hOw TO GET a dOCTOr - Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche

UNI
T
a dO
Normalerweise werden Zwillinge nicht getrennt – bei
dieser Ausgabe machen wir
eine Ausnahme. Dieses Mal
bin ich dem Politikzirkus
(und Tom) entlaufen und
versorge euch im Uniressort
mit spannenden Informationen rund um das UNIversum.
Ob Ulmencampus, das harte
Los der Doktorand*innen
oder Robbenbabys, in dieser
Ausgabe gibt es ein kunterbuntes Potpourri. Doch was
steckt eigentlich hinter dem
Mythos Uni?
Wenn du im nächsten heuler
hier dein Foto sehen willst,
dann bewirb dich unter:
[email protected]
Mimi Fischer
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How
to get
octor
Nein, es geht nicht um Elitepartnerbörsen oder die Suche nach einem Spezialisten. Ob in Medizin, Soziologie oder Chemie – der "Doktor" ist ein akademischer Grad, den es erstmal zu erreichen gilt. Welche Aufgaben, Erfahrungen und Erkenntnisse eine Promotion mit
sich bringt, habe ich für euch gesammelt.
Autorinnen Loni Zacher, Alexandra Wendt und Lea Kroos fänden eine Doktorarbeit zu Elitepartnerbörsen amüsant.
// Portraitfotos: privat
Jonas Wagner – Schiffbau
Nach gut sechs Jahren steht für Jonas Wagner nun
Ende dieses Jahres die Verteidigung seiner Doktorarbeit am Lehrstuhl für Schiffbau an. Eine Promotion
im Schiff- oder Maschinenbau ist eher eine Ausnahme und die Berufschancen in diesem Bereich auch
ohne einen Doktortitel durchaus gut. Aber dennoch
hat sich Jonas für die Promotion entschieden, da er
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trotz Diplom noch nicht das Gefühl hatte, viel zu
wissen und er wahnsinnig Lust hatte, zu forschen,
neue Technologien zu entwickeln und sich auf einem – wenn auch kleinen – Themengebiet detailliertes Fachwissen anzueignen. In seiner Promotion
beschäftigt er sich mit der Optimierung von Schiffsformen unter Berücksichtigung von Unsicherheiten,
Wetterbedingungen und möglichen zukünftigen
Brennstoffpreis- und Weltwirtschaftsentwicklungen.
Die Idee für sein Thema kam von seinem Professor,
danach durfte er aber recht frei und eigenständig
daran „herumbasteln“. Bei Fragen oder Problemen
mangelte es aber auch nie an Unterstützung. Er beantwortet die Frage, ob ihm sein Thema gefalle, mit
einem großen „JA!“ und auch insgesamt beschreibt
Jonas die letzten sechs Jahre der Forschung und Lehre als eine tolle Zeit, die ihm fehlen wird. Er gibt zu,
dass er wirklich Glück mit seinem Lehrstuhl und
dem tollen Team hat. Auch mit der Haushaltstelle auf
Vollzeit, die er seit seinem zweiten Promotionsjahr
besitzt, schätzt er sich glücklich und ist mit seiner
Bezahlung (TVL-13) – gerade in MV – vollkommen
zufrieden. Die intensive Arbeit an seinem Promotionsthema, gibt er zu, fand erst in den letzten drei
Jahren statt. In einer 40-h-Woche widmete Jonas sich
neben der Durchführung von Übungen, Laborpraktika, Hausaufgaben, Exkursionen und Prüfungen die
meiste Zeit der Forschung. Dazu kamen nebenbei natürlich auch das Publizieren und Präsentieren, aber
auch allerhand organisatorischer Kleinkram, wie das
Beantragen von Forschungsgeldern und das Einwerben von Projekten. Richtig promoviert wird allerdings erst nach Feierabend, dann wird geschrieben
bis die Tasten glühen und eine 50- bis 60-h-Woche ist
dann auch schnell vorbei. In den Semesterferien geht
es dann aber deutlich entspannter zu.
Stephanie Kohl – Germanistik
Universität besser aufgestellt als manch anderer Promotionsstudent: Durch ihre Arbeit am
Wochenende im Ordnungsdienst von Hansa
Rostock steht ihr monatlich etwa so viel Geld
wie einem Stipendiaten zur Verfügung.
Nach ihrer Promotion würde sie gern im kulturellen Bereich arbeiten, denn sie ist sich noch
unsicher, ob die Hochschullehre sie auf Dauer
ausfüllt – die Mitarbeiterstellen sind ohnehin
größtenteils immer befristet. Die Chancen auf
dem freien Arbeitsmarkt muss man allerdings
auch realistisch betrachten: „Die Promotion
öffnet viele Türen, jedoch gibt es im Kulturbereich nicht übermäßig viele freie Stellen und
häufig ist man für manch interessante Stelle
dann zu teuer – weil hochqualifiziert.“
Jonas Bresien – Chemie
Stefanie Kohl studierte an der Universität Rostock Germanistik, Öffentliches Recht und Erziehungswissenschaften und schloss das Studium 2011 mit dem Magister ab. Im Rahmen
ihres Promotionsvorhabens zum Thema „Der
repräsentative Zusammenhang der Dinge. Formen des Wissens und die Modi ihrer Inszenierung in musealen Kontexten.“ will sie mithilfe
von germanistischen Theorien kulturwissenschaftliche Aspekte der Darstellung und Ausstellung von Dingen interpretatorisch fassbar
machen. Daneben arbeitet sie auf einer halben
Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Institut für Germanistik und ist ehrenamtlich
für die Uwe Johnson-Gesellschaft tätig. Sie
gibt mit zwei Semesterwochenstunden den
Grundkurs Literaturwissenschaft oder einen
Aufbaukurs und bietet zusätzlich eine Studienberatung für Germanistikstudenten an. Dies
ist ihrer Meinung nach für eine Promotion der
Idealfall: 20 Stunden arbeiten, 20 Stunden promovieren. Jedoch muss man für dieses Pensum
sehr diszipliniert sein, gibt sie zu. Sehr hilfreich ist dabei der enge Kontakt und Austausch
mit anderen Promovierenden ihres Doktorvaters Prof. Dr. Holger Helbig. Zwar gibt es an der
Universität Rostock vergleichbare Angebote –
die Ansprechpartnerin für Doktoranden ist in
diesem Fall Dr. Uta Buttkewitz, Leiterin der
Graduiertenakademie, die unter anderem die
Finanzierung von Weiterbildungsangeboten
der Doktoranden koordiniert, und einen regelmäßigen Doktoranden-Stammtisch. Einen Promotionsstudentenstatus mit entsprechenden
Vertretungen wie dem AStA oder StuRa gibt es
jedoch nicht. Stefanie Kohl sieht sich dennoch
nicht ernsthaft benachteiligt. In finanzieller
Hinsicht ist sie durch die halbe Stelle an der
Bachelor- oder Masterarbeiten und das Halten
von Seminaren stellt für ihn keine lästige Zusatzarbeit dar, sondern bereitet ihm neben der
Forschung Freude und Abwechslung. Zwar
gibt er zu, dass die Promotion mit sehr viel Arbeit verbunden ist, aber er mache diese gerne.
Je nach anstehenden Aufgaben arbeite er 50
bis 60 Stunden in der Woche.
Zunächst war Jonas mit einer halben Stelle Mitarbeiter an der Universität Rostock.
Üblicherweise sind diese Universitäts- oder
Projektstellen in der Chemie auf drei Jahre
angelegt, sodass man für die Promotionszeit finanziell abgesichert ist. Inzwischen bekommt
Jonas allerdings ein Stipendium vom Fonds der
Chemischen Industrie, mit dem sein Lebensunterhalt ebenfalls gut gesichert ist. Auch mit
der Unterstützung durch seinen Themenleiter
Dr. Alexander Villinger und auch Professor
Axel Schulz ist er sehr zufrieden, da sie immer
für ein persönliches Gespräch verfügbar seien.
Seine beruflichen Chancen nach der Promotion schätzt Jonas optimistisch ein, wenn auch
eine gewisse Flexibilität, was den Ort angeht,
notwendig ist.
Er ist zwar immatrikuliert, jedoch auch Mitarbeiter, sieht sich aber mehr in der Studentenrolle. Nachdem er vier Jahre im Fachschaftsrat
aktiv war, sieht er Promotionsstudenten in
Hinblick auf deren Vertretung in Studierendengremien eher außen vor gelassen. Er ist
vielmehr der Ansicht, dass man als Doktorand
einige Probleme im Studium, wie Vorlesungsinhalte und -anforderungen, besser einordnen
kann und eine entsprechende Stimme in der
Studierendenschaft sicherlich hilfreich wäre.
Jenny – Humanmedizin
Eine Promotion ist für Chemiker üblich, wenn
nicht sogar notwendig – das weiß jeder angehende Chemiestudent. Jonas Bresien hat bereits seinen Bachelor und Master am Institut
für Chemie an der Universität Rostock erworben und setzt schon seit zwei Jahren innerhalb
seiner Promotion das im Master begonnene
Forschungsthema fort. Er synthetisiert anorganische Ringsysteme auf Phosphorbasis, die
als Bausteine für neue Phosphorverbindungen eingesetzt werden können – betreibt also
Grundlagenforschung. Die Promotionszeit in
der Arbeitsgruppe von Professor Schulz beträgt durchschnittlich drei Jahre, wie auch
in vielen anderen Arbeitsgruppen des Instituts. Vor allem die wissenschaftliche Freiheit
und die selbstständige Gestaltung seiner Forschung gefällt Jonas. Auch sein Mitwirken in
der Lehre, also die Betreuung von Praktika,
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Ich bin Studentin der Humanmedizin in Rostock und promoviere und studiere gleichzeitig.
Zurzeit befinde ich mich im praktischen Jahr
kurz vor dem Ende meines Studiums. Im Studiengang Medizin ist es gang und gäbe die Promotion neben dem Studium zu beginnen. Warum das so ist, habe ich mich immer gefragt,
aber bis jetzt keine Antwort darauf gefunden.
Die meisten meiner Kommilitonen versuchen
ebenfalls ihren Doktortitel zu erlangen.
Ich promoviere im Fachbereich der Neuroanatomie. Ich befasse mich seit 2012 mit neuronalen Verbindungen der Großhirnrinde, meine
Arbeit beruht auf einer Metaanalyse von Rattenstudien. Die Daten werden für ein Softwareprogramm verwendet, das mein Betreuer
in der Zusammenarbeit mit einem Mathematiker entwickelt hat. Vor der Promotion habe ich
als studentische Hilfskraft bei meinem Betreu-
er gearbeitet und habe über diesen Weg die
Doktorandenstelle und das Thema bekommen.
Um mich mehr auf meine Promotion konzentrieren zu können, habe ich ein Freisemester im
letzten Wintersemester genommen. Und nun
versuche ich die Dissertation bis zum Winter
diesen Jahres zu beenden und einzureichen.
Mit der Betreuung der Arbeit bin ich sehr zufrieden, von der Einarbeitung in das Thema bis
hin zu Fragen und Unklarheiten meinerseits,
wurde mir immer sofort geholfen, sei es per
Email oder bei persönlichen Treffen.
Themen wie Anstellung, Lohn und die Vereinbarkeit von Lehre und der Forschung spielen
durch das parallele Studieren keine Rolle bei
mir. Die Jobaussichten und das spätere Gehalt
sind mit oder ohne Promotion vergleichbar.
Eventuell bevorzugen große Unikliniken oder
spezielle Fachrichtungen, die auf Forschung
Wert legen, Absolventen mit Doktortitel. Persönlich denke ich, dass (leider) noch manche
Patienten einen Arzt ohne Doktortitel nicht als
richtigen „Doktor“ ansehen.
Clemens Langer – Soziologie
Die Doktorarbeit ist eine besondere Herausforderung – in vielerlei Hinsicht. Die intensive
Auseinandersetzung mit dem Forschungsthema steht auf der einen Seite. Die äußeren Umstände und deren Einfluss auf die Möglichkeiten, sich damit zu beschäftigen, stehen auf der
anderen Seite. Und für jeden Promovierenden
sehen diese vollkommen anders aus.
Als studierter Soziologe wusste ich nach dem
Abschluss für mich, dass da noch etwas fehlt,
dass das Ende der soziologischen Auseinandersetzung noch nicht erreicht war. Zudem hatte
sich in den letzten Semestern die Filmsoziologie als Forschungsthema mit Leidenschaft
herausgestellt, der ich weiter nachgehen wollte. Gleichzeitig stellte sich mit dem Abschluss
die Frage nach der zukünftigen Finanzierung
– Ansprüche, Bedürfnisse und Ausgaben steigen schließlich. Eine der grundlegenden Entscheidungen war gegen Stipendien und für die
Aufnahme beruflicher Tätigkeiten – gerne im
universitären Bereich. Leichter gesagt als getan. Die beruflichen Erfahrungen waren und
sind mir äußerst wichtig. Das Gefühl, über ein
Stipendium finanziert zu werden und mich
nur auf die Doktorarbeit konzentrieren zu
können, spricht mich nicht an – zumal auch
die Zukunft mit betrachtet werden muss. Liegt
diese nach einer erfolgreichen Promotion nicht
an der Universität, ist das Sammeln wichtiger
berufspraktischer Erfahrungen unweigerlich
hinausgeschoben.
Im Gegensatz zum Stipendium verlangt ein
Job in erster Linie die Konzentration auf alle
anstehenden Aufgaben. Gelangt man dann
noch wie ich in die außergewöhnliche Situation, derzeit zwei Stellen als wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät und an der Medizinischen Fakultät zu erhalten, vervielfachen
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sich die – äußerst spannenden, aber auch vielfältigen – Aufgaben nochmals. Kontrolle von
Klausuren, Begutachtung von Seminar- oder
Abschlussarbeiten, Betreuung von Studierenden, Tagungen, Team-Meetings auf Englisch,
Forschung live und in Farbe. Zunächst ist also
der Spagat zwischen den Stellen und Aufgaben
zu bewältigen, bevor sich die Frage nach der
verbleibenden Zeit für die Doktorarbeit stellt.
Nicht zuletzt muss aber auch noch Zeit für
Freunde, Unternehmungen, Spaß, Erholung
… und Filme übrigbleiben.
Die äußeren Umstände spielen eine große
Rolle. Sie sind das, was schlichtweg immer
wieder beachtet werden muss, wenn man sich
als Promotionsstudent organisieren will. Disziplin, Zeit- und Selbstmanagement sind daher
wohl die größten Herausforderungen, um alle
beruflichen und studienbezogenen Aufgaben
effektiv unter einen Hut zu bringen. Mal geht
das besser, mal schlechter. Am Ende unterscheidet sich diese Phase aber wohl gar nicht
so sehr vom Schreiben einer Abschlussarbeit.
Vielleicht nur, indem den äußeren Faktoren
ein größeres Gewicht zukommt – und dass
man nicht dem Druck eines Abgabetermins
unterliegt. Und das führt wiederum zu einer
größeren Eigenverantwortlichkeit … aber das
ist nun einmal auch (Selbst-)Studium!