Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 15. Wahlperiode 16. 06. 2015 7029 Antrag der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke u. a. FDP/DVP und Stellungnahme des Staatsministeriums Rundfunkbeitrag belastungsgerecht weiterentwickeln Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen I. zu berichten, 1. in welchem Umfang Unternehmen, wie beispielsweise Handwerksbetriebe, – der jeweiligen betriebsgrößenbezogen Staffelung entsprechend und unter Ansetzung von einem Betriebsfahrzeug für je vier Mitarbeiter – durch die Neuregelung des Rundfunkbeitrages im Vergleich zur alten Regelung mehr belastet werden; 2. inwieweit sie es zur Reduzierung der Belastung für Unternehmen, wie beispielsweise Handwerksbetriebe, als richtig und anzustreben ansieht, entsprechend der betriebsgrößenbezogenen Staffelung Freikontingente für betriebliche Fahrzeuge zu schaffen; 3. wie Kleinstbetriebe entlastet werden können; 4. welche Initiativen sie zur Umsetzung der zu den Ziffern 2 und 3 dargestellten Überzeugung ergriffen hat; II.sich in den Gesprächen mit den Vertretern der anderen Bundesländer zur zukünftigen Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags dafür einzusetzen, Freikontingente für betriebliche Fahrzeuge entsprechend der betriebsgrößenbezogenen Staffelung des Betriebsstättenbeitrags zu schaffen. 16. 06. 2015 Dr. Rülke, Dr. Goll, Dr. Timm Kern, Haußmann, Reith FDP/DVP 1 Eingegangen: 16. 06. 2015 / Ausgegeben: 14. 07. 2015 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7029 Begründung Die Neuregelung des Rundfunkbeitrags hat bei einzelnen Beitragspflichtigen zu erheblichen Mehrbelastungen geführt. Diese besonders belasteten Beitragspflichtigen sollten bei der Überarbeitung der Regelungen zur Beitragspflicht berücksichtigt werden. Stellungnahme Mit Schreiben vom 8. Juli 2015 Nr. III – 3481. nimmt das Staatsministerium zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen, I. zu berichten, 1. in welchem Umfang Unternehmen, wie beispielsweise Handwerksbetriebe, – der jeweiligen betriebsgrößenbezogenen Staffelung entsprechend und unter Ansetzung von einem Betriebsfahrzeug für je vier Mitarbeiter – durch die Neuregelung des Rundfunkbeitrages im Vergleich zur alten Regelung mehr belastet werden; Die Frage lässt sich nicht beantworten. Ob für ein konkretes Unternehmen, wie etwa einen Handwerksbetrieb, die Umstellung der Rundfunkfinanzierung auf den neuen Rundfunkbeitrag zu einer Entlastung oder zu einer Belastung geführt hat, kann nur individuell und nicht pauschal festgestellt werden. Anknüpfungspunkt für die Rundfunkgebührenpflicht nach alter Rechtslage war das Vorhandensein von Rundfunkempfangsgeräten in den Geschäftsräumen eines Unternehmens oder in dessen betrieblich genutzten Kfz. Um einen Vorher-Nachher-Vergleich anstellen zu können, müsste für jedes einzelne Unternehmen individuell festgestellt werden, wie viele Geräte dort früher gebührenpflichtig angemeldet waren oder richtigerweise hätten angemeldet werden müssen, um diesen Betrag anschließend ins Verhältnis zu setzen zu der Beitragsbelastung des konkreten Unternehmens nach neuem Recht. Weder liegen dem Staatsministerium oder dem Beitragsservice der Rundfunkanstalten entsprechende unternehmensindividuelle Daten vor, die einen solchen Vergleich zuließen, noch gibt es hierzu verwertbare Statistiken. 2. inwieweit sie es zur Reduzierung der Belastung für Unternehmen, wie beispielsweise Handwerksbetriebe, als richtig und anzustreben ansieht, entsprechend der betriebsgrößenbezogenen Staffelung Freikontingente für betriebliche Fahrzeuge zu schaffen; Die Länder hatten bei Einführung des Rundfunkbeitrags beschlossen, die Reform der Rundfunkfinanzierung zeitnah zu evaluieren, um etwaigen Unwuchten im System schnellstmöglich entgegenwirken zu können. Die Evaluierung des Rundfunkbeitrags ist zwischenzeitlich abgeschlossen. Ein wesentliches Ziel der Länder bei der Reform der Rundfunkfinanzierung war es, die sektorale Belastung der Privathaushalte auf der einen sowie der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand auf der anderen Seite in etwa beizubehalten. Dieses Ziel ist nach dem Ergebnis der Evaluierung erreicht worden. Die sektorale Gesamtbelastung mit dem Rundfunkbeitrag für den sogenannten nicht privaten Bereich ist im Jahr 2014 im Vergleich zum alten Gebührenmodell von damals 9,58 % (2012) auf jetzt 9,25 % leicht gesunken. Schon allein aus diesen Zahlen folgt, dass keine systematische Mehrbelastung der Wirtschaft durch den neuen Rundfunkbeitrag festgestellt werden kann. Vielmehr ist die allgemeine Ertragsentwicklung aus dem Rundfunkbeitrag, die zu Mehreinnahmen in Höhe von 1,5 Mrd. Euro in der laufenden Beitragsperiode führen könnte, nach den Ergebnissen der Evaluierung im Wesentlichen auf einer verbesserten Ausschöpfung des Rundfunkbeitragspotenzials im privaten Bereich zurückzuführen. 2 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7029 Im nicht privaten Bereich beliefen sich die Erträge aus der Veranlagung von Kfz mit dem Rundfunkbeitrag im Jahr 2014 auf ca. 305 Mio. Euro pro Jahr, d. h. rund 1,2 Mrd. Euro pro Beitragsperiode. Das Gesamtaufkommen aus der Veranlagung betrieblicher Kfz hat sich damit seit der Reform der Rundfunkfinanzierung bereits von zuvor 346,1 Mio. Euro im Jahr 2012 um ca. 40 Mio. Euro pro Jahr verringert. Dies dürfte insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass mit der Reform nun ein – nach früherem Recht in aller Regel aufgrund des Autoradios gebührenpflichtiges – Kfz je Betriebsstätte von der Rundfunkbeitragspflicht freigestellt wurde. Dadurch haben kleine Unternehmen mit nur einer Betriebsstätte und einem betrieblich genutzten Kfz in der Regel nur einen Drittelbeitrag zu zahlen, sodass das neue System bei Kleinstbetrieben bereits zu spürbaren Entlastungen geführt haben dürfte. Betriebsstätten (ohne Kfz und ohne privilegierte Einrichtungen) erbrachten im Jahr 2014 insgesamt 374,3 Mio. Euro. Die Erträge aus der Veranlagung betrieblich genutzter Kfz stellen damit einen Anteil an der Gesamtbelastung im nicht privaten Bereich von etwas mehr als 40 % dar. Dies bedeutet, dass etwa eine vollständige Abschaffung der Beitragspflicht für Kfz die sektorale Belastung zulasten des privaten Bereichs deutlich verschieben würde. Eine „Verlagerung” des Beitragsaufkommens aus der Veranlagung betrieblich genutzter Kfz in die Betriebsstättenstaffel würde demgegenüber dazu führen, dass die Belastung dort fast verdoppelt werden müsste, was sich insbesondere zulasten von Klein- und Kleinstbetrieben auswirken würde. Die Prüfung der Beitragspflicht für betrieblich genutzte Kfz hat damit ergeben, dass jedenfalls der Verzicht auf diesen Teil der Beitragspflicht nicht möglich ist, ohne dass übergeordnete Zielsetzungen der Reform (Beibehaltung der sektoralen Verteilung der Belastung mit dem Rundfunkbeitrag; Vermeidung einer Mehrbelastung von Klein- und Kleinstunternehmen) beeinträchtigt würden. Im Zuge der Evaluierung haben sich die Länder ebenfalls intensiv mit dem von den Handwerkskammern eingebrachten Vorschlag auseinandergesetzt, weitere Kfz gestaffelt nach den jeweiligen Betriebsstättengrößen vom Rundfunkbeitrag freizustellen. Im Falle der Umsetzung des Vorschlags wären hier jedoch erhebliche Mindererträge von ca. 75 bis 100 Mio. Euro im Jahr möglich, wodurch die sektorale Belastung mit dem Rundfunkbeitrag zulasten der Privathaushalte deutlich verschoben würde. Dies war auch der Grund, warum im Länderkreis zu diesem Vorschlag kein Einvernehmen erzielt werden konnte. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Rundfunkbeitragssystem zwischenzeitlich von den Landesverfassungsgerichtshöfen von Rheinland-Pfalz und Bayern, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Ausgestaltung der Beitragspflicht im nicht privaten Bereich mit der Veranlagung von Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kfz, für verfassungsgemäß erklärt wurde. Auch vor diesem Hintergrund war ein grundlegender Reformbedarf nicht erkennbar. Vielmehr wären grundlegende systematische Eingriffe in das derzeitige System eher geeignet, die rechtliche Bewertung seitens der Landesverfassungsgerichte wieder infrage zu stellen. 3. wie Kleinstbetriebe entlastet werden können; Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag wurde bewusst so ausgestaltet, dass Klein- und Kleinstunternehmen nur geringfügig mit dem Rundfunkbeitrag belastet werden. So wird beispielsweise ein kleines Unternehmen mit acht oder weniger Beschäftigten mit einer Betriebsstätte und einem betrieblich genutzten Kfz lediglich mit einem Drittelbeitrag in Höhe von derzeit 5,83 € belastet. Den Kleinstunternehmen kommt hier insbesondere zugute, dass je ein Kfz je Betriebsstätte vom Rundfunkbeitrag gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags freigestellt ist. Weiterhin ist gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 2 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags kein weiterer Rundfunkbeitrag zu entrichten, wenn sich die Betriebsstätte innerhalb einer beitragspflichtigen Privatwohnung befindet, für die bereits ein Rundfunkbeitrag entrichtet wird. In diesem Fall fällt allenfalls ein Drittelbeitrag für ein etwaiges betrieblich genutztes Kfz an. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7029 Die Belastung eines kleinen Unternehmens mit einem Drittelbeitrag entspricht damit in etwa der Belastung eines Unternehmens, das nach altem Recht ausschließlich ein Radio oder ausschließlich internetfähige neuartige Empfangsgeräte (insbesondere Computer) oder ausschließlich ein Radio für ein betrieblich genutztes Kfz angemeldet hatte und damit lediglich die frühere sog. Grundgebühr zu entrichten hatte. Da nach früherer Rechtslage aber jedes Fernseh- und Radiogerät und jedes Autoradio in einem betrieblich genutzten Kfz gesondert mit der Fernseh- oder der Grundgebühr veranlagt wurde, ist davon auszugehen, dass das neue System bei Kleinstbetrieben bereits zu spürbaren Entlastungen geführt hat. 4. welche Initiativen sie zur Umsetzung der zu den Ziffern 2 und 3 dargestellten Überzeugung ergriffen hat; Die Länder haben seit der Einführung des Rundfunkbeitrags unter anderem mit Unterstützung der DIW Econ als unabhängiger Prozessbegleiterin den Rundfunkbeitrag intensiv evaluiert. Baden-Württemberg hat dabei den Vorsitz in der hierzu von der Rundfunkkommission eingesetzten AG übernommen und stand dabei während des gesamten Evaluierungsprozesses unter anderem im regelmäßigen Austausch mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft, zuletzt mit einem Gespräch am 15. Januar 2015 in Berlin, an dem Vertreter des Handelsverbandes Deutschland, des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks und des Deutschen Industrie- und Handelskammertags teilnahmen. In diesem Rahmen wurden nicht nur regelmäßig aktuelle Informationen zum Stand der Evaluierung ausgetauscht, sondern auch etwaige Anpassungsbedarfe und Lösungsmöglichkeiten fachlich diskutiert. Im Ergebnis haben die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 18. Juni 2015 in Berlin verschiedene Anpassungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags in Aussicht genommen, darunter auch ein zukünftiges Wahlrecht für Betriebe zur Veranlagung einer Betriebsstätte nicht nur nach Maßgabe der Anzahl der dort beschäftigten Mitarbeiter nach Köpfen, sondern alternativ auch nach Anzahl der Vollzeitäquivalente. Dieser Vorschlag war zuvor auch mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft erörtert worden und ist sowohl aus Sicht der Verbände als auch der Landesregierung ein wichtiger Schritt, um die unterschiedliche Belastung von Betrieben mit vielen Teilzeitkräften im Vergleich zu Betrieben mit vorwiegend Vollzeitkräften abzumildern, wovon im Ergebnis auch die Handwerksbetriebe profitieren werden. II.sich in den Gesprächen mit den Vertretern der anderen Bundesländer zur zukünftigen Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags dafür einzusetzen, Freikontingente für betriebliche Fahrzeuge entsprechend der betriebsgrößenbezogenen Staffelung des Betriebsstättenbeitrags zu schaffen. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben sich in ihrer Sitzung am 18. Juni 2015 darauf verständigt, die Frage der Veranlagung von Kfz mit dem Rundfunkbeitrag im nächsten Jahr nach Vorliegen des 20. Berichts der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) nochmals aufzugreifen. Krebs Ministerin im Staatsministerium 4
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