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EX KL U S IV
[ Europa-Roadtrip BMW M4 & Mercedes C63 AMG ]
DAT EN B MW M4
D ATE N C63 AM G
317 kW (431 PS), 550 Nm, 0–100 km/h: 4,1 Sekunden, Basispreis: 88.650,- Euro
> Text: Thomas Jonczy > Fotos: Thomas Jonczy
350 kW (476 PS), 650 Nm, 0–100 km/h: 4,0 Sekunden, Basispreis: 93.690,- Euro
Perfekter Männerurlaub
Mit der Speerspitze der deutschen Mittelklasse durch Europa. Zwei Autos, vier Kerle,
acht Städte, zehn Passstraßen, 14 Zylinder, 906 PS und 4.800
Kilometer – gibt es bessere Eckdaten für einen perfekten Männerurlaub?
Das Stilfser Joch – die vermutlich schönste Passstraße der Welt. Vor dem Pass das Set-up auf Sport+, dazu das
ESP auf Sport Handling Mode gestellt und Feuer. Vollgas, Vollbremse. Einlenken, Vollgas … Das wiederholt sich
50-mal. Schwerstarbeit für Mann und Maschine – und ideales Revier für den BMW M4 und den C63 AMG.
D
ienstag, 13 Uhr, München:
Toms neuer M4 dreht sich auf
der Präsentierscheibe in der
BMW-Welt, lauert unter
einem Samttuch, trägt die Farbe Perlweiß,
steht auf schwarzen Felgen und wartet auf
seinen Eigner. Tom kommt aus den USA
und ist extra nach Deutschland gereist, um
seinen neuen M4 in Empfang zu nehmen.
Wie ein Warrior blickt der M4 mit seinen
Angel-Eyes auf Tom, als das Samttuch entfernt wird und darauf wartet, Frischluft
durch seine Kiemen zu inhalieren. Zeitgleich
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im Stuttgarter Hauptquartier von Mercedes:
Thomas’ neues Spielzeug, ein C63 AMG,
fährt andächtig in die Verkaufshalle des Kundencenters und zieht alle Blicke auf sich.
Klappenauspuff: Check! Vor neun Monaten
bestellt, ist es nun so weit, der V8-Mercedes
bekommt Frischluft. Eine Menge Frischluft,
denn einen Tag später startet die 4.800-Kilometer-Reise mit vier Kerlen durch acht
Städte und über zehn Passstraßen mit 14 Zylindern, vier Turboladern und 906 PS – gibt
es bessere Eckdaten für einen perfekten
Männerurlaub? Kaum vorstellbar.
Infernalischer Sound
Der Startschuss fällt standesgemäß im
Stuttgarter Mercedes-Museum nach leckerem Futter, und mit vollen Bäuchen für Fahrer und Gerätschaft geht’s auf die Autobahn.
Dank der Turbos lassen sich die beiden
Monster sehr schaltfaul fahren und das
Drehmoment hämmert geradezu ins Kreuz.
Und der Sound? Emotional und laut. Während der M4 mit offenen Klappen ab 3.500
Touren infernalisch kreischt, bollert der
AMG wie ein schlecht gelaunter Bär über
das gesamte Drehzahlband. In Heidelberg
angekommen geht es ins Zentrum der Bücherstadt zur kulturellen Inhalation.
Zwei US-Petrolheads
Tom und Thomas haben sich im Frühjahr
2015 in Sweet Home Alabama kennengelernt. Ganz klassisch beim Tanken, denn ein
blauer Porsche GT3 ist in den Südstaaten
eine Rarität. Und dieser GT3 gehört Tom,
einem Petrolhead. Die beiden unterhalten
sich kurz, tauschen Nummern und gehen getrennte Wege. Die Zeit vergeht – dann Tom
zu Thomas: „Ich hole nächsten Monat meinen M4 in München ab, hast du Lust auf ein
Bier?“ – „Klar, was hast du denn in Deutschland vor?“ – „Ich mache eine zweiwöchige
Reise durch Europa“. – „Ich habe noch
freien Urlaub – ich bin dabei“. So begann die
Planung der PS-getränkten Reise zweier Petrolheads, die sich keine fünf Minuten lang
kannten.
Trinkfreudige Gerätschaft
Der frühe Morgen des Roadtrips startet an
der Tankstelle, denn das Arbeitsgerät zeigt
sich, untertrieben formuliert, recht trinkfreudig. Wir pilgern weiter nördlich in Richtung
Belgien, wo schöne Altstädte und gschmackige Brauereien warten. Tempolimits haben
auch ihr Gutes und so sinkt der Verbrauch
und kratzt an der Einstelligkeit. In Antwerpen angekommen, zeichnet die Abendsonne
einen zartrosa Himmel und die beiden „Gegner“ kommen sich näher. Coupé oder Limousine, BMW oder Mercedes, M oder
AMG, 6 oder 8 Zylinder? Unmöglich zu
sagen, was besser ist, denn jede Marke schart
eine treue Fangemeinde und beide taugen
für Racetrack-Fun und Alltagsfahrten.
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[ Europa-Roadtrip BMW M4 & Mercedes C63 AMG ]
Reinster Männertraum: Die Speerspitzen von BMW und Mercedes reisen 4.800 Kilometer durch Europa. Die Bilanz: 750 Liter und ein Satz Reifen
pro Gefährt. Dafür ist das Grinsen unbezahlbar. Gegner oder Freunde? – Eindeutig Freunde. BMW M4 und AMG C63 sind zwei herrliche Automobile.
259 und 269 km/h
In Brügge locken Pralinen und eine konservierte Altstadt mit Augenaufschlag-Garantie.
Aber eines ist klar: Wo auch immer die Autos
auftauchen, drehen sich die Köpfe. Manche
interessieren sich nur für den BMW, manche
für den Mercedes, manche für beide. Das
lautstarke Brabbeln der Auspuffrohre wirkt
magnetisch auf die Zuhörerschaft. Wir gönnen unseren Begleitern Super Plus, und uns
abends ein Bier als Krönung. Die geräumigen Kofferabteile prall gefüllt mit Gebrautem und süßen Leckereien geht’s zurück
nach Deutschland über den Circuit Zolder.
Letzterer war leider gesperrt und so muss die
deutsche Autobahn für Bleifuß-Attacken
herhalten. Die Tachonadel schnellt nach
oben, die Auspuffrohre kreischen und die
Gänge schnalzen, bis der Begrenzer die Orgie
abrupt stoppt. Der AMG rennt laut Tacho
259 und der M4 schafft 269 km/h. Hoch
lebe das Head-up-Display! Im AMG hilft
zudem ein Schaltblitz für den optimalen
Schaltpunkt. Eingetroffen in Köln geht’s ins
Bett, denn am nächsten Tag wartet die tückische Nordschleife. Das Gepäck wird in den
Mercedes geräumt – mit einer Ausnahme:
„Die Kotztüten bleiben drin“, sagt Tom zu
Thomas. Thomas ist erstmals hier, Tom pilgert bereits seit einem Jahrzehnt regelmäßig
zur Nordschleife. Runden in unter 10 Minuten können sich sehen lassen, aber Thomas macht den Ritt in 8:45 Minuten – und
das war erst die Warm-up-Lap. Thomas
strahlt über beide Backen: „Das ist besser als
jede Achterbahn“.
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Und jetzt: Das Stilfser Joch
Ist das noch zu toppen? Mit Sicherheit,
denn jetzt locken die Alpenpässe, besser gesagt ein ganz besonderer Pass: Das Stilfser
Joch – die vermutlich schönste Passstraße der
Welt. Vor dem Pass das Set-up auf Sport+,
dazu das ESP auf Sport Handling Mode gestellt und Feuer. Vollgas, Vollbremse. Einlenken, Vollgas … Das wiederholt sich 50-mal.
Schwerstarbeit für Mann und Maschine, das
Herz rast und die Reifen kämpfen um Grip.
Der Spritkonsum klettert von 10 auf 30+
l/100 km, die Reifen quietschen und die
Sportabgasanlagen beschallen kilometerweit
– das Mekka für Petrolheads. Interessant:
Beide siedeln fahrdynamisch auf ähnlichem
Level, wobei der M4 mehr Drehzahl
braucht, um am AMG dranzubleiben. Ein
V8 ist und bleibt eben ein V8.
Ciabatta und Super Plus
Nach dem Pässeglühen wird in Mailand
genächtigt. Nicht standesgemäß, aber funktional. Und vor der Jugendherberge wirken
die beiden Fahrzeuge so deplatziert wie Kaviar im Bahnhofsimbiss. Doch die Unter-
kunft ist zweitrangig, was zählt sind die
Autos und das Essen. Morgens locken Ciabatta, Latte macchiato, Super Plus und eine
kurvig wedelnde Autobahn in den warmen
Süden. Das G-Meter zeigt Querbeschleunigungen von bis zu 0.8 G. Driving heaven. In
Genua winken erstmals Sonne, Strand, Meer
und 30 Grad, doch es geht weiter Richtung
Nizza. Tunnels, Tunnels und noch mehr
Tunnels. Der V8-Donner, gepaart mit 6-Zylinderkreischen, klingt besser als jedes Konzert. Das Grinsen wird größer und die
Mundwinkel kleben nun an den Ohren. Die
Côte d’Azur hat schon was. Vor der Haustüre
locken autoleere Pisten der Rallye Monte
Carlo, in Cannes Strände zum Baden und in
Monaco eine Formel-1-Rennstrecke samt betuchtem Geldadel. Der letzte Tag endet, wie
er enden muss: in Cannes beim Sonnenuntergang. Man schaut Fotos und Videos, sinniert über das Erlebte und resümiert: Gegner
oder Freunde? – Eindeutig Freunde. BMW
M4 und AMG C63 sind einfach zwei herrliche Automobile.
Die Bilanz: 4.800 Kilometer, 750 Liter pro
Fahrzeug und pro Fahrzeug ein Satz Reifen.
Dafür ist das Grinsen unbezahlbar.