Folgen der Nichteinhaltung von Vorgaben zum

Folgen der Nichteinhaltung von Vorgaben zum Brandschutz
Mit „Brandschutz“ beschäftigen sich Juristen in der Regel dann, wenn dieser nicht erfüllt wurde. Aus
juristischer Sicht hat der Brandschutz dabei eine strafrechtliche, eine öffentlich-rechtliche und eine
zivilrechtliche Dimension.
I.
Strafrechtliche Aspekte des Brandschutzes
Das Strafgesetzbuch widmet sich in seinem 28. Abschnitt, den sog. gemeingefährlichen Straftaten, in einer
Reihe von Vorschriften der Brandstiftung, wobei nach der Schwere der Folgen sowie Vorsatz und
Fahrlässigkeit differenziert wird (§§ 306 StGB). Die Strafandrohung reicht dabei von Geldstrafe bis zu
lebenslanger Freiheitsstrafe. Daneben können durch eine Verantwortlichkeit für ein Feuer weitere
Straftatbestände wie Sachbeschädigung oder vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung mit und ohne
Todesfolge, fahrlässige Tötung, gemeinschaftliche Sachbeschädigung, Zerstörung von Bauwerken
(§ 305 StGB), Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel (§ 305 a StGB) oder Baugefährdung (§ 319 StGB)
verwirklicht werden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das Strafgesetzbuch der besonderen Verantwortung,
welche Baubeteiligten obliegt, mit dem § 319 StGB einen eigenen Straftatbestand widmet. Danach kann
wer bei Planung, Leitung oder Ausführung eines Baus gegen die allgemein anerkannten Regeln der
Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet, mit Freiheitsstrafe bis
zu 5 Jahren bestraft werden. Wer diese Gefahr fahrlässig verursacht, sieht sich einer Strafdrohung von bis
zu 3 Jahren Freiheitsstrafe gegenüber. Die Strafdrohung gilt ausdrücklich auch für denjenigen, welcher
technische Einrichtungen in ein Bauwerk einzubauen oder eingebaute Einrichtungen dieser Art zu ändern
hat und durch einen Verstoß gegen die Regeln der Technik Leib oder Leben gefährdet. § 319 StGB ist einer
der wenigen Gefährdungstatbestände im Strafrecht, die nicht den Eintritt eines Schadens verlangen.
Der besonderen Bedeutung, welche das Strafrecht den Gefahren durch Brände beimisst, tragen die
Strafverfolgungsbehörden auch organisatorisch durch spezielle, auf Brandschutzdelikte spezialisierte,
Dezernate Rechnung.
II.
Öffentlich-rechtliche Aspekte des Brandschutzes
Die große Bedeutung, welche der Gesetzgeber dem Schutz der Bevölkerung vor Brandgefahren beimisst,
erkennt man nicht nur im Strafrecht, sondern noch in deutlich höherem Maße im Bauordnungsrecht.
Tatsächlich waren die ersten Gesetze und Verordnungen, welche für das Bauen überhaupt erlassen
wurden, solche zur Verhinderung von Brandgefahren. Die diesbezügliche Tradition reicht bis in die Antike.
Bis heute finden sich in den Bauordnungen der Länder Anforderung an die Planung von Gebäuden und
Bauteilen zur Vermeidung von Brandgefahren sowie die Erfüllung von Mindestanforderungen von Bauteilen
im Brandfall. Die Einhaltung dieser Vorgaben setzt der Staat im Zweifel durch Ordnungsgelder,
Nutzungsuntersagungen oder die Anordnung zum Rückbau bzw. Abriss durch.
Gem. den jeweiligen Landesbauordnungen dürfen nur Bauprodukte und Bauarten eingesetzt werden, wenn
sie den Anforderungen des Gesetzes entsprechen. Zu belegen ist dies im Regelfall mit dem Ü-Zeichen
oder dem CE-Zeichen.
Nationale Regelungen
Die Verwendbarkeit ist durch Bestätigung der Übereinstimmung (Ü-Zeichen) von

geregelten Bauprodukten nach Bauregelliste A Teil 1 mit den dort bekannt gemachten technischen
Regeln oder

nicht geregelten Bauprodukten mit einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ), mit einem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis (abP) oder mit einer Zustimmung im Einzelfall
nachzuweisen. Die Art des Nachweises ergibt sich aus der Bauregelliste, die vom Deutschen Institut für
Bautechnik in Berlin (DIBt) herausgegeben wird.
Z. B. bei Kabel- und Rohrabschottungen handelt es sich strenggenommen auch um Bauarten, da diese aus
verschiedenen Bauprodukten auf der Baustelle zusammengesetzt werden. Als Verwendbarkeitsnachweis
für diese Konstruktionen gilt im nationalen Verfahren eine abZ.
Europäische Regelungen
Für Bauprodukte, die nach Vorschriften zur Umsetzung der EU-Bauproduktenrichtlinie (Bauproduktengesetz) oder sonstiger Richtlinien der EU in den Verkehr gebracht und gehandelt werden dürfen, ist die Verwendbarkeit durch Bestätigung der Übereinstimmung (CE-Zeichen) mit einer harmonisierten europäischen
Norm oder einer Europäischen Technischen Zulassung nachzuweisen. Bauprodukte mit zusätzlichen Festlegungen enthält die Bauregelliste B. Eine komplette Liste der harmonisierten europäischen Normen wird
beim DIBt in Berlin geführt.
Die Entsprechung zur Bauart – der aus verschiedenen Bauprodukten auf der Baustelle zusammengesetzten Leistung - heißt auf europäischer Ebene Bausatz. Im europäischen Verfahren kann dafür eine europäische technische Zulassung (ETA = European Technical Approval) erteilt werden. Grundlage für eine ETA
ist eine europäische Zulassungsleitlinie (ETAG = Guideline for European Technical Approval), die das
Nachweisverfahren regelt. Im Falle der Abschottungen ist dies z. B. die ETAG 026.
Nationale und europäische Nachweisverfahren sind grundsätzlich parallel möglich. Es kann z. B. für eine
Kabelabschottung sowohl eine abZ als auch eine ETA als Verwendbarkeitsnachweis existieren.
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Probleme aufgrund der Entscheidung des EUGH, Urteil vom 16.10.2014, Az.: C 100/13?
Nachricht der Kommission vom 16.10.2014:
„Die deutsche Praxis, dass Bauprodukte über sogenannte Bauregellisten zusätzliche nationale Genehmigungen haben müssen, auch wenn sie bereits über eine CE-Zeichen verfügen und in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig vermarktet werden, verstoßen gegen die europäischen Regeln des freien Warenverkehrs.“
Hintergrund dieser Entscheidung war die Richtlinie 89/106. In den Erwägungsgründen 1, 11 und 12 der
Richtlinie 89/106 heißt es:
„Es obliegt den Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass auf ihrem Gebiet die Bauwerke des Hoch- und des
Tiefbaus derart entworfen und ausgeführt werden, dass die Sicherheit der Menschen, der Haustiere und
der Güter nicht gefährdet und andere wesentliche Anforderungen im Interesse des Allgemeinwohls beachtet werden. (…) Von der Brauchbarkeit eines Produktes ist auszugehen, wenn es mit einer harmonisierten
Norm, mit einer europäischen technischen Zulassung oder einer auf Gemeinschaftsebene anerkannten
nicht harmonisierten technischen Spezifikation übereinstimmt. Daneben kann in dem Fall, dass Produkte
eine geringe Bedeutung im Hinblick auf die wesentlichen Anforderungen haben und von bestehenden technischen Spezifikationen abweichen, der Nachweis der Brauchbarkeit über eine Bescheinigung einer anerkannten Stelle geführt werden.“
Das Urteil betrifft indes die alte Bauproduktenrichtlinie und nicht die seit Juli 2013 geltende Bauproduktenverordnung (EU) Nr. 305/2011 (BauPVO). Nach der BauPVO ist die CE-Kennzeichnung bekanntlich kein
"Brauchbarkeitsnachweis" mehr, sondern ein "Leistungsnachweis" über die Produkteigenschaften. Inwieweit es den Mitgliedstaaten gestattet ist, "Lücken" national "nachzuregeln", ist insoweit noch nicht abschließend geklärt. Allerdings dürfte Deutschland nach der Entscheidung strikt an die in der BauPVO geregelten
Verfahren gebunden sein. Eine "nationale Nachregelung" von wesentlichen Merkmalen nach harmonisierten Normen dürfte damit unzulässig sein.
Darüber, wie mit der Entscheidung des EUGH umgegangen werden soll, gibt es in deutschen Ministerien
und Verwaltungen noch keine gesicherte Haltung. Es herrscht jedenfalls keine ungeteilte Begeisterung, das
nationale System gerade im sicherheitsrelevanten Bereich aufzugeben. Es steht daher zu erwarten, dass
die deutschen Verwaltungen nach Wegen suchen werden, das nationale System zu erhalten. Bis es hier
eine klare Rechtslage gibt, sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass verwendete Systeme dem nationalen Schutzniveau entsprechen. Wichtig ist dabei, nicht nur auf das Bauprodukt selbst zu achten. Das
Zusammenfügen von BAUPRODUKTEN zu baulichen Anlagen oder Teilen von baulichen Anlagen definieren die Landesbauordnungen als BAUART. Es ist denkbar, dass der konkreten Verwendung eines Bauprodukts im Rahmen der Bauart größere Bedeutung beigemessen wird, wenn das Schutzniveau des reinen
Bauproduktes als zu gering erachtet wird.
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III.
Zivilrechtliche Aspekte des Brandschutzes
1.
Grundüberlegung - Was ist ein Mangel?
Wenn es im Zivilrecht um die Bewertung eines Zustandes geht, lautet die Frage zumeist: Ist die Leistung
„mangelhaft“? Was ein Mangel ist, wird dabei von Technikern und Juristen mitunter durchaus unterschiedlich bewertet.
Für einen Juristen ist ein Werk nach § 633 Abs. 2 BGB frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte
Beschaffenheit aufweist. Nur wenn eine solche Beschaffenheit nicht vereinbart ist, kommt es darauf an, ob
das Werk für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst für die gewöhnliche Verwendung geeignet ist
und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und vom Besteller erwartet
werden kann.
Daher kann für einen Juristen auch eine Ausführung, welche der DIN widerspricht, nicht den anerkannten
Regeln der Technik genügt oder sogar nicht funktioniert noch vertragsgemäß und damit mangelfrei sein.
Andererseits kann ein Jurist eine Ausführung, die tadellos funktioniert oder gar viel besser ist, als das, was
der Bauherr bestellt hat, als mangelhaft bewerten. Völliges Unverständnis kann dabei aufkommen, wenn
selbst eine Leistung, welche den Segen der Bauaufsicht hat, als mangelhaft eingestuft wird.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Bedeutung
‐
die Nichteinhaltung von Produktvorgaben des Bestellers
‐
die Nichteinhaltung von Vorgaben (z.B. Montage) des Produktherstellers
‐
fehlende Errichterbescheinigungen oder
‐
ausgelaufene Bauaufsichtliche Zulassungen
für die Bewertung einer Leistung als mangelhaft – mangelfrei haben, wenn die Leistung gleichwohl technisch einwandfrei funktioniert.
2.
Nichteinhaltung von Produktvorgaben des Bestellers – Leistung mangelhaft?
Ja! Grundsätzlich besteht in Deutschland Vertragsfreiheit. Die Parteien können daher den Inhalt des Vertrages frei bestimmen. Die Grenze sind gesetzliche Verbote oder die Sittenwidrigkeit. Wird in dem Vertrag
daher ein bestimmtes Produkt vereinbart, handelt es sich dabei um eine vereinbarte Beschaffenheit im
Sinne des § 633 Abs. 2 BGB. Jedes andere Produkt ist dann mangelhaft. Das selbst dann, wenn es qualitativ viel besser ist, als das, was vereinbart wurde.
3.
Nichteinhaltung von Vorgaben des Produktherstellers – Leistung mangelhaft?
4
Ist im Vertrag vereinbart, dass die Vorgaben des Produktherstellers bei der Verwendung des Produktes
einzuhalten sind, ist der Fall einfach. Dann stellt jede Abweichung von diesen Vorschriften eine Abweichung
von der im Vertrag vereinbarten Leistung und damit einen Mangel dar (OLG Frankfurt, Urteil vom
15.06.2012 - 2 U 205/11; BGH, Beschluss vom 06.03.2014 - VII ZR 196/12; OLG Celle, IBR 2008, 643).
Ohne entsprechende Vereinbarung ist die Sache nicht ganz so eindeutig. Es stellt sich dann die Frage, ob
die Parteien die Einhaltung der Herstellervorgaben konkludent, also stillschweigend mit vereinbart haben.
Ist diese Frage zu bejahen, führt die Nichteinhaltung der Herstellervorgaben zu einer Mangelhaftigkeit der
Leistung. Dies auch dann, wenn die Leistung auch so funktioniert.
Von der Rechtsprechung wird eine derartige konkludente Vereinbarung über die Einhaltung der Herstellervorgaben für folgende Fälle bejaht:
‐
wenn aus der Abweichung von Herstellervorgaben Ungewissheiten über Risiken des Gebrauchs
folgen (OLG Schleswig, IBR 2010, 321)
‐
wenn die Einhaltung der Herstellervorschrift dem Auftraggeber unabhängig vom Erfolg erkennbar
besonders wichtig war (OLG Schleswig, IBR 2004, 683). Eine Vermutung gibt es insoweit nicht
(OLG Jena, IBR 2009, 134)
‐
wenn sie der Risikominimierung dienen und bei einem Verstoß gegen diese nicht auszuschließen
ist, dass sich hierdurch gerade das durch die Herstellervorgabe zu vermeidende Risiko realisiert
(BGH, IBR 2009, 511, OLG Jena, IBR 2009, 134)
‐
wenn der Auftraggeber bei einer entgegen den Vorgaben des Herstellers vorgenommenen Ausführung dadurch Gefahr läuft, die Herstellergarantie zu verlieren (OLG Brandenburg, Urteil vom
15.06.2011 - 4 U 144/10, OLG Frankfurt, Urteil vom 15.06.2012 - 2 U 205/11; BGH, Beschluss
vom 06.03.2014 - VII ZR 196/12)
‐
wenn sie anerkannte Regeln der Technik sind, deren Einhaltung der Auftragnehmer bei Vertragsschluss stillschweigend zusichert (BGH, IBR 2011, 399).
Besondere Bedeutung haben Herstellervorschriften auch dann, wenn es für die Anwendung des Produktes
keine anerkannten Regeln der Technik gibt. Existieren neben Herstellerrichtlinien keine konkurrierenden
technischen Regeln, besteht bei Missachtung der Herstellervorschriften die (widerlegliche) Vermutung für
einen Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik (OLG Frankfurt, Urteil vom 15.06.2012 - 2 U
205/11; BGH, Beschluss vom 06.03.2014 - VII ZR 196/12; (noch weitergehender OLG Jena, IBR 2011, 399:
"Vermutung der Mangelhaftigkeit").
Ob allerdings eine im Hinblick auf Herstellervorschriften abweichende Bauausführung bei fehlenden technischen Regelwerken immer eine Vermutungswirkung für einen Verstoß gegen die anerkannten Regeln der
Technik begründen kann, erscheint fraglich. Das besondere Eigeninteresse des Herstellers an einer mangelfreien Verwendung seines Bauprodukts führt in der Praxis nämlich oftmals zu technisch überaus weitgehenden Verarbeitungsempfehlungen, die vielfach über die Vorgaben konkurrierender DIN-Normen und
die anerkannten Regeln der Technik hinausgehen. Allein das Fehlen solcher Regeln darf dann nicht dazu
führen, dass den Herstellervorschriften unbesehen eine Vermutungswirkung zugesprochen wird.
5
4.
Bedeutung der Errichterbescheinigung
Mit der Errichterbescheinigung erklärt der Hersteller, dass es sich bei der aus verschiedenen Komponenten
zusammengesetzten Leistung um eine „zugelassene Bauart“ im bauordnungsrechtlichen Sinne (s. o.) handelt. Die Verwendung zugelassener Bauprodukte und zugelassener Bauarten ist eine öffentlich-rechtliche
Voraussetzung für die Nutzung eines Gebäudes und einer Anlage. Sie betrifft damit die Funktionstauglichkeit der Leistung. Das ganz unabhängig davon, ob die Einhaltung dieser öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen im konkreten Fall überprüft wurde oder nicht. Die Einhaltung dieser öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen wird vom Auftragnehmer bei Vertragsschluss konkludent versichert, ohne dass es einer besonderen Erwähnung im Vertrag bedürfte. Eine Leistung, die diese Anforderungen nicht erfüllt, ist damit mangelhaft.
Hat der Auftraggeber bestimmte Produkte vorgegeben, trifft den Auftragnehmer eine Prüfpflicht, ob diese
für den vorgesehenen Gebrauch zugelassen sind und mit ihnen eine Errichterbescheinigung für den vorgesehenen Gebrauch erlangt werden kann. Ist das nicht der Fall, trifft den Auftragnehmer zumindest eine
Hinweispflicht (s. u.). Ob er die Leitung dann trotz Bedenkenanmeldung und Aufklärung der Auftraggeber
über die Folgen der fehlenden Zulassung ausführen darf, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab
(s. u.). Kann eine Gefährdung von Leib und Leben nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, darf die
Leistung dann so nicht ausgeführt werden (s. u.).
Zu beachten ist, dass Produktherstellern eine Herstellerbescheinigung nur für eine ganz konkrete, von
ihnen so beantragte und geprüfte Konstruktion (Bauart) anbieten. Dabei handelt es sich um geschlossene
Systeme. Nur dafür gibt es die Bescheinigung. Es muss also die Konstruktion so ausgeführt werden, wie
vom Hersteller vorgegeben. Es reicht also nicht, dass nur Produkte dieses einen Herstellers verwendet
werden. Sie müssen auch genau für den vom Hersteller vorgesehenen Gebrauch in der von diesem vorgegebenen Art und Weise eingesetzt werden!
Das gilt unabhängig davon, ob es sich nun um einen Verwendbarkeitsnachweis nach einem nationalen
Verfahren (abZ) oder europäischen Verfahren (europäische technische Zulassung ETA = European Technical Approval) handelt.
5.
Bedeutung abgelaufener Zulassungen
Die Zulassung ist ein Brauchbarkeitsnachweis für nicht geregelte Bauprodukte und wird vom Deutschen
Institut für Bautechnik im Auftrag der obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder erteilt. Allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen werden für solche Bauprodukte und Bauarten im Anwendungsbereich der Landesbauordnungen erteilt, für die es allgemein anerkannte Regeln der Technik, insbesondere DIN-Normen,
nicht gibt oder die von diesen wesentlich abweichen.
Problematisch ist, dass Allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen ausschließlich vom Deutschen Institut für
Bautechnik (DIBT) ausgestellt werden. Hierzu werden durch benannte Prüfstellen Prüfungen durchgeführt.
Der Prüfauftrag wird in der Regel von einer Herstellerfirma erteilt. Die bauaufsichtlichen Zulassungen sind
befristet – sie sollen fünf Jahre nicht überschreiten. Hohe Kosten und lange Bearbeitungszeiten haben dazu
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geführt, dass für viele Produkte am Markt die Prüfzeugnisse ausgelaufen sind, ohne, dass neue Prüfzeugnisse vorlagen.
Die obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder hatten sich daher bereits (Mitteilung von SenStadt im Rundschreiben II E Nr. 43/2014) darauf verständigt, dass es im Rahmen der Bauaufsicht nur darauf ankommen
soll, dass zu Beginn ihrer Verwendung, d. h. Beginn des Einbaus der Bauprodukte oder der Ausführung der
Bauarten eine gültige Zulassung vorlag. Der Ablauf der Geltungsdauer eines Verwendbarkeitsnachweises
während der Dauer des Einbaus oder der Ausführung soll öffentlich-rechtlich ohne Belang sein.
Es stellt sich damit aber die Frage, ob damit auch im Verhältnis der Bauvertragsparteien alles „in Ordnung“,
d. h. vertragsgemäß ist. Dabei sind die ggf. unterschiedlichen Anforderungen nach dem Zivilrecht und dem
öffentlichen Recht zu beachten.
a) öffentlich-rechtliche Anforderungen:
Der Staat (Gesetzgeber und Verwaltung) entscheidet, welche Anforderungen er an Bauten stellen will. Also
z. B. was er als Voraussetzung für eine Baugenehmigung verlangt und welche Vorgaben eingehalten sein
müssen, damit ein Bauwerk dann auch genutzt werden darf. Eine dieser Anforderungen ist normalerweise,
dass in sicherheitsrelevanten Bereichen nur Bauprodukte eingesetzt werden dürfen, die eine entsprechende Zulassung haben.
Bauprodukte und Bauarten dürfen nur verwendet werden, wenn bei ihrer Verwendung die baulichen Anlagen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung während einer dem Zweck entsprechenden angemessenen Zeitdauer die Anforderungen der jeweiligen Landesbauordnung erfüllen und gebrauchstauglich sind; die von
der obersten Bauaufsichtsbehörde durch öffentliche Bekanntmachung als Technische Baubestimmungen
eingeführten technischen Regeln sind zu beachten (vgl. § 3 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 der Musterbauordnung
(MBO)).
Da hier aber der Staat die Regeln aufstellt, kann er sie auch ändern. Dies ist mit der Abstimmung der
obersten Baubehörden geschehen. Danach wird also auch dann die Nutzung erlaubt werden, wenn bestimmte Zulassungen im Zeitpunkt der Nutzungsaufnahme schon abgelaufen sind. Öffentlich-rechtlich ist
damit "alles in Ordnung" und die Bauaufsicht wird nicht mit Änderungsverfügungen oder Nutzungsuntersagungen auf eine Änderung des gebauten Zustandes hinwirken.
b) zivilrechtliche Anforderungen
Ob eine Baubehörde einen Bau genehmigt, abnimmt und seine Nutzung duldet, sagt aber noch nichts darüber aus, ob dieser in zivilrechtlicher Hinsicht mangelfrei ist (BGH, BauR 2002, 114). Dem Auftraggeber
können daher unter Umständen auch dann noch zivilrechtlich Mängelansprüche (Schadenersatz, Nacherfüllung, Minderung) gegen den Werkunternehmer zustehen, wenn öffentlich-rechtlich "alles in Ordnung" ist
oder zumindest kein Nachteil droht.
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Ob die Leistung im zivilrechtlichen Sinn vertragsgemäß und damit mangelfrei ist, bestimmt sich nach dem
Vertrag zwischen den Parteien. Darauf kann ein nachträglicher Erlass nur bedingt Einfluss haben. Dass
also die Baubehörden vereinbaren, dass sie auch abgelaufene Zulassungen nicht zum Anlass für eine
Nutzungsuntersagung nehmen, bedeutet nicht automatisch, dass auch der Auftraggeber abgelaufene Zertifikate akzeptieren muss.
Für die Frage, ob eine Leistung mangelhaft oder mangelfrei ist, kommt es im Werkvertragsrecht zivilrechtlich auf den Zeitpunkt der Abnahme an. Das wird in § 13 Nr. 1 VOB/B so extra noch einmal klargestellt.
Was ein Mangel ist - und damit welche Voraussetzungen im Zeitpunkt der Abnahme erfüllt sein müssen ergibt sich allein aus dem Mangelbegriff des § 633 BGB. Danach muss eine Leistung jedenfalls so sein,
dass sie die nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion erfüllt, eine vereinbarte Beschaffenheit aufweist
und i. d. R. den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
Und daran ändert sich auch nichts, wenn sich die Rechtslage nach Vertragsschluss geändert haben sollte
(vgl. OLG Zweibrücken, IBR 2007, 264; Ingenstau/Korbion, § 13 Rn. 84). Bekannt ist das Problem aus
Änderungen der EnEV und vor allem bei Änderungen der Regeln der Technik. Der Bundesgerichtshof
(BGH, Urteil vom 14.05.1998 - VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16 = BauR 1998, 872 = NJW 1998, 2814, 2815:
diese Rechtsprechung für verallgemeinerungsfähig halten Kniffka/Koeble-Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl. 2008, 12. Teil Rz. 370; Quack/Thode, Abnahme und Gewährleistung beim Bau- und Bauträgervertrag, Rz. 48) hat in einem obiter dictum für den Zeitpunkt, der für die Bestimmung der anerkannten
Regeln der Technik maßgeblich ist, im Allgemeinen auf die Abnahme abgestellt. Das Oberlandesgericht
Zweibrücken (OLG Zweibrücken, Urteil vom 21.12.2006 - 4 U 12/06, DNotZ 2008, 187 m. Anm. Pause)
geht dagegen ausnahmslos vom Zeitpunkt der Abnahme aus, weil der Unternehmer sich ständig über die
fortlaufenden anerkannten Regeln der Technik informieren müsse. An dieser Auffassung ist zutreffend,
dass der Bauherr regelmäßig die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme erwartet und auch erwarten darf. Der Unternehmer trägt damit regelmäßig das Risiko, dass sich
nach Vertragsschluss die anerkannten Regeln der Technik ändern (Quack/Thode, Abnahme und Gewährleistung beim Bau- und Bauträgervertrag, Rz. 48).
Eine Leistung wäre danach jedenfalls dann mangelhaft, wenn sie so beschaffen ist, dass damit die Funktion
nicht erreicht wird, weil es keine öffentliche Abnahme gibt, oder eine spätere Nutzungsuntersagung droht.
Diese Mangelhaftigkeit kann durch die Verabredung der Baubehörden, auch abgelaufene Zertifikate zu
dulden, "geheilt" werden.
Handelt es sich bei der bauaufsichtlichen Zulassung um bloße Ordnungsvorschriften (s. Palandt § 134
Rn. 8), käme einer derartigen Mangelhaftigkeit wohl auch kein großes Gewicht zu. Nach LG Magdeburg
muss das Fehlen der bauaufsichtlichen Zulassung an sich keinen Mangel bedeuten, wenn die Eignung des
Produkts nachgewiesen ist (Urteils des LG Magdeburg vom 29.10.2008 - 5 O 497/07). Rechtlich überzeugend ist das nicht. Hierauf sollte sich ein Unternehmer oder Planer auch auf keinen Fall verlassen.
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Zudem wird häufig in Verträgen mehr vereinbart, als eine bloße Funktionsfähigkeit. So finden sich in vielen
Verträgen Klauseln, welche den Auftragnehmer verpflichten, nur zugelassene Bauprodukte zu verwenden.
Diese müssen dann auch im Zeitpunkt der Abnahme noch zugelassen sein. Das selbst dann, wenn das
öffentlich-rechtlich nicht mehr gefordert ist (OLG Celle BauR 2008, 1637). Das OLG Köln (IBR 2003, 615,
so auch Ing./Korb, § 13 Rn. 79) hat eine Leistung auch dann als mangelhaft bewertet, obwohl dadurch
selbst kein Schaden eingetreten ist.
Selbst wenn die Verwendung zugelassener Bauprodukte nicht ausdrücklich vertraglich festgeschrieben ist,
wird zumindest konkludent vereinbart sein, dass die Bauleistung nach den jeweils maßgeblichen öffentlichrechtlichen Vorschriften erbracht wurde (Ingenstau/Korbion, § 13 Rn. 75). Denn das wird die durchschnittliche und übliche Beschaffenheit sein. Nach meinem Verständnis ist sie das nicht, wenn die Zulassungen
abgelaufen sind. Dabei kommt es dann nicht darauf an, ob dem Auftraggeber dadurch ein Nachteil entsteht.
Eine von der Mängelhaftung zu unterscheidende Frage ist, ob der Unternehmer für die Änderung der Bauleistung infolge der Änderung der anerkannten Regeln der Technik zwischen Vertragsschluss und Abnahme eine Mehrvergütung verlangen kann. Gleiches gilt, wenn er selbst die Verzögerung des Baus und
damit den Ablauf der Prüfzeugnisse zu vertreten hat.
Handlungsempfehlung
Schreibt ein Planer daher ein Produkt aus, dessen Verwendbarkeitsnachweis vor der zu erwartenden Fertigstellung ablaufen könnte oder will ein Auftragnehmer ein derartiges Produkt verwenden, muss er klar
darauf hinweisen, dass die Prüfzeugnisse nur noch bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gültig sind und eine
Verlängerung nicht gesichert ist. Das gilt selbst dann, wenn der Bauherr das Produkt vorgegeben hat. Dieser Hinweis muss vor Vertragsschluss erfolgen.
Was aber macht ein Handwerker, der aus Versehen einen Vertrag über den Einbau eines nicht (mehr)
zugelassenen Produkts unterschrieben hat? Hier hat er zunächst Bedenken gegen die Ausführung anzumelden und – wenn eine Funktionstauglichkeit nicht mit Sicherheit gewährleistet ist – die Ausführung der
Leistung zu verweigern. Das Anordnungsrecht des AG nach § 4 Abs. 1 VOB/B greift hier nicht. Verlangt der
Auftraggeber eine Ausführung, die zu einer Gefährdung von Leib und Leben führen kann, hat der Auftragnehmer nicht nur eine Pflicht zur Leistungsverweigerung, er hat auch ein Kündigungsrecht aus wichtigem
Grund.
6.
Der Preis sagt nichts über den Leistungsumfang
Der vereinbarte Preis ist für die Beantwortung der Frage, welcher Leistungsumfang bzw. welche Qualität
vertraglich geschuldet wird, unerheblich. Dass eine bestimmte Leistung zu dem vereinbarten Preis in der
erforderlichen Qualität auf dem Markt nicht zu bekommen ist, ist das Problem des Auftragnehmers, der
diesen Auftrag zu diesem Preis angenommen hat. Dies gilt für Bau- und Planungsleistungen.
7.
Brandschutzleistungen - Grundleistungen nach HOAI?
9
Ob und wenn ja welche Brandschutzplanungsleistungen Grundleistungen nach der HOAI sind, ist streitig.
Während Quack/Seifert (BauR 2011, 915 ff) argumentieren, dass spezielle Brandschutzplanungen keine
Grundleistungen seien, vertritt Rohrmüller (BauR 2011, 1078 ff) das Gegenteil. Der BGH hat noch zur
HOAI 1996 entschieden, dass regelmäßig Grundleistungen vorliegen, allerdings Fälle denkbar sind, in
denen für die Brandschutzplanung eine besondere Qualifikation oder eine Nachweisberechtigung
erforderlich ist, die keinem Leistungsbild der HOAI zugeordnet werden kann. Welche Fälle das sein
könnten, hat der BGH offengelassen und darauf hingewiesen, dass der Brandschutz grundsätzlich für die
Erbringung einer genehmigungsfähigen Leistung erforderlich ist. Das heißt aber nicht, dass alles, was
geschuldet ist, bereits von der Vergütung für Grundleistungen nach HOAI umfasst ist.
1.
Zu den vom Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure erfassten Grundleistungen
der
2.
konstruktiven
Gebäudeplanung
gehören
auch
Leistungen
der
Brandschutzplanung.
Im Zusammenhang mit dieser Planung in Auftrag gegebene Besondere Leistungen des Brandschutzes sind nicht zu vergüten, wenn eine schriftliche Honorarvereinbarung nicht getroffen worden ist.
3.
Offen bleibt, ob und unter welchen Voraussetzungen im Allgemeinen eine Qualifizierung von Leistungen des Brandschutzes auch als isolierte Besondere Leistungen möglich ist,
BGH, Urteil vom 26.01.2012 - VII ZR 128/11.
Brandschutzplanungsleistungen können je nach Einzelfall Grundleistungen oder Besondere bzw.
Zusätzliche Leistungen sein. Nach Schweer sollen Grundleistungen dann vorliegen, wenn eine Planung
das Regelbrandschutzkonzept nach der jeweils einschlägigen Bauordnung anwendet. Besondere oder
Zusätzliche Leistungen sollen hingegen vorliegen, wenn wegen individueller Erfordernisse vom
Regelbrandschutzkonzept nach der jeweils einschlägigen Bauordnung abgewichen werden muss. Das
kann sowohl bei Regelbauten als auch bei Sonderbauten oder bei speziellen Wünschen des Auftraggebers
der Fall sein.
Darauf kommt es für die Leistungspflicht des Planers aber auch gar nicht an. Die Vergütungsfähigkeit nach
HOAI als Grund-, Besondere oder Zusätzliche Leistung sagt nämlich nichts darüber aus, ob diese
Leistungen auch geschuldet sind. Denn die HOAI ist lediglich eine Honorarordnung. Sich der
Leistungspflicht über das Honorarrecht zu nähern, ist daher (trotz der Teilleistungsrechtsprechung des
BGH) nicht der richtige Ansatz. Leistungspflichten von Architekten und Ingenieuren sind vielmehr vorrangig
anhand des Vertrags zu bestimmen. Erst nachrangig kommt es auf die übliche Beschaffenheit der
Planungsleistung an (BGB § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2), wie sie sich auch in den Leistungsbildern der HOAI
widerspiegelt.
Danach muss der Architekt dafür sorgen, dass ein mangelfreies Werk entsteht. Der Architekt muss dabei
den Blick für das Ganze haben.
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Der Architekt muss prüfen, ob und wie die Möglichkeiten der Statik mit den Wünschen des Auftraggebers und den Brandschutzvorschriften kompatibel gemacht werden können, nicht aber der Tragwerksplaner,
OLG Celle, Urteil vom 04.01.2012 - 14 U 126/11.
Abzustellen ist dabei zunächst auf das normale Standardwissen eines Fachmannes in seinem jeweiligen
Bereich. Dieses kann der Bauherr erwarten und das muss der Planer einsetzen. Wird dieses
Standartwissen im Bereich des Brandschutzes nicht erreicht, ist es Sache des Planers/Bauleiters, sich das
fehlende Standartwissen selbst zu beschaffen.
Im Bereich des Brandschutzes gehen die Anforderungen an das fachliche Wissen ab einer bestimmten
Komplexität des Bauwerks aber über das Standardwissen eines normalen Architekten und der normalen
Fachfirma hinaus. In diesem Fall verlangt die Rechtsprechung von dem Architekten, dass er seinen
Bauherrn hierüber informiert und auf die Einschaltung eines Sonderfachmanns mit der notwendigen
Fachkunde drängt.
8.
Exkurs: Die Haftung des Planers - Grundprinzipien
Wird wegen eines Mangels bei einem Bauwerk ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht, kommen
für diesen regelmäßig mehrere Verantwortliche in Betracht. Im Regelfall sind dies der Planer, der
Bauüberwacher und das ausführende Unternehmen. Durch die Einschaltung von Sonderfachleuten und
arbeitsteilige Ausführung kann die Zahl der Beteiligten weiter steigen. Gerade bei Mängeln im Bereich des
Brandschutzes werden die Beteiligten versuchen, die Verantwortlichkeit für einen Schaden unter Verweis
auf die angeblich höhere Kompetenz dem jeweils anderen zuzuschieben. Die juristische Diskussion kreist
hierbei in vielen Varianten um folgende Grundprinzipien:
1.
Der Architekt schuldet dem Bauherrn eine Planung, die das Entstehenlassen eines dauerhaft
genehmigungsfähigen Werkes ermöglicht.
Der Architekt schuldet eine Entwurfs- und Ausführungsplanung, die die Anforderungen
des
Brandschutzes
berücksichtigt.
Ein Planungsfehler liegt vor, wenn die Planung die nicht fern liegende Gefahr unzulässiger
Ausführung
in
sich
birgt.
Der Architekt muss bei der Auswahl der Baustoffe und ihrer Beschreibung den sichersten
Weg wählen. Wenn danach mehrere Möglichkeiten der Ausführung denkbar sind, muss
er die zulässige festlegen. Auf eine Zulassung im Einzelfall darf nicht vertraut werden.
OLG Frankfurt, Urteil vom 11.03.2008 - 10 U 118/07
11
2.
Für eine mangelhafte Planung gibt es nicht das volle Honorar. Hat sich die mangelhafte Planung
bereits im Bauwerk in einem Schaden verkörpert, schuldet der Planer Schadenersatz. Eine
Fristsetzung zur Mangelbeseitigung gegenüber dem Planer ist daher i.d.R. entbehrlich.
3.
Das ausführende Unternehmen hat Anspruch darauf, dass ihm vom Bauherrn für die Ausführung
geeignete Pläne übergeben werden. Weisen diese Pläne einen Fehler auf, der zu einem Schaden
im Bauwerk führt, muss sich der Auftraggeber dies im Verhältnis zum bauausführenden
Unternehmen als Mitverschulden nach § 254 BGB anspruchsmindernd anrechnen lassen.
4.
Dem Auftraggeber gegenüber ist der mit der Bauüberwachung beauftragte Planer schließlich dafür
verantwortlich, dass der Bauunternehmer die Planung richtig umsetzt. Je komplizierter dabei die
Planung, desto schadensträchtiger die konkrete Leistung und je bedeutender die Leistung für das
Gesamtbauwerk, je größer ist hier die Überwachungsverpflichtung für den Bauüberwacher
gegenüber dem Bauherrn.
5.
Setzt ein Bauherr Fachbauleiter ein, bleibt der Architekt in der Verpflichtung, deren Leistung zu
koordinieren und zu überprüfen, ob diese ihrer Überwachungspflicht nachkommen.
6.
Für die handwerklichen Mängel selbst haften natürlich auch die ausführenden Handwerker. Diese
können sich auch nicht darauf berufen, dass ihr handwerklichen Fehler vom bauüberwachenden
Architekten
oder
Fachingenieur
übersehen
wurden.
Denn
diese
schulden
ihre
Überwachungstätigkeit nur gegenüber ihrem Bauherrn, nicht gegenüber dem ausführenden
Unternehmen.
Nimmt
der
Bauherr
daher
Bauüberwacher
und
Bauhandwerker
gesamtschuldnerisch in Anspruch, haften im Innenverhältnis die ausführenden Handwerker für
den Schaden allein.
9.
Exkurs: Risiken bei funktionaler Ausschreibung
Zu den wesentlichen Elementen eines Vertrages gehört die Beschreibung von Leistung und Gegenleistung.
Es ist allerdings nicht erforderlich, dass diese Leistung in allen ihren Facetten genau beschrieben wird. Eine
Leistung ist daher auch dann hinreichend genau beschrieben, wenn die Beteiligten aufgrund ihrer
fachlichen Kenntnisse wissen, was mit der jeweiligen Ausschreibungsposition gemeint ist. Dass dabei aus
Sicht des Auftraggebers vermeintlich eindeutige Leistungsbeschreibungen vom Auftragnehmer in einem
ganz anderen Sinn verstanden sein wollen, ist aber immer wieder Anlass für Diskussionen zwischen den
Vertragsparteien über Nachträge.
Eine Leistung kann auch dadurch hinreichend genau beschrieben werden, dass lediglich die geschuldete
Funktion ausgeschrieben und damit Vertragsbestandteil wird. Eine derartige funktionale Ausschreibung
kann sich auf einzelne Leistungspositionen beschränken, aber auch die gesamte Bauleistung umfassen.
Auch bei öffentlichen Ausschreibungen ist es zulässig, dem Bieter bestimmte Planungsleistungen zu
übertragen. Die vergaberechtliche Vorgabe, dass eine Leistung erschöpfend auszuschreiben ist und dem
12
Bieter kein unkalkulierbares Risiko auferlegt werden soll, steht dem nicht entgegen. Nach Abgabe des
Angebotes kann sich ein Bieter hierauf ohnehin nicht mehr berufen.
Der Grund für eine funktionale oder teilfunktionale Ausschreibung kann darin liegen, dass es dem Bauherrn
gar nicht auf ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Art der Ausführung ankommt, solange die
Funktionalität gesichert ist. In diesem Fall soll dann dem Auftragnehmer die Möglichkeit eröffnet werden,
durch Auswahl eines günstigen Produktes oder eine geschickte Konstruktion einen entsprechend günstigen
Preis anzubieten.
Ein weiterer Grund für eine funktionale Ausschreibung von Leistungspositionen kann darin liegen, dass der
Auftraggeber bzw. der die Ausschreibung vorbereitende Planer nicht die Zeit oder das Wissen hat, die
entsprechende Leistung im Vorfeld selbst zu planen und dann entsprechend konkret auszuschreiben.
Bedenken sollten der funktional ausschreibende Auftraggeber und sein ihn hierbei unterstützender Planer
dabei aber folgendes:
Der Planer schuldet seinem Bauherrn das Entstehenlassen eines mangelfreien Werkes. Dafür muss er
prüfen, ob das, was da gebaut wird, hierfür geeignet ist. Spätestens bei Prüfung der Werk- und
Montageplanung des Auftragnehmers, bei deren Integration in den Gesamtbauablauf und bei der
Überwachung ihrer Ausführung muss ein Planer überprüfen, ob das, was ihm dort vorgelegt wird bzw. vor
seinen Augen entsteht, tauglich ist. Statt lediglich zu vergleichen, ob das nun der von ihm vorgegebenen
Planung entspricht, muss sich der Planer nun in eine fremde Planung einarbeiten und sich mit ihm ggf.
unbekannten Produkten auseinandersetzen. Er muss sich dabei dann selbst die notwendigen
Informationen beschaffen, um zu prüfen, ob die vom Auftragnehmer erstellte Planung und die von ihm
vorgelegten Produkte zur Herbeiführung des Erfolges – mangelfreies Werk – geeignet sind.
In vielen Fällen wird durch eine funktionale Ausschreibung für den Planer daher lediglich der im
Rahmen der Ausschreibung ersparte Aufwand in die Phase der Bauüberwachung verlagert werden.
Erachtet der Planer sodann ein vom Auftragnehmer vorgesehenes Produkt oder eine bestimmte Art der
Konstruktion für ungeeignet, muss er seinen Bauherrn dann überzeugen, dies nicht zuzulassen.
Erfahrungsgemäß wird sich ein Bauherr hier mit Anweisungen gegenüber dem ausführenden Unternehmen
nach Möglichkeit zurückhalten. Denn jede Anordnung des Auftraggebers wird hier vom bauausführenden
Unternehmen zum Anlass für einen Nachtrag genommen werden.
Zusätzlich verkompliziert wird die Situation, wenn die Leistungen für Ausschreibung und Bauüberwachung
nicht von dem gleichen Planer erbracht werden. Der bauüberwachende Planer hat grundsätzlich gegenüber
seinem Auftraggeber einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber eine mangelfreie Ausführungsplanung
zur Verfügung stellt. Zwar muss der Bauüberwacher diese im Rahmen der Umsetzung wie auch das
ausführende Unternehmen auf ihre Mangelfreiheit überprüfen. Fehler in der Ausführungsplanung muss sich
der Bauherr/ Auftraggeber aber im Rahmen des Mitverschuldens gem. § 254 BGB anspruchsmindernd
entgegenhalten lassen, wenn er den Bauüberwacher oder das ausführende Unternehmen wegen eines aus
der Planung resultierenden Mangels in Anspruch nehmen will. Das gilt im Verhältnis zum Bauüberwacher
13
auch, wenn es aufgrund der funktionalen Ausschreibung gar keine Ausführungsplanung des Architekten
gibt.
Ein Bauherr, der hier durch funktionale Ausschreibung gänzlich die Kosten für einen
Architekten/Fachingenieur im Rahmen der Ausführungsplanung „einspart“, verliert mit dem
Architekten/Fachingenieur den erfahrungsgemäß solventesten – weil haftpflichtversicherten –
Anspruchsgegner.
Gibt es jetzt keine Ausführungsplanung, weil der Bauherr die Leistung funktional ausgeschrieben hat, wird
der Überwachungsaufwand für einen nur bauüberwachenden Planer zudem besonders hoch sein. Hier
muss sich jeder Planer dann gewissenhaft fragen, ob er über die notwendigen fachlichen Kenntnisse
verfügt, die Einhaltung des Brandschutzes effektiv überwachen zu können.
Andernfalls muss er hier gegenüber dem Bauherrn auf die Einschaltung eines Sonderfachmanns für den
Brandschutz
drängen.
Jedenfalls
bei
komplexeren
Sonderbauten
wird
die
Einhaltung
der
brandschutzrechtlichen Bestimmungen nicht mehr zum Standardwissen des normalen Bauüberwachers
gehören.
10.
Planungsvorgabe des Bauherrn: „bitte nicht so aufwendig“
Grundsätzlich kann ein Bauherr mit seinem Planer vereinbaren, dass dieser eine Ausführung plant, welche
hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleibt. Das kann sich auf die Art der Planung, die Qualität
der Ausführung oder das zum Einsatz kommende Material beziehen. Sollte es hierüber später aber zu
einem Streit zwischen Planer und Auftraggeber kommen, ist es der Planer, welcher beweisen muss, dass
er den Auftraggeber ausdrücklich, ausführlich und verständlich über diese Abweichung von den Regeln der
Technik und die hieraus resultierenden Konsequenzen informiert hat und der Bauherr trotz dieser
ordnungsgemäßen und umfassenden Information die konkrete Ausführung gewünscht hat. Der Planer
muss hierbei dann auch beweisen, dass der Auftraggeber seine Bedenkenhinweise technisch und in ihrer
Tragweite verstanden hat. Dies ist grundsätzlich mit erheblichen Haftungsrisiken für den Planer verbunden.
Im sicherheitsrelevanten Bereich wie dem Brandschutz ist ein Zurückgehen hinter die anerkannten Regeln
der Technik praktisch ausgeschlossen. Denn hier sind Rechtsgüter betroffen, in deren Gefährdung der
Auftraggeber nicht einwilligen kann.
11.
Prüfungs- u. Hinweispflicht des Bauunternehmers
§ 4 Abs. 3 VOB/B
„Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen der
Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile
oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich möglichst schon vor Beginn der Arbeiten - schriftlich mitzuteilen.“
14
Es nützt auch nichts, vor einer nicht fachgerechten Ausführung die Augen zu verschließen. Hat ein
Auftragnehmer die Anordnung des Auftraggebers hinsichtlich der vorgesehenen Art der Ausführung, die
Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder die Vorleistungen anderer Unternehmer überhaupt nicht
geprüft, obwohl er es nach § 4 Abs. 3 VOB/B hätte tun müssen und führt dies zu einem Mangel der Leistung,
ist er schon deswegen verantwortlich, ohne dass es darauf ankommt, dass er auch noch die Mitteilung
unterlassen hat. Schafft ein Auftragnehmer nicht die organisatorischen Voraussetzungen, um seine
Prüfpflicht zu erfüllen, kann er sich wegen dieses Organisationsverschuldens später auch nicht auf den
Ablauf der vertraglichen Gewährleistung berufen. Hier kann der Haftungszeitraum bis zu 30 Jahre betragen
(§ 199 Abs. 2 u. 3 BGB).
1.
Das Vorhandensein schwerer brandschutztechnischer Mängel ist noch kein Indiz für das
Vorliegen eines Organisationsverschuldens.
2.
Dem Unternehmer kann es grundsätzlich nicht als ein der Arglist gleichstehendes Verhalten zur Last gelegt werden, wenn er die Überwachung des Herstellungsprozesses und
die Überprüfung des Werks auf Mangelfreiheit vor der Abnahme auf ein sorgfältig ausgesuchtes, fachkundiges Ingenieurbüro überträgt und auf eine ausreichende Bauüberwachung sowie eine ordnungsgemäße Endkontrolle durch dieses vertraut.
OLG Hamburg, Urteil vom 26.11.2010 - 1 U 163/09
Hat er geprüft, jedoch keine Bedenken gehabt, obwohl er sie hätte haben müssen, bleibt er gleichwohl
wegen unterlassener Mitteilung verantwortlich.
Nach Auffassung des OLG Düsseldorf (BauR 2001, 638) genügt ein Generalunternehmer nicht seiner
Pflicht, dem Auftraggeber Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung anzuzeigen, wenn er
Bedenken seines Nachunternehmers lediglich weiterreicht, ohne sich mit diesen auseinanderzusetzen und
sie sich zu eigen zu machen.
Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bedenkenanzeige nach § 4 Abs. 3 VOB/B sind hoch. Sie
muss inhaltlich richtig sowie erschöpfend sein, damit der Auftraggeber klar sieht, worum es sich handelt
und er dadurch in eine ordnungsgemäße Prüfung eintreten bzw. diese veranlassen kann. Dem
Auftraggeber muss aus der Bedenkenanzeige insbesondere die Tragweite ihrer Nichtbefolgung klar
werden. Der bloße Hinweis, die vorgesehene Art der Ausführung sei „nicht in Ordnung“, genügt nicht.
Schließlich muss der Auftragnehmer sicher gehen, dass seine Bedenken auch wahrgenommen wurden.
Wenn das für ihn nicht erkennbar wird, muss er erneut insistieren.
12.
Ausführungspflicht trotz Bedenken gegen den Brandschutz?
§ 4 Abs. 1 Nr. 4 VOB/B
15
„Hält der Auftragnehmer die Anordnungen des Auftraggebers für unberechtigt oder unzweckmäßig, so
hat er seine Bedenken geltend zu machen, die Anordnungen jedoch auf Verlangen auszuführen, wenn
nicht gesetzliche oder behördliche Bestimmungen entgegenstehen.“
Ein Auftragnehmer braucht der Anordnung des Auftraggebers dann nicht nachzukommen, wenn diese
gegen gesetzliche oder behördliche Bestimmungen verstößt. Darunter sind alle Gesetze, Verordnungen,
Erlasse usw. öffentlich-rechtlicher Art zu verstehen, die Einfluss auf die Durchführung des Bauvorhabens
haben. Zu denken ist hier auch an den § 319 StGB, der einen Verstoß gegen die allgemein anerkannten
Regeln der Technik unter Strafe stellt, soweit hieraus eine Gefährdung für Leib und Leben resultiert.
Wegen der Bedeutung des Brandschutzes wird für alle Vorgaben in diesem Bereich nicht nur von einem
Verweigerungsrecht, sondern vielmehr von einer Verweigerungspflicht auszugehen sein. Der Brandschutz
steht nicht zur Disposition des Auftraggebers. Gegen den Brandschutz verstoßende Anordnungen des
Auftraggebers sind daher nach § 134 BGB nichtig. Die Folge ist, dass sich der Auftragnehmer Dritten
gegenüber nicht auf derartige Anordnungen berufen kann. In diesen Fällen ist es daher nicht mit einer
Bedenkenanmeldung getan. Hier muss die Ausführung der Leistung vielmehr verweigert werden.
13.
Über das notwendige hinausgehende Anforderungen
Nach § 633 Abs. 2 BGB ist ein Werk frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit
aufweist. Nur wenn eine solche Beschaffenheit nicht vereinbart ist, kommt es darauf an, ob das Werk für
die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst für die gewöhnliche Verwendung geeignet ist und eine
Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und vom Besteller erwartet werden kann.
Besondere Vorsicht ist bei längeren Vertragsketten geboten. Hier muss jeder Auftragnehmer, der die
Leistung seinerseits weitergibt, darauf achten, seinem Auftragnehmer alle ihn selbst treffenden
Leistungsverpflichtungen vollständig weiterzugeben. Soweit es sich dabei um die Beschreibung der
Leistung handelt, ist dies auch AGB-rechtlich unproblematisch. Umgekehrt bedeutet dies für jeden
Auftragnehmer, dass er sich vor Unterzeichnung des Vertrages die vollständigen Vertragsunterlagen
beschafft und sich über deren Inhalt informiert. Wird ein im Rahmen der Leistungskette vereinbartes
Leistungsmerkmal nicht erfüllt, ist die Leistung andernfalls mangelhaft.
Eine derartige, über den üblichen Anforderungen liegende Beschaffenheit kann dabei gerade im Bereich
des Brandschutzes auch vom öffentlichen Auftraggeber im Rahmen der Ausschreibung verlangt werden.
Außerhalb des öffentlich-rechtlichen Vergabeverfahrens ist ein Auftraggeber erst recht nicht gehindert, ein
bestimmtes Produkt zu fordern bzw. hierfür weitergehende Leistungsmerkmale festzulegen. Erfüllt das
eingesetzte Produkt diese dann nicht, ist die Leistung mangelhaft.
14.
Ausschreibung bestimmter Bauprodukte - EU-Rechtswidrigkeit von Ausschreibungen?
Diskutiert wird, ob die deutsche Praxis, wonach auch an Bauprodukte, die das CE-Kennzeichen tragen,
weitergehende nationale Anforderungen (allg. bauaufsichtliche Zulassung, Ü-Zeichen) gestellt werden
16
können, gegen EU-rechtliche Vorgaben verstößt (s.o.). Denn durch entsprechende Anforderungen könnte
der Marktzugang unzulässig erschwert werden. Das VG Gelsenkirchen (ibr 2013, 238) und die EUKommission erachten vor diesem Hintergrund die Zulassungspraxis des DIBt für rechtswidrig. Das DIBt sei
nicht berechtigt, an harmonisiere Bauprodukte zusätzliche nationale Anforderungen zu stellen (EUGH, Urt.
V. 16.10.2014, C 100/13). Die Entscheidung des EuGH, Urteil vom 16.10.2014, AZ C-100/13, stützt diese
Sicht (s.o. II 3.)
Hierauf können sich aber weder Planer noch Bieter verlassen. Gerade im Bereich des Brandschutzes sind
nach Auffassung vieler Fachleute in harmonisierten technischen Normen die sicherheitsrelevanten
Grundanforderungen noch ungenügend ausgestaltet. Schreibt daher ein öffentlicher Auftraggeber im
Bereich des Brandschutzes Leistungen unter Verweisung auf deutsche Normen oder die allgemeinen
bauaufsichtlichen Zulassungen aus, darf dies nicht im Vertrauen auf einen vermeintlichen Verstoß gegen
EU-Recht (hier insbesondere die zum 01.07.2013 vollständig in Kraft getretene Bauproduktenverordnung
(EU-BauPV)) ignoriert werden. Andernfalls ist mit einem Ausschluss des Angebots aus dem öffentlichen
Vergabeverfahren zu rechnen.
Wenn Bieter mit einem anderen Produkt an der Ausschreibung teilnehmen wollen, bleibt nur die
Möglichkeit, im Vorfeld, d.h. unverzüglich nach Bekanntgabe der Ausschreibungsbedingungen den
vermeintlichen Verstoß gegen EU-Normen in qualifizierter Form nach § 127 GWB zu rügen.
Nach Abschluss des Vergabeverfahrens kann sich der Unternehmer nicht mehr darauf berufen,
dass das ausgeschriebene Produkt gar nicht hätte gefordert werden dürfen. Liefert er dann etwas
anderes, ist seine Leistung mangelhaft!
14.
Umfang der Überwachungspflicht
Die Prüfungs- und Überwachungspflichten für den Bauleiter der ausführenden Firma und den
bauüberwachenden Planer hängen davon ab, wie anspruchsvoll und risikobehaftet die auszuführende
Tätigkeit ist. Handwerkliche Selbstverständlichkeiten bedürfen daher in ungleich geringerem Maße einer
fachkundigen Überwachung, als die Ausführung komplizierter Leistungen. Für den Bereich des
Brandschutzes gilt dies wegen des hohen Schutzgutes aber nur eingeschränkt. Daher müssen auch
handwerklich einfache Tätigkeiten sorgfältig überwacht werden, wenn hier ein Ausführungsmangel zu
einem Schaden für Leben und Gesundheit führen kann.
Der mit der Objektüberwachung beauftragte Architekt hat gesteigerte Überwachungspflichten im
Bereich der Trittschalldämmung und des Brandschutzes.
KG, Urteil vom 06.01.2005 - 27 U 267/03; BGH, Beschluss vom 20.05.2005 - VII ZR 39/05 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
Eine stichprobenhafte Überprüfung wird hier jedenfalls dann nicht ausreichen, wenn die entsprechenden
Leistungen später durch andere Arbeiten verdeckt werden. Zu denken ist hier bspw. an die Dichtheit von
Brandschutz und Promat-Verkleidungen oder die Funktion von Brandschutzklappen.
17
Die Anforderungen an die Bauüberwachung steigen zudem mit abnehmender Qualifikation der
eingesetzten Firmen. Wer als Bauüberwacher weiß, dass der Bauherr aus Kostengründen eine
„Gurkentruppe“ beauftragt hat oder die Firma bereits Mängel produziert oder sich in anderer Weise als
unzuverlässig erwiesen hat, muss diese besonders sorgfältig überwachen. Das Gleiche gilt übrigens für
Eigenleistungen des Bauherrn, soweit dieser nicht selbst vom Fach ist. Das Argument „selbst schuld, wer
keinen Fachmann bezahlen will“, zählt nicht!
Ebenso bestehen dann gesteigerte Überwachungspflichten, wenn der Bauherr keinen Sonderfachmann
hinzuzieht, sei es für die Planung, sei es für die Bauüberwachung.
15.
Einschaltung Sonderfachmann befreit aber nicht von eigener Verantwortung
Die Einschaltung dieses Sonderfachmanns bedeutet nicht, dass der Architekt die Verantwortung an diesen
Sonderfachmann vollständig abgibt. Der Architekt bleibt vielmehr in der Verantwortung dafür, dass der
Sonderfachmann seine Planungsbeiträge auch tatsächlich liefert, diese Eingang in die Planung des
Architekten finden und den von ihnen betroffenen weiteren Baubeteiligten bekannt werden. Der Architekt
hat ferner auch die Planung des Sonderfachmanns dahingehend zu überprüfen, ob dieser von den
zutreffenden Planungsvoraussetzungen ausgeht. Fehler in der Planung des Sonderfachmanns, welche ein
Architekt mit den üblichen Kenntnissen eines Architekten erkennen kann, muss er dabei dann auch
erkennen und für ihre Korrektur sorgen.
Setzt ein Bauherr also wegen der Komplexität eines Bauwerks Fachingenieure als Fachbauleiter ein, lässt
dies die Verantwortlichkeit des Architekten im Rahmen der Bauüberwachung nicht vollständig entfallen.
Vielmehr bleibt er in der Verpflichtung, deren Leistung zu koordinieren und zu überprüfen, ob diese ihrer
Überwachungspflicht nachkommen. Insbesondere im sensiblen Bereich des Brandschutzes hat der
Architekt die Bauabläufe nämlich so zu koordinieren, dass die dort tätigen Handwerker durch
Sonderfachleute überwacht werden und die handwerkliche Leistung in technischer Hinsicht überprüft wird.
1.
Der mit der Vollarchitektur beauftragte Architekt hat im Rahmen seiner Überwachungspflicht (Leistungsphase 8) zu prüfen, ob der Sonderfachmann die fachtechnische Abnahme durchgeführt hat.
2.
Insbesondere im sensiblen Bereich des Brandschutzes hat der Architekt die Bauabläufe
so zu koordinieren, dass die dort tätigen Handwerker durch Sonderfachleute überwacht
werden und die handwerkliche Leistung in technischer Hinsicht überprüft wird.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2011 - 5 U 8/11
Das OLG hat hier den Architekten wegen Mängeln an Brandschutzklappen zum Schadenersatz verurteilt,
obwohl der Bauherr auch einen Sonderfachmann für TGA beauftragt hatte. Denn nach Ansicht des OLG
sind die Überwachungstätigkeiten bezüglich des Einbaus der Brandschutzklappen und deren
18
fachtechnische Abnahme Pflicht des Fachingenieurs, allerdings hätte der Architekt nachprüfen müssen, ob
dieser Fachingenieur seinen Pflichten tatsächlich nachgekommen ist. Gerade in sensiblen und später
verdeckten Bereichen wie dem Brandschutz müssen die dort tätigen Handwerker überwacht und ihre
Leistungen in technischer Hinsicht überprüft werden. Hierfür muss der Architekt sorgen, auch wenn er diese
Überprüfung dann nicht selbst vornimmt.
Abschließend kann jedem Baubeteiligten, der sich im Bereich des Brandschutzes auf die Entscheidung
eines mit höherer Fachkunde ausgestatteten Fachmanns verlässt, nur dringend empfohlen werden, diese
Abstimmung hinreichend zu dokumentieren.
16.
Zur Diskussion: Steigen die Anforderungen aufgrund der Entscheidung des EUGH, Urteil
vom 16.10.2014, AZ C-100/13?
Das Schutzniveau hinsichtlich der Zulassung von Bauprodukten auf europäischer Ebene wird von
Fachleuten zum Teil deutlich niedriger eingeschätzt, als es bislang auf nationaler Ebene besteht. Was
bedeutet es aber, wenn es dem nationalen Gesetzgeber und den deutschen Vergabestellen aufgrund der
Entscheidung des EuGH, künftig erschwert wird, nationalen Sicherheitsanforderungen zu stellen, soweit es
bereits ein europäisches Zertifikat gibt?
Ist es dann fernliegend, wenn ein Gericht im Falle eines Unglücks, welches durch auf europäischer Ebene
zugelassene aber unter dem ehemaligen deutschen Schutzniveau liegende Bauprodukte verursacht wird,
nach der Verantwortlichkeit des dieses Produkt zulassenden Planers und verarbeitenden Unternehmens
fragt?
These:
Jedenfalls dann, wenn in Fachkreisen das geringere Schutzniveau europäischer Normen bekannt
ist, wird sich ein Baubeteiligter nicht mehr einfach darauf berufen können, dass er auf die
europäische Zulassung vertraut hat.
17.
„Der Prüfingenieur hat es doch auch nicht beanstandet“
Hoheitliches Handeln obliegt dem Bauherrn gegenüber dem Auftragnehmer nicht. Der Bauherr kann daher
für Fehler bei der Ausübung hoheitlichen Handelns der von ihm Beauftragten nicht in die Mitverantwortung
gezogen werden. Prüfingenieure nehmen in ihrem jeweiligen Fachbereich bauaufsichtliche Prüfaufgaben
aufgrund der Landesbauordnung oder im Auftrag der Bauaufsichtsbehörde wahr. Sie prüfen und
bescheinigen in ihrem jeweiligen Fachbereich im Auftrag des Bauherrn oder des sonstigen nach
Bauordnungsrecht Verantwortlichen die Einhaltung bauordnungsrechtlicher Anforderungen, soweit dies in
der Bauordnung oder in Vorschriften aufgrund der Bauordnung vorgesehen ist. Dabei werden die
Prüfingenieure als "verlängerter Arm" der Bauaufsichtsbehörden hoheitlich tätig. Auch soweit keine
Hoheitliche
Tätigkeit
vorliegt,
kann
der
Auftragnehmer
aus
einem
„Übersehen“
des
Brandschutzsachverständigen keine Ansprüche gegen den Bauherrn herleiten. Denn wie bei der
Bauüberwachung handelt es sich hierbei um keine gegenüber dem Bauunternehmer geschuldete Leistung.
19
Gibt der vom Auftraggeber beauftragte Prüfsachverständige eine mangelhafte Werkstattzeichnung
des Auftragnehmers frei, kann der Auftragnehmer kein Mitverschulden geltend machen, wenn ein
Schaden entsteht.
OLG Hamm, Urteil vom 12.04.2013 - 12 U 75/12 (nicht rechtskräftig)
Der Bauleiter der ausführenden Firma wie auch der bauüberwachende Architekt/ Planer können sich somit
nicht mit dem Hinweis „Das hat doch der Brandschutzsachverständige/ die Bauaufsichtsbehörde/ der
Sonderfachmann auch nicht gesehen“ exkulpieren, wenn sie mit dem bei ihnen zu erwartenden Wissen
den Mangel hätten bemerken müssen. Umgekehrt müssen sie damit rechnen, dass an ihre eigene
Fachkunde umso höhere Anforderungen gestellt werden, wenn derartige Sonderfachleute an dem Bau gar
nicht beteiligt waren.
Hat der Prüfingenieur oder Prüfsachverständige seine vertragliche Pflicht zur ordnungsgemäßen Prüfung
gegenüber dem Bauherrn schuldhaft verletzt, haftet er diesem für den eingetretenen Schaden. Der Bauherr
könnte also ggf. auch den Prüfingenieur in Anspruch nehmen, bei hoheitlichem Handeln aus Amtshaftung
(BGB § 839), bei privatrechtlichem Auftrag aus werkvertraglicher Haftung (BGB § 634). Zwischen dem
Auftragnehmer und dem Prüfingenieur besteht dann möglicherweise ein Gesamtschuldverhältnis. Kann der
AN seine Haftung gegenüber dem Bauherrn zwar nicht unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens
reduzieren, so bleibt doch noch immer die Chance, durch Rückgriff auf den Prüfingenieur eine quotale
Entlastung zu erreichen (BGB § 426).
Kontakt: [email protected]
Dr. Thomas Thaetner, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
© RAe Steeger, Leipziger Straße 124, 10117 Berlin
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