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Verunsicherte Bürger | Manuskript
Verunsicherte Bürger
Bericht: Julia Cruschwitz, Annett Glatz, Peter Heller, Jana Merkel
Situation im Selbsverteidigungskurs
Ronny Schönig: "Okay, also hier, hier und hier! Seitlich und seitlich! Ja. Die Hand am besten
so, dass wir die Luft in die Ohren rein pressen. Dann kann das Trommelfell platzen. Das
passiert in der Regel, sieht man daran, dass Blut raus läuft aus dem Ohr."
Trainer Ronny Schönig bringt Frauen bei, wie sie sich effektiv gegen einen Angreifer
wehren können. Heute üben 17 Teilnehmerinnen in einem Ganztages-Workshop, wie sie
wirksam treten und schlagen.
Ronny Schönig: "Laut! Lauter!"
Der Dresdner Kampfsportler musste schon Zusatz-Kurse einrichten, weil die Nachfrage in
den letzten Monaten so stark gestiegen ist.
Frau schlägt auf Puppe ein: Stopp!
Ronny Schönig, Kampfsport Akademie Dresden:
Verglichen zum letzten Jahr, letztes Jahr war die Beteiligung relativ niedrig bei den Frauen.
Und jetzt kann man wirklich verzeichnen, dass von Januar bis jetzt, vor allen Dingen nach
den Sommerferien ein enormer Anstieg ist an Selbstverteidigungskursen, an einem Bedarf
der Frauen, selber in die Initiative zu gehen, sich schützen zu wollen.
Es ist ein allgemeines Unsicherheitsgefühl, das die meisten Teilnehmerinnen uns
gegenüber äußern. Deswegen machen sie diesen Kurs mit.
Teilnehmerinnen:
Anne Starr: Weil aufgrund dieser Flüchtlingssituation generell auch in der deutschen
Gesellschaft die Gemüter so ein bisschen angespannt sind, wo vielleicht Sachen hoch
kochen, wo Leute generell mehr Wut im Bauch haben auf alles und jeden.
Theresia Schmalisch: Es ist schwierig. Es kommt einem so vor durch die Nachrichten, als
würden mehr Delikte begangen werden. So kommt es mir zumindest vor. Daher rührt dann
natürlich auch mehr Angst. Ohne dass ich sage, die Flüchtlinge sind es, das ganz und gar
nicht. Es ist einfach die Angst da. Es sind mehr fremde Leute im Land.
Es ist offensichtlich: das Stadtbild nicht nur in Dresden hat sich verändert. Kleine Gruppen
von Flüchtlingen, meist junge Männer, in der Fußgängerzone. Allein ihr Anblick
verunsichert viele Frauen. Dazu kommen Meldungen von Vergewaltigungen durch
Asylbewerber.
Der Sozialpsychologe Professor Ulrich Wagner erforscht das Zusammenleben von
Einheimischen und Asylbewerbern. Er findet die Ängste verständlich, aber:
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Dr. Ulrich Wagner, Professor für Sozialpsychologie, Uni Marburg:
Wir neigen dazu, solche kriminellen Übergriffe, die es natürlich auch unter Flüchtlingen gibt,
über zu bewerten. Wir neigen dazu, solche Einzelereignisse in stärkerem Maße zu
verallgemeinern, als dies der Realität entspricht. Das ist ein psychologisches Prinzip, dass wir
solche seltenen Ereignisse gerne auf die gesamte Gruppe generalisieren, die wir damit in
Verbindung bringen. Das hat aber mit der Realität nichts zu tun.
Doch wie gefährlich ist die Realität? Beispiel Magdeburg. Ende Oktober - Die
Spurensicherung untersucht einen Tatort. Hier hatte ein Mann versucht, eine Studentin zu
vergewaltigen. Der vierte sexuelle Übergriff innerhalb eines Monats. Kurz darauf nimmt
die Polizei einen Tatverdächtigen fest. Schnell sickert durch: Ein Asylbewerber. Seitdem
sitzt er in U-Haft. Die Ermittler gehen offenbar davon aus, dass er für mindestens drei
sexuelle Angriffe verantwortlich ist.
Der Tatort heute: Wir fragen nach. Viele Frauen in Magdeburg sind seit den Übergriffen
verunsichert.
Umfrage unter Magdeburgerinnen:
Es waren ja halt die Übergriffe jetzt auch hauptsächlich von den Asylbewerbern, Ausländern.
Ja, und das ist halt so.
Frage: Die machen Ihnen auch Angst?
Antwort: Die machen mir auch Angst, naja selbstverständlich.
Vor allem jetzt, wo es halt gerade so nah an einem dran ist, weiß man nie - Ist schon
bisschen unangenehm. Also, ich bin ungern allein draußen.
Frage: Was sind das für Leute, die Ihnen Angst einjagen?
Antwort: „Na vor allem Gruppen von Männern, also ich sag mal, Migrationshintergrund ja
oder nein, das ist egal. Ich denke, dass kann jeder sein.
Frage: Haben sie mehr Angst als vorher?
Antwort: Auf jeden Fall, ich hab mir jetzt Pfefferspray zugelegt.
Frage: Und das haben Sie sich zugelegt, nachdem die Übergriffe waren in Magdeburg?
Antwort: Ja genau. Hab ich geschenkt gekriegt.
Frage: Geschenkt gekriegt, von wem?
Antwort: Von meinem Vater.
Pfefferspray ist zurzeit gefragt. Das zeigt eine Analyse der Suchanfragen bei Google. Noch
nie wurde so oft nach dem Begriff "Pfefferspray" gesucht wie im letzten Monat. Die
meisten Suchanfragen gab es in Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Tatsächlich bestätigen auch Hersteller von Pfeffersprays, dass die Nachfrage um rund 700
Prozent zugenommen habe. Mit der Angst ist zurzeit offenbar gut Geld zu verdienen.
Das merkt auch Gunter Fritz. Er führt einen Waffenladen in der Lausitz und verzeichnet
stetig steigenden Umsatz.
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Gunter Fritz, Waffenhändler
Bei einigen Sachen gibt's wirklich Lieferschwierigkeiten. Die Kette in der Produktion ist nicht
darauf vorbereitet, was jetzt passiert.
Die Nachfrage sei enorm, sagt er uns. Übrigens auch nach den größeren Kalibern:
Schreckschuss- und Gaspistolen. Aufrüstung aus Angst?
Dr. Ulrich Wagner, Professor für Sozialpsychologie, Uni Marburg:
Wenn Menschen sich selbst bewaffnen und versuchen, sich in eine Verteidigungsposition zu
bringen, dann zeigt das ja nur, wie stark die Gefühle sind, die die Menschen erleben. Aber
die Frage ist hier, ob es sich tatsächlich um eine berechtigte, ob es berechtigt ist, ein solches
Ausmaß von Angst zu entwickeln.
Diese Frage stellen wir auch der Polizei in Dresden. Antwort: in den vergangenen drei
Monaten gab es drei sexuelle Übergriffe im öffentlichen Raum. Einer ist aufgeklärt, ein
Marokkaner sitzt deswegen in Haft. Bei den anderen beiden Fällen werden Tatverdächtige
mit südländischem Aussehen gesucht.
Thomas Geithner, Polizeidirektion Dresden
Es gibt in der Tat Fälle, die nachweisbar sind, da reden wir in der Größenordnung von 3
Fällen in den letzten Monaten und dem gegenüber steht aber eine viel, viel höhere Zahl an
Falschmeldungen, an Gerüchten, die natürlich genauso instrumentalisiert werden, um das
Sicherheitsfinden der Menschen weiter zu beeinflussen und die das auch ziemlich einseitig
betrachten.
Die Polizei entdeckt bei Facebook häufig Falschmeldungen wie diese über eine angebliche
Vergewaltigung im Elbepark Dresden. Viele glauben solchen Meldungen ungeprüft –
Tatsache ist aber: Gruppen von Asylbewerbern, die über deutsche Frauen herfallen, gibt es
definitiv nicht. Und: In Dresden ist die Zahl der Sexualstraftaten im Vergleich zum Vorjahr
zurückgegangen - trotz der Flüchtlinge in der Stadt.
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