Abschlussbericht zum chemisch-organischen Forschungspraktikum Praktikumsgeber: University of Cambridge Studienfach: Master Chemie Alles fängt klein an, so auch die Suche nach einem Forschungspraktikum. Im Master Chemie an der Ludwig-Maximilians-Universität München müssen wir als Zulassung für die Masterprüfungen 3 Forschungspraktika abschließen. Eines davon dürfen wir außerhalb unserer Universität bewältigen und ich beschloss es im englischsprachigen Raum zu absolvieren. Ich hatte mich dabei für die University of Cambridge entschieden, da ich dort Einblicke in chemische Bereiche bekommen konnte, die bei uns in München nicht vertreten sind und habe auf gut Glück mehreren Professoren, deren Forschungsgebiete mich interessiert haben, eine Anfrage auf ein Forschungsprojekt geschrieben. Es wird auf Vollständigkeit der Bewerbungsunterlagen Wert gelegt, denn die meisten Professoren ignorieren bzw. lehnen sofort ab, falls der Lebenslauf nicht selbstständig angehangen wird. Schon mein zweiter Wunschprofessor für medizinischorganische Chemie war nicht abgeneigt. Hauptsächlich, weil ich genau in der Ferienzeit das Praktikum abschließen wollte, und die Arbeitsgruppen in diesem Zeitraum in England schwach besetzt sind. Die ersten 4 Wochen waren wir nur zu viert in einem Labor für 14 Wissenschaftler. Das Finden eines passenden Praktikums-Betreuer wurde durch die exzellente Förderung der internationalen Beziehungen zwischen unseren Studenten an der LMU und Institutionen im Ausland stark begünstigt und erforderte weniger Aufwand als in den bisherigen Schritten. Meine Erwartungen an das Praktikum waren zwiegespalten. Auf der einen Seite konnte mir mein Betreuer bis zu meiner Anreise nicht sagen, womit ich mich inhaltlich beschäftigen würde, da er nach Abschluss seines letzten Projektes sich neuen Thematiken zuwenden wollte. Auf der anderen Seite eröffnete sich die Möglichkeit dadurch erste Einblicke zu bekommen, wie sich so ein Projekt tatsächlich entwickelt. Als Praktikanten sind wir nur kurze Zeit an den Projekten der Doktoranden beteiligt und meistens auch nur an funktionierenden Projekten. Von Anfang an dabei zu sein ist somit außergewöhnlich. Abgesehen von den üblichen Erwartungen neue Arbeitstechniken kennenzulernen, habe ich auch ein stärker internationales Umfeld erwartet, als ich es an der LMU kenne. Diese Erwartung wurde auch erfüllt. Mehr als die Hälfte der Arbeitsgruppe waren aus Frankreich, Südafrika, Italien, Spanien, USA, Deutschland und China. Dabei lebt ein Großteil schon seit Beginn des Studiums in Cambridge und ist nicht nur für die Promotion bzw. den Postdoc. eingereist. Vergleichsweise sind bei mir im Studiengang in Deutschland weniger als 10 % aus dem Ausland kommende Studenten. Die Atmosphäre wirkte insgesamt deutlich freundlicher dadurch. Jeder war durchgehend bereit zu helfen. Vermutlich, weil mehr Rücksicht auf jeden einzelnen genommen wird. Immerhin haben alle unterschiedliche kulturelle Hintergründe und deswegen nicht direkt Zugang zu sprachlichen Gewohnheiten. Nichtsdestotrotz wirkte der Umgang nicht erzwungen, sondern natürlich. Diese Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft ist meines Erachtens auch eine Eigenschaft der Briten, die solchen internationalen Gruppen überhaupt die Möglichkeit geben sich leicht zu integrieren. An meinem ersten Tag hat sich ein britischer Postdoc die Zeit genommen mit mir die Registrierung durchzugehen, was mehrere Stunden beansprucht hat, obwohl er eigentlich nicht für mich verantwortlich war. Da mein eigentlicher Betreuer noch nich solange an der Universität beschäftigt war, hat er ihn um Hilfe gebeten. Obwohl es zusätzliche Arbeit für ihn gewesen ist, hat er es gemacht mit einer Freundlichkeit, durch die ich mich sofort integriert gefühlt habe. Im Laufe meiner Zeit in England hat er auch regelmäßig erkundigt, ob alles in Ordnung ist und mir immer wieder seine Hilfe angeboten. Auch die Tatsache, dass der Professor in England persönlich vorbeigekommen ist, um mich zu begrüßen war überraschend, spiegelt aber die Freundlichkeit der Briten wieder. Im Vergleich hat der Professor meiner Bachelorarbeit in Deutschland mich kein einziges Mal gesehen. Ich wurde ihm nicht mal vorgestellt. Nachdem die Regularien alle geklärt waren, durfte ich ab dem zweiten Tag auch sofort im Labor anfangen. Natürlich dauerte es einige Zeit, bis ich mich selbstständig zurecht gefunden habe. Vor allem da Cambridge ganz anders strukturierte Arbeitsabläufe besitzt. Jede Etage hat 2 Techniker, die die Lösemittel für die Arbeitsgruppen destillieren und auch für jegliche Inventarangelegenheiten verantwortlich sind. Der Vorteil war, dass die Arbeit nie durch schlechte Zeitplanung behindert worden ist und somit auch schneller vorrangeschritten ist, da einige Arbeitsschritte wegfallen. Ich durfte auch sehr schnell komplett selbstständig arbeiten, ohne dabei ständig kontrolliert zu werden. Das lag hauptsächlich an der besseren, praktischen Ausbildung in Deutschland, sodass ich mich schnell bewähren konnte. Zwischen Deutschland und England unterscheiden sich die Studienakzente stark. In München verbringen wir ab dem ersten Semester mehr als die Hälfte der Zeit im Labor. In England haben sie vor der Masterarbeit zeitlich nur ein Drittel unserer Laborzeit absolviert. Dafür ist ihr Fokus viel stärker auf die Theorie gelegt. Meine Arbeitszeiten waren dabei nicht außergewöhnlich für die organische Chemie. Wir haben gegen 9 Uhr morgens angefangen und bis 19 Uhr gearbeitet. Wobei natürlich die Arbeitszeiten öfter um 1-2 Stunden variiert haben, abhängig von den Aufgaben und Reaktionen. Wie auch in Deutschland sind Laborarbeiten an Samstagen normal, sodass ich mich öfter samstags im Labor aufgefunden habe. Kollegial wurde von 12-13 Uhr zu Mittag gegessen und um 15 Uhr eine kurze Kaffeepause gemacht. Zur Kaffeepause wurden öfter wegen Geburtstagen Kuchen gebracht. Da mir sofort Zugang zu allen Geräten gewährt wurde und ich komplett frei arbeiten durfte, hat mir das Arbeiten immensen Spaß bereitet, wodurch auch die Tage mit Niederschlägen oft wenig tragisch waren. Am Ende meine Praktikums habe ich einen Vortrag über meine Forschungsergebnisse im Gruppenseminar gehalten, der meine Abschlussnote größtenteils ausgemacht hat. Während meiner Zeit in Cambridge habe ich bei Verwandten von mir gewohnt, wodurch ich keine Wohnung suchen musste und auch keine Probleme hatte mich auch außerhalb der Universität zu integrieren. Mein Bruder hat über seinen Tanzverein mehrere Freunde getroffen, die mir sehr früh vorgestellt worden sind. Mit denen sind wir Freitags zum „social dancing" gegangen. Insgesamt bietet Cambridge eine Menge Möglichkeit, um sich gesellschaftlich zu etablieren. Überall sind Aushänge über freie Treffen/Spieleabende oder auch Events, wie das „social dancing" auf Blackboards der Universität zu finden. Über eine Arbeitskollegin sind wir über das Trinity College zum Nachtpunten nach Grantchester gekommen. Punting nach Grantchester ist eine der zwei „must do" Aktivitäten in Cambridge. Aufgrund des Gegenstroms dauert die Hinfahrt 3-4 Stunden. Besonders als Anfänger ist die Strecke nicht leicht zu bewältigen. Vor allem da an manchen Stellen der Fluss zu tief ist und mit der Stange der Boden kaum erreicht wird. Die Belohnung, abgesehen von einer Menge Spaß beim „punting", ist eine unglaublich schöne Naturlandschaft und eine kleines, nettes Pub in Granchester. Außerdem gibt es nicht oft die Möglichkeit bei Nacht eine solche Fahrt zu absolvieren. In Deutschland sind „punts" als Tübinger Stockerkahns bekannt. Es sind flache lange Boote, wo der „Stocherer" (Fahrer) am hinteren Ende steht und mit einem 7 Meter langen Stab das Boot manövriert und antreibt, indem er sich mit diesem vom Flussboden abstößt. Am Tag ist der Fluss Cam durchgehend von solchen „punts" befahren und nicht selten trifft man eine Gruppe von Frauen an, die ihren Junggesellinnenabschied auf dem Fluss feiern. Allgemein haben Mitglieder der Colleges Zugang zu Sporteinrichtungen, Partyräumen und zusätzlichen Aktivitäten. Somit lohnt es sich mit den Arbeitskollegen gut zu stellen, da man dadurch in den Genuss von Sonntagsbrunch im Trinitiy College, einen Platz im College Fußballteam oder auch von solchen „punt" Aktivitäten kommt. Die zweite „must do" Aktivität ist eine Fahrradtour nach Ely. Mit das erste, was ich mir in Cambridge organisiert habe, war ein Fahrrad. Die Stadt ist sehr klein und kompakt und mit einem Fahrrad kann jede Ecke innerhalb von 20 Minuten erreicht werden. Der Hauptgrund für ein Fahrrad liegt aber außerhalb der Stadt, denn alle Dörfer und Kleinstädte sind über wunderschöne Landschaften und Fahrradwege miteinander verbunden. Es lohnt sich definitiv an einem Samstag oder Sonntag sich auf ein Fahrrad zu setzen und einfach rauszufahren. Extra Karten für Fahrradwege können im Informationszentrum für Touristen, wie auch online sehr leicht gefunden werden. Besonders interessant sind auch die Busangebote. Diese fahren die schöneren Fahrradziele entlang. Somit ist es möglich mit dem Fahrrad auch etwas weiter rauszukommen, indem einfach ein Teil der Strecke vorher mit dem Bus absolviert wird. Ich habe mehrere Wochenenden auf dem Fahrrad verbracht und war von der Umgebung dort schlichtweg beeindruckt. Kann es jedem nur ans Herz legen. Wer übrigens Angst hat sich zu verfahren und verloren zu gehen, dem empfehle ich eine „giffgaff SIM. Mit 10 Pfund im Monat werden alle notwendigen Funktionen eines Telefons erhalten - SMS-flat, 1 GB Internet, 500 Minuten in UK Netze und umsonst mit „giffgaff" Nutzern telefonieren. Zusätzlich sind die „giffgaff" Informationsmitteilungen sehr amüsant und zaubern jedem ein Lächeln auf die Lippen. Der vermutlich einzige Nachteil an Cambridge sind die unmenschlichen Mietpreise. Für eine 5060 m2 Wohnung werden ohne weiteres 1000-1200 Pfund gezahlt pro Monat. Die Wohnungen sind dabei oft schlecht erhalten. Etwas gewöhnungsbedürftig ist auch der Baustil von normalen Häusern und Wohnungen. Mehrfamilienhäuser gibt es kaum. Stattdessen sind viele kleine Reihenhäuser zu finden und mit klein ist tatsächlich klein gemeint. Von Gardinen machen viele auch keinen Gebrauch, sodass von der Straße meistens ein klarer Blick ins Wohnzimmer vorhanden ist. Der klare Blick auf einen auf der Couch liegenden Mann beim fernsehen ist keine Seltenheit. Meistens isst dieser auch Chips, denn in England sind Chips ein Snack, der zum Frühstück und Mittagsessen als Nachtisch gegessen wird. Obwohl ich es sehr befremdlich finde zu meinem Kaffee mit meinem Croissant eine Packung Chips serviert zu bekommen, scheint es für Engländer ganz normal zu sein. Positiv überraschend war die Menge an Vergünstigungen in der Gastronomie. Jeden Montag gibt es im „Wodka Revolution" 50 % auf jedes Gericht und von solchen Angeboten macht jedes normale Restaurant Gebrauch. Jeder, der sich eine längere Zeit in einer Stadt aufhält, sollte sich nach solchen Angeboten informieren. Dadurch kann eine Menge Geld gespart werden. Ein weiterer Vorteil von England ist das Trinkwasser, das man in jedem Restaurant gratis erhält. Das Praktikum hat mir insgesamt sehr geholfen. Ich habe einen Einblick in einen mir bis dato fremden Bereich der Chemie erhalten und ich habe definitiv vor wieder für längere Zeit innerhalb meiner Promotion ins Ausland zu gehen. Durch das Praktikum konnte ich erste Erfahrungen sammeln komplett selbstständig zu arbeiten und weiß, dass meine Ausbildung, die ich in Deutschland genossen habe, auch international in nichts nachsteht. Ich würde somit jedem raten, falls die Möglichkeit besteht, ein Teil des Studiums im Ausland zu verbringen, um eine andere Sicht auf die Lehrinhalte zu bekommen. Vor allem für Chemiker kann ich England ins besondere Cambridge empfehlen, da sowohl die Wissenschaftler, wie auch das Equipment hervorragend sind. Traut euch einfach eine interessante Gruppe mit einer kurzen Bewerbung und Lebenslauf anzuschreiben und die Chance besteht, dass ihr einen Platz angeboten bekommt.
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