Das Sanatorium

 Das Buch Ein Mann wird mitten in der Nacht geweckt und erfährt, dass sein geisteskranker Bruder aus der Anstalt entflohen ist, eine Gruppe Jugendlicher fährt auf der Straße des Todes, ein Geisterjäger erlebt in einer alten Nervenanstalt die Nacht des Grauens und ein Schriftsteller deckt einen grauenhaften Fluch auf. Dies sind nur ein paar Stories des Schreckens vom Newcomer des Horrors Max Stascheit. In 10 abgründigen Horrorstorys nimmt er Sie mit auf eine Reise, die für so manchen keine Wiederkehr verspricht. Der Autor Max Stascheit wurde am 09.04.1991 in Vechta geboren. Schon in jungen Jahren faszinierte ihn das Unheimliche und Makabre. Comics, Kurzfilme und Hörspiele sind nur einige Dinge, die ihn begeistern und immer wieder erneut antreiben. Erste Erfahrungen mit Horrorliteratur machte er mit Büchern von Stephen King. Sein großes schriftstellerisches Vorbild ist nach eigenen Aussagen Robert Bloch. Dies ist sein erster Kurzgeschichtenband. 2 Max Stascheit
Kurzgeschichten
3 Titel der Originalausgabe >Das Sanatorium< Copyright © 2013 ‐ Max Stascheit Umschlagillustration ‐ Max Stascheit Deutsche Erstausgabe Alle Rechte vorbehalten Copyright 2013 Max Stascheit 4 Inhalt Nachtruhe Seite 7 Freeway 606 Seite 11 Der Leuchtturm Seite 15 Verwelkende Schönheit Seite 50 Barrow House Seite 51 Das Sanatorium Seite 88 Die Sekte Seite 99 Die Hexe Seite 107 Beuteschema Seite 148 Ein wirklich netter Nachbar Seite 159 Nachwort des Autors Seite 200 5 6 Nachtruhe Es klingelt. Das Telefon? Nein, die Haustür. 04.39 Uhr, welcher Idiot will um diese Uhrzeit etwas von mir? Schlaftrunken schalte ich die kleine Nachtischlampe an und setze meine Brille auf. Ein kurzer Blick in den großen Spiegel gegenüber des Bettes genügt. Ich sehe furchtbar aus. Zerzaustes fettiges Haar, unrasiert und in einem dreckigen Nachthemd steckend. Ein Zerrbild meiner selbst. Wieder klingeln. Dazu das stetige prasseln des Herbstregens an den großen Fenstern. Schnell schlüpfe ich in die warmen Hausschuhe, die am Fuß des Bettes stehen. Irgendwie sind die Schuhe mir zu groß, ich muss aufpassen, dass ich nicht über meine eigenen Füße stolpere und hinfalle. Auf der langen gewundenen Treppe in den Hausflur wäre das fatal. Wo ist denn der Lichtschalter? Wie um meinen Gedankengang zu unterbrechen, klingelt es erneut. Blitze zucken den Treppenaufgang hinauf und tauchen das Mobiliar in grelles Licht. >>Ich komme ja!<< stöhne ich. Letzte Stufe, nun habe ich einen guten Blick auf die verglaste Eingangstür. Ein Mann, in ein Regencape gehüllt und zitternd, betätigt den Klingelschalter. Ich öffne die Tür. >>Gott sei dank Jim, du bist da!<< sagt der Mann im Regen, nicht ohne Beben in der Stimme. 7 >>Klar, warum sollte ich das nicht sein?<< antworte ich knapp. Der Mann entpuppt sich nach Lüften seines Capes als Fynch Coleway. Fynch hatte beim Einzug in das Haus mit seiner Frau Mary geholfen. >>Willst du nicht reinkommen?<< schlage ich vor. Sichtlich erleichtert über meine Aufforderung betritt der leicht untersetzte Fynch mein Haus. >>Was um alles in der Welt machst du bei diesem Wetter hier draußen?<< frage ich leicht irritiert über sein plötzliches Auftauchen. >>James ist ausgebrochen...!<< stammelt Fynch. >>Woher weißt du das?<< frage ich schockiert über diese Neuigkeit. >>Dr. Greenberg hat mich angerufen als er vergebens versucht hat, dich zu erreichen.<< entgegnet Fynch. Telefon tot. Bei dem Wetter kein Wunder. Fynch kratzt sich immer wieder nervös über sein mit kleinen Barthaaren übersätes Kinn. >>Jetzt mal ganz langsam Fynch, wie konnte James fliehen, ich dachte er sitzt sicher verwahrt in der Psychiatrischen Anstalt in Fairbanks. Wie zum Teufel soll er denn da rausgekommen sein?<< Meine Stimme befindet sich nun auf dem Höhepunkt und ich mühe mich, nicht die Beherrschung zu verlieren. Fynch gibt mir zu verstehen, dass ein Cognac jetzt das Richtige wäre. Also gehe ich mit ihm in das großzügig angelegte Wohnzimmer und gieße uns zwei Gläser ein. 8 >>James hat einen Wärter getötet und seine Kleidung genommen, um diese Uhrzeit ist weniger Personal auf den Gängen und mit dem Zentralschlüssel war es ein leichtes aus dem Hauptausgang zu spazieren ohne gesehen zu werden.<< sagt Fynch nachdem er sein Glas mit einem Hieb geleert hat. >>Mensch Jim überleg doch mal, dein geisteskranker Zwillingsbruder entkommen, gefährlich und unberechenbar...!<< Fynch zittert nun merklich. >>Wie kommst du darauf, dass er ausgerechnet hier her kommen will, zu mir?<< entgegne ich herausfordernd. >>Schon mal darüber nachgedacht, wer ihn damals ins Sanatorium eingewiesen hat? Richtig... Du!<< >>Weiß Mary, dass du hier bist?<< erkundigte ich mich. >>Nein, sie schläft noch... Moment! Ich weiß worauf du hinauswillst, wenn wir beide hier sind, wer passt dann auf Mary auf? Verdammt Jim, wir müssen zu ihr!<< Erschrocken fällt mir fast die Brille herunter, die ich gerade geistesabwesend mit einem Hemdärmel putze. >>Du hast Recht, ich hole nur noch schnell meine Jacke und dann fahren wir los!<< Ich greife nach meiner Jacke von der Garderobe und drehe mich zu Fynch um. Da starre ich auf einen Revolver in seinen zittrigen Händen. >>Jim, seit wann trägst du eine Brille?<< fragt mich Fynch, dessen Finger am Abzug unruhig zuckt. Doch bevor Fynch abdrücken kann entgleitet ihm die Waffe aus den Fingern, landet mit einem harten Knall 9 auf den Fliesen des Wohnzimmers und rutscht unter die Couch. Das Gift im Cognacglas hat also endlich gewirkt. Nun muss ich doch noch mal bei diesem Sauwetter raus und Fynch ein Grab im Garten neben meinem Bruder ausheben. Schade, dabei kann ich ohne Brille bei diesem Regen kaum was erkennen... 10 Freeway 606 Man sagt, der alte Freeway 606 existiere schon seit Ewigkeiten. Wetter, Verkehr und der Zahn der Zeit haben ihre Spuren hinterlassen. Die Straße ist alt. Rissiger Asphalt, Unkraut und Wurzelwerk haben den Freeway schon längst übersät wie eine Krankheit. Autos und Lastwagen meiden diese Straße, zu hoch ist die Gefahr, dass die Reifen ausbrechen und man auf dem unebenen Grund den Tod findet. Doch manchmal unterschätzen junge Leute und mutige Fahrer die verwilderte Strecke. Die Straße wartet... Auf diejenigen, die sie nutzen... Weit nach Mitternacht. Ein sportlicher Wagen durchbricht mit seinen Scheinwerfern den dichten Nebel. Fünf Jugendliche, davon drei zusammengepfercht auf der Rückbank, rasen über die Straße. Der Fahrer, ein muskulöser junger Mann von vierundzwanzig Jahren, dreht das Radio auf. Purple Rain von Prince schallt über den Straßenbelag. >>Schalt um!<< kreischt die junge Frau auf dem Rücksitz, um gegen den Lärm der dröhnenden Musik anzukommen. Die Gruppe befindet sich auf dem Rückweg von einer Party, das Erstsemester hat gerade begonnen und der Alkohol der vergangen Stunden macht sich bemerkbar. Die Stimmung ist auf dem Höchstpunkt. 11 >>Ja ja, Sekunde Cat...<< murmelt der Fahrer, wissentlich, dass seine Stimme nicht bis auf den Rücksitz dringt. Ein Griff an das Radio verschafft den Feiernden kurz Stille. Dann schallt aus den Boxen wieder Musik. >>Besser?<< fragt der Fahrer. >>Viel besser Baby!<< ist die gesäuselte Antwort der jungen Frau. >>Sag mal Brad, wieso fahren wir eigentlich auf dieser gottverlassenen Straße mitten durchs Nirgendwo?<< schaltet sich der schlaksige Mann neben dem Fahrer ein. >>Wieso nicht? Denkst du, ich will um diese Uhrzeit durch die Stadt heizen? Mensch denk doch mal an die Bullen, ist erstens nicht mein Auto und zweitens seid ihr alle so voll, dass es schon an ein Wunder grenzen muss, wenn man das nicht meilenweit gegen den Wind riecht. Hier draußen ist keine Menschenseele und wir sind schnell bei Mike und können die Sau rauslassen.<< >>Hast ja Recht, dank deinem Daddy haben wir wenigstens einen Wagen und müssen nicht immer noch mit den Kindern im Club abhängen. Dort war sowieso nichts zum flachlegen...<< >>Typisch Männer!<< protestiert die junge Frau. Alle brechen in Gelächter aus. Die beiden Männer die die junge Frau zwischen sich auf den Sitz genommen haben wie wertvolles Diebesgut, öffnen eine neue Dose Bier. >>Lass mal was rüberwachsen, ich verdurste...<< gluckst der Beifahrer. 12 Eine weitere Bierdose wird zischend geöffnet und mit einer sprudelnden Schaumkrone nach vorn gereicht. Alle stimmen auf den Song im Radio ein. Plötzlich ruckt das Auto nach vorn. >>Wollen wir doch mal sehen was Daddys Wagen so drauf hat!<< Die Hand findet den Schalthebel und der Motor jault auf. Mit rasender Geschwindigkeit rauscht der Wagen durch die Nacht. Der jungen Frau wird schlecht. >>Fahr langsamer Baby!<< presst sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Doch die Männer ermutigen den Fahrer. >>Schneller Alter!<< Und der Wagen kann schneller. >>Ruft einer von euch bei Mike an und sagt, er soll das Tor öffnen?<< fragt der Beifahrer. >>Klar, gib mir mal das Handy.<< Einer der beiden Männer auf dem Rücksitz wählt die Nummer. >>Hey Mike, ich bin´s Jimmy! Wollte dich eben informieren, dass wir in circa ner halben Stunde da sind. Halt das Bier bereit und die Mädels!<< woraufhin die junge Frau ihren Ellenbogen in seine Rippen stößt. An der anderen Seite der Leitung steht ein junger Mann und hält schon stark alkoholisiert sein Handy ans Ohr. >>Klar Mann, wo seid ihr gerade?<< >>Sind auf diesem alten Freeway, der am Arsch der Welt!<< lacht der Mann im Auto ins Telefon. >>Ok, ich werde dann mal...<< Doch diese Worte werden abrupt durch einen allgemeinen Aufschrei unterbrochen. 13 >>Verdammte Scheiße was ist das... die Straße... warum kommt die Straße hoch... Scheiße der Asphalt reißt auf... Festhalten Leute...Verda...<< Rauschen. Die Leitung ist tot. Nachdem das Feuer sich gelegt hat und der Rauch abgezogen ist, liegt der Freeway wieder ruhig da. Außer dem leisen Knistern vereinzelter Flammen hört man in der stillen Nacht nichts. Blut rinnt zwischen die Risse im Straßenbelag. Ein rotes Meer hat die Straße verfärbt. Der Geruch von verbranntem Fleisch liegt in der Luft. Die Straße wartet... Sie hat immer gewartet... Auf diejenigen, die sie nutzen. 14 Der Leuchtturm Vor gut einem Jahr kaufte ich für meinen Hund Stephen und mich das kleine Haus an der Küste. Als Schriftsteller kamen mir an einem Ort wie diesem die besten Ideen. Die frische Brise des Meeres und das stetige Rauschen der Wellen erzeugten ein Gefühl von Urlaub, von Freiheit. Frei wie die Piraten auf dem Meer, scherzte mein Freund James immer. Doch es war weitaus mehr als das. Draußen konnte ich bei gutem Wetter sogar den Leuchtturm sehen, der wie ein mahnender Finger aus dem Wasser ragte. Selbst Fischerboote trieben manchmal träge durch die Fluten. Deshalb liebte ich es hier. Hier wollte ich nicht mehr weg. Der alte Fischer McNethery war der Einzige, den ich ab und an hier draußen zu sehen bekam. Der resolute, wettergegerbte Mann mit Vollbart war sogar schon auf einen Tee mit Schuss bei mir zu Besuch. Stets hatte er alte Geschichten auf Lager, von gesunkenen Schiffen an der steinigen Küste, von Piratenschätzen im Meer und von Trinkgeschichten, die er und sein Freund Stanley zusammen erlebt hatten. McNethery wohnte ebenfalls an der Küste, jedoch gut drei Meilen entfernt von mir. 15 So musste ich nicht ständig damit rechnen, dass jemand plötzlich vor meiner Tür stehen könnte und reden will. Ich liebte die Abgeschiedenheit und die Ruhe hier draußen. Das Bellen von Stephen war das Einzige, was ich hören wollte. Das Handy klingelte. >>Hey Jack altes Haus! Was macht die Kunst?<< Richard Gregory, mein Verleger. >>Hey Richard, kann nicht klagen. Das letzte Buch landete in der Bestsellerliste der Times. Wie geht’s dir?“ erkundigte ich mich. >>Wie immer, Carla treibt mich in den Wahnsinn und die Kinder haben nur Flausen im Kopf!<< antwortete Richard mit einem gespielten und überschwänglichem Lachen. >>Wie sieht´s aus mit einem neuen Roman? Die Fans rufen schon im Verlag an. Der letzte ist vor einem Jahr erschienen.<< >>Gut Ding will Weile haben, so sagt man doch... Oder was meinst du Richard?“ entgegnete ich gelassen. Ich hatte keine Lust mich hetzen zu lassen, geschweige denn ein Buch zu liefern, das keinem gefällt, nur damit mal wieder Geld ins Haus kam. >>Ich bin zur Zeit bei der Recherche.<< Das stimmte nicht, ich verspürte nur keine Lust etwas zu schreiben. Der Garten und das Haus hatten mich in letzter Zeit in Anspruch genommen, sodass die Zeit mir davon rannte. >>Versuch wieder einen Knaller zu liefern!<< forderte Richard lachend, wobei ich mir nicht sicher war, ob das Lachen nicht einen ernsten Hintergrund hatte. 16 Ich fragte ihn, ob er mal auf ein Bier an die Küste kommen wolle, er freute sich und das Gespräch war beendet. >>Hallo Mister Carlyle!<< schallte es von draußen herein. McNethery stand, in seine typische Fischerkluft gekleidet, vor dem weiß gestrichenen Gartenzaun. >>Hey McNethery!<< grüßte ich höflich zurück und hob den Arm. >>Wie geht es Ihnen?<< >>Kann nicht klagen, mein Rücken macht zwar in letzter Zeit Probleme, aber das geht schon wieder vorbei!<< wobei er sich demonstrativ den Rücken rieb. >>Kaltes Bier gefällig?<< fragte ich, obwohl ich gerade keine Lust auf Gesellschaft hatte. Stephen bellte und freute sich. Also kam McNethery den Rasen von der Küste hergelaufen. >>Schon von der neuen Nachbarin gehört?<< erkundigte sich McNethery, obwohl er genau wusste, dass ich sie noch nicht gesehen hatte. Wie auch? Ich war seit ungefähr einer Woche nicht mehr aus dem Haus gegangen. >>Nein, sagen Sie nur hier hat jemand ein Haus gebaut?<< fragte ich lächelnd. >>Das ist es ja gerade! Sie wohnt im alten Leuchtturm!<< Nun war meine Neugier geweckt. Und sie wollte sich nicht zähmen lassen. Der alte Leuchtturm? 17 Soweit ich wusste, war dort seit Jahren niemand mehr gewesen. Die Stadt wollte ihn nicht restaurieren, da die Schifffahrtsgesellschaft keine Handelsschiffe mehr durch dieses Gebiet schickte. >>Sie meinen, es ist eine alleinstehende Frau in den alten Leuchtturm gezogen?<< fragte ich ernsthaft erstaunt. >>Jap, sieht so aus! Junge Junge, was für ne Schnitte, kann ich Ihnen sagen!<< McNethery kippte sein Bier nach hinten und wischte sich mit dem verwaschenen Ärmel seines Pullovers über die Barthaare um seinen Mund. >>Aha, also eine junge Frau! Wissen Sie wie sie heißt?<< >>Keine Ahnung, irgendwas Griechisches. Fragen Sie mich nicht, ich bin froh wenn ich mir meinen eigenen Geburtstag merken kann. Namen sind nichts weiter als Schall und Rauch für mich...<< gluckste er und drehte sein Bier in der Hand. Anscheinend ein versteckter Hinweis, dass er Nachschub gebrauchen könnte. >>Noch ein Bier?<< fragte ich, obwohl ich die Antwort schon kannte. >>Na wenn Sie so fragen? Da kann ich nicht nein sagen!<< lachte McNethery. Ich bewegte mich Richtung Küche um ein weiteres Bier für ihn und mich zu holen. Da sah ich aus der Ferne am steinigen Strand eine junge Frau. Sie trug ein weißes Kleid, welches für diese Jahreszeit sicher viel zu dünn war. In ihren Händen trug sie einen Korb mit Holz. 18 Zielsicher fand sie den Aufstieg durch die felsigen Spalten bis zum Eingang des Leuchtturms. Ich fragte mich sofort, ob sie sich die Haare gefärbt hatte. Solch ein strahlendes Weiß hatte ich bisher noch nie gesehen. >>Wahnsinn, oder?<< fragte mich McNethery wie aus dem Nichts. Er stand wenige Zentimeter hinter mir und war offensichtlich selbst über mein Erschrecken erstaunt. >>Ja. Wahnsinn.<< murmelte ich. Wenig später saß ich wieder im warmen Arbeitszimmer und tippte eifrig Sätze in meinen Computer. Die Idee zu meinem neuen Buch war geboren. Ich würde über die mysteriöse Fremde im Leuchtturm schreiben. Nach drei Tassen Kaffee und über einhundert fertigen Seiten bellte Stephen. Ich sah hinaus. Das sonnige Wetter war nebeligem Dunst gewichen und der Himmel war schwarz. Ich schaute auf die Uhr, Dreiundzwanzig Uhr Fünfzehn. Erschrocken darüber, dass ich die Zeit völlig vergessen hatte, öffnete ich Stephen die Hintertür. Er rannte durch den Garten, auf den Zaun zu. Dort verrichtete er meistens sein Geschäft, ich wollte nicht, dass er dies am Strand tat, wo möglicherweise Leute vorbeikamen und hinein traten. Also wartete ich geduldig und fröstelte leicht. Es war zwar gerade erst September, doch hier am Meer war die Luft wesentlich kälter als in der Stadt. 19 >>Stephen alter Junge, komm her!<< rief ich nach geschlagenen fünf Minuten in den dichten Nebel. Doch alles war still, bis auf die rauschenden Wellen. Stephen jaulte. Ich ging langsam den kiesgestreuten Weg hinab zum Zaun. Schon von weitem konnte ich Stephen hören, wie er aufgeragt scharrte und winselte. Als ich am Zaun angelangt war, sah ich schon nicht mehr das Licht aus der offenen Hintertür meines Hauses. Stephen grub etwas aus. Seetang. Am nächsten Morgen schaute ich mir Stephens Entdeckung genauer an. Es war gewöhnlicher Seetang, nichts weiter. Oder doch? Ich holte mir vom Stapel meiner Manuskripte einen Bleistift und schob den Tang auseinander. Mich traf der Schlag. Inmitten des schleimigen Tangs lag, halb verdaut von der Wasserpflanze, ein menschliches Auge! Als Officer Brad Jones bei mir klingelte, machte ich mir gerade einen starken Kaffee. Ich öffnete die Haustür und trat zur Seite, um einem übergewichtigen Mann Platz zu machen. Officer Jones war Mitte fünfzig, hatte eine Vollglatze und roch stark nach billigem Rasierwasser. Außerdem trug er eine starke Brille und hatte Probleme mit Hunden. Das merkte ich, als Stephen auf 20 ihn zuschoss und anfing zu bellen, da er sich über einen neuen Besucher freute. Jones zuckte zurück und klopfte mit seinem Notizbuch unsicher auf den Kopf des Hundes. Widerwillen stand in sein Gesicht geschrieben. >>Mister Carlyle?<< fragte Officer Jones, sichtlich nervös durch die Anwesenheit des Hundes. >>Ebenjener. Ich habe Sie angerufen, wegen dem... nun... dem Auge.<< >>Mister Carlyle, wo haben Sie das Auge gefunden?<< Nachdem ich dem Officer alles erzählt hatte, was es zu erzählen gab, versicherte mir dieser, dass er mich auf dem Laufenden halten wolle. Ich verschloss die Tür und beschloss mit Stephen eine Runde zu drehen. Also zog ich mir meine Lederjacke über den warmen Pullover und holte Stephens Leine. Der Hund bellte auf und wir verließen das Haus. Am Wasser angekommen schaute ich mich gründlich um. Niemand zu sehen. Man hatte einen herrlichen Blick über den weitläufigen Strand und auf den Leuchtturm. Also löste ich Stephens Halsband und ließ den Hund von der Leine. Sichtlich begeistert rannte er den steinigen Strand entlang und jagte einige Möwen, die aufgeschreckt davonflogen. Ich drehte mich um. Von weitem sah ich nun mein Haus und stellte fest, wie weit ich schon gelaufen war. Plötzlich Hundebellen. 21 Stephen stand etwa zwei Meter vor einer, in ein seidenes Kleid gehüllten Frau und knurrte. >>Stephen, Aus!<< rief ich meinem treuen Begleiter zu. >>Entschuldigen Sie, Stephen weiß manchmal nicht wann es genug ist.<< Die junge Frau mit dem schlohweißen Haar lächelte. >>Aber nicht doch, dafür brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen. Ich liebe Hunde und kann so etwas völlig verstehen. Immerhin kennen wir uns ja noch nicht, stimmt´s Stephen?<< Doch Stephen rannte, anstatt sich von der Frau streicheln zu lassen, aufgeregt zu mir und blieb hinter mir stehen. Er winselte ängstlich. >>Was ist denn das für ein Benehmen heute, alter Freund?<< sagte ich lachend, mehr in Richtung der Frau, als zu Stephen. >>Mein Name ist Jim Carlyle. Ich wohne...<< begann ich zu sagen, doch die junge Frau unterbrach mich mit einem Lächeln. >>Sie wohnen in dem kleinen Strandhaus da hinten, stimmt. Ich sah Sie gestern Nacht im Garten. Ich bin Ligeia. Freut mich Sie kennenzulernen.<< Sie streckte mir die Hand aus. >>Freut mich ebenfalls Ligeia.<< sagte ich und schüttelte ihre Hand. Die attraktive junge Frau musterte mich von Kopf bis Fuß. >>Ihr Gesicht kommt mir bekannt vor, kenne ich Sie von irgendwoher?<< >>Mag sein, ich muss leider ab und an auch mal im Fernsehen meine Bücher vorstellen.<< gab ich offen zurück und bereute dies anschließend sofort. 22 Sie musste denken ich sei ein Angeber, dachte ich. >>Richtig, Sie haben doch dieses Buch geschrieben, wie hieß es noch gleich? Das ist mir peinlich... Schatten des...?<< >>Schatten des Mörders.<< sagte ich mit einem Lächeln. >>Ja, wird immer mein bester Roman sein... Laut meines Verlegers!<< ergänzte ich schnell. >>Also ich mag ihre Bücher, ich lese sonst nicht, doch ihre Bücher verschlinge ich immer in einer Nacht!<< Und dann kennt sie nicht mal den Titel meines größten Erfolgsromans, dachte ich und musste ein Lächeln unterdrücken. Sie wollte wahrscheinlich nur höflich sein. >>Wo kommen Sie her Ligeia? Ein ungewöhnlicher Name, jedoch sehr schön und geheimnisvoll.<< Sie lächelte und kleine Grübchen bildeten sich auf ihren Wangen. >>Meine Familie stammt ursprünglich aus Griechenland. Mein Ururgroßvater ist mit dem Schiff nach Amerika gefahren um hier Handel zu treiben. Anscheinend hat es ihm in Amerika so gefallen, dass er hier geblieben ist und eine Familie gegründet hat.<< Ich war fasziniert von ihren blauen Augen, fast hätte man meinen können, man schaue auf einen zugefrorenen See. Anscheinend bemerkte Ligeia meine Faszination für sie, ein Lächeln glitt fast unmerklich über ihre feinen Gesichtszüge. >>Ich muss jetzt los...>> sagte sie. >>Sehen wir uns wieder?<< 23 Wieder im Haus angekommen schüttelte sich Stephen die Sandkörner aus seinem struppigen Fell und ich kämpfte mich aus meiner Jacke. Das Haus war kalt, der Ofen war anscheinend ausgegangen während wir unseren Spaziergang gemacht hatten. Nachdem ich einige Holzscheite in die verlöschende Kohle gab, brannte der Ofen wieder. Die angenehme Wärme breitete sich augenblicklich aus. Immer wieder ertappte ich mich, wie meine Gedanken zu der mysteriösen Fremden wanderten. Mysteriös war sie eigentlich nicht mehr. Sie hatte einen Namen, Ligeia. Doch immer noch war sie mir fremd und faszinierend. Ihr weißes Haar, die strahlend blauen Augen. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie mich in einen seltsamen Bann zog. Vielleicht brauchte ich aber auch erst einmal einen Kaffee und so ging ich in die Küche, wo Stephen in seinem Korb auf mich wartete. >>Na Stephen, was hältst du von unserer neuen Nachbarin?<< fragte ich den Hund. Stephens Antwort war ein müdes Gähnen. Typisch Hund, dachte ich und lächelte. Wenige Tage nach meiner Begegnung mit Ligeia saß ich in meinem Arbeitszimmer und tippte Satz für Satz in den Computer. Das Buch hatte mittlerweile schon knapp zweihundertachtzig Seiten vorzuweisen und ich schrieb wie besessen. Dann klingelte mein Telefon im Flur. 24 Ich erhob mich, rieb mir den Hintern. Er war nach der langen Arbeit am Schreibtisch eingeschlafen. Das Telefon schrillte laut. Ich nahm den Hörer ab und wollte mich gerade mit Carlyle melden, als mir das Gegenüber am anderen Ende der Leitung die Luft raubte. >>Jim! Er ist tot, man hat ihn ermordet!<< schallte es aus dem Hörer, unverkennbar McNethery. >>Halt, ganz ruhig, wer ist tot?<< fragte ich ihn bestimmend, um ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. >>Stanley...<< keuchte er atemlos. Stanley war sein Freund, mit dem er ab und an in der Kneipe ein Budweiser getrunken hatte. >>Wie ist das passiert?<< fragte ich. >> Man... Man hat... Man hat ihm die Augen ausgerissen!<< Wenige Stunden später saß McNethery bei mir im Wohnzimmer. Der Ofen verbreitete angenehme Wärme und der Duft von Tee gab der Luft eine feine Vanillenote. Unruhig rutschte McNethery auf meiner schweren Couch hin und her. Er kaute nervös auf seiner Unterlippe und hatte seinen Tee noch nicht angerührt. Sein sonst so freundliches Gesicht war einer Maske des Entsetzens gewichen. So hatte ich den alten Fischer noch nie gesehen. >>Also, erzählen Sie mir was Sie erfahren haben. Das heißt, wenn Sie wollen.<< begann ich. McNethery hob den Kopf, als ob ich ihn aus einer Art Trance gerissen hätte. 25 >>Was soll eigentlich immer noch diese Höflichkeitsform? Sag ruhig Gerald zu mir.<< Er griff nach dem Tee und stürzte ihn mit einem Schluck hinunter. >>Also gut. Dann solltest du mich Jim nennen! Erzähl mir was passiert ist…<< Der alte Mann lächelte traurig. >>Stanley scherzte immer, dass er mich eines Tages überleben würde... Daraus wird nun nichts mehr. Wer kann nur so etwas Furchtbares getan haben, welcher kranke Geist ist zu so etwas fähig?<< Eine Träne rann sein faltiges Gesicht herunter. >>Du sagst, er sei am Hafen gefunden worden?<< fragte ich nach. >>Ja, in der Nähe der alten Werft. Ist nicht mal drei Meilen von deinem Haus entfernt Jim...<< Ich schauderte. >>Was wird die Polizei jetzt unternehmen, ich meine... Haben sie denn schon einen Anhaltspunkt?<< >>Sie sagte sie haben noch ein anderes, für den Fall passendes Indiz. Mehr wollte man einem alten Seebären wie mir auch nicht verraten...<< Ich dachte an den Seetang und schauderte erneut. Das Telefon klingelte gerade als Gerald mein Haus verließ. Ich hob den Hörer ab und vernahm die Stimme von Officer Jones. Mit keuchender Stimme stellte er sich vor. Ich fragte ihn ob es etwas Neues gebe. >>In der Tat Mister Carlyle, das gibt es. Man fand die Leiche eines Fischers in der Gegend. Seine Augen sind herausgerissen worden.<< Wobei er das Wort Gerissen in die Länge zog. 26 >>Ich habe da sofort an Ihren Fund gedacht. Möglicherweise stehen der Mordfall und ihr Fund ja in einem Zusammenhang.<< Ich merkte worauf der Officer hinauswollte. >>Falls Sie ein Alibi von mir für die Zeit des Mordes wollen, nur zu... Fragen Sie.<< >>Also gut Mister Carlyle. Wo waren Sie gestern zwischen zwanzig und zweiundzwanzig Uhr?<< Ich war schreiben, sagte ich. >>Falls wir weitere Fragen haben Mister Carlyle...<< begann er. >>...Rufen Sie mich jederzeit an Officer.<< ergänzte ich. Jones bedankte sich hastig und legte auf. Als ich in der Nacht erwachte, blendete mich ein heller Schein im Gesicht. Ich schaute auf. Null Uhr zweiundvierzig, ich stöhnte. Stephen erwachte am Fuße des Bettes und knurrte. Ich stand auf, meine Beine waren schwer wie Blei. Ein Glas Wein am Abend ist ja in Ordnung... Ich hatte es allerdings mit vier ein wenig übertrieben. Ich schob die dünnen Vorhänge meines Schlafzimmerfensters zur Seite und schaute nach draußen. Der Mond schien in voller Pracht. Mein müder Verstand zweifelte an dem, was ich über das Wasser wandern sah. Ein Lichtstrahl, ein riesiger Lichtstrahl. Und er kam vom Leuchtturm. Ich kraulte Stephen beiläufig am Kopf und öffnete die Hintertür meines Hauses. 27 Anscheinend war ich noch im Schlafanzug, eine kalte Brise ließ mich fröstelnd zurückweichen. Die Jeansjacke am Kleiderständer sollte helfen. Ich zog sie über und ging in den Garten. Dann sah ich es genau. Der Leuchtturm sendete sein Licht über die ruhige See. Ich verstand nicht weshalb er es tat, dann fiel mir Ligeia ein, die dort oben wohnte. Vielleicht hat sie ihn angemacht, schoss es mir durch den Kopf. Und wie zur Bestätigung sah ich sie. Ligeia. Sie stand im Schein des Lichtes, welches seine Bahnen zog. Doch meine Aufmerksamkeit galt etwas anderem. Sie war nackt. Und es war ein Mann bei ihr. Als ich morgens erwachte, dröhnte mein Schädel. Ich versuchte die letzten Erlebnisse aus der vergangenen Nacht Revue passieren zu lassen. Ligeia. Nackt und mit einem Mann im Leuchtturm. Normalerweise war ich nicht neugierig und jeder konnte in seinem Heim tun und lassen was er wollte, dennoch hatte ich eine Art Eifersuchtsgefühl. Ich schüttelte den Gedanken ab und kochte mir einen heißen Kaffee. Da klopfte es an der Hintertür. Ich hob verdutzt den Kopf als Stephen anfing zu knurren. >>Stephen, bei Fuß!<< mahnte ich den Hund. Stephen trottete, wenn auch nicht ganz freiwillig, zu mir. Ich ging durch mein Wohnzimmer und zur Hintertür. 28 Vor der Tür stand, sichtbar durch das kleine, in das Holz eingelassene Fenster, Ligeia. Mein Verstand fuhr Achterbahn. Ich öffnete die Tür und lächelte. >>Guten Morgen Mister Carlyle.<< sagte sie. >>Guten Morgen! Was führt Sie um so frühe Uhrzeit zu mir?<< >>Nun, ich war gerade im Dorf und habe Brötchen und Kakao gekauft. Allerdings war mir nach Gesellschaft, wollen Sie eventuell mit mir frühstücken?<< Ich glaubte noch immer zu träumen und im Bett zu liegen. Ich schaute Ligeia ungläubig an und fasste mich. >>Sehr gern, ich habe gerade frischen Kaffee gemacht und ein wenig Obst ist auch noch da, kommen Sie rein.<< sagte ich mit leicht bebender Stimme. Ligeia trat ein. >>Ein schönes gemütliches Haus haben Sie Mister Carlyle.<< sagte sie, als sie durch mein Wohnzimmer schritt. >>Danke sehr, doch zuerst... Nennen Sie mich Jim. Mister Carlyle ist mein Vater.<< scherzte ich. >>In Ordnung Jim, dann nennst du mich Ligeia.<< lächelte sie zurück. Ich ging in die Küche, um die frischen, noch warmen Brötchen aufzuschneiden. Der Kaffee duftete köstlich und die Sonne ging gerade langsam hinter einer dichten Nebelwand auf, ein herrlicher Tag. Aus dem Wohnzimmer hörte ich Ligeia rufen, ob sie mir helfen könne. Ich verneinte und freute mich 29 insgeheim wieder auf den Anblick der jungen Schönheit. Wenige Minuten später saßen wir an meinem Wohnzimmertisch im Erker und tranken Kaffee. Ligeia schaute mich an und lächelte. >>Entschuldige die indiskrete Frage... Aber warum lebt ein so sympathischer junger Mann allein hier draußen?<< fragte sie zögernd. >>Naja, immerhin bin ich schon vierunddreißig. Als Jung würde ich das nicht bezeichnen.<< lachte ich in meine Kaffeetasse und fixierte Ligeia. >>Ich lebe hier weil ich meinem Hobby und meiner Arbeit nachgehen kann. Bisher hat es noch keine Frau lang mit mir ausgehalten, zu oft musste ich sie wegen eines dummen Computers und Abgabetermins vernachlässigen. Ich bin sozusagen mit meinem Job verheiratet...<< Ich kam nicht ohnehin ein weiteres Lächeln in ihre Richtung zu senden. >>Aber warum lebst du hier so allein und dann noch im alten Leuchtturm?<< fragte ich nach. >>Der Leuchtturm war ideal.<< begann sie >>Ich liebe das Meer, die Wellen und den Duft des Ozeans. Außerdem bin ich gern allein. Ich liebe die Einsamkeit, dann bin ich wirklich ich selbst. Doch ab und an, in stillen Nächten... Da vermisse ich jemanden der mich hält und mir das Gefühl von Nähe gibt... Albern, nicht wahr?<< lächelte sie traurig. >>Ganz und gar nicht Ligeia. Dieses Gefühl kenne ich...<< Ich musste seit diesem Frühstück immer wieder daran denken, wie schön diese Stunde mit Ligeia war. 30 Ich habe seitdem immer darüber nachgedacht, was sie mit diesem Gespräch erreichen wollte, kam jedoch nie zu einem plausiblen Ergebnis. Mein Buch war fertig. Vierhundert Seiten Unterhaltung für meine Fans. Mit einem euphorischen Gefühl in der Brust wählte ich die Nummer meines Agenten. Richard war zu dieser Uhrzeit meistens im Büro anzutreffen. >>Scottsdale and Price, Sie sprechen mit Miss Porter, was kann ich für Sie tun?<< schallte Sandy Porters Stimme aus dem Telefon. >>Hi Sandy, hier ist Jim. Könntest du mir Richard ans Telefon holen? Ich habe tolle Neuigkeiten!<< sagte ich zu der jungen Sekretärin. >>Hey Jim. Richard hat sich das Wochenende frei genommen, hast du es schon mal auf seinem Handy probiert?<< fragte sie entschuldigend. >>Nein, bisher noch nicht. Aber das werde ich augenblicklich nachholen Sandy.<< sagte ich mit einem Lächeln. >>Du hast mir sehr geholfen, danke Sandy.<< Ich legte auf. Wo steckte Richard? War er mit Carla und den Kids über das Wochenende weggefahren? Ich kramte in einer Schublade nach meinem Notizbuch. G für Gregory. Ich wählte die Nummer, ein Freizeichen ertönte. >>Gregory?<< vernahm ich Richards Stimme aus dem Hörer. 31 >>Hey Richard, hier ist Jim. Rat mal wer ein neues Buch fertig geschrieben hat?<< lachte ich in den Hörer. >>Das muss Gedankenübertragung gewesen sein! Was glaubst du wohin ich gerade fahre?<< gab mir Richard zu rätseln. >>Keine Ahnung? Irgendwo hin mit der Familie?<< >>Familie trifft es mein Lieber! Sofern du dich dazuzählen möchtest. Ich bin auf dem Weg zu dir, altes Haus. Bin gegen Abend bei dir.<< Das hatte ich nicht erwartet. Ich hatte ihn zwar eingeladen vorbeizukommen, dennoch hatte ich nicht erwartet, dass Richard sich so schnell frei nehmen würde. >>Überrascht?<< fragte er mich. >>Und ob! Jetzt muss ich doch noch in die Stadt und einkaufen, immerhin habe ich ja heute Abend einen prominenten Agenten bei mir zum Essen. Das Gästezimmer ist hergerichtet. Ich freu mich.<< sagte ich mit einem Lächeln auf den Lippen. >>Ausgezeichnet, dann bis heute Abend.<< Als ich mit meinem kleinen Wagen die schmale Straße zum Dorf entlangfuhr, zog dichter Nebel auf. Und das um diese Uhrzeit, dachte ich und schaute zum Himmel. Die Wolken und der Nebel hatten die Sonne geschluckt, wie ein Fisch einen Köder. Vor mir auf der Straße tauchte ein Schatten auf. Ich fuhr langsamer, schaltete einen Gang niedriger und kurbelte das Fenster hinab. Es war Ligeia, sie lief seelenruhig durch den Nebel am Straßenrand. 32 >>Hey, kann ich dich ein Stück mitnehmen?<< bot ich ihr an. Sichtlich überrascht schaute sie mich an. >>Jim! Was für eine Überraschung.<< lächelte sie. In den Nebelfetzen wirkte sie knochiger als sonst. Ich öffnete mit dem rechten Arm die Beifahrertür und bedeutete ihr einzusteigen. Sie lächelte und stieg in den Wagen. Eine frische Meeresbrise wehte in den Wagen. Ich schaute Ligeia an. >>In die Stadt Gnädigste?<< frage ich mit einem übertriebenen britischen Akzent. Nachdem ich alle Zutaten für ein leckeres Abendessen zusammen hatte, suchte ich Ligeia. Ich fand sie beim Fischstand von Mister Norton und seinem Enkel Terry. Der alte Mann machte große Gesten und war anscheinend sehr erpicht darauf, dass Ligeia ihm zuhörte. Auch Terry stand wild gestikulierend vor ihr. Beide Männer machten auf mich den Eindruck als ob sie alles unternahmen, damit sie bei Ligeia einen guten Eindruck hinterließen. Ich ging auf die drei Personen zu. >>Tag Greg, Tag Terry.<< grüßte ich die Fischer. >>Hey Jim...<< sagte Terry geistesabwesend. >>Ich habe alles was ich brauche...<< sagte Ligeia. Und so fuhren wir wieder zum Strand zurück. Ich wurde die ganze Zeit das seltsame Gefühl in meinem Magen nicht los, als ich Ligeia am Leuchtturm absetzte. 33 Doch der Gedanke an das Essen mit Richard lenkte mich schnell wieder ab. Nachdem ich den Fisch eingelegt und gebraten hatte, schälte ich Kartoffeln und rührte eine deftige Soße mit Thymian, Oregano und Knoblauch an. Nun musste der Fisch nur noch knusprig werden und die Soße ziehen. Währenddessen deckte ich den Tisch. Weingläser und Teller drapierte ich neben mein bestes Geschirr. Wurde Zeit das ich endlich mal wieder den alten Plattenspieler benutze, dachte ich. Also legte ich eine alte Kenny Clark Platte auf und konzentrierte mich auf das Essen. Stephen begann zwischen meine Beine zu laufen und aufgeregt zu schnuppern. Der Duft des Fisches machte ihn ebenfalls hungrig. Also ging ich in die Abstellkammer und holte sein Hundefutter hervor. In diesem Moment klingelte es an der Haustür. Für einen Moment dachte ich an Ligeia, doch Richard stand vor der Tür. Ich öffnete und sah meinen verschmitzt grinsenden Verleger. >>Hey Jim, willst du mich bei diesem Wetter hier draußen erfrieren lassen?<< scherzte er mit seiner markant tiefen Stimme. Ich nahm Richard in den Arm. >>Schön dich wiederzusehen altes Haus!<< sagte Richard, der in seiner rechten Hand eine Flasche Whisky hielt. >>Komm rein Rich.<< sagte ich und trat einen Schritt zur Seite. 34 >>Das Essen war vorzüglich Jim.<< lobte mich Richard. >>Danke sehr. Und nun wird es Zeit für den Nachtisch.<< scherzte ich, als ich Richards Geschenk auf den Tisch stellte. Ein dreißig Jahre alter Single Malt. Ich stand auf und ging in die Küche, um dort die Gläser zu holen, als mein Blick beim Rückweg ins Wohnzimmer abgelenkt wurde. Unter meiner Schlafzimmertür schien ein heller Schein. Ich betrat das Schlafzimmer und schaute nach draußen. Aus dem Leuchtturm drehte sich wieder das helle Licht. Ich wollte mich zwingen nicht genauer hinzusehen, dennoch war meine Neugier zu groß. Lass sie doch ihren Spaß haben, dachte ich. Doch bei dem Gedanken, Ligeia könnte einen Mann dort oben haben, zog es mir die Gedärme zusammen. Ich schaute zu dem großen Rundfenster und erkannte, dass Ligeia wieder nackt an der riesigen Scheibe stand. Ein Mann stand bei ihr. Er legte seine Arme gerade um sie, als Richard im Schlafzimmer hinter mir auftauchte und mich erschrak. >>Na du alter Spanner? Hat dir noch niemand gesagt, dass das Spionieren bei Nachbarn nicht erlaubt ist.<< prustete er. Ich drehte mich um und zog dabei die Vorhänge zu. >>Komm gehen wir, ich brauch einen Whisky...<< sagte ich. 35 Am nächsten Morgen erwachte ich Punkt acht Uhr. Mein Kopf dröhnte erneut. Wir hatten Richards Whisky fast geleert als wir über mein neues Buch gesprochen hatten und alles drehte sich. Ich sah Stephen am Fußende des Bettes, er schlief noch. Leise und so ruhig wie möglich, ging ich in die Küche und goss mir ein Glas kaltes Wasser ein. >>Na Schlafmütze, alles in Ordnung?<< schallte es vom Küchentisch. Richard saß, in seinen teuren Anzug gekleidet, am Tisch und trank einen Kaffee. >>Herrgott Richard, wie kannst du schon so früh wach sein? Und dann auch noch so fit?<< fragte ich und hielt mir die Schläfen. >>Tja, ich bin halt mehr in Form als du. Dir fehlt einfach die Übung.<< scherzte er. Ich warf ihm einen gespielt bösen Blick zu, lachte und verschwand im Badezimmer. Die heiße Dusche war eine Wohltat gewesen. Ich ging mit einem Handtuch um die Hüften ins Wohnzimmer und schaute auf den Küchentisch. Ein Zettel lag dort. Hey Jim, bin mir ein bisschen die Beine vertreten, der Strand soll ja wunderbar sein, hast du gesagt. Vielleicht besuche ich mal deine Nachbarin und sag ihr, dass du sie nachts anschaust (kleiner Scherz). Bin in ein paar Stunden zurück. Richard. Ich drehte mich um und sah nach draußen, der Strand war leer, soweit ich das sehen konnte. Also ging ich zurück ins Schlafzimmer um mir meine Kleidung zu holen. 36 In diesem Moment klopfte es an meine Hintertür. Ich spähte um die Ecke und sah Ligeia. Sie stand vor der Tür und lächelte. Mein Herz klopfte. Ich ging langsam auf die Hintertür zu und öffnete sie. >>Hey, was machst du denn hier?<< fragte ich sichtlich erstaunt. >>Wollte mal nach dir schauen...<< sagte sie und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es noch mehr gab was sie sagen wollte. >>Komm doch rein.<< bot ich an. Sie betrat mein Haus und sofort fiel mir der intensive Meeresduft auf. >>Ich ziehe mir rasch etwas an und dann kann ich uns einen Kaffee machen wenn du magst?<< >>Du musst dir nichts anderes anziehen...<< sagte sie und ließ ihr dünnes Kleid auf den Boden sinken. Gut zwei Stunden später kam Richard durch die offene Hintertür. >>Jim! Hey, ich bin wieder da!<< rief er. Ich kam gerade aus dem Badezimmer und knöpfte mir mein Hemd zu. >>Du glaubst nicht was ich erlebt habe...<< begann er. Das würdest du mir auch nicht glauben, dachte ich. >>Die haben eine Leiche gefunden. Eine Männerleiche...<< Mein Magen verkrampfte sich. Ich dachte an den Fischer und das Auge. Ich traute mich fast nicht zu fragen. >>Weißt du wer es war?<< begann ich. >>Ich hab mitbekommen, dass es sich um einen Fischer handeln soll. Die Polizisten haben seinen Enkel verhaftet.<< 37 Ich schluckte. Greg Norton. Sein Enkel Terry stand unter Verdacht. Ich schauderte. >>Greg Norton, ein hiesiger Fischer...<< sagte ich leise. >>Schrecklich. Die Leute auf der Straße sagten, man habe dem armen Kerl die Augen ausgerissen...<< Richard wollte, angesichts dieser Umstände, einen weiteren Tag bleiben. Ich hatte nichts dagegen, ein bisschen Gesellschaft tat mir in diesem Moment gut. Mindestens zwei Leichen, von dem Auge nicht zu sprechen und Ligeia, die in mein Haus kam und Sex mit mir hatte. Mein Verstand spielte verrückt. Ich lief durch mein Haus ohne zu wissen warum. Stephen bellte und scharrte an der Hintertür. Ich erwachte aus meinen Gedanken und griff nach meiner Lederjacke. Richard schaute von meinem neuen Buch auf und fragte mich wohin ich wolle. >>Stephen muss mal an die frische Luft... Genauso wie ich.<< Also gingen Stephen und ich am Strand spazieren. Schon von weitem sah ich die Gestalt am Wasser stehen. >>Hey Gerald!<< rief ich McNethery zu. Der alte Mann drehte sich langsam um, in seiner linken Hand hielt er eine Flasche Schnaps. Ich wusste warum er trank. >>Diese verdammte Dreckssau...<< begann er hasserfüllt. >>Wenn ich den in die Finger bekomme, Gnade Gott!<< 38 Ich ging näher an Gerald heran und roch die Schnapsfahne. >>Komm Gerald, lass uns nach Hause gehen...<< begann ich, doch der alte Mann stieß mich forsch zu Seite. >>Lass mich, ich werde herausfinden wer für all das verantwortlich ist. Ich finde die Dreckssau...<< Mit torkelnden aber eiligen Schritten ging der alte Mann den Strand entlang. Später am Tag wollte ich Ligeia besuchen. Ich stand sogar schon an der Tür ihres Leuchtturms und klopfte, jedoch öffnete sie nicht. War sie nicht Zuhause? Was machte sie eigentlich beruflich? Erst jetzt fiel mir auf, wie wenig ich doch über sie wusste. Ich verschob meinen Besuch und ging zurück zu meinem Haus. Schon von weitem sah ich Richard im Garten stehen und mit Stephen spielen. Dieser rannte aufgeregt hin und her und bellte. Ich lächelte und ging auf die beiden zu. Am Abend saßen Richard und ich am Ofen und redeten über mein neues Buch. >>Wirklich erstklassig Jim, damit hast du bewiesen, dass du immer noch zu Amerikas Top Schriftstellern gehörst!<< lobte er mich überschwänglich. Ich lachte und dankte ihm. >>Vor allem der Charakter der mysteriösen Frau, fantastisch. Ich dachte am Anfang, dass sie nur eine gekonnte Ablenkung vom eigentlichen Mörder sei... Aber dann wurde alles klar, sie war es die ganze Zeit...<< 39 In meinem Kopf drehte sich auf einmal alles. >>Danke für deine lieben Worte, ich freue mich sehr darüber. Aber leider muss ich noch einmal mit Stephen raus...<< log ich. >>Warst du nicht vor einer Stunde mit ihm draußen Jim?<< rief Richard als ich bereits die Lederjacke übergeworfen hatte und Stephen anleinte. Der Weg zum Strand kam mir länger vor. Ich sah nach oben. Der Himmel war pechschwarz und der Nebel fraß sogar die Sterne. Nur das Licht des alten Leuchtturms schnitt durch den Dunst. Ich sah zu dem alten Leuchtturm, zum großen Fenster. Ligeia stand diesmal nicht davor. Alles war, abgesehen von dem hellen Strahl des Scheinwerfers, stockfinster. Ich leinte Stephen am Zaun meines Gartens an und ging allein auf den Leuchtturm zu. Nun fiel mir auf, dass das Wasser kontinuierlich anstieg. Ein leichter Sturm setzte ein. Meine Nackenhaare richteten sich auf, als eine Möwe kreischend durch die Nacht schoss. Ich nahm die Stufen der Treppe doppelt. Mein Herz klopfte, ich wusste selbst nicht genau weshalb ich so aufgeregt war. Lag es daran das ich Ligeia, seit dem Tag an dem ich mit ihr geschlafen hatte, nicht wieder gesehen hatte? Ich bekam Schulgefühle. Doch sie war schließlich diejenige gewesen, die bei mir geklopft hatte, anschließend einfach verschwunden war. 40 Ich hatte die Tür erreicht, klopfte zaghaft, dann immer lauter und stärker. Mit einem Mal ging die Tür quietschend einen Spalt breit auf... >>Hallo? Ligeia?<< rief ich in die absolute Finsternis. Keine Antwort. Ein weiteres Mal rief ich ihren Namen. Nichts war zu hören, außer den Wellen, die nun an den Leuchtturm schlugen. Der alte Turm sah von innen größer aus, als man hätte denken können. Eine schmale Wendeltreppe führte in die einzelnen Stockwerke bis an die Spitze. Der große Scheinwerfer tauchte den Turm in ein gespenstisches Licht. Ich schaute mich um. Harpunen, Netze und andere Fischereiutensilien hingen an den Wänden. Die Treppe vor mir ächzte. Ich schaute nach oben. War dort jemand? Ich stieg langsam die Stufen hinauf, bis ich auf der ersten Etage angekommen war. Was tat ich hier? Ich bin einfach in ihr Heim gekommen, dachte ich. Aber ich habe gerufen, vielleicht ist sie in Gefahr? Vielleicht ist der Mörder hier... Nachdem ich die letzte Stufe ins erste Stockwerk genommen hatte, schaute ich nach links. Ein großes Aquarium mit einem Tintenfisch stand dort. Ich schaute genauer hin. Der Tintenfisch schwamm träge kurz unter der Oberfläche. Doch von Ligeia keine Spur. 41 Ich überlegte kurz ob ich zurückgehen sollte, entschloss mich dann jedoch dagegen. Irgendetwas stimmte nicht. Wie um meinen Gedanken zu bestätigen, zuckte ein Blitz durch die Nacht und erhellte den Leuchtturm. Nun sah ich es. Am Ende der Treppe stand jemand. Mit mehreren Sprüngen nahm ich die Stufen der langen Treppe und erreichte das nächste Stockwerk. Wieder zuckte ein Blitz und ließ die Schatten der Schränke grotesk tanzen. Lag dort oben Ligeia? War sie verletzt? Mein Herz raste. Ich rannte die letzten Stufen nach oben... Da sah ich sie... Ligeia. Und sie war nicht allein. Ein Mann war bei ihr und hielt sie an der Kehle. >>Lass sofort die Frau los du Schwein!<< brüllte ich in den Raum. Sichtlich erschrocken zuckte Ligeia zusammen und verkrampfte sich. Der Mann, der sie an der Kehle hielt, rührte sich jedoch keinen Millimeter, sondern hielt die junge Frau ausgestreckt vor sich und presste ihr Gesicht an seins. Ich wollte sehen wer es war, wollte sehen wer Ligeia angriff. Ein weiterer Blitz erhellte den Leuchtturm. Und dann sah ich es. Der Mann in dem abgewetzten braunen Pullover und der Schürze war kein geringerer als Gerald McNethery. >>Verdammt Gerald, lass die Frau los!<< brüllte ich. Doch Gerald hielt Ligeia weiterhin fest umklammert als ob er sich niemals von ihr lösen wollte. 42 Mit dem Mut der Verzweiflung machte ich einen Satz nach vorn und zog Ligeia aus dem Griff seiner Arme. Sie machte einen Satz nach hinten und stieß einen seltsam gedämpften Schrei aus. Hatte Gerald ihr den Mund verbunden, damit sie nicht schreien konnte? Ich schaute nach vorn. Gerald stand zitternd in der Ecke des dunklen Zimmers. Er wankte. War er noch immer betrunken? Ligeia richtete sich langsam wieder auf, zitterte und schwankte. Ich wollte ihr gerade aufhelfen, als ein weiterer greller Blitz die Dunkelheit zerriss. Nur für einen Moment, dieser reichte jedoch aus um das gesamte Geschehnis zu erkennen, sah ich Gerald. Dieser stand weiterhin in der Ecke des Raumes und schwankte. Doch nicht vor Erschöpfung. Er hatte keine Augen mehr im Gesicht. Ich schrie auf. Als ob mir jemand Stromschläge verpasst hätte, taumelte ich zitternd nach hinten. Ligeia stand langsam auf. Diesmal jedoch nicht mehr zitternd. Aus ihrem Mund rollten zwei blutige Augäpfel, die mit einem nassen klatschenden Geräusch auf dem Boden liegen blieben. Nun war ihre Stimme wieder klar. >>Zu schade Jim, dass du ausgerechnet heute Abend Sehnsucht nach mir hattest.<< sprach eine Stimme wie aus der Tiefe des Meeres. 43 Die einst so sinnliche Stimme Ligeias war einem Ton aus der Hölle gewichen. >>Komm zu mir mein Geliebter... Lass mich deine Seele kosten...<< sprach die Stimme weiter. Ich verstand nicht, war dies Ligeia oder nur eine Frau, die ihr ähnlich sah? Wobei man bei diesem Licht nur den Unterkörper in ihrem weißen Kleid erkennen konnte. Ich drehte mich zu dem Scheinwerfer um. Mit einem beherzten Griff riss ich an der Verankerung, die schwere Stahllampe drehte sich. Der grelle Schein des Lichts war so intensiv, dass ich fürchtete zu erblinden. Ich drehte den Strahl des Scheinwerfers in Ligeias Richtung. Ligeias einst so makelloses Gesicht war einer Fratze des Grauens gewichen. Ihre strahlenden Augen sahen nun aus als ob sie aus verfaultem Seetang bestehen würden. Auch ihr weißes, seidiges Haar hing wie Wasserpflanzen an ihrem deformierten Schädel hinab, wie feuchte Spinnenweben. Ihre Haut war rissig und aufgedunsen. Das was unter den Rissen hervorschimmerte, wirkte wie Fischgräten. Mit ihrem dünnen, knochigen Körper kam sie staksig auf mich zu. Ich versuchte gar nicht wegzurennen. Das Gitter des Leuchtturms war in meinem Rücken und dahinter gähnte ein Abgrund, der bis zum Boden des Turms reichte. 44 Ende der Leseprobe von:
Das Sanatorium - 10 Markerschütternde Horrorgeschichten
Max Stascheit
Hat Ihnen die Leseprobe gefallen? Das
komplette Buch können Sie bestellen unter:
http://bit.ly/22K4uIw