IPR-Vorlesung Einheiten 6 + 7 Die neue EU-ErbVO Brigitta Lurger Einleitung - Anwendungsbereich Praktische Bedeutung der neuen Verordnung große und zunehmende Zahl grenzüberschreitender Erbfälle zunehmende Migration: Staatsbürgerschaft anders als gewöhnlicher Aufenthalt zunehmender Reichtum: Erblasser besitzt Vermögen in mehreren [Mitglied]Staaten • 5 bis 10% aller Erbfälle in der EU sind grenzüberschreitend • das sind ca 250.000 bis 500.000 Erbfälle pro Jahr und 12 Millionen Testamente • Kennzeichen: Nachlasswert liegt häufig deutlich über dem Durchschnitt, angeblich insgesamt ca 150 Milliarden Euro EU-Erbrechts-Verordnung Nr 650/2012 des Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Ur-kunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Euro-päischen Nachlasszeugnisses (Abl 2012 L 201/107 sowie Berichtigungen) DurchführungsVO: Nr 1329/2014, Abl 2014 L 359/30 ist am 17.8.2015 in Geltung getreten GB, Irland, Dänemark nehmen nicht teil – sie sind daher KEINE „Mitgliedstaaten“ im Sinne der ErbVO !!! ErbRÄG 2015 Bundesgesetz BGBl 2015 I/87, mit dem das ABGB, das AnerbenG, das AußerstreitG, das GerichtsGebG, das GerichtsKommG, das GerichtsKommTarifG, das GrundBG, das IPRG, die JN, das Kärntner ErbhöfeG, die NotO etc geändert werden In-Kraft-Treten: im materiell-rechtlichen Teil mit 1.1.2017 im IPR-IZVR-Teil mit 17.8.2015 Internationaler Privatrechtsfalls vor Gericht 1 Internationale Zuständigkeit eines österr. Gerichts ? 2 Materielles Einheitsrecht anwendbar (zB CISG) ? 3 4 JA Internationales Privatrecht bestimmt anzuwendendes staatliches Recht Anerkennung und Vollstreckung im Ausland möglich ? JA NEIN URTEIL Aufbau der ErbVO Kap I (Art 1-3) Anwendungsbereich und Definitionen Kap II (Art 4-19) Internationale Zuständigkeit (IZ) Kap III (Art 20-38) anzuwendendes Recht (IPR) Kap IV (Art 39-58) Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen Kap V (Art 59-61) öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche Kap VI (Art 62-73) Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) Kap VII (Art 74-84) Schlussbestimmungen Zentrale Anknüpfung = gewöhnlicher Aufenthalt Anknüpfungspunkt nach IPRG aF: Staatsbürgerschaft (§ 9 iVm § 28 IPRG aF) Staatsbürgerschaft Interesse der Person (Erblasser/in) am Erhalt ihrer kulturellen und politischen Zugehörigkeit zum Herkunftsstaat Interesse der Person (Erblasser/in) an der Gewöhnlicher Integration in die (rechts)kulturelle Aufenthalt Umgebung ihres Aufenthaltsstaates Wesentliche Neuerungen im Überblick primäre Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt im IPR und im IZVR Rechtswahlmöglichkeit in Art 22 ErbVO: Staatsangehörigkeit Gleichlauf zwischen Forum und anzuwendendem Recht a. Art 4 + Art 21 Abs 1 ErbVO: gewöhnlicher Aufenthalt b. Art 22 + Art 5-9 ErbVO: Rechtswahl Sachlicher Anwendungsbereich Qualifikationsfrage: Was ist „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ ? – Art 23 ErbVO: Reichweite des Erbstatuts im IPR • • • • • • Ehegüterrecht (Art 1 Abs 2 lit d ErbVO) Schuldrechtliche Übertragung (lit g) Unterhaltsansprüche (lit e) Gesellschaftsrecht (lit h + i) Sachenrecht und Liegenschaften (lit k + l) Steuer- und Zollsachen (Art 1 Abs 1) Sachlicher Anwendungsbereich Qualifikationsfrage: Materielles Erbrecht oder Erb-Verfahrensrecht ? Art 23 (2) lit e + g: Erwerb der Nachlassgegenstände Haftung für Nachlassverbindlichkeiten Was sind „Einantwortung“, „Erbschein“, „Inventarerrichtung“, „Erbantrittserklärungen“ ??? Materielles Erbrecht ausländ. Erbstatut ErbVO Verfahrensrecht inländisches Recht nach der lex fori Sachlicher Anwendungsbereich Beispiel: Erwerb von österr Liegenschaften 1 Materielles Erbrecht Art 22 ErbVO: deutsches Recht – ispo jure-Erwerb im Todeszeitpunkt Verfahrensrecht inländisches Recht nach der lex fori (Österreich) Eine Einantwortung nach österr Recht findet nicht statt, weil diese als materielles Recht betrachtet wird. Erwerb nach deutschem Recht, Grundbuchseintragung deklarativ; „Beendigung“ des Verfahrens Sachlicher Anwendungsbereich Beispiel: Erwerb von österr Liegenschaften 2 Materielles Erbrecht Art 22 ErbVO: österr Recht – Erwerb durch Einantwortung Verfahrensrecht deutsches Recht nach der lex fori (Verfahren in Deutschland) Frage auch schon bisher umstritten: Einantwortung ist doch nicht reines materielles Recht – wie kann das deutsche Gericht einantworten? Durch Erbscheinerteilung? Sachlicher Anwendungsbereich Für die Eintragung von dinglichen Rechten an österreichischen Liegenschaften, die Teil eines Nachlasses waren, ist also weder ein Verlassenschaftsverfahren in Österreich erforderlich, noch eine Einantwortung (sofern das Erbstatut nicht österreichisch war), noch kommt der Einverleibung ins Grundbuch konstitutive Wirkung zu (wenn dies vom ausländischen Erbstatut nicht vorgesehen ist). Internationale Zuständigkeit Gewöhnlicher Aufenthalt keine Definition in der ErbVO autonome Auslegung durch den EuGH bzw nationale Gerichte Einheitlichkeit der Auslegung mit den autonomen Begriffen der übrigen EU-VO (IPR/IZVR) fraglich Verschiedene Traditionen in den Mitgliedstaaten kann Anlass zu Streit und Rechtsunsicherheit bieten Problem insbesondere für „mobile“ Personen: Überraschung zB für EU-Beamte? Für ZugvogelRentner? Für Grenz-Pendler? Gewöhnlicher Aufenthalt ErwG 23 + 24 = „eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat“; Aufenthalt bloß aus „beruflichen und wirtschaftlichen Gründen“ kann unzureichend sein, wenn enge und feste private/familiäre Bindung zum Herkunftsstaat bestehen bleibt Internationale Zuständigkeit nach der ErbVO Art 4 die Gerichte des Mitgliedsstaats des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers sind international zuständig (Erw 23, 24) • für den gesamten Nachlass – beweglich, unbeweglich, im In- oder Ausland belegen • für streitige und außerstreitige Entscheidungen • keine Gerichtsstandswahl durch Erblasser möglich Internationale Zuständigkeit nach der ErbVO Art 5: Gerichtsstandsvereinbarung durch die „betroffenen Parteien“ • wenn der Erblasser nach Art 22 ErbVO das Recht seiner Staatsangehörigkeit gewählt hat • dieses ist das Recht eines Mitgliedstaates • Wer sind „betroffene Parteien“ – Erw 28 – Gläubiger nicht erfasst • Übergangene Parteien stimmen nicht zu: Art 9 Möglichkeit der Zuständigkeit durch rügelose Einlassung, sonst unzuständig • schriftliche Vereinbarung zwischen den „betroffenen Parteien“ • der Schriftform gleichgestellt sind „elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen“. Internationale Zuständigkeit nach der ErbVO Art 6: „Forum non conveniens“ • wenn der Erblasser nach Art 22 ErbVO das Recht seiner Staatsangehörigkeit gewählt hat • dieses ist das Recht eines Mitgliedstaates • Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts nach Art 4 kann sich auf Antrag für unzuständig erklären, wenn die Gerichte des Staates der Staatsangehörigkeit seiner Auffassung nach „in der Erbsache besser entscheiden können“ Internationale Zuständigkeit nach der ErbVO Art 10: subsidiäre Zuständigkeit • wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hat • Gerichte eines Mitgliedstaats mit Nachlassvermögen sind international zuständig • Abs 1: für das gesamte Vermögen: wenn Erblasser Staatsangehörigkeit dieses Staates hatte oder früherer gewöhnlicher Aufenthalt dort (vor weniger als 5 J) • Abs 2: andernfalls nur für das in diesem Mitgliedstaat belegene Nachlassvermögen im Mitgliedstaat Anzuwendendes Recht = IPR Anzuwendendes Recht im Überblick Art 21 Abs 1 ErbVO gewöhnlicher Aufenthalt (= Erw 23 + 24) Ausweichklausel Art 21 Abs 2 ErbVO (Erw 25): ausnahmsweise offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat (ev früherer langer gewA + Staatsbürgerschaft) – ENG AUSZULEGEN !!! Art 22 ErbVO: Rechtswahl des Rechts der Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Wahl oder im Zeitpunkt des Todes Ausweichklausel Art 21 Abs 2 ErbVO ausnahmsweise offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat = Staatsbürgerschaft oder früherer dauerhafter gewöhnlicher Aufenthalt Problem: der gewöhnliche Aufenthalt ist immer bestimmbar, er zeigt den sozialen und familiären Lebensmittelpunkt an [ErwG 25: keine Umgehung von Schwierigkeiten in Bestimmung über Art 21(2)] – kein Raum für engere Verbindung? Beispiele: ganz kurz zurück liegender Umzug; an Form gescheiterte Wahl des Staatsangehörigkeitsrechts Rechtswahl nach Art 22 ErbVO Wahl des Rechts der Staatsangehörigkeit durch die Erblasserin im Zeitpunkt der Wahl oder im Zeitpunkt des Todes bei Mehrfachstaatsbürgerschaft: eine der Staatsbürgerschaften nach freier Wahl (Art 22 Abs 1 Satz 2 ErbVO) Wirksamkeit der Rechtswahl Art 22 Abs 2 – Formgültigkeit Ausdrücklich + Form der Verfügung von Todes wegen ( = Art 27 ErbVO bzw Haager TestForm-Ük) Art 22 Abs 3 - materielle Wirksamkeit nach dem gewählten Recht zu beurteilen (Zirkel) Art 22 Abs 4 - Änderung und Widerruf Form von Änderung und Widerruf = Form einer Verfügung von Todes wegen Art 83 ErbVO: Verfügungen vor dem 17.8.2015 Rechtswahl (Abs 2): Wirksamkeit wenn wirksam nach •Voraussetzungen des Kap III ErbVO oder •IPR des Staats des gewöhnlichen Aufenthalts (Errichtung) •IPR des Staats der Staatsangehörigkeit (Errichtung) Verfügung von Todes wegen (Abs 3): Zulässigkeit, formelle und materielle Wirksamkeit wenn zuläss + wirksam nach •Kap III ErbVO oder •IPR des Staats des gewöhnlichen Aufenthalts (Errichtung) •IPR des Staats der Staatsangehörigkeit (Errichtung) Verfügung nach einem Recht errichtet (Abs 4): Erbstatut ist dieses Recht, weil es als gewählt gilt Gleichlauf von Forum und IPR Art 22 - Staatsbürgerschaft ----- Art 5-9 ErbVO: Parteien oder Gerichte können den durchbrochenen Gleichlauf wieder herstellen Art 21 Abs 1 – zB Staatsbürgerschaft iVm früherem gewöhnlicher Aufenthalt Bestimmungen für Gleichlauf fehlen !!! Analogie zu den Art 5-9 ErbVO zu empfehlen Vorfragen – Art 1 (2) a ErbVO = präjudizielle Rechtsfragen = Rechtsfragen, die einer eigenen Anknüpfung im IPR bzw einer eigenen gerichtlichen Entscheidung zugänglich sind Erstfrage: bereits in inländischer Kollisionsnorm Vorfrage ieS: taucht erst im ausländischen Recht auf in der ErbVO sind Vorfragen ieS relevant Familienrechtlicher Status – zB registrierter Partner, Ehegatte, wirksame Scheidung, Kindschaft (insbesondere bei Leimutterschaft) Vorfragen – Art 1 (2) a ErbVO VORRANG: Verfahrensrechtliche Anerkennung ausländischer (inländischer) Entscheidungen FALLS NICHT: Selbständige Anknüpfung nach IPR der lex fori bei Verfahren in Österreich: Ehe (§§ 16, 17 IPRG), Scheidung (VO Rom III) registrierte Partnerschaft (§ 27a IPRG), Auflösung (§ 27d IPRG) Elternschaft/Kindschaft: §§ 21, 25, 26 IPRG Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit von Verfügungen von Todes wegen Art 24 ErbVO Erbstatut nach der VO, wenn die Person zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung verstorben wäre das Recht des Art 22 (Staatsangehörigkeit) kann für die Frage der Zulässigkeit und Wirksamkeit des Testaments gewählt werden Änderung und Widerruf unterliegen Erbstatut im Zeitpunkt der Erklärung oder dem gewählten Recht (Art 22) Ist gemeinschaftliches Testament eine (doppelte) „Verfügung von Todes wegen“ oder ein „Erbvertrag“ im Sinne der ErbVO ??? (Art 24 oder 25 ErbVO?) Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit von Erbverträgen Art 25 ErbVO wenn nur der Nachlass einer Person betroffen: Erbstatut im Zeitpunkt des Abschlusses wenn Nachlass mehrerer Personen betroffen: – Zulässigkeit muss kumulativ nach beiden Erbstatuten gegeben sein im Zeitpunkt des Abschlusses – Materielle Wirksamkeit muss nach dem Erbstatut gegeben sein, zu dem die „engste Verbindung“ besteht Es kann das Recht gewählt werden, das einer der potentiellen Erblasser nach Art 22 wählen könnte Form der schriftlichen Verfügung von Todes wegen bzw des Erbvertrags Art 27 ErbVO für Erbverträge und Erbverzichtsverträge Art 75: Für testamentarische Verfügungen gilt weiterhin das Haager TestForm-Ük 1961, das aber sehr ähnlich ist. Alternativanknüpfung a) bis e) mit Favorprinzip • • • • • ☼ Errichtungsort Staatsangehörigkeit im Errichtungs- oder Todeszeitpunkt Wohnsitz☼ im Errichtungs- oder Todeszeitpunkt gewöhnlicher Aufenthalt im Errichtungs- oder TodesZP Lageort des unbeweglichen Vermögens in Bezug auf dieses „Wohnsitz“ ist vom jeweiligen nationalen Recht zu definieren, kein autonomer Begriff wie gewA Durchbrechungen der Generalanknüpfung im IPR Sonderrechtsnachfolgen (Wohnungseigentum überhaupt ausgenommen [Art 1 lit g „Miteigentum mit Anwachsungsrecht des Überlebenden“], bäuerliches Höferecht Art 30): Lageort der Immobilie Besondere Erwerbsarten nach Sachenrecht (insbes Registrierung von Immobilien): Art 1 (2) lit l Voraussetzungen und Wirkungen: Lageort der Immobilie Enge Verbindung mit Verfahrensrecht: Nachlassverwalter – personal respresentative in Art 29 ErbVO): Lex fori ABER - Art 23 lit e + g ErbVO: Erwerb und Haftung nach ausländischem Erbstatut, auch wenn österr Verfahren ! (anders noch in § 28 Abs 2 österr IPRG) Art 33 ErbVO: Erbenloser Nachlass Zwei Systeme System 1 = Fiskuserbrecht bei eigenem Erbstatut gesamtes Vermögen wo auch immer gelegen (folgt dem Erbstatut weil Privatrecht) System 2 = Aneignungsrecht öffentliches Recht: Territorialitätsprinzip Erbstatut = System-1-Staat muss gem Art 33 ErbVO das Aneignungsrecht (System 2) des Lageortstaats von (aus der Sicht des Erbstatuts) ausländischem Vermögen zulassen. Art 33 ErbVO: Erbenloser Nachlass Lücke für Vermögen in Staat B A = Erbstatut = System-2-Staat Aneignung nur von Vermögen in diesem Staat B = Vermögen in anderem Staat = System-1-Staat wird weder von Erbstatut-Staat A noch von Lageortstaat B beansprucht – „Normmangel“ Lösung: o Entweder Staat A erweitert sein Aneignungsrecht auf ausländisches Vermögen in Staat B oder o Staat B normiert für diesen Fall ein Aneignungsrecht Art 33 ErbVO: Erbenloser Nachlass § 750 ABGB nF (ErbRÄG-E 2015) = „Aneignung durch den Bund“ Chamäleon zwischen System 1 und System 2 Satz 1: österreichisches Erbstatut - System 1 Aneignung von Vermögen in Österreich und Vermögen im Ausland – Grenze Art 33 ErbVO für System-2-Staat Füllt die Lücke, wenn Lageort-Staat als System-1-Staat keinen Anspruch auf Vermögen in seinem Territorium stellt Satz 2: ausländisches Erbstatut – System 2 Aneignung nur von Vermögen in Österreich Rück- und Weiterverweisungen Art 34 ErbVO nur zu beachten, wenn auf das Recht eines Drittstaats verwiesen wird (zB gewA in Drittstaat) und – wenn IPR des Drittstaats auf Recht eines Mitgliedstaats verweist oder – wenn IPR des Drittstaats auf anderen Drittstaat verweist, welcher die Verweisung annimmt. Unbeachtlich sind Rück- und Weiterverweisungen bei Art 21 Abs 2 (Ausweichklausel), Art 22 (Rechtswahl), Art 27 (Formgültigkeit von Testamenten), Art 28 lit b (Form von Annahme/Ausschlagung), Art 30 (Höferecht) Öffentliche Ordnung (ordre public) Art 35 ErbVO Wenn ausländisches Recht eines Mitgliedstaats oder ausländisches Recht eines Drittstaats nach ErbVO anzuwenden ist, ist dieses unanwendbar, wenn es mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) der lex fori offensichtlich unvereinbar ist. Besondere Regeln für Pflichtteilsentzug sind entfallen. Dennoch: Ortswechsel/Rechtswahl, nach dem/der Pflichtteile entfallen, ist nicht per se ordre public widrig. (Erw 26: fraude à la loi) Beispiel 1: Lisa Die Österreicherin Lisa verstirbt. Ihr letzter gewöhnlicher Aufenthalt lag in: Österreich Niederlande Norwegen Welche Gerichte sind international zuständig für welche Teile des Nachlasses? Welches materielle Erbrecht kommt jeweils zur Anwendung? Beispiel 1: Lisa Ihr letzter gewöhnlicher Aufenthalt lag in: Österreich Art 4 ErbVO: Internationale Zuständigkeit in Österreich für das gesamte Vermögen, dh auch für Vermögen, das in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittstaaten belegen ist Art 21 ErbVO: Österreichisches Erbrecht, eine Rechtswahl ist nicht möglich, auch für Liegenschaften im Ausland gilt österreichisches Erbrecht Beispiel 1: Lisa Ihr letzter gewöhnlicher Aufenthalt lag in den: Niederlanden Art 4 ErbVO: Internationale Zuständigkeit der Gerichte in den Niederlanden für das gesamte Vermögen, dh auch für Vermögen, das in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittstaaten belegen ist niederländisches Erbrecht gem Art 21 Abs 1 ErbVO österreichisches Erbrecht kann gewählt werden Art 22 ErbVO Art 5-9 ErbVO: bei Rechtswahl ist auch die österreichische Zuständigkeit möglich Beispiel 1: Lisa Ihr letzter gewöhnlicher Aufenthalt lag in: Norwegen Art 10 Abs 1 lit a ErbVO: Subsidiäre internationale Zuständigkeit der Gerichte in Österreich für das gesamte Vermögen, dh auch für Vermögen, das in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittstaaten belegen ist norwegisches Erbrecht gem Art 21 Abs 1 ErbVO österreichisches Erbrecht kann gem Art 22 ErbVO gewählt werden (nur vom Erblasser zu seinen Lebzeiten österreichisches Erbrecht gem Art 21 Abs 2 ErbVO (Ausweichklausel) NEIN: nur in Sonderfällen möglich Beispiel 2: Inga Inga hatte ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Sie besaß die folgende Staatsbürgerschaft Niederlande Norwegen Welche Gerichte sind international zuständig für welche Teile des Nachlasses? Welches materielle Erbrecht kommt jeweils zur Anwendung? Beispiel 2: Inga Inga hatte ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Sie besaß die folgende Staatsbürgerschaft Niederlande Art 4 ErbVO: Internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte für das gesamte Vermögen Art 21 Abs 1 ErbVO: österreichisches Erbrecht kommt zur Anwendung Art 22 ErbVO: die Wahl niederländischen Erbrechts ist möglich Art 5-9 ErbVO: die niederländischen Gerichte können zuständig gemacht werden Beispiel 2: Inga Inga hatte ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Sie besaß die folgende Staatsbürgerschaft Norwegen Art 4 ErbVO: Internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte für das gesamte Vermögen Art 21 Abs 1 ErbVO: österreichisches Erbrecht kommt zur Anwendung Art 22 ErbVO: die Wahl norwegischen Erbrechts ist möglich die österreichischen Gerichten bleiben aber jedenfalls zuständig, die Art 5-9 ErbVO beziehen sich nur auf Mitgliedstaaten Europäisches Nachlasszeugnis = ENZ Berechtigungsnachweis und Rechtsdurchsetzung im Ausland Voraussetzung: Ursprungsstaat und Empfangsstaat sind EU-Mitgliedstaaten (ErbVO) Anerkennung (Annahme) und Vollstreckung ausländischer Nachweise (Entscheidungen, öffentliche Urkunden, gerichtl Vergleiche) = Kap IV, Kap V Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) zusätzlich zu nationalen Verfahren = Kap VI Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) ist rein deklarativ nicht konstitutiv, nicht verpflichtend Erw 71: kein vollstreckbarer Titel als solches zusätzlich: tritt zu nationalem Verfahren und nationalem Erbausweis hinzu Zweck: Ausweis der Berechtigung der Erben, Legatare, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter an einzelnen Nachlassgegenständen, die sich in einem ausländischem Mitgliedstaat befinden Verfahren der Erstellung wird von Mitgliedstaaten geregelt, zusätzlich zu den Art 66 ff ErbVO Antragsberechtigt sind Erben, Legatare, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter (Art 63 (1) iVm 65 (1)) Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) Zuständigkeit Art 64: dieselbe Stelle wie für innerstaatliches Abhandlungsverfahren = Ö: Notar/innen Inhalte Art 68: ausstellende Stelle, Aktenzeichen, Gründe für Zuständigkeit, Datum, Angaben zu Antragsteller, Erblasser, Berechtigten, Ehevertrag, ehelicher Güterstand, anzuwendendes Recht, Grundlage – Gesetz oder Verfügung, Annahme/Ausschlagung, Erbteile, Verzeichnis der Rechte oder Vermögenswerte, die übergehen, Befugnisse Testvollstr/NachlassVw, keine Vorschrift über Vorlage beglaubigter Kopien von Testament etc. Art 70: Original bei ausstell Behörde, beglaubigte Abschriften an Personen mit berechtigtem Interesse, Gültigkeit: 6 Monate Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) Wirkungen des ENZ – Art 69 ErbVO Legitimationswirkung gem Art 63, Art 69 Abs 1 + 5, Erw 69 gegenüber allen staatlichen Stellen sowie gegenüber Privaten (zB Nachlasschuldner) inklusive Grundlage für Eintragung in einschlägige Register Beweiswirkung gem Art 69 Abs 2 widerlegbare Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit – dass die Rechte der Erben, Legatare, Vollstrecker usw so bestehen gutgläubige befreiende Leistung gem Art 69 Abs 3 gutgläubiger Erwerb gem Art 69 Abs 3 (siehe Erw 71!) Wissen und grobe Fahrlässigkeit schaden der Gutgläubigkeit; nationale Vorschriften (zB § 824 ABGB) gelten weiter Fall estnisches Nachlasszeugnis Ferdinand • • • • • • österreichischer Staatsbürger gewöhnlicher Aufenthalt: in Graz oder in Estland? Todeszeitpunkt: 10.09.2015 Letztwillige Verfügung: von G gefälscht (Estland) Nahe Angehörige: Witwe und Kinder in Graz Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ): ausgestellt von estnischem Notar Welche Gerichte sind international zuständig? Welches Recht kommt zur Anwendung? Welche Wirkung hat des ENZ in Österreich?
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