegen, die sich für den Erhalt der kulturellen Tradition einsetze. Der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Dr. Bernd Fabritius, dankte der Bayern SPD-Landtagsfraktion für ihr jahrelanges und nachhaltiges Engagement für die Themen der Vertriebenen. Er wünschte sich, dass sich andere Bundesländer ein Beispiel daran nähmen. Den musikalischen Rahmen der Veranstaltung lieferten die Original Banater Dorfmusikanten unter Leitung von Helmut Baumgärtner. Bayern SPD-Landtagsfraktion (2) Aus den Verbänden DOD 03/2015 45 Termine der Mitgliedsverbände Alle dem Bundesverband gemeldeten Termine für die kommenden Monate Juli Fr.-So. So. 17.-19.07. 26.07. LM der Banater Schwaben, Bundesweites Jugendzeltlager LM Schlesien, Mutter-Anna-Wallfahrt der Schlesier Wörnitz Velbert-Neviges August Sa.-Sa. 01.-08.08. Bund der Heimatvertriebenen LV Thüringen, Kinderfreizeit Suhl So. 02.08. LM der Banater Schwaben, Deutsche Wallfahrt Maria Radna Mo.-Do. 03.-06.08. BdV LV Hessen, Kulturelle Sommertage Wiesbaden Mi.05.08.BdV LV Baden-Württemberg, ChartafeierStuttgart Do.-Mo. 20.-24.08. Pommersche Landsmannschaft, Kulturtagung des Pommerschen Kreis- und Städtetages Sa. 29.08. BdV Bundesverband, Auftaktveranstaltung zum Tag der Heimat Berlin Sa. 29.08.BdV Bundesverband, KranzniederlegungBerlin September Fr.-So. 04.-06.09. Bund der Danziger, Tag der Danziger Danzig Königswinter Fr.-So. 11.-13.09. Frauenverband im BdV, Herbsttagung So. 13.09. BdV LV Hessen, Zentraler Tag der Heimat Wiesbaden Sa. 19.09. BdV LV Niedersachsen, Zentraler Tag der Heimat Hannover Sa. 19.09. Bund der Heimatvertriebenen Landesverband Thüringen Tag der Landsmannschaften und Tag der Heimat Arnstadt Sa. 19.09. BdV LV Bayern, BdV-Landesversammlung mit Neuwahlen und zentraler Tag der HeimatTraunreut So. 20.09. BdV LV Baden-Württemberg, Tag der Heimat Stuttgart Fr.-So. 25.-27.09. LM Westpreußen, Westpreußen-KongressWarendorf Fr.-So. 25.-27.09. LM Ostpreußen, Geschichtsseminar Bad Pyrmont Sa.-So. 25.-26.09. BdV LV Baden-Württemberg, Landeskulturtagung des BdV und der Sudetendeutschen LMStuttgart So. 26.09. Berliner LV der Vertriebenen, Kulturtag der Landsmannschaften Berlin Leitwort 2015 Vertreibungen sind Unrecht – gestern wie heute 46 Ausstellung in Stuttgart Stuttgart. (dod) Vom 15. Juni bis zum 16. Juli 2015 wird im großen Atrium des Innenministeriums die Ausstellung „Die Sudetendeutschen Sozialdemokraten – Von der DSAP zur SeligerGemeinde“ gezeigt. Bei der Ausstellungseröffnung am Montag, 15. Juni 2015, sagte Innenminister Reinhold Gall: „Die Ausstellung erinnert an die Entstehungsgeschichte der DSAP und an drei wichtige Persönlichkeiten, die diese Geschichte geprägt haben: Josef Seliger, Ludwig Czech und Wenzel Jaksch.“ Sie beleuchte auch einen besonderen Aspekt der Verfolgung durch das nationalsozialistische Unrechtssystem. Diese Verfolgung sei Teil der Geschichte der sozialdemokratischen Bewegung, insbesondere auch der Geschichte der sudetendeutschen Sozialdemokraten. 1951 sei mit der Gründung der „Gesinnungsgemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten“ die SeligerGemeinde entstanden, benannt nach Josef Seliger, dem ersten Vorsitzenden der DSAP (Deutsche Sozialdemokratische Arbeiterpartei in der Tschechoslowakei). Ein Jahr später sei das SeligerArchiv in Stuttgart eingerichtet worden. „Durch das Archiv ist vieles aus der Geschichte der sudetendeutschen Sozialdemokraten erhalten geblieben und auch in diese Ausstellung eingeflossen“, betonte Gall. Stabwechsel im Oppelner Schlesien Oppeln. (dod) Nachdem der seit 2007 amtierende Vorsitzende der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien, Norbert Rasch, bei den Wah- Nachrichten len im Mai 2015 nicht erneut angetreten war, haben die Delegierten Rafał Bartek zu dessen Nachfolger gewählt. Norbert Rasch begründete seinen Verzicht mit der gestiegenen Bedeutung der Fraktion der Deutschen Minderheit im Regionalparlament der Woiwodschaft Oppeln, dem Sejmik, und damit verbunden mit seiner Inanspruchnahme als Fraktionsvorsitzender. Rasch bleibt dem Verband der Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaften in Polen jedoch auch weiterhin als Mitglied des Gesamtvorstandes sowie als Mitglied des Vorstandes der Oppelner SKGD erhalten. Der neue Vorsitzende Rafał Bartek ist 37 Jahre alt und hat sich bisher als Geschäftsführer des Hauses für DeutschPolnische Zusammenarbeit in Gleiwitz sowie als Ko-Vorsitzender der Gemeinsamen Kommission der polnischen Regierung und der nationalen Minderheiten in Polen den Ruf als kompetenter Sachwalter der Anliegen der deutschen Minderheit in Polen erworben. In seiner Bewerbungsrede kündigte er die Jugendarbeit als einen Schwerpunkt seiner künftigen Amtsführung an, wofür er auch die Neuen Medien noch stärker als zuvor einsetzen wolle. Preis für Prof. Dr. Manfred Kittel Augsburg. (dod) Prof. Dr. Manfred Kittel, Historiker und Gründungsdirektor der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, wurde mit dem renommierten Menschenrechtspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft ausgezeichnet. Hierzu gratulierte ihm der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk, mit nach- folgenden Worten: „Durch die Verleihung dieses Preises treten Sie in einen eindrucksvollen Kreis ehrwürdiger bisheriger Preisträger wie Emily Schindler, Alfred de Zayas und David Vondráček. Ein wesentliches Charakteristikum dieser Auszeichnung ist, dass sie nicht in einem strikten jährlichen oder zweijährigen Turnus verliehen wird, sondern nur dann, wenn es einen angemessenen Anlass gibt. ... Der Menschenrechtspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft wurde an Sie explizit wegen Ihrer „Verdienste um die wissenschaftliche Aufarbeitung der menschenrechtswidrigen Vertreibungen in Europa“ verliehen. Sie haben sich bereits sehr früh in Ihrer politischen und vor allem wissenschaftlichen Laufbahn verschiedenen Aspekten der jüngeren deutschen Geschichte gewidmet. ... Dabei haben Sie auch schmerzlich erfahren müssen, dass gerade der Bezug auf die von Gott verliehenen und deshalb unveräußerlichen Menschenrechte zum Teil heftigste Abwehrreaktionen auslösen kann. Sie haben sich immer mutig dieser Auseinandersetzung gestellt und dabei keine Bereiche ausgespart. So haben Sie mit Ihrem bemerkenswerten und wirkungsmächtigen Buch „Vertreibung der Vertriebenen“ auf die Verdrängung des Schicksals der deutschen Heimatvertriebenen in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen. Ihre Leistungen als Gründungsdirektor der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung werden ganz gewiss Bestand haben und von einer späteren, unvoreingenommenen Generation von Historikern eine angemessene Würdigung erfahren.“ DOD 03/2015 IMPRESSUM Herausgeber und Verlag: Bund der Vertriebenen – Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände e.V. Anschrift: Godesberger Allee 72–74 53175 Bonn Telefon: (0228) 810 07-26/28 Telefax: (0228) 810 07-50/52 E-Mail: [email protected] Internet: www.Bund-derVertriebenen.de Bankverbindung: Commerzbank BIC: COBADEFFXXX IBAN: DE59 3804 0007 0111 7043 00 Chefredaktion: Markus Patzke Layout: Print PrePress GmbH & Co. KG Am Hambuch 17 53340 Meckenheim Telefon: (02225) 88 93 330 Druck: DCM Druck Center Meckenheim GmbH Werner-von-Siemens-Str. 13 53340 Meckenheim Telefon: (02225) 88 93 550 Erscheinungsweise: zweimonatlich Bezugspreis im Jahresabonnement: 48,- Euro für BdV-Mitglieder 36,- Euro Abdruck nach Vereinbarung. Die mit Namen oder Chiffre gezeichneten Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos, Bespre chungsexemplare etc. wird keine Haftung übernommen. Kataloge zu Ausstellungen der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen Deutsches Leben in Mittel- und Osteuropa Zentrum gegen Vertreibungen Angekommen Die Integration der Vertriebenen in Deutschland Zentrum gegen Vertreibungen 12,95 € Einzelkatalog 30,00 € Katalogsammlung 35,00 € Katalogsammlung im Schuber 5,00 € Schuber Die Kataloge zur Ausstellung können online unter [email protected] oder beim Zentrum gegen Vertreibungen Organisationsbüro Godesberger Allee 72–74, 53175 Bonn Tel.: 0228 / 81 007 30, Fax: 0228 / 81 007 52 bestellt werden. Jetzt auch als DVD im Handel erhältlich!
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