Wenn der liebe Gott draußen bleiben soll

Mit Kindern durch das Leben
Illustration: Ulrike Elsing
Elternthema –
Wenn der liebe Gott
draußen bleiben soll
In vielen Familien betreuen Großeltern regelmäßig ihre Enkelkinder und sie tun das gerne. Mitsprache
in der Erziehung ist aber meist nicht erwünscht – erst recht, wenn es um religiöse Fragen geht.
Müssen Großeltern das respektieren oder dürfen sie sich um der Kinder willen über die Eltern hinwegsetzen? von Ingrid Leifgen
Birgit und Werner sind fest im Glauben verankert. Der sonntägliche Gottesdienst, das
Tischgebet, die Sakramente sind unverzichtbare Bestandteile ihres Lebens und in dieser
Gesinnung haben sie auch ihre Kinder erzogen.
Doch nun die bittere Enttäuschung: Ihr erstes
Enkelkind, der Sohn ihrer Tochter Hanna, wurde
nicht getauft. Überhaupt spielt der Glaube in
der jungen Familie so gut wie keine Rolle. Birgit
leidet ganz besonders unter dieser Tatsache.
Mehrfach hat sie ihre Tochter schon darauf
angesprochen und sich jedes Mal eine derbe
Abfuhr geholt. Sie solle sich gefälligst aus
Hannas Entscheidungen heraushalten, hatte sie
sich anhören müssen.
Anders gefragt.
Wie die Eltern, so die Kinder!
—— Was haben Sie sich in der Erziehung
von Ihren Eltern abgeguckt?
—— Bei uns gibt es wie in meiner Kindheit
immer ein Tischgebet und ich würde es
vermissen. Doris, 44 Jahre
—— Die herrlichen Geburtstagsfeiern meiner Mutter sind bis heute ein Vorbild für
mich und ich gestalte die meiner Kinder in
ähnlicher Weise. Bettina, 45 Jahre
Einmischen schadet der Beziehung
Die Soziologin Dr. Katrin Hater kann Birgit
verstehen. „Wenn die Eltern die Weitergabe der
eigenen religiösen Vorstellungen nicht erlauben,
ist das für die Großeltern ein tiefer Schmerz“,
sagt sie – und gibt dennoch der jungen Mutter
Recht. „Die Erziehungsverantwortung liegt bei
den Eltern, die kann ihnen keiner nehmen“,
erklärt sie unmissverständlich. Ungebetene
Einmischung durch die Großeltern dürfen die
sich folglich verbitten. Das ist eine schwierige
Gemengelage mit einem Konflikt, der kaum lösbar erscheint. Birgit und Werner sind durch die
harsche Zurückweisung verletzt, ihre Tochter
Hanna fühlt sich von den Eltern nicht akzeptiert.
In vielen Familien tauchen solche Probleme
auf, weiß Katrin Hater – nicht nur wenn es
um die religiöse Erziehung geht. Im Auftrag
des Deutschen Kinderschutzbundes hat sie mit
dessen Geschäftsführerin Paula HonkanenSchobert und der Soziologin Lotte JennesRosenthal einen Kurs für Großeltern entwickelt.
„Starke Großeltern – Starke Kinder“ heißt das
Angebot, das Omas und Opas helfen will, „sich
möglichst unfallfrei in der Drei-GenerationenFamilie zu bewegen“, wie Hater es ausdrückt.
Damit das gelingt, müssen Großeltern akzeptieren, dass Mütter und Väter die Erziehung
Wie wichtig ist die Bibel für Kinder?
Müssen Kinder die Bibel kennen lernen? „Selbstverständlich“, sagt der
Religionspädagoge Rainer Oberthür, „denn
die Auseinandersetzung mit der Bibel ist
Voraussetzung für die Entscheidung zu
glauben oder nicht zu glauben.“ Die Bibel
stellt zentrale Menschheitsfragen und gibt
Antworten. Zudem liefert sie die Basis
des abendländischen Denkens. So geht
die Vorstellung von der Einzigartigkeit
jedes Menschen auf die Idee zurück, dass
er genau so von Gott gewollt ist. Schon
sehr früh können Kinder Aussagen der
Bibel verstehen, etwa die, dass die Welt
nicht aus sich heraus entstand, sondern
dass wir sie Gott verdanken. Wichtig ist,
dass Erwachsene achtsam sind und die
altersabhängigen Fragen des Nachwuchses
ernst nehmen. Sie sollten Kinder an solche
biblischen Geschichten heranführen, die
Antworten auf deren jeweilige Fragen geben.
Rainer Oberthür: „Wenn sie mit den Kindern
gemeinsam nach Antworten suchen, werden
alle überrascht und beglückt sein von dem
Reichtum dieses alten und doch aktuellen
Buches.“ (Siehe auch Seite 10 in dieser
Ausgabe.)
Medientipps
Die Eltern geben die Richtung vor
Möchte Birgit also gerne abends mit dem
Enkelkind beten, dann sollte sie sich mit Hanna
darüber verständigen. Wäre die damit nicht einverstanden, müsste Birgit sich fügen, so schwer
ihr das auch fiele. Anstatt sich aber auf das zu
fixieren, was ihren eigenen Ansichten widerspricht, sollte die Großmutter ihr Augenmerk
vielmehr auf die Gemeinsamkeiten richten, rät
Katrin Hater. Birgit und Werner empfiehlt sie,
darauf zu vertrauen, dass ihre Tochter viele
ihrer Werte übernommen hat, auch wenn sie die
nicht in einem religiösen Zusammenhang lebt.
Wahrheitsliebe zum Beispiel, Gerechtigkeit oder
den Sinn für Gemeinschaft. Das Positive sehen,
den jungen Leuten vertrauen, dass sie ihre
Sache gut machen und ihnen Wertschätzung
entgegenbringen, das ist das Geheimnis des
entspannten Umgangs von Großeltern mit der
nachwachsenden Generation.
Erwachsene Kinder verdienen Vertrauen
Das ist eine Haltung, die den jungen Müttern
und Vätern hilft, sich ebenfalls zu entspannen
und ihrerseits großzügig zu sein. Denn die,
darüber sollten sich beide Seiten im Klaren
sein, bleiben immer noch Kinder ihrer Eltern
und sehnen sich nach deren Anerkennung,
auch wenn sie selbst längst erwachsen sind. Auf
der Basis gegenseitiger Wertschätzung lassen
sich am besten Kompromisse finden. Da kann
Birgit fragen, ob sie den fünfjährigen Enkel zum
Kindergottesdienst mitnehmen darf und Hanna
kann dem großzügig zustimmen. Schließlich hat
ihr das als Kind ja auch nicht geschadet. Ebenso
wenig wahrscheinlich wie das Tischgebet, das
im Hause ihrer Eltern zu jeder Mahlzeit dazu
gehört.
Hier weist Katrin Hater auf ein weiteres
Geheimnis entspannter Drei-GenerationenBeziehungen hin: Wenn Kinder das Elternhaus
verlassen und eine eigene Familie gründen,
dann kehren sie nur noch als Besucher zurück,
so wie die Eltern bei ihnen zu Besuch sind. Als
Gast aber, das gebietet die Höflichkeit, passt
man sich an die Gewohnheiten der Gastgeber
an. Wer sich dessen bewusst ist, der kann leichter großzügig sein. Die Enkelkinder haben damit
ohnehin kein Problem, solange Klarheit herrscht.
Zu Hause gibt es abends ein Gute-Nacht-Lied,
bei Oma und Opa ein Gebet. Bei Mama und Papa
darf man auf Socken laufen, bei den Großeltern
trägt man Hausschuhe. Den Kleinen schadet es
nicht, solche Unterschiede kennen und akzeptieren zu lernen – im Gegenteil – sie sind eine
Bereicherung.
Tipps fürs Familienleben
Wie kommen Großeltern und Eltern miteinander klar?
Viele Großeltern würden sicherlich gerne öfter Streit zwischen Eltern und Großeltern wegen
einen guten Rat geben. Dürfen sie
der Erziehung scheint die Kinder zu
das und wenn ja, wie?
belasten. Warum?
Am besten dann, wenn sie darum
Kinder fühlen sich stark zur Loyalität
gebeten werden! Gut aufgenommit ihren Eltern verpflichtet. Werden
men wird auch, wenn Großeltern
diese kritisiert, fühlen sie sich schnell
beobachten, was in der Erziehung
mit kritisiert oder beschämt. Kommt
gut gelingt und das den Eltern rückdie Kritik gar von
melden. Das fördert bei den Eltern Dr. Katrin Hater,
Großeltern,
mit
die Bereitschaft, die Großeltern bei Expertin für Erziehungsfragen
denen die Kinder
anderer Gelegenheit um Rat zu fraauch eng verbungen, wenn sie sich unsicher fühlen.
den sind, kommen sie leicht in die unangenehme Situation zwischen zwei Stühlen zu sit-
„Danke für diesen guten Morgen, Die
schönsten religiösen Kinderlieder”, mit CD, Annette
Betz Verlag, 19,95 `. Eltern
und Großeltern finden in
diesem liebevoll illustrierten
Lieder-Bilderbuch 21 vertraute religiöse Lieder, die sie mit Kindern singen können. Die Begleit-CD liefert die Musik
zum Mitsingen, zusätzliches Plus: Jeden Titel
gibt es auch als Karaoke-Version.
Erwin Grosche, „Felicitas, Herr Riese und
die Zehn Gebote“, Gabriel
Verlag, 11,00 `. Herr Riese
und Felicitas entdecken mit
Hilfe von Oma Turnschuh,
wie Zusammenleben geht
und was im Leben wirklich
wichtig ist. Eine gelungene
Übertragung der 10 Gebote in kindgerechte,
heitere Geschichten, die Erwachsene und
Kinder lange Vergnügen bereiten.
P. Spangenberg/F. Gholizadeh, „DieKleineUndGroße
LeuteBibel“, Schwabenverlag, 24,90 `. Die biblischen
Geschichten werden kindgerecht erzählt, mit Erklärungen für Groß und Klein, lebensnah, fröhlich und oft mit einem Augenzwinkern von
SPATZ-Illustratorin Fariba Gholizadeh ins Bild
gesetzt: Diese Bibel hat es verdient, von vorne
bis hinten (vor)gelesen zu werden, denn sie
erzählt und erklärt biblisches Geschehen und
christlichen Glauben verständlich und klar.
zen. Sie werden unsicher, ob sie unbefangen mit
Großeltern oder Eltern umgehen können, ohne
die jeweils anderen zu kränken.
Was müssen Eltern und Großeltern tun oder
vermeiden, damit der Nachwuchs nicht unter
Unstimmigkeiten leidet?
Unstimmigkeiten sind kaum vermeidbar.
Wichtig ist, auch im Konflikt deutlich zu machen,
dass man den anderen respektiert und sich um
Verständigung bemüht. Es tut den Kindern gut
zu erleben, dass man sich nach einem Streit
auch wieder versöhnen kann und will.
Das Elternthema erscheint vierteljährlich in der Kinderzeitschrift SPATZ.
bestimmen, ist sich die Soziologin sicher. Sie
müssen sich den Leitlinien der jungen Eltern
anpassen.