Wer jammert, will nicht handeln Was kommt nach der

Wernfried Hübschmann
Wer jammert, will nicht handeln
Was kommt nach der Rationalisierungsberatung?
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Bericht zur Klage der Nation
Das Horror-Szenario: Scharen gut gekleideter Junior Consultants fallen in
ein mittelständisches IT-Unternehmen ein, wirbeln den Laden gehörig
durcheinander, führen zahllose Interviews, produzieren sehr viel Papier und
am Ende eine eindrucksvolle Powerpoint-Präsentation, deren Ergebnisse
heftig debattiert und ansatzweise realisiert werden. Die Kosten des
Verfahrens trägt das Unternehmen, letztlich die Belegschaft, die ahnt, dass
hier über ihr Schicksal entschieden wird.
Unternehmensberatungen wurden seit den späten 90er Jahren häufig
engagiert, um vor allem eines zu bewerkstelligen: Gesundschrumpfen,
Kostenabbau, kurz: Rationalisierung. Nicht selten nach dem Motto: Wir
sparen – koste es, was es wolle! Die verwendeten Titel dieses Stücks:
Umstrukturierung, strategische Planung, Neuorganisation, Change-Prozess.
Nur: Rationalisierung ist nicht immer rational. Und was als
„unternehmerische Vernunft“ daherkommt, muss nicht unbedingt vernünftig
sein. In der fortschreitenden Sinnkrise, verschärft durch den Börsencrash,
den globalen Standortwettbewerb und den Kollaps des ersten Arbeitsmarkts
in Deutschland stößt die Zunft der Berater inzwischen an Sinn-Grenzen, an
Grenzen der Glaubwürdigkeit, an Machbarkeitsgrenzen.
Warum aber sollte sich ein Manager einem Bergführer anvertrauen, der
selbst Höhenangst hat? Wagen wir also den nächsten Schritt! Denn „ein
Problem lässt sich nicht mit dem selben Bewusstsein lösen, aus dem es
entstanden ist“, sagt Albert Einstein. Und fügt hinzu: “Wir müssen lernen,
die Welt neu zu sehen.“
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Bitte entrümpeln Sie jetzt!
Wo Neues entstehen soll, muss Altes weichen. Manager und Berater sollten
Abschied nehmen vom Mythos der Machbarkeit. Nicht alles, was
machbar ist, ist auch sinnvoll und vertretbar (siehe Biotechnologie). In den
Fundus gehört auch der „heroische Managementstil“, also das
martialische Hurra-Geschrei in einem Rendite-fixierten Überlebenskampf.
Ebenso heißt es Abschied zu nehmen von der Illusion der Beherrschbarkeit von Risiken, makro-ökonomischer Risiken (Globalisierung),
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technologischer Risiken (Netzwerksicherheit), kommunikativer Risiken
(Kriege, Konflikte), Naturrisiken (Erdbeben, Hurrikans).
Zuletzt schicken wir in den Ruhestand die Versuchung, Berater zu
instrumentalisieren bzw. die Versuchung der Berater, sich
instrumentalisieren zu lassen. Wenn die Chefs die Ergebnisse des
Beratungsprozesses diktieren, verliert der Beratungsprozess seine kreative
Beweglichkeit und seine Freiheit, neue Möglichkeiten zu denken.
Was ist das Neue?
Die Prämisse lautet: Wir befinden uns in einem Paradigmenwechsel
vom Stabilitätsparadigma zum Transformationsparadigma. Das
bedeutet: Die Veränderungen schwingen nicht mehr in einen Ruhezustand
zurück (Stabilität). Vielmehr überlagern sich immer neue Wellen in einem
Interferenz-Chaos. Diese Unruhe sinnvoll zu ordnen, produktiv zu nutzen
und kreativ zu gestalten, ist die Aufgabe des Managements und der Politik.
In diesem Verständnis wird die Beratung der Zukunft nicht mehr
Rationalisierungsberatung sein, sondern Transformationsberatung.
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Sehnsucht nach der Zukunft (J.-P. Sartre)
Leitplanken künftiger Transformationsberatung:
„Veränderungskompetenz“ ist die wichtigste Kompetenz der Zukunft!
Wissen und Erfahrung alleine reichen nicht aus. Es geht darum, die
Dynamik der Krisen zu verstehen und aufs jeweils neue „level“ zu
transformieren. Machen wir den Schnee von gestern zu Wasser auf den
Mühlen von morgen!
Der Typus des Transformationsberaters verfügt über sehr gute
Ausbildung, über Methodensicherheit und Business-Wissen. Er verbindet
persönliche Integrität mit Veränderungskompetenz, Kreativität,
systemischem Verständnis und emotionaler Intelligenz. Schluss mit der
„notorischen Unterschätzung des Sozialen!“ (Thomas A. Becker in: ZOE
4/2004))
Das Verhältnis zwischen Berater und Klient überdenken.
Der Berater wird viel stärker als in der Vergangenheit ein persönlicher
Begleiter des Managers sein. Daher werden sich Unternehmensberatung
und individuelles Coaching methodisch und praktisch annähern.
Unternehmensberatung wird zur Unternehmer-Beratung.
Unternehmen sind eine systemisch-organische Einheit.
Sie haben eine Geschichte, ein systemisches „Gewissen“, ein kollektives
Bewusstsein. Zerschlagene Konzerne haben Phantomschmerzen.
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Das faktische Scheitern vieler Mergers & Acquisitions beruht auf der
sträflichen Vernachlässigung dieser Aspekte. Ohne systemisches Verständnis
kein nachhaltiger Beratungserfolg!
Für eine phänomenologisch-induktive Beratung.
„Was ist wirklich los?“, „Worum geht es wirklich?“, „Was sind tabuisierte
Themen?“ Das sind Leitfragen, die nur zu beantworten sind, wenn genau
hingeschaut wird auf das „WAS IST“. „Statt vorgefertigte Konzepte und
Prozesse zu installieren, geht es in der Beratung der Zukunft mehr denn je
um lebendige Kommunikation und Austausch, darum, gemeinsam neue
kreative Lösungen zu entwickeln“. (Kirsten Brühl/ Matthias Horx in: High
Trust – Die Zukunft der Beratung, Kelkheim 2005)
Vor dem Entscheiden kommt das Unterscheiden.
Das Handlungsdilemma des Managements beruht nicht selten auf unklaren
Begrifflichkeiten. Hier kann Beratung klären, denn „Unterschiedenes ist gut“
(Hölderlin). Beispiele: Management vs. Leadership, Motivation vs. Sinn,
„harte“ vs. „weiche“ Faktoren. Die Klarheit der Sprache bedingt die Klarheit
des Handelns.
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Wer jammert, will nicht handeln!
Hören wir also auf zu jammern! Die Herausforderungen sind zu groß, um
sie nur zu beschreiben. Die Vielfalt der Beratungskonzepte wird
zunehmen. Für die Firmen wird es ohne „Beratungsberatung“ noch
schwieriger werden, die passenden Berater zu finden. Integrative
Konzepte sind gefragt, die unternehmerisches Denken und
betriebswirtschaftliches Handeln (Sachebene) mit Sozialkompetenz und
systemischer Veränderungskompetenz (Beziehungsebene) verbinden.
Nicht die Veränderungen sind das Problem, sondern unser Umgang
mit ihnen. Change Management wird kreative Prozessbegleitung sein, die
sich auf das Überraschende, Nicht-Planbare einlassen muss. Die Lösungen
für die Probleme der Gegenwart werden nicht aus der Vergangenheit
kommen, sondern aus der Zukunft.
Transformation ist der Schlüsselbegriff für die Management- und
Beratungspraxis der kommenden Jahre.
Wernfried Hübschmann
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Wernfried Hübschmann (geb. 1958) ist Business Coach, systemischer
Organisationsberater, Autor und GF des celas: trainerteams Berlin.
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© 2005 by Wernfried Hübschmann
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