“Infektiöse Katzenkrankheiten - eine diagnostische
Herausforderung in der tierärztlichen Praxis”
„Serologische Tests“ infiziert oder nicht, das ist die Frage
von Katrin Hartmann
Was ist ein serologischer Nachweis? Eine Antikörperbestimmung? Ein Nachweis aus Serum? Der
Nachweis eines Titers (Antigen oder Antikörper)?
Der Begriff „serologischer Nachweis“ oder „Serologie“
sollte mit äußerster Vorsicht, oder am besten gar nicht
mehr gebraucht werden. Er ist missverständlich und jeder
definiert ihn unterschiedlich. Manchmal wird er eingesetzt
als Synonym für „Antikörpernachweise“, manchmal aber
auch für „Antikörper- und Antigennachweise“ (beispielsweise „serologischer Nachweis von FIV- und FeLV-Infektionen“). Manchmal wird er verwendet, wenn von TiterBestimmungen (also der quantitativen Bestimmung von
Antikörpern oder Antigenen) (Beispiel quantitative Antigen-
Bestimmung bei „Kryptokokkus-Serologie“) die Rede ist.
Manchmal wird er auch grundsätzlich gebraucht, wenn von
Untersuchungen „aus dem Serum“ die Rede ist (also auch
bei klinisch-chemischen Parametern); in diesem Fall wäre
der Nachweis von Antikörpern aus Vollblut (beispielsweise
bei FIV-Schnelltests) also kein „serologischer Nachweis“.
Die Begriffe „serologischer Nachweis“ oder „Serologie“
sollten also nicht mehr verwendet, sondern ersetzt werden
durch das, was tatsächlich gemeint ist. Auch „Serokonversion“ ist ein missverständlicher Begriff, bei dem zur Unklarheit des Begriffs „Sero-“ auch noch eine ungenaue Definition von „Konversion“ hinzukommt, die von manchen
Autoren als Konversion zu positiv, von manchen als Konversion zu negativ, von wieder anderen als Konversion in beide
Richtungen verstanden wird.
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Wann ist ein Antikörpernachweis sinnvoll, wann ist
er Geldverschwendung? Wann sagt ein Antikörpernachweis eine Infektion voraus, wann einen Schutz
gegen eine Krankheit?
sagt jedoch das Vorhandensein von Antikörpern einen
sicheren Schutz gegen die Krankheit voraus. Es ist bekannt,
ab welcher Antikörper-Konzentration („Antikörper-Titer“)
ein Tier geschützt ist.
Ein Antikörpernachweis sagt immer dann eine Infektion
voraus, wenn Tiere auf eine Infektion hin generell mit einer
Antikörperbildung reagieren, wenn diese Infektion lebenslang persistiert (sie also weder spontan eliminiert, noch
erfolgreich therapiert werden kann), wenn es keine Impfung gibt, die durch Induktion einer Antikörperbildung eine
Infektion vortäuschen könnte, und wenn das Tier zum Zeitpunkt der Untersuchung alt genug ist, so dass keine maternalen Antikörper mehr vorhanden sein können. Ein Beispiel
hierfür ist die Infektion mit dem felinen Immunschwächevirus (FIV). Die meisten FIV-infizierten Katzen bilden hohe
Konzentrationen an spezifischen, gegen das FIV gerichteten Antikörpern. Das heißt, eine akute FIV-Infektion kann
fast immer mittels Antikörpertest nachgewiesen werden.
Bei mehr als 95 % der FIV-infizierten Katzen kommt es nach
zwei bis vier Wochen (maximal ein Jahr) zur Antikörperbildung. In Deutschland lässt (im Moment noch) ein positiver
FIV-Antikörpertest bei einer Katze über sechs Monate
immer auf eine aktuelle Infektion schließen. In USA ist dies
seit Einführung der neuen FIV-Impfung nicht mehr der Fall.
Dort gibt es keine Möglichkeit, mittels herkömmlicher Testverfahren (inklusive Western Blot) zu unterscheiden zwischen Katzen, die gegen FIV geimpft sind, und Katzen, die
mit FIV infiziert sind. Bei Katzen unter sechs Monaten
können maternale Antikörper ein positives Ergebnis verursachen, auch wenn der Katzenwelpe nicht infiziert ist. Ein
negativer FIV-Antikörpertest schließt eine FIV-Infektion
weitgehend aus. Antikörperkonzentrationen können allerdings in der Endphase der Infektion in seltenen Fällen unter
die Nachweisgrenze fallen.
Ein Problem der Antikörperbestimmung ist auch die Kreuzreaktivität mit verwandten Erregern. Kreuzreaktivität
bedeutet, dass Antikörper, die von einem Tier nach Kontakt
mit einem Erreger gebildet werden, nicht durch den Nachweis unterscheidbar sind von Antikörpern, die gegen einen
anderen bestimmten Erreger oder eine andere Variante des
Erregers gebildet werden. Ein Beispiel hierfür ist der so
genannte „FIP-Test“. Der Name „FIP-Test“ ist nicht korrekt,
da die Testkits nicht spezifische Antikörper gegen mutierte,
FIP-verursachende Viren, sondern gegen alle felinen Coronaviren (FCoV) und andere kreuzreagierende Coronaviren
(canines Coronavirus, humane Coronaviren, Virus der transmissiblen Gastroenteritis der Schweine) nachweisen.
Ungefähr 50 % aller Katzen in Deutschland haben Antikörper gegen Coronaviren. Durch falsche Interpretation der
„FIP-Tests“ sind in der Vergangenheit mehr Katzen
gestorben als an FIP selbst. Niedrige und mittelhohe Titer
sollten überhaupt nicht interpretiert werden. Ein positiver
Antikörpertest kann nur eine Aussage darüber machen, ob
die Tiere Kontakt zu Coronaviren hatten. Die Anwesenheit
von Antikörpern gibt keine Auskunft, ob die Katze
momentan mit FCoV infiziert ist oder empfänglich ist für
eine Infektion oder ob sie Coronaviren ausscheidet. Daher
kann ein positiver „FIP-Test“ bedeuten: 1. Die Katze war
infiziert mit einem Coronavirus, hat das Virus in der Zwischenzeit eliminiert, trägt aber noch Antikörper. 2. Die
Katze hat eine „apathogene“ FCoV-Infektion. 3. Die Katze
hat FIP. 4. Die Katze ist geimpft gegen FIP (auch die intranasale Vakzine kann zur Entstehung von niedrigen Antikörperkonzentrationen führen). Ein negativer „FIP-Test“ bei einer
kranken Katze schließt FIP nicht aus, da im Endstadium der
Krankheit alle Antikörper in Antigen-Antikörper-Komplexen
gebunden sein können. Etwa 10 % der Katzen mit FIP
haben einen negativen „FIP-Test“. Bei einer gesunden
Katze macht ein negativer Test das Vorhandensein von
Coronaviren jedoch sehr unwahrscheinlich.
Ein gegenteiliges Beispiel ist die Parvovirose des Hundes.
Hier kann ein Antikörpernachweis überhaupt nicht zur Diagnose der Krankheit verwendet werden. Zum einen hat fast
jeder Hund Antikörper, durch Impfungen oder natürliche,
klinisch inapparente Infektionen, zum anderen verläuft die
Krankheit so akut, dass die Inkubationszeit viel zu kurz ist,
als dass zum Zeitpunkt des Auftretens der klinischen Symptome bereits Antikörper vorhanden sein könnten. Dafür
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Sind „Titerpaare“ veraltet oder gibt es Infektionen,
bei denen sie noch Sinn machen? Was ist der Vorteil
der IgM- und IgG-Differenzierung und bei welchen
Infektionskrankheiten ist die Differenzierung hilfreich?
Titerpaare werden häufig verwendet, um zwischen Impfinduzierten und Infektions-induzierten Antikörpern zu unterscheiden. Als Abstand zwischen der Blutentnahme zur
Bestimmung von Titerpaaren wird meist 3 Wochen vorgeschlagen. In den meisten Fällen ist diese Verzögerung in der
Diagnosefindung jedoch unzumutbar und die Bestimmung
von Titerpaaren daher obsolet. Die IgM-/IgG-Differenzierung hat die Titerpaar-Bestimmung weitgehend abgelöst.
Normalerweise (bei einer „anständigen“ Infektionskrankheit) bildet ein Tier innerhalb einer Woche nach einer Infektion zunächst IgM-Antikörper, deren Konzentration mit
ansteigendem IgG-Titer (nach zwei bis drei Wochen) wieder
abfällt, so dass ein hoher IgM-Titer bei noch fehlendem
oder ansteigendem IgG-Titer für eine akute Infektion
spricht. Ein hoher IgG- bei niedrigem oder negativem IgMTiter zeigt eine länger bestehende oder zurückliegende
Infektion an oder deutet darauf hin, dass die Antikörper
durch eine zurückliegende Impfung induziert sein könnten.
Beispiel für eine Infektionskrankheit, bei der die IgM-/IgGDifferenzierung zur Diagnose sehr hilfreich ist, ist die Leptospirose des Hundes oder die Hämobartonellose der
Katze.
Probleme bei der Interpretation von IgM-/IgG-Titern treten
auf bei Infektionen, die im Körper persistieren und immer
wieder eine Antikörperreaktion hervorrufen, wie beispielsweise die Borreliose des Hundes oder die Toxoplasmose
der Katze. Die Diagnose einer Toxoplasmose bereitet oft
Schwierigkeiten. Einerseits bilden nur 80 % aller mit Toxoplasma-gondii infizierten Katzen IgM-Antikörper, und
manche erst nach vier bis sechs Wochen. Andererseits
kann durch die Entwicklung von Gewebezysten nicht nur
der IgG-, sondern auch der IgM-Titer über Jahre bestehen
bleiben. Ein negativer T.-gondii-Antikörper-Nachweis (IgG
und IgM) kann von einer nicht infizierten Katze und von
einer Katze mit einer frischen Infektion stammen, die möglicherweise gerade Oozysten ausscheidet. Ein negatives
Ergebnis schließt somit nur eine klinisch manifeste Toxo-
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plasmose aus, nicht aber eine frische Infektion und/oder
Ausscheidung. Ein positiver IgM-Titer bei negativem IgGNachweis spricht für eine aktuelle Infektion, die erst einige
Wochen zurückliegt. Eine Katze mit einem solchen Ergebnis
scheidet möglicherweise noch Toxoplasmen aus. Das Vorliegen einer klinisch manifesten Toxoplasmose ist bei
diesem Ergebnis unwahrscheinlich, da der Erreger noch
nicht lange genug im Körper ist, um zu entsprechenden
Schäden und nachfolgenden Symptomen führen zu können.
Sind IgM- und IgG-Antikörper vorhanden, lässt sich bei
einer einmaligen Bestimmung nur die Aussage treffen,
dass eine Infektion stattgefunden hat. Dieses Ergebnis
kann stammen von einer klinisch gesunden Katze mit einer
Infektion (mindestens eine Woche zurückliegend, Katze
scheidet nicht mehr aus), einer klinisch gesunden Katze mit
einer chronischen Infektion oder von einer Katze mit einer
klinisch manifesten Toxoplasmose. Zur Diagnose einer
akuten T.-gondii-Infektion ist nur ein hoch-positiver IgMTiter mit gleichzeitig negativem oder niedrigem IgG-Titer
oder ein vierfacher IgG-Anstieg innerhalb von zwei bis drei
Wochen aussagekräftig. Ein über lange Zeit hoch bleibender IgG-Titer mit oder ohne Vorhandensein von IgMAntikörpern spricht zwar für das Vorhandensein von Gewebezysten, aber nicht für eine klinisch manifeste
Toxoplasmose (Antikörpertiter sollte steigen). Ein positiver
IgG- mit negativem IgM-Nachweis kann von einer Katze mit
einer chronisch latenten T.-gondii-Infektion, einer Katze mit
einer chronisch reaktivierten Infektion (IgM wird möglicherweise nicht gebildet), einer Katze mit einer akuten enteralen Infektion, bei der kein IgM gebildet wird, oder einem
Katzenwelpen mit maternalen Antikörpern stammen. Eine
Aussage darüber, ob eine Katze gerade Ausscheider ist,
lässt sich mittels Antikörper-Titer-Bestimmung nur begrenzt
treffen. T.-gondii-Oozysten-Ausscheider kann eine IgM- und
IgG-Antikörper-negative Katze (frische Infektion), eine IgMAntikörper-positive und IgG-Antikörper-negative Katze
(Infektion vor maximal drei Wochen), und in sehr seltenen
Fällen (weniger als 1 % aller an Toxoplasmose erkrankten
Katzen) eine IgG-Antikörper-positive Katze mit einer chronischen Infektion nach Reaktivierung sein. Katzen mit konstant hohem oder abfallendem Antikörperspiegel scheiden
keine Oozysten aus, da die Ausscheidungsphase bereits
länger zurückliegt.
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Anschrift der Verfasserin:
Katrin Hartmann
Prof., Dr. med. vet., Dr. med. vet. habil., Dipl. ECVIM-CA
Medizinische Kleintierklinik
Ludwig-Maximilians-Universität
Veterinärstraße 13
D-80539 München
E-Mail: [email protected]
Tel.:
+49-89-2180-2651
Fax:
+49-89-2180-6240
Vet•Med•Labor 2004
Notizen