CMV-Infektion in der Schwangerschaft

CMV‐Infektion in der Schwangerschaft
Dr. med. Daniela Huzly, Institut für Virologie
CMV ‐ Grundlagen
• Gehört zu Herpesviren (HHV5), geht nach Primärinfektion in Latenz
• Reaktivierung und Reinfektion möglich
• Behülltes Virus: Desinfektion mit Standard‐Desinfektionsmitteln möglich
• Übertragung durch Körperflüssigkeiten (Urin, Speichel, Vaginalsekret, Sperma)
Symptome der Primärinfektion
• Inkubationszeit 3‐4 Wochen
• Fieber, Hepatitis, Hepatosplenomegalie, Thrombopenie, Anämie, Lymphadenopathie
• Bei Kindern meistens asymptomatisch
• Bei Erwachsenen oft protrahierter Verlauf, Manifestationsindex nicht bekannt
• Bei Schwangeren in 50‐70% der Fälle symptomatisch
• Reaktivierung vermutlich häufig, nie symptomatisch
• Reinfektion asymptomatisch
Diagnostik der CMV‐Primärinfektion
– IgG, IgM, IgG‐Avidität
• Spezialuntersuchungen im spezialisierten Labor
– Niedrig avide IgG‐Antikörper zeigen frische oder kürzliche, in den vergangenen 2‐3 Monaten erworbene Primärinfektion an
– IgM ist häufig positiv und bei hoher Avidität nicht diagnostisch verwertbar
– Hoch avide Antikörper frühestens nach 4‐5 Monaten
CMV‐Primärinfektion während der Schangerschaft
Serokonversionsraten in prospektiven Studien:
• Deutschland 55% Seronegativität, 0,4% Serokonversionsrate
• Belgien 88% Seronegativität, 1,8% Serokonversionsrate
• USA: Serostatus und Serokonversionsraten
abhängig von Ethnizität und Sozialstatus, bis zu 3% Serokonversion
Konnatale CMV‐Infektion
• Häufigste intrauterin übertragene Infektion , häufigste Ursache von angeborenen Langzeitschäden
http://www.cdc.gov/cmv/trends-stats.html
CMV‐Infektion in der Schwangerschaft
• Übertragung bei Primärinfektion ca. 40%
• Übertragung bei Reaktivierung/Reinfektion ca. 1%
– Möglicherweise häufiger (Plazentastudien)
• Ca. 0,2‐2,2% aller Lebendgeburten infiziert
– Tübingen 0,4%, Freiburg 0,6%
– Bei Kindern HIV‐infizierter Mütter etwa 2‐3‐fach höhere Rate
Cmvaction.org.uk
CMV‐Infektion in der Schwangerschaft
M.G. Revello, J.Clin.Virol.29, 2004
Kongenitale CMV‐Infektion Pathologie
• Virus repliziert in Endothelzellen des Endometriums und wird an Plazenta übertragen: fokale Infektion und Entzündung
• Virusweitergabe an Cytotrophoblast, dann Fibroblasten in fetalen Kapillarendothelien, im letzten Trimenon auch direkte Infektion der fetalen Endothelien durch Leukozyten
• Sekundärinfektionen: lokale Reaktivierung im Uterus durch lokale Immunsuppression (allogene
Stimulation) und evtl. durch bakterielle Stimuli
Kongenitale CMV‐Infektion Neuropathologie
• Neurale Stammzellen als Hauptinfektionsort im ZNS
• Lytische Infektion unreifer Gliazellen
• Persistierende Infektion der Neuronen
– Durch lokale Reaktivierungen können später auftretende Schäden entstehen
Kongenitale CMV‐Infektion
Symptome
Allgemein
Hepatosplenomegalie (45%), Thrombopenie
(50%), Transaminasenerhöhung (50%), Anämie, Petechien
ZNS
Krampfanfälle, Spastische Paresen, Chorioretinitis, uni‐ oder bilateraler Hörverlust (SNHL), mentale Retardierung
http://mizzouderm.com/virus.html
Myweb.ecom
Folgen der CMV‐Infektion: SNHL
• SNHL = sensorineuraler Hörverlust (hearing loss)
• Häufigste Schädigung durch kongenitale CMV‐
Infektion sowohl bei Primärinfektion als auch bei Reinfektion/Reaktivierung
• 22‐65% der bei Geburt auffälligen, 6‐23% der bei Geburt unauffälligen Kinder
• Einseitiger Hochfrequenzverlust – beidseitiger Totalverlust
Folgen der CMV‐Infektion: SNHL
• Zu späte Erkennung
• Auch bei Übertragung von Nicht‐Primärinfektionen möglich
• Ca. 20‐30% aller im Alter bis 5 Jahre auftretenden SNHL‐Fälle gehen auf CMV zurück, bei Verlust >40dB über 40%.
Risiken für eine CMV‐Primärinfektion
• Risikofaktoren für Seronegativität: Jung, weiß, hoher sozioökonomischer Status, Leben in entwickelten Ländern
• Haushaltsübertragungen: „Force of
infection“ ohne Kleinkind 3,4%; mit Kleinkind 16,1%; bei negativem Partner 7,3%
• Eltern von Kindern, die CMV ausscheiden, haben ein 10fach höheres Risiko (24%)
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Wie werden Kinder infiziert?
Stillen: >90% aller seropositiven
Mütter scheiden CMV in der
Muttermilch aus
CMV-Seroprävalenz in
Abhängigkeit vom Alter: 30%
schon im ersten Lj infiziert
Risiken für CMV‐Primärinfektion
• Hauptrisiko Kontakt zu Kindern <3 Jahren
• Ca. 30% aller Kinder werden postnatal mit der Muttermilch infiziert, Ausscheidung mit Urin und Speichel dauert Monate an
• Kontakt von Kindern untereinander : Speichelaustausch, Kontakt mit Urin (PEKIP) etc.
Wie infiziert sich die Schwangere?
Risiken für eine CMV‐Primärinfektion
www.deutschlandfunk.de
www.koeshall.com
www.heilwolle.de
CMV – Überlebensfähigkeit auf Gegenständen
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Metall: bis 1h (bei sichtbarer Feuchtigkeit)
Glas: bis zu 3h (länger als sichtbare Feucht.)
Plastik: 3h
Gummi: bis zu 6h
Holz: 1h
Kleider: bis zu 6h
Cracker: hohe Viruslast, >6h
– Do not share food with children!
Hygieneberatung
• Empfehlung: CMV‐IgG‐
Bestimmung in der Frühschwangerschaft
• Hygieneberatung bei Seronegativität
• Bei Kontakt mit Kindern <3 J. CMV‐IgG und IgM, um Primärinfektionen mit zu erfassen www.cdc.org
• Prospektive Beobachtungs‐ und Interventionsstudie zur Wirksamkeit der Hygienemaßnahmen als Prävention
Einschlusskriterien
• Interventionsgruppe: >18J Schwangere mit CMV‐Risiko (familiärer oder beruflicher Kontakt zu Kindern <3J)
– Trippel‐Test in Woche 11‐12, CMV‐IgG+IgM
– CMV‐Negativ: Erklärung der CMV‐Infektion, Hygieneberatung
– Bei Geburt Wiederholung der CMV‐Serologie und bei Serokonversion Untersuchung des Kindes
Einschlusskriterien
• Kontrollgruppe: >18J Schwangere mit CMV‐
Risiko (familiärer oder beruflicher Kontakt zu Kindern <3J)
– Einschluss in Woche 35‐37, CMV‐IgG und IgM
aus Probe von Trippel‐Test in Woche 11‐12
– CMV‐Negativ: Bei Geburt Wiederholung der CMV‐
Serologie und bei Serokonversion Untersuchung des Kindes
Ergebnisse
Interventionsgruppe
• 331 Frauen
• Serokonversion: 4 (1,2%)
• 3 Kongenital Infizierte
Kontrollgruppe
• 315 Frauen
• Serokonversion 24 (7,8%)
• 8 Kongenital Infizierte (1 mit ZNS‐Auffälligkeit)
Risiko der CMV‐Primärinfektion signifikant reduziert – OR 0,15 (0,05‐0,43)
Was tun, wenn Primärinfektion vorliegt?
• Idealfall: Serum aus Frühschwangerschaft liegt vor, Infektionszeitpunkt kann bestimmt werden
• Kein Vorserum: Versuch des „Timings“ durch Spezialuntersuchungen im Labor, Anamnese, kurzfristiger Verlauf, evtl. PCR aus EDTA‐
Vollblut
• Höchstes Risiko für fetale Schädigung bei Infektion in den ersten 14 SSW Risiko für symptomatische CMV‐
Infektion mit Folgeschäden
• Infektion im 1. Trimenon: ca. 20%
– Taubheit, Chorioretinitis, Entwicklungsverzögerung bis hin zu schweren neurologischen Defiziten
• Infektion im 2. Trimenon: ca. 6%
– Mildere Ausprägung, meist kein kompletter Hörverlust, einseitig, selten Augenbeteiligung
• Infektion im 3. Trimenon: <1%
– Keine schweren Schäden
CMV‐Screening und dann?
Ein Vorschlag
Bei Hochrisikokonstellation:
• Wenn IgG und IgM negativ 1 Kontrolle im zweiten Trimenon (14‐18 SSW), wenn weiterhin negativ, keine weiteren Kontrollen
• Wenn IgM positiv ohne IgG: PCR aus EDTA‐
Vollblut
Ohne Hochrisiko:
• Keine weiteren Kontrollen nach Hygieneberatung
Therapeutische Möglichkeiten bei CMV‐
Infektion in der Frühschwangerschaft
Gabe von Hyperimmunglobulin zur Verhinderung der Übertragung
• Widersprüchliche Ergebnisse bisheriger Studien*
• Leichte Reduktion der Übertragung bei frühzeitiger Gabe
• Dosierung? Nigro 2005 und Revello 2014 gaben 100 U/kg, in anderen Studien 200 U/kg
• Bei Revello erhöhte Rate von Frühgeburten in der Verumgruppe
– Retrospektive Analyse von Frauen, die HIG bekommen hatten zeigt keine erhöhte Rate (Nigro)
*Rev. Med. Virol. 2014; 24: 420–433
Antivirale Therapie
• Ganciclovir nicht möglich
• Aciclovir nicht wirksam gegen CMV
• Studien mit Valacyclovir*‘ in der Schwangerschaft brachten keinen Nutzen
*PLOS One May 2014 | Volume 9 | Issue 2 |Maternal Valacyclovir and Infant Cytomegalovirus Acquisition: A Randomized Controlled Trial among HIV‐Infected Women
‘ Randomisierte Studie noch nicht komplett abgeschlossen
• Derzeit keine Empfehlung für Therapie möglich (keine ausreichende Evidenz)
• Wenn Therapie von Pat. gewünscht wird, sollten die Limitationen der derzeitigen Datenlage erklärt werden • Vom Hersteller von Cytotect wird die Dosierung von 200 IU/kg zweimal im Abstand von 2 Wochen empfohlen
– Antrag auf Kostenerstattung sowie Off‐lable use
Aufklärung Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
www.uniklinik‐freiburg.de/virologie