Alles Elektro Henryk M. Broder und Hund in einer Art Automobil Autos im Comic DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 20. SEPTEMBER 2015 Quietsch, Krach, Wrumm – die Fantasie gibt Vollgas Seiten 4 bis 7 Seiten 10/11 D anke für die Komplimente und Fanbriefe zur letzten PS WELT mit der Titelgeschichte über die Mille Miglia. Ja, wir beten alte, ältere und nicht mehr neue Autos an, aber diese Ausgabe steht im Zeichen brandneuer Exzellenz – passend zur IAA. Die Auswahl war gar nicht so einfach, grassiert doch eine CharismaArmut bei Neuheiten, die uns schockiert hat. Dennoch fanden wir viele Autos, die auf Charakter bestehen. Viel Spaß damit. Ihr ULF POSCHARDT P.S.: Kritik und Lob bitte wieder an [email protected] Weniger Hubraum, mehr Punch: die erste Fahrt im Turbo-Elfer Seiten 16/17 FRAUENBEWEGUNG Kluge Damen in blutjungen Schlitten Foto WILLIAM DUPUY Bis zu 50 km, ohne zu laden. Über 1.000 km, ohne zu tanken. Verbinden Sie im Hybrid-Modus das Beste aus zwei Welten – und fahren Sie eine Strecke wie von Berlin nach Paris, ohne zu tanken oder zu laden. Der neue Passat GTE. Think New. Mehr erfahren auf www.volkswagen.de/passatgte Kraftstoffverbrauch in l/100 km: kombiniert 1,7–1,6, Stromverbrauch in kWh/100 km: kombiniert 12,8–12,2, CO₂-Emissionen in g/km: kombiniert 39–37. Die praxisnahe Reichweite beträgt rein elektrisch ca. 50 km, die Gesamtreichweite liegt bei etwa 1.114–1.070 km. Abb. zeigt optionale Sonderausstattung. SEITE 3 Trend: Privatpanzer 2. Martialisch aufgepimpte SUV, benannt nach Weltkriegsgenerälen und wilden Tieren. Hubraumzahlen jenseits der sechs Liter. V8- bis V10-Motoren aus dem Imperium. Völlig unnachhaltig und überzogen, außer in gewissen Kreisen von Shanghai und Los Angeles. Kosten: gerne 500.000 Euro Von CHRISTIAN MALORNY 1. Staus werden künftig aufgelöst durch digitale Verzahnung von ÖPNV, Carsharing und E-Hailing General Patton Ripsaw Extreme P4XL Freightliner Sport 6,8 Liter Hubraum sind ein Argument. Der olle Weltkriegsgeneral kann es mächtig krachen lassen Länge: 6,70 Meter, Breite: 2,50 Meter. Noch kein richtiger Bus, aber ein ziemliches phettes Auto für alle Fälle Handgearbeitetes Panzerfeeling für Haus und Garten. 600 PS machen mächtig Druck Ziesel Mercedes G63 AMG 6X6 XUV/Ford F-650 Basis Diese Österreicher. Dieses Kleinkettenmonster ist ein krasses Statement zur alternden Gesellschaft Wow – der teuerste Geländewagen der Welt! Entworfen für Großwildjäger und Fracking-Spezis in Kanada Stretchlimo im Megaformat, allein der Tank fasst 400 Liter. Selbst Sumo-Ringer finden genug Platz In 25 Jahren werden weltweit zwei Milliarden Menschen mehr in Städten leben. Die Staus in den Megacitys lassen ahnen, dass wartefreie Mobilität in Zukunft nur mit neuen, integrierten Lösungen machbar sein wird. Heute steht jeder deutsche Autofahrer rund 39 Stunden jährlich im Stau – mehr als ein Fünftel des Benzins wird nutzlos verbraucht. Ansätze, wie es besser geht, sind schon heute erkennbar: Bahn, Bus, Taxis werden verzahnt mit E-Hailing (Abrufen privater Autos mitsamt Fahrer) und Carsharing in zahlreichen Varianten. Algorithmen werden jedem von uns die optimale Wahl der Verkehrsmittel vorschlagen. IT-Technologie leitet das jeweilige Verkehrsmittel staufrei ans Ziel. Start-ups wie ally, gegründet in Berlin, zeigen mit ihrer App bereits für 86 Städte weltweit, dass es funktioniert – mit einer nie da gewesenen Transparenz und Übersicht der wählbaren Routen, Verkehrsmittel und benötigten Streckenzeiten. Positiver Nebeneffekt: Die Städte können auf ein Viertel des Parkraums für Autos verzichten. 4. Klimawandel und Umweltbewusstsein werden uns elektrisch fahren lassen Zur Erreichung des 2-Grad-Ziels werden wir in Deutschland die jährliche CO2-Emission von heute rund 13 auf maximal 0,7 Tonnen CO2 pro Kopf begrenzen müssen. Für ein Auto bedeutet das, dass dann nur noch 13 g CO2-Ausstoß/km zur Verfügung stehen – heute ist der CO2-Ausstoß noch mehr als zehnmal so hoch. Schnell erschließt sich, dass die Klimaziele nur mit Elektroantrieben zu schaffen sein werden – vorausgesetzt, wir verwenden erneuerbare Energien. Zwei Faktoren definieren die Geschwindigkeit des Umstiegs: Das Elektrischfahren muss noch attraktiver werden, politische Zielvorgaben werden die Entwicklung entscheidend prägen. Chronomaus Eigentlich eine Unmöglichkeit. Ein weltberühmtes ComicMotiv und eine gediegene Schweizer Uhr. Dennoch wurde diese Rolex aus dem Pop-Jahrgang 1980 jüngst von einem großen Aktionshaus feilgeboten. Ging weg für: 2855 Euro. Das autonome Fahren definiert Premium neu. Die gewonnene Zeit werden wir fürstlich honorieren Das neue Premium wird nicht mehr durch Motor, Qualität oder Fahrverhalten bestimmt – sondern durch die digitalen Systeme und damit die Intelligenz des Autos. Fahrzeuge, die den Fahrer schneller ans Ziel bringen und die während der Fahrt Freiräume schaffen für Kommunikation, Unterhaltung und Shopping, werden schon bald die Premiumprodukte sein. Die Windschutzscheibe könnte dabei ganz neue Funktionalitäten bekommen, gleichsam einem riesigem Display. Die reale Welt wird dann mit Informationen und virtuellen Bildern des Rechners überlagert. Das selbstfahrende Auto kann jeden Tag für 50 Minuten mehr freie Zeit sorgen. Und je mehr Zeit uns ein Auto schenkt, desto mehr werden wir bereit sein, dafür zu bezahlen. 3. Unsere Straßen werden viel sicherer. Neun von zehn Unfällen passieren gar nicht mehr Verkehrsunfälle sind heute nach Krankheiten die zweithäufigste Ursache für Todesfälle. Alleine in Deutschland sind 2014 rund 3400 Menschen zu Tode gekommen. Ursache ist zumeist menschliches Versagen am Steuer. Das autonome, selbstfahrende Auto hat daher das Potenzial, die Zahl der Unfälle um 90 Prozent zu senken. Autos werden untereinander kommunizieren, sich frühzeitig auf Gefahren wie Glatteis hinweisen und natürlich automatisch beschleunigen und bremsen – bis zum Stillstand. Neue Stadtplanungen sind dadurch möglich – ohne Ampeln mit stetig fließendem Verkehr. Die Autos selbst übernehmen dabei die Verkehrsflussteuerung. Warum das geht? Weil Sensorik, Rechenleistung, Speicherplatz und Übertragungstechniken dramatisch leistungsfähiger und gleichzeitig kostengünstiger geworden sind. THESEN ZUR ZUKUNFT UNSERER LEITBRANCHE auctionata.de 5. Neue Geschäftsmodelle und neue Unternehmen werden die Autoindustrie verändern Sie trauen Ihrem Tacho nicht mehr? Kein Problem, eine Überprüfung der Geschwindigkeit gelingt spielend mit der App Speedometer. Kostet nichts und funktioniert auf GPS-Basis. Ein Spaß, der es auch beim Radeln, Laufen oder Segeln bringt! Socke auf Speed Ein bemerkenswerter Image- und Logo-Transfer ist der ukrainischen Sockenfirma Sammy Icon gelungen: Sie haben die legendäre Dreiecksgrafik der Porsche Hill Climb Championship der 60er eins zu eins in Strick gebannt. Bartmann, gepflegt Nur das Beste für den anspruchsvollen TouringBart. Die stylishe Brooklyn Soap Company hat ein zweistufiges Set in den Beutel gepackt: Erst reinigen mit Beard Wash, dann pflegen mit Beard Oil und kämmen mit dem Original Gents’ Comb. sammy-icon.com 2014 teilten sich die Automobilhersteller weltweit rund 95 Milliarden Dollar Gewinn. Noch nie in der Geschichte war der Profitpool größer. Dieses Geld wird auch gebraucht – Investitionen in Elektromobilität und Digitalisierung verschlingen enorme Summen. Doch mit der Digitalisierung werden sich die Kundenausgaben vom Neuwagenkauf zur intelligenten Autonutzung über den Lebenszyklus verschieben. Das digitalisierte Auto wird Millionen von Daten generieren, die wiederum völlig neue Geschäftsmodelle entstehen lassen. Serviceintervalle, Versicherungen und Besteuerung je nach individuellem Fahrstil werden so möglich. Parkplatzgebühren könnten je nach Verkehrsaufkommen ermittelt werden. Und schließlich werden viele Unternehmen um die frei gewordene Zeit konkurrieren: indem sie maßgeschneiderte Shoppingangebote machen, Unterhaltung oder Entspannung bieten. Dies ist eine Herausforderung für die traditionellen Hersteller, denn außerhalb des Lebensraums Auto beherrschen schon heute Firmen wie Google, Apple und andere diese Disziplin besonders gut. Der Kunde könnte zukünftig jenen „gehören“, die Services während der Autonutzung anbieten und den Kunden damit eng an sich binden. 6. Konsortien, Kooperationen und Partnerschaften werden zu Voraussetzungen des Erfolgs bklynsoap.com/de/ Schrauberglück globetrotter.de Es ist zwar eine englische Firma für solide Fahrradsättel, die diesem Leatherman-Multitool ihr Design gab. Doch auch Petrolheads werden an dem Vielfach-Werkzeug ihre Freude haben. Kann was! Die extrem unterschiedlichen Fähigkeiten, die zur Entwicklung und zum Betrieb eines digitalisierten Autos notwendig sind, können kaum aus einer Hand kommen. Der Automobilhersteller wird dadurch zu einem Orchestrator und Integrator komplexer Hard- und Software. Das vernetzte Auto benötigt Standards für den Datenaustausch. Andererseits definieren die neuen Technologien einen möglichen Wettbewerbsvorsprung, den sich jeder Hersteller sichern möchte. In diesem Spannungsfeld wird es zu ganz neuen Konsortien und Kooperationen kommen. Ob dabei immer die heutigen Automobilhersteller die Definitionshoheit für das Auto behalten, ist nicht entschieden. Realisiert Apple erfolgreich das iCar oder Google das „Google-Ei“, könnte es zu einer echten Machtverschiebung kommen. Ähnliches geschah in der Handy-Industrie durch das iPhone. Dabei müssen Apple oder Google noch nicht einmal das Auto selbst bauen. Dies könnten Zulieferer übernehmen, die schon heute Fahrzeuge entwickeln und fertigen. Illustration: André M. Wyst TEMPO APP! Verehrte Petrolheads, diese Seite widmet sich normalerweise den schönen Aspekten des Fahrens. Mit Gadgets, Accessoires und steilen Ansichten. Doch normal ist hier nicht! Wir bleiben unberechenbar. Darum jetzt mal ernsthaft: sieben Prognosen über das Auto im Zeichen der Digitalisierung. Kein Problem, 2025 kann kommen 7. Europa droht im Wettlauf der Regionen zurückzufallen. Asien und die USA sind auf der Überholspur Einige Automobilhersteller haben ein gewichtiges Problem. Die Digitalisierung findet vornehmlich in Nordamerika und Asien statt. Soziale Medien haben dort einen höheren Stellenwert beim Kauf eines Produkts als Fernseh- oder Printwerbung. Auch die Ausrüstungsindustrie und marktdominierende Internetfirmen kommen von dort. Sie beherrschen perfekt das Modell der Kooperation und wissen, wie investitionsarme Geschäftsmodelle funktionieren. Dies mündet in neue, digitale Vertriebskanäle, die auf die Kundenbedürfnisse, auch über den Kauf eines Autos hinweg, zugeschnitten sind. Das Vertriebskonzept mit „klassischen Autohändlern“ könnte sich für traditionelle Autohersteller als die Achillesferse im Wandel entpuppen. Gleichfalls wächst in den USA wie auch in Asien die Bevölkerung rasant, ist jung, flexibel und innovationsfreudig – es sind die Digital Natives. Zusätzlich steht in Asien den Menschen Jahr für Jahr mehr Einkommen zur Verfügung. Und Europa? Hier gibt es eine alternde Bevölkerung, die eher den Pfad des Bewahrens als jenen der kreativen Zerstörung geht. Die Autoindustrie muss jünger und internationaler werden, auch in Deutschland. Nur so können wir eine unserer letzten globalen Leitindustrien auf Kurs halten. DR. CHRISTIAN MALORNY, DIREKTOR BEI MCKINSEY & COMPANY IM BERLINER BÜRO, LEITET DEN AUTOSEKTOR SEITE 4 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 20. SEPTEMBER 2015 SAGT DER AKKU LEISE SERVUS Vier Männer auf E. Unser Dreamteam stürzte sich in eines der letzten Abenteuer der Menschheit: mit Elektro-Autos durch die Countryside. Sieger der Herzen ist der Twizy SEITE 5 Der ideale Viertwagen N Fotos KARL ANTON KOENIGS Von HENRYK M. BRODER icht alles, was mit dem Schwanz wedelt, ist ein Hund. Und nicht alles, das ein Lenkrad und vier Räder hat, ist ein Auto. Der Twizy von Renault will „stylisch, modern, außergewöhnlich“ sein und der „Mobilität neue Impulse“ geben. Mit ihm mache es Spaß, „allein oder zu zweit die City zu erobern und gleichzeitig die Umwelt zu schonen“. Ein Auto, das so beworben wird, ist kein Auto, sondern ein Produkt des Zeitgeistes, ein modisches Accessoire, das zu Handy und Handtasche passt. Historisch betrachtet ist der Twizy ein Nachbau des Messerschmitt-Kabinenrollers, mit dem die Massenmotorisierung begann. Mehr Roller als Auto, angetrieben von einem E-Motor, dessen Reichweite vom Werk mit 80 Kilometern angegeben wird. Das mag genug sein, um von Gummersbach nach Hückeswagen und zurück zu cruisen und gleichzeitig die Umwelt zu schonen, aber nicht, um von Berlin nach Caputh zu fahren, wo es ein herrlich altmodisches Restaurant an der Havel gibt, das „Fährhaus“. Und da wollen wir hin. 42,3 Kilometer hin und 42,3 Kilometer zurück, macht zusammen knapp 85 Kilometer. Es könnte eng werden. Bei der Ankunft in Caputh ist der „Tank“ zu zwei Dritteln leer. Kein Problem. Es gibt unweit vom „Fährhaus“ eine E-Säule. Nach einer Stunde Laden ist der Tank wieder zu zwei Dritteln voll. Zeit, zurückzufahren und der Mobilität neue Impulse zu geben. Die Kilometeranzeige zählt jetzt rückwärts, zeigt also nicht, wie viele Kilometer wir gefahren sind, sondern wie weit wir noch mit der verbleibenden „Tankfüllung“ kommen. Eine kluge Erfindung, nur: Sie macht den Fahrer vollkommen verrückt. Die Vorstellung, auf der Autobahn liegenzubleiben, ist ein Nervenkiller. Aber wir haben Glück. Kurz bevor der „Tank“ leer ist, kommen wir am Ausgangspunkt unserer Reise an. Gelobt sei der Herr, der uns nicht im Stich gelassen hat! Ich muss allerdings sofort zum Physiotherapeuten, mein Rücken tobt. 700 PS – das ist die Zukunft W Vier Mann auf der „Tussy II". Die E-Autotester Guido Bellberg, Henryk M. Broder, Ansgar Fulland und Lutz Fügener (v.l.n.r.) gönnen ihren Akkus eine Pause auf der Havelfähre im brandenburgischen Caputh Von ANSGAR FULLAND ie geht der Stecker da raus? Ich rupfe vorsichtig am Tesla-Ladekabel und habe instinktiv Angst, einen Stromschlag zu bekommen. So ein Unsinn, beruhige ich mich. Das hier ist die Elektrozukunft, und die ist idiotensicher. Ich schiele rüber zu Bellberg. Doch der optimiert gerade die Reichweite seines BMW i3, indem er alle nicht notwendigen Verbraucher nach und nach abschaltet. Elektrik-Trick? Na, warte. Der riesige Touchscreen im Tesla leuchtet magisch. „Hey, Siri“, flüstere ich hoffnungsvoll, damit die Kollegen es nicht hören. Doch die automobile Zukunft ist nicht so raumschiffmäßig, wie ich gehofft hatte. Dann eben analog: Mit einem beherzten „Lutz!“ sichere ich mir Designprofessor Fügener, der sich auskennt mit Elektroautos, weil er welche entwirft. Er zeigt mir den Button, der den TeslaStecker löst. Ist doch ganz einfach, die Sache mit der EMobilität. Nur eben immer ein wenig anders. Nach dem Einlegen des Rückwärtsganges erscheint die Tiefgarage hinter mir im Großformat auf dem Tesla-Display. Das nenne ich mal eine Rückfahrkamera. Jetzt nur noch die Reichweite tunen. Die Klimaanlage kostet Strom, ich schalte sie aus. Und mein Handy wird von einem eigens mitgebrachten Solarpanel gespeist, das ich sonst beim Wandern auf den Rucksack schnalle. Noch bevor der Tag begonnen hat, sind der Tesla und ich Reichweitensieger. Wäre ich ein fränkischer Freiherr und hätte ich ein Landgut, würde ich mir den Twizy zulegen, um mit ihm über das Gelände zu fahren. Vom Herrenhaus zum Gästehaus und vom Gästehaus auf die Koppel. Man kann ihn auch als Golfwagen benutzen. Und wenn ich schon drei Autos hätte, ein SUV, eine Limousine und ein Coupé, dann würde ich mich auch „von der positiven Energie des Twizy“ inspirieren lassen. Wenn mir nur jemand sagen würde, wo ich sie finden könnte. Ansonsten würde ich eher Fiat Panda oder Dacia Sandero kaufen, die so viel wie ein Twizy kosten, dafür aber alles haben, was richtige Autos haben sollten. Vier Plätze, vier Türen, einen Kofferraum – und einen Tank voller Benzin. Übrigens: Das Essen im „Fährhaus“ war gut und nicht teuer. Und überhaupt nicht stylisch. R E N A U LT TWIZY SPORT EDITION Was die anderen sagen: Ist der süß, den würde ich auch gern mal fahren. Und im Sommer sogar ohne Türen. Was wir sagen: Nicht wirklich ein Pkw, oder? Nur Leute mit Todesverachtung fahren ihn auf der Autobahn. Leistung: 18 PS, Drehmoment: 57 Newtonmeter, Norm-Reichweite: 120 km, Vmax: 80 km/h, Grundpreis: 9500 Euro, 40 €/Monat Akku-Miete Ein Blick auf die freundlich bunt leuchtende Anzeige zeigt 410 Kilometer Restreichweite. Ein Blick in die angespannten Gesichter meiner Mittester zeigt, dass das in den anderen E-Autos nicht so rosig aussieht. Die Panik wird heute mitfahren. Aber nicht bei mir. Leise gleiten i3, Twizy, e-Golf und das beste Elektroauto der Welt (mein Tesla) aus der Parkgarage. Berlin gibt sich tropisch, 35 Grad. Während Bellberg versucht, Ordnung in die Elektrokarawane zu bekommen, surfe ich entspannt im Internet. Der Tesla hat das serienmäßig, und es funktioniert wie zu Hause auf dem Laptop. Nur dass der Bildschirm im Tesla größer ist. Das Wetterportal meines Vertrauens kündigt Höchsttemperaturen an. Ich entscheide mich spontan gegen Maximalreichweite und für kühle Erfrischung. Ein lässiges Winken in Richtung i3, und leise schließen sich die getönten Wagenfenster. Ich drücke den Power-Button der Klimaanlage auf dem Bildschirm. Das tut gut. Drei hochrote Köpfe im Reichweitenstress blicken neidisch in meine Richtung. Das, meine Herren, ist Elektromobilität, wie sie sein sollte. Es geht mit der üblichen Stunde Verspätung los. Nach wenigen Minuten ist Elektroautofahren im Tesla so unspektakulär wie ein holländischer Kinderwagen im Prenzelberg. Mir gefällt die Selbstverständlichkeit, mit der der Amerikaner zu bewegen ist. Mir gefällt das ruckfreie Einlegen der Fahrstufen. Und mir gefällt der Riesen-Touchscreen, der nicht jedem gefallen muss. Dafür sind alle Bedienelemente schön groß und nicht zu übersehen. Auf der Autobahn klemmen wir uns hinter den BroderTwizy, der systembedingt mit 80 km/h dahinschleicht. Das ist nicht mein Ding. Wie fühlen sich eigentlich 700 elektrische PS mit Vierradantrieb an? Ich ziehe nach links und gebe Gas. Ein Drittel der Leistung genügt, um die Kolonne innerhalb von wenigen Sekunden zwei Kilometer hinter mir zu lassen. Auf das Drücken des berühmten InsaneButtons, den es wirklich gibt, verzichte ich. Ich nehme den Amerikanern die 700 Pferdestärken auch so ab. Zeit, über E-Mobilität im Alltag nachzudenken. Der Tesla wird im Gegensatz zu seinen europäischen Brüdern den heutigen Tag problemlos durchhalten. Sein Stromvorrat würde bei gleicher Strecke auch noch morgen und übermorgen ausreichen. Trotz Klimatisierung. Der Tesla sieht gut aus, bietet ausreichend Platz für vier, fünf oder sogar sieben (!) Personen. Tesla hat außerdem in ganz Europa „Power Charger“ aufgestellt. Dreißig Minuten am Lader reichen laut Tesla, um Strom für 270 Kilometer zu bunkern. Und das kostenlos. Die überholten Kollegen trudeln ein. Der kleine Twizy möchte an die Steckdose, wir wollen in den Biergarten. Dann geht es in Caputh auf die älteste Fähre des Universums, wie Bellberg behauptet. „Motor aus!“, mahnt der Kapitän. Sehr witzig. Fortsetzung auf Seite 6 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 20. SEPTEMBER 2015 SEITE 6 Zurück in Berlin machen wir Zwischenstation bei den Grünen. Die haben Vorbehalte gegenüber meinem Auto. 700 PS seien zu viel. Das verleite zu unvernünftigem Fahren. Möglich. Aber ein 700-PS-Elektroauto verleitet auch einen unbeirrbaren Motorkopf wie mich dazu, sich mit alternativen Antrieben zu beschäftigen. Und ein 700-PSElektroauto ist besser als gar kein Elektroauto. Ein Rentner stoppt sein Fahrrad neben mir und taxiert das Auto. „Is dit elektrisch?“ Ja. „Wieviel Pe-Ess hat der denn?“ 700. „Und wat is mit die Reichweite?“ Über 400 Kilometer. Skeptische Blicke. „Dit hat keene Zukunft“, tönt es unter dem Helm hervor, bevor Rentner und E-Bike mit 25 km/h davonzischen. „Dit“, denke ich, „is die Jejenwart.“ TESLA MODEL S P85D Was die anderen sagen: Der lebende Beweis dafür, dass die deutschen Hersteller schlafen in Sachen E-Auto. Was wir sagen: Irre Beschleunigung, aber hohes Gewicht nebst hohem Verbrauch. Tesla kocht mit Wasser. Leistung: 700 PS, Drehmoment: 930 Newtonmeter, Norm-Reichweite: 491 km, 0-100 km/h: 3,0 s., Vmax: 250 km/h, Grundpreis: 129.200 Euro Motoren toll, Reichweite mau T Von GUIDO BELLBERG rotz Bullenhitze und Übergewicht des Fahrers bin ich fest gewillt zu beweisen, dass mein BMW i3 den wenigsten Strom verbraucht. Das ist wichtig, denn wir haben ein volles Programm: Von Berlin nach Caputh bei Potsdam sind es hin und zurück ungefähr gut 80 Kilometer – und bei den PS WELT-typischen Verfahrern noch ein paar mehr. Stöhn. Elektroauto fahren ist anstrengend, hauptsächlich, weil man ständig auf die Anzeige der Reichweite starrt. Und die sinkt, sobald ich die Klimaanlage einschalte, um rund 20 Kilometer. Das kann ich mir nicht leisten, also muss ich leiden. Es ist zwar heiß, aber wir haben später einen Termin mit Simone Peter, der Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, bis dahin müssen Mann und Maschine durchhalten. Insgeheim zähle ich auch darauf, dass die gute Frau mir hilft, mein Auto wieder ans Stromnetz anzuschließen. Beim Tesla habe ich den Stecker schon nicht herausbekommen, aber schlauerweise eine andere Beschäftigung vorgetäuscht, bis die anderen das Problem für mich gelöst hatten. So muss das am Nachmittag auch wieder laufen. Aber erst einmal läuft wenig. Erstaunlich, wie lang es dauert, vier Autos zu koordinieren und für ein einfaches Foto aufzustellen. Wir brauchen dringend Funkgeräte. Obwohl: Das hieße natürlich noch mehr Gewicht. Also ist lautes Herumbrüllen die Devise, am besten immer mindestens zu dritt. Das macht durstig und ist bei der Hitze doppelt gemein, denn ich habe jedem der Männer nur eine Flasche Wasser zugeteilt. Gewicht ist alles, trinken dürfen wir bitte nur im Notfall. Ich habe die Fenster unten und alles aus, was geht: kein Radio, keine Klimaanlage, kein Navi. Ich vertraue darauf, dass entweder Broder oder Fügener nicht geflunkert haben, als sie mir beide versicherten, ja, sie würden den Weg auswendig kennen, total einfach sei das. Das hat den Vorteil, dass ich mein Gehirn kaum einschalten muss, aber den Nachteil, dass ich niemanden überholen kann. Schon nach 15 Minuten wird klar, dass „der Weg“ ein dehnbarer Begriff ist. Ich beschließe, Henryk M. Broder zu folgen, hauptsächlich, weil es mich aufmuntert. Immer wenn ich mein Schicksal verfluche, schaue ich nach vorne und bekomme sofort bessere Laune, denn dort sitzt Broder in einem Renault Twizy und hat noch nicht einmal Fenster. Und kann nur 80 km/h „schnell“ fahren. Gut, so lustig ist das auch nicht, schließlich muss ich die ganze Zeit hinter ihm bleiben, will ich nicht verloren gehen oder, noch schlimmer, mich in das Navigationssystem einarbeiten. Die Idee, in Kolonne nach Caputh zu fahren und vielleicht noch einen Bezug zwischen den Elektroautos und Albert Einstein, der ein paar Jahre dort ein Sommerhaus besaß, herzustellen, klang viel besser, als sie noch eine Idee war. In Wahrheit ist der Berliner Verkehr bei Sommerhitze schon blöd genug, wenn man dann aber noch nicht einmal schneller als 80 km/h fahren kann und einen alle böse anstarren, ist es Essig mit Fahrspaß. Endlich Abwechslung: Broder ruft an und teilt mir mit, dass sein Akku fast leer sei. Wie ist das möglich? Beim Mittagessen fragen wir im Restaurant, ob wir den Renault aufladen können. Theoretisch schon, aber schein- bar gibt es irgendein Problem mit Sicherungen oder Leitungen, wer weiß das schon genau. Um die Ecke sei aber eine öffentliche Ladesäule. Da ich bei technischen Fragen keine Hilfe bin, überlasse ich das Betanken des Twizy Fulland und Fügener und studiere mit Broder zusammen die Mittagskarte, so sieht wahrer Fortschritt aus. Endlich geht es weiter: Rauf auf die angeblich älteste Fähre der Welt, wie mir mein Berliner Bekannter nicht müde wird zu versichern. Das weiß ich natürlich schon. Für Berliner gibt es grundsätzlich alles a) zum ersten Mal in Berlin und b) in Perfektion auch nur dort. Durchschnittliche Architektur und unterdurchschnittliche Musiker werden hoch- das geahnt, hätte ich den Renault hinübergeworfen. Aber dann hätte ich viele Herzen gebrochen, denn der kleine Franzose kommt deutlich besser an als der teure Amerikaner oder meine schnittige Designoffenbarung. Kindchenschema halt. Broder nutzt das schamlos aus und flirtet mit einer blonden Frau in einem Cabriolet. Er versucht sogar, das Auto mit der Dame zu tauschen, hat aber keinen Erfolg, so dass ich weiter über den Twizy lachen kann. Der Fährmann möchte endlich seinen Lohn. Acht Euro für vier Fahrzeuge, das ist unschlagbar, dafür hebe ich kein Auto hoch. Wir müssen Gas geben, die Grünen warten. Dafür wird das Foto-Shooting auf den nahegelegenen „Serpentinen“ – ich schwöre, das Wort ist wirklich gefallen – gestrichen. Natürlich sind die Serpentinen einmalig auf der Welt, und der ebenfalls gestrichene Einstein war ja eigentlich auch Berliner. Endlich geht es zurück in die wahrscheinlich größte, älteste und bedeutendste Metropole des Universums. Meine Reichweite ist beträchtlich geschmolzen, langsam wird’s spannend. Hurra, alle vier erreichen die Bundeszentrale der Ökopartei. Parkplätze sind kein Problem, weil alle Grünen Fahrrad fahren. Frau Peter steht plötzlich neben mir, und ich habe keine Ahnung, wo sie so schnell hergekommen ist. Muss mit dem Ökostrom zusammenhängen, den sie uns freundlicherweise anbietet. Fachfraulich schließt sie Broders Auto an und wendet sich dann meinem BMW zu. So was Blödes, der Stecker passt nicht, und die anderen haben vergessen, mir zu sagen, dass ich das Kabel mitnehmen muss. Das ist ärgerlich, aber Frau Peter hat keine Zeit für solche Spielchen, also machen wir ein schnelles Interview. Sie erklärt uns, wie genau das funktioniert mit der Elektromobilität. Und wie wichtig es sei, den öffentlichen Nahverkehr mit einzubeziehen. Auch Subventionen kommen zur Sprache, und damit habe ich schon gerechnet, niemand mag mehr Marktwirtschaft. Ich merke, wie ich unaufmerksam werde – das muss die Dehydrierung sein – und möchte mich endlich den wichtigen Dingen zuwenden. Ich frage die Bundesvorsitzende, mit welchem der vier Autos ich am besten auf einer Grünenparty auftauche, damit ich das Interesse der Frauen ›› Wir müssen Gas geben, die Grünen warten ‹‹ gejazzt, als wenn es auf der ganzen Welt nichts anderes gäbe. Aber egal, die angeblich modernsten Fahrzeuge auf der angeblich ältesten Fähre sind ein hübscher Kontrast. Und alt ist das Ding schon, nur keine echte Fähre: Wie immer wird gepfuscht, und das Teil fährt an Drahtseilen. Über eine Strecke von ungefähr 25 Zentimetern. Hätte ich Grünen-Chefin Simone Peter findet Elektroautos gut – bloß den Tesla nicht. 700 PS, sagt sie, verleiten zu unvernünftiger Fahrweise. Kann sein Im Tesla sieht es so aus, als hätte jemand sein iPad liegen gelassen. Aber der Bildschirm ist serienmäßig Henryk M. Broder (r.) ist genervt von seinem Renault Twizy, er wäre lieber in Fullands (M.) Tesla gefahren. Oder im e-Golf von Fügener – der wenigstens Broders Hund mitgenommen hat SEITE 7 ›› 33 Grad, wir warten in Heiß war’s beim Testen, und aus Gründen der Reichweite hatte nicht jeder Testfahrer zu jedem Zeitpunkt die Klimaanlage eingeschaltet. Mancher beneidete Broders Hund vielleicht um den Wassernapf wecke. Frau Peter starrt mich einen Moment an und erklärt mir dann wieder Dinge, für die ich zu müde bin. Außerdem sind Partys ja auch laut, da kann man gar nicht reden. Okay, sagt sie, das steigert vielleicht die Attraktivität des Mannes, aber es geht ja um den Erfolg der Elektromobilität an sich. Ha, ahnte ich es doch, Tesla kommt auch auf Grünenpartys gut, das merke ich mir. Broder und Fügener retten mich, indem sie kluge Dinge sagen. Geschafft, schnell zurück zur Redaktion und letzte Fotos auf dem Parkplatz machen. Wasser, ich brauche Wasser. Nett war’s, und gelernt habe ich auch etwas: Elektroautos sind richtige Autos, eignen sich aber nur für kurze Strecken. Ausnahme ist vielleicht der Tesla, aber 400 Kilometer hätte der auch nicht geschafft, ich vermute, weil Fulland heimlich die Klimaanlage anhatte. Ganz ehrlich: Wäre ich nur in der Stadt unterwegs, und dürfte ich zusätzlich einen Sportwagen meiner Wahl besitzen, wäre der BMW mein persönlicher Favorit. Das Ding hat schön viel Power, ist bequem und sieht gut aus, außer von hinten. Aber das Heck würde ich nie sehen, da ich grundsätzlich rückwärts einparke, um schneller fliehen zu können. Allerdings würde ich wahrscheinlich den bei diesem Test verbotenen Hybridantrieb wählen. Fazit: Elektromotoren sind absolut konkurrenzfähig, nur die Akkus nicht, aber das kann sich ändern. Ansonsten retten auch Subventionen kein Produkt, das niemand haben möchte. Warten wir’s ab. BMW I3 Was die anderen sagen: Bewundernswert wegen leichter Karbon-Karosserie, Design, BMW-Fahrgefühl. Was wir sagen: Gut aussehend, gut gemacht, aber riskant. Warum? Im Alltag kein Reichweitenwunder, teuer. Leistung: 170 PS, Drehmoment: 250 Newtonmeter, Norm-Reichweite: 190 km, 0-100 km/h: 7,2 s., Vmax: 150 km/h, Grundpreis: 39.450 Euro Der e-Golf ist mehr Golf als E W Von LUTZ FÜGENER ir sind unterwegs in einer Kolonne von vier rein elektrisch betriebenen Autos oder besser: Fahrzeugen, da dem Twizy die Bezeichnung Auto in der Regel abgesprochen wird. In der äußeren Wahrnehmung jedoch besteht unser Tross aus drei E-Fahrzeugen und einem Golf. Mehrfach kann man auf unserer Fahrt bei Stopps an roten Ampeln vernehmen, dass sich den Passanten der thematische Zusammenhang unserer Kollektion offenbart hat. Doch die Wahrnehmung beschränkt sich immer nur auf den in der praller Sonne auf die Fähre ‹‹ Aufmerksamkeitsskala fraglos ganz oben stehenden Twizy, den exaltierten BMW i3 und den opulenten Tesla Model S. Mit einem Golf gehört man zum automobilen Hintergrundrauschen – im konkreten Fall bin ich im Schatten der illustren Gesellschaft einfach unsichtbar. Man muss sich sogar in der Nomenklatur der Typenbezeichnungen von Volkswagen auskennen und den Unterschied zwischen e-Golf (Elektro) und Golf GTE (Plug-in-Hybrid) draufhaben, um den blauen Viertürer am Schriftzug auf der Heckklappe zu identifizieren. Der Volkswagen repräsentiert in unserem Test als einziger das konservative Konzept der nachträglichen Elektrifizierung eines Autos, das ursprünglich für den Betrieb mit Verbrennungsmotoren gebaut worden ist. Er erscheint mir im Hinblick auf das Thema Elektromobilität als das Ergebnis einer Strategie des aktiven Abwartens: nicht zu viel riskieren, aber auch den Anschluss nicht verlieren. Der Kompromiss verdeutlicht sich in der Tatsache, dass der e-Golf von den Vorteilen eines rein elektrischen Layouts mit den Möglichkeiten der viel freieren Verteilung der Volumen und Aggregate im Auto nicht profitieren kann. Trotz eines kompakten E-Motors in der Größe eines konventionellen Getriebes ist der Motorraum voll. Dazu ist der Kofferraumboden zwecks Unterbringung der Akkus angehoben. Die Höchstgeschwindigkeit des Modells ist auf 140 km/h begrenzt, die Leistung von 115 PS liegt weit unter der des auffälligen Konkurrenten BMW i3. Besonders emotional reagiere ich angesichts dieser Werte nicht, als ich mich nach der Verteilung unserer Testwagen im blauen e-Golf wiederfinde. Gerne helfe ich in der Tiefgarage bei der Vorbereitung und dem Rangieren der anderen Gefährte, bevor ich schließlich den Volkswagen als unauffälliges Führungsfahrzeug durch den Berliner Verkehr steuere. Während meine Mitstreiter anfangs noch merklich mit den ungewohnten Bedienungsabläufen in ihren Autos ringen, habe ich Muße, im Golf nach Unterschieden zum fossil betriebenen Schwestermodell zu fahnden. Erst auf den zweiten Blick fällt mir das Instrument zur Messung der elektrischen Leistung auf, das hier den Platz des Drehzahlmessers einnimmt und sich in Gestaltung und Grafik auch als solcher zu tarnen versucht. Ansonsten: alles Golf. Schüchtern vermeldet das Display zwischen den beiden Uhren den wichtigen Wert der verbleibenden Reichweite. Ich starte mit etwas weniger als 200 km. Für unsere Tour sollte das reichen. Schon bevor wir unser erstes Zwischenziel Potsdam erreichen, klettert die Außentemperatur über die 30-Grad-Marke. Trotzdem lasse ich vorsichtshalber die seit dem Start deaktivierte Klimaanlage ausgeschaltet. Nach zwanzig Kilometern mit geöffnetem Fenster gewinne ich jedoch Vertrauen in die Reichweitenprognose. Broder bestimmt im Twizy die bescheidene Marschgeschwindigkeit unserer Flotte. Bei 80 km/h scheint der e-Golf unter Einsatz des Tempomaten beinahe Energie zu produzieren. Der Strommesser schlägt kaum aus und pendelt schon bei sehr leichtem Gefälle sogar in den grünen Bereich der Rückspeicherung. Als ich den ersten Kilometer Reichweite auf mein Konto überwiesen bekomme, schließe ich das Fenster, starte das Klimagerät und schalte es bis zum Ende der Fahrt auch nicht mehr ab – herrlich! Auf der Autobahn ist die gleichmäßige Fahrt ohnehin die beste Art, den e-Golf zu bewegen. In der Stadt ein wuseliger und unschlagbar unkompliziert zu fahrender Geselle, kann er draußen seine mit Diesel oder Benzin betriebenen Brüder nicht wirklich herausfordern. Eine feine Sache haben sich die VW-Ingenieure jedoch ausgedacht: die Einstellbarkeit des Rekuperationsverhaltens. Im Stadtverkehr wähle ich die höchste Stufe und habe so beim Gaswegnehmen, genauer: beim Stromwegnehmen eine spürbare Bremswirkung des Motors. Selten muss ich zwischen zwei Ampeln die Bremse benutzen, gewinne viel Energie zurück, halte meine Reichweite und fahre – wie im Autoscooter – nur mit dem Strompedal. Endlich auf der Stadtautobahn, schalte ich in den entgegengesetzten Zustand und der Golf scheint beim Lupfen des Fahrpedals nahezu widerstandslos zu segeln. So komme ich am Wendepunkt unserer Reise entspannt und gut gelaunt an. Auf die Möglichkeit der Benutzung einer Ladesäule auf dem Parkplatz verzichte ich großzügig zugunsten des bedürftigen Twizy. Meine Reichweite passt – auch mit Klimaanlage. 33 Grad zeigt das Thermometer, und auch beim Warten auf die Fähre in praller Sonne funktioniert die e-GolfKlimatisierung, während beim armen Broder das Deo längst versagt hat. Wir beschließen, von nun an wenigstens seinen kleinen Hund im gekühlten Golf zu befördern, was dieser mit offensichtlicher Erleichterung akzeptiert. Zurück im Berliner Verkehr, müssen wir im Nachmittagsstress quer durch die Stadt. Ich versuche, die Kolonne zusammenzuhalten. Den Golf fahre ich inzwischen intui- tiv, bediene fast ausschließlich Strompedal und Blinker und kann mich so auf die Vorgänge hinter mir konzentrieren. Trotzdem sind Bellberg im i3 und Fulland im Tesla irgendwann weg und trudeln mit kleiner Verspätung am Hauptquartier der Grünen ein. Später, auf dem Weg zur Rückgabe der Fahrzeuge, bin ich sicher, mit dem e-Golf das große Los gezogen zu haben. Was man Volkswagen ankreiden kann, ist allein das viel zu verhaltene Grundkonzept dieses Autos, denn seine Elektrifizierung an sich ist hervorragend gelungen. Nicht auszudenken, was möglich wäre, wenn man zum Thema Elektroauto bei VW die Fahrzeugentwickler und Designer von der Leine ließe. VW E-GOLF Was die anderen sagen: Typischer Golf, etwas langweilig, aber technisch voll auf der Höhe. Reichweite okay. Was wir sagen: So muss E-Mobilität sein – komplett ohne Abenteuerfaktor. Wenn nur die Akkus länger hielten Leistung: 115 PS, Drehmoment: 270 Newtonmeter, Norm-Reichweite: 190 km, 0-100 km/h: 10,4 s., Vmax: 140 km/h, Grundpreis: 34.900 Euro DER NEUE PEUGEOT 308 GTi. VON 0 AUF 100 IN 6,0 SEK . IMPRESS YOURSELF. 200 KW / 272 PS UND VIELES MEHR FINDEN SIE AUF DER IAA IN HALLE 8. Kraftstoffverbrauch in l/100 km: innerorts 8,1; außerorts 4,9; kombiniert 6,0; CO2-Emission (kombiniert) in g/km: 139. Nach vorgeschriebenem Messverfahren in der gegenwärtig geltenden Fassung. peugeot.de/308gti SEITE 10 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 20. SEPTEMBER 2015 SEITE 11 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 20. SEPTEMBER 2015 SEITE 12 Frauen am Rande des Tempolimits Wir haben unsere Autorinnen gebeten, ihren nächsten Europa-Trip am Steuer vorzunehmen. Julia Friese steigt in das Männerauto schlechthin und fährt mit dem McLaren 650S Spider die klassische Belle-Époque-Route von Wien nach Paris Fotos WILLIAM DUPUY HANS HOCHSTÖGER Von JULIA FRIESE wenn man mit so einem Auto unterwegs ist, dann nerven die anderen noch mehr. Ich wollte einfach nur auf die Autobahn. Schnell. Am besten die deutsche Autobahn. Denn dieses ewige, leicht böse Gegrummel unter dem rechten Fuß – die Nackte, die klagt, dass man sie zurückhält –, das erträgt man nicht lang. Wir fahren über die deutsche Grenze, und dann, endlich, ein Abschnitt A3 ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Linke Spur, rechter Fuß – ich weiß ziemlich genau, dass ich so nie sein wollte, ein Autobahnraser, aber verdammt, in diesem Auto ist das was anderes. Eine Melange aus Sex und Sport, so fühlt sich das an. Das Beschleunigen, es beginnt im Rückenmark und geht dann runter in Bein und Fuß. Es ist ein von Allmachtsfantasien begleitetes Zittern. Die Realität verwischt, wenige Zentimeter über dem Asphalt rauscht man daher, es ist kein Fliegen, es ist härter, man merkt es, die Lehne im Rücken wird fester, das Lenkrad sensibler. Dennoch es geht leicht. Kinderleicht. Jeder kann dieses Auto fahren. Theoretisch. Wollen wir zum Essen rausfahren, fragt mein Begleiter irgendwo in Franken – im romantischen Franken, so steht es rechts an der Fahrbahn – und ich erschrecke. Über die Fahrt, das ist tatsächlich passiert, da hatte ich ihn vergessen. In einer Raststätte in Aurach essen wir ein Schäufele. Zum ersten Mal in meinem Leben trinke ich ein alkoholfreies Bier. Häufiger als meinem Begleiter in die Augen sehe ich nach draußen auf den Parkplatz. Dort steht das Auto, wie immer nackt und einfach nur so da. Es ist Frankreich, das mögen wir, hier fahren wir ohne Dach. Das Motorengeräusch ist allumfassend, es hüllt uns 1 W i e n – Pa r i s Julia Friese WIEN PARIS ein, wir fühlen uns satt, so luxuriant und voll da. Mein Begleiter erzählt, er hat hier mal gelebt, er streckt den ganzen Arm aus dem Fenster, sagt, da, er zeigt auf ein Fischgeschäft an einer Straßenecke, da hat er gelernt, wie man Austern den Schließmuskel bricht. Er macht diese kleine Bewegung mit der Hand und lacht. Ich nicke. Uns geht es gut. Wir hören Radio FG Chic. Wir fahren in den Kreisverkehr an der Opéra Bastille. Die Franzosen, sie fahren ihn mehrspurig, ohne Straßenkennzeichnungen, uns macht das Spaß, wie ein oranger Kreisel rotieren wir. Die Nackte, mittlerweile ist sie einfach unser Auto geworden. Es beginnt zu nieseln. Wir machen den Mund weit auf. Menschen am Straßenrand, da sind wir sicher, die fotografieren jetzt uns – nicht den Wagen. Am nächsten Tag führt uns das Navigationssystem in der Mittelkonsole zu McLaren Paris. Dort fahren wir in eine Garage voller Anzug tragender Männer. Sie schweigen. Und der Spider schneidet uns raus, mit seinen Scherentüren, raus aus seinem orange-modernen Bild. Ein Anzug gibt mir meinen kleinen, verfleckten Rucksack, er lag noch zwischen den glänzenden Scheinwerfern, vorn im Kofferraum. Und dann, die Schlüssel sind weg, stehen wir wieder auf dem Bürgersteig. Auf Beinen, wie all die anderen auch. Und sie gehen an uns vorbei, sie sind Passanten, sie sind viele, und mein Begleiter und ich, wir auch, es geht sehr schnell, wir verschwinden – in Paris. Die Fahrerin übernimmt einen Traum in Orange (l. o.) Fast vier Liter Hubraum vor der Wiener Hofburg (r. o.). Mit offenem Verdeck vor dem legendären Hotel Sacher (unten) MCLAREN Julia Friese ist, es ist eine Erwartungshaltung. Gleich bist du weg. Verschwunden. Aus dem Stand in drei Sekunden auf 100. Wie ein Textmarker highlighten wir uns durch das sahnesüße, alte Wien. Wir wissen noch nicht, wie wir das finden, aber jeder Meter, den wir fahren, ruft: Guckt uns an. Nichts an diesem Auto ist subtil oder Zitat. Wir sind der Zeitgeist. Wir sind schnell, wir brummen laut, pausenlos machen wir auf uns selbst aufmerksam. Wir sind das mit orangem Lack übergossene Limit. Ein Fiaker überholt uns. Die Fahrgäste gucken. Der Kutscher guckt. Nur die Pferde tragen Scheuklappen. Ich glaube, man kauft sich dieses Auto, weil man alle verachtet, sagt mein Begleiter, beugt sich vor, holt seine Burberry-Sonnenbrille aus dem Etui und setzt sie auf. Die Sonne scheint nicht. Ich nicke, sage, das Perfide ist nur, Hans Hochstöger/Agentur Focus(4) D a steht also dieser Wagen vor der Wiener Oper, und er steht da wie eine Nackte. Glänzt vulgär in Orange, als sei er aus Plastik, kein Funken Sentimentalität, die Nackte, sie ist eine Maschine. Der Passant ist deswegen völlig ungeniert, seine Augen fahren wie auf Schienen immer wieder an dem Wagen entlang. Da ist dieses wangenrunde Gesicht mit den Sichelaugen. Es lacht leicht gierig. Der Boden hängt tief, gefährlich, verletzlich. Der Passant weiß, der Anblick ist selten, er will zugreifen, am besten beide Hände auf das Auto legen, vielleicht auch noch den Mund, und dann im kindlichsten Trieb alles bespeicheln. Aber er macht es nicht, er ist eben nur ein Passant. Er macht ein Foto. Mein Begleiter lacht, als er das Auto sieht. Er sagt, wirklich alle gucken. Dann korrigiert er, wirklich alle Männer gucken, und ich öffne den kleinen Kofferraum zwischen den Frontlichtern, stelle seine Ledertasche hinein und seinen Anzugsack, der faltet sich zusammen, viermal, dann ist der Kofferraum auch schon voll. Wir fahren von Wien nach Paris. Viel mitnehmen können wir nicht, denn die Nackte fasst nicht viel. Am liebsten ist sie leer, denn wenn sie leer ist, ist sie leicht – und leicht, das ist eben schneller. Auf mein Geheiß hin wirft das Sportgerät seine Scherentüren nach oben, langsam räkelt es sich in Position und während wir einsteigen, naht ein kleiner bekappter Junge, er kippt die Schultern nach vorn, so, hofft er, sehen wir ihn nicht. In blitzlosen Knipsgewittern sage ich zu meinem Begleiter, heute Morgen, da war ich tanken am Praterstern, quasi allein, denn alle anderen Tankenden ließen sofort ihre Autos stehen. Tür und Tankdeckel standen noch offen, es war ihnen egal, sie kamen und fragten den Fotografen auf dem Beifahrersitz, was das denn für ein Auto und für ein Motor seien. Ich antwortete für den Fotografen, sagte: Guten Tag erstmal. Und: Das ist ein McLaren 650S Spider. Er hat einen Doppelturbo-V8-Motor mit 3,8 Litern Hubraum. Einer der Tankenden sah mich daraufhin an, als hätte ich ihn angespuckt, direkt ins Auge, er blinzelte, raunte, ich solle das Auto lieber nackt putzen, statt es zu fahren. Dann wandte er sich ab. Mein Begleiter schmunzelt. Ich fahre fort, sage, in diesem Moment, da gab es nichts Schöneres, als fortzufahren. Diese Genugtuung, genau diesen Motor anzulassen. Hier, sage ich und drücke den Startknopf. Und es passiert ganz unmittelbar, meinem Begleiter, endlich, entgleiten die Züge. Er lacht ein bisschen irre, so wie auch ich gelacht habe, als ich zum ersten Mal diesen Knopf gedrückt hatte. Man kann nicht anders, denn der Motor hinter einem, er brüllt einen so satt und heiser an, dass es kein Motorengeräusch mehr 650S SPIDER Was die anderen sagen: Respekt, der ist schneller als Ferrari und Porsche, er kommt nur etwas unterkühlt daher. Was wir sagen: Er ist schnell, heiß, laut, aber er ist auch kapriziös. Und Ferrari und Porsche sehen besser aus. Leistung: 650 PS, Hubraum: 3,8 l, Motor: V8-Benziner mit Turbo, 0-100 km/h: 3,0 s., Vmax: 329 km/h, Grundpreis: 255.000 Euro William Dupuy/ Picturetank/ Agentur Focus(5) SEITE 13 Paris à l'été. Julia Friese neben Scherentüren am Montmartre (oben). Souveränes MoulinRouge-Cruising (l. u.) und volle Breitseite am Ufer der Seine (r. Mitte) DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 20. SEPTEMBER 2015 SEITE 14 Von RONJA VON RÖNNE K Francesco Merlini/ Prospekt Von HANNAH LÜHMANN Die dunkle Seite des Citroën DS3 eine Ahnung, wozu man den Range Rover Sport braucht. 126.400 Euro teuer, 550 PS stark, 4,88 Meter breit, ein Wagen, der vor eindrucksvollen Zahlen bebt, und vor dem man dann doch etwas ratlos steht. Selten sind im Leben jene Situationen, in denen man in der Klemme steckt und sich denkt: „Oha. Jetzt kann mir wirklich nur noch ein knallblauer Range Rover mit 550 PS noch helfen“. Noch seltener ist freilich, dass man in solchen Situationen über knapp 130.000 Euro verfügt. Aber die Frage nach dem Nutzen des Wagens stellt sich nicht mehr, wenn man ihn fährt, wenn jede rationale Überlegung beiseite gewischt wird von Adrenalin und purer, freudiger Emotion. Denn schon nach wenigen Kilometern wird mir und meinen Mitfahrern klar: Man hätte uns dieses Auto nicht geben sollen. Man hätte uns dieses Auto nicht geben dürfen. Pure Potenz. Der Range Rover selbst hat uns gewarnt, gleich am Anfang in der Tiefgarage, als uns die neue Auspuffanlage beim Start niederbrüllte und entgegengrollte. Wir hörten die Kraft, wir überhörten die Warnung. Wir saßen schon drin in den Integralsitzen mit feststehenden Kopfstützen. Wir wollten fahren. Vor uns lagen 1000 Kilometer, und schon nach ein paar Metern erschien uns das viel zu wenig. In der Stadt kommt man sich etwas albern vor mit den 2,3 airbrushblauen Tonnen um einen herum. Es ist ein sonniger Tag, der Sommer hat dem Himmel das Grau vom Gesicht gewischt, freundliche Gesichter auf der Straße, ein Blumenhändler scherzt mit einer Kundin. Dann dröhnt der Range Rover Sport vorbei, und es wird kurz still, vielleicht 3 Berlin – Klagenfurt Ronja von Rönne BERLIN A ls Michi anrief, hatte er brüsk geklungen, fahrig. Es war klar, dass ich fahren musste, und dass nicht sehr viel Zeit blieb. Es war noch dunkel, als ich in Berlin losgefahren bin, und der Lack meines Autos verklebt vom Saft, den die Blattläuse in die Straßen hinuntertropfen lassen. Honigtau nennt man das. Über zehn Stunden auf der Straße, noch 300 Kilometer. Es ist fast wieder dunkel, noch warm. Die Sonnenbrille lasse ich auf, ziehe das Tuch fester um die Schultern. Das Verdeck lasse ich unten, es ist mir nicht geheuer. Der widerstandslose Komfort meiner Automatikschaltung steht im Gegensatz zu allem Innerlichen. Neun Stunden und dreiundzwanzig Minuten, hat Google Maps gesagt. Am Ende gibt es einen Autozug, hat ein Freund gesagt, dann musst Du die Serpentinen nicht nehmen. Michi hat nichts gesagt, Michi sagt nie etwas. Ich habe das mit dem Autozug nicht weiter recherchiert, es war schon einen Tag vor der Abreise. Goms liegt im Wallis. Adorno ist im Wallis gestorben. Sie essen dort sehr viel Trockenfleisch. Michi wohnt am Berg in einem dunklen Haus, hinter dem ein Bach fließt, der einen ungeheuren Lärm macht. 48 Viertausender gibt es in der Schweiz. 41 davon liegen im Wallis. Irgendein Dorf an der Grenze, Österreich, Geschwindigkeitsbegrenzung, dreißig. Die Ampel ist Das Schwarze neben mir könnte Wand sein oder Abgrund. ausgefallen. Die Polizisten tragen blaue Uniformen. Sie Hätte ich schreiben sollen, dass man meine Lunge niesehen freundlich aus, winken. Es scheint eine Art Parade mandem mehr zumuten kann? Ich zünde mir eine weitere stattgefunden zu haben. Ein Kind läuft weinend am Arm Zigarette an. Es dauert sicher eine Weile, bis sie einen seiner Mutter, ein anderes ist als Tiger geschminkt. finden hier oben. Es beginnt in Strömen zu regnen, Das Wallis ist ein Ort zum Stersobald ich die Schweizer Grenze ben, Adorno ist auf das Matterhorn passiert habe. Ich versuche, die Berlin – Goms gefahren, bevor er gestorben ist. Ich Scheibenwischer hinten anzubewill etwas sehen, bevor ich sterbe. kommen, es geht nicht, ich fluche Hannah Lühmann Nicht im Dunkeln in eine schwarze und rauche eine Zigarette. Masse fahren, von der ich nicht Rechts der Walensee, blau und weiß, ob es eine Felswand ist oder weit wie ein Märchen. Links Felsein Abgrund. wände, über mir schräg in die Straße BERLIN Wenn sie den Organspendeausgeneigtes Gestein. Betonpfeiler, es weis finden würden, würden sie sigeht bergauf. Michi wohnt auf 2501 cher sagen: Wie tragisch, als hätte sie Metern. Ich habe neuerdings einen es geahnt. Dabei gibt es ja nun wirkOrganspendeausweis. lich überhaupt keinen ZusammenEs hört auf zu regnen. Es wird hang zwischen dem blöden OrganNacht. spendeausweis und dem frühzeitigen Ich habe angekreuzt: Ja, ich geGOMS Tod durch Dummheit. Ich will nicht statte, dass nach der ärztlichen Feststerben. Ich finde es kapriziös, sterstellung meines Todes meinem Körben zu wollen, wenn man eigentlich gar nicht sterben will. per Organe und Gewebe entnommen werden. Ich hätte Es ist unnötig, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Es muss auch ankreuzen können: Ja, ich gestatte dies, jedoch nur nicht sein. Es sei denn, man tut irgendetwas Sinnvolles für folgende Organe/Gewebe. Doppelpunkt. dabei. Aber das hier ist nicht sinnvoll. Es wäre nicht nötig Serpentinen, das Navigationsgerät zeichnet sie als gezu sterben, es wäre einfach nur dumm. Warum bin ich im zacktes Gedärm. Alle fünf Meter ein Ende. Ein Fuchs im Wallis? Weil Michi angerufen hat. Scheinwerferlicht. Verendende Falter fliegen auf, weiß. 2 CITROËN DS3 CABRIO P U R E T E C H 110 Was die anderen sagen: Oh, wie niedlich, oh, was für ein großartiges Design, muss ich haben. Was wir sagen: Hübsches Auto, aber Euphorie ist unnötig. Großes StoffSchiebedach statt Cabrioverdeck. Leistung: 110 PS, Hubraum: 1,2 l, Motor: Vierzylinder-Turbobenziner, 0-100 km/h: 10,6 s., Vmax: 188 km/h, Grundpreis: 24.070 Euro Fotos FRANCESCO MERLINI Einmal Alpen und zurück. Inklusive Meditation auf der Rückbank, schönen Aussichten und in Serpentinen der untergehenden Sonne entgegen KLAGENFURT wird es auch nicht still, das kann man schwer beurteilen, zu laut dröhnt der Wagen jede Möglichkeit eines Gesprächs nieder. Schnell scheint klar: Wer mit diesem Auto fährt, kommt nicht in friedlicher Absicht. Er kommt, um gesehen zu werden. Nicht der gute Geschmack wird ausgestellt, sondern die pure Existenz wird zur Rebellion. Wir. Sind. Da. Im Wageninneren singt Laura Marling: „We are meant to be seen and not to be understood.“ So schnell wie möglich verlassen wir die Stadt. Wir werfen keinen Blick zurück. Der Range Rover ist kein Auto für ein letztes, nostalgisches Zurückblicken. Das erledigt die Rückfahrkamera für einen, man selbst sieht auf die Straße, nach vorne, immer nach vorne. Das ist die A9. Das ist das Berliner Umland. Ortschaften ziehen an uns vorbei, Vorort nach Vorort. Die ganze Bundesrepublik ein Vorort. Die Straße liegt vor uns brach, wir fädeln uns mit braven Bürgern in den Baustellenabschnitt. Die anderen Wagen weichen uns aus, unser Auto ist zu breit, der Range Rover fordert Raum, erweitert die Kampfzone durch Fahrzeugbreite. Nach der Baustelle kommt noch eine Baustelle, und dann kommt noch eine Baustelle. Dann kommt noch eine Baustelle. Ich frage meine Begleitung, was diese elende Tempolimit-Diskussion überhaupt soll, schneller als 120 km/h konnten wir bisher eh nicht fahren. Unter uns dröhnt die Erwartungshaltung laut, kraftvoll, ungeduldig, berstend vor Adjektiven. Dann ist es so weit. Die Straße leer. Keine Baustelle weit und breit. Der Range Rover darf zeigen, wohin die 550 PS geflossen sind. Ich atme ein, meine Begleiter krallen sich fest, dann sinkt mein Fuß auf das Gaspedal. Der Wagen reagiert sofort auf die neu gewonnene Freiheit, wir beschleunigen, 100 km/h, die Straße wird Bühne, 180 km/h, das ist also der Sommer, 200 km/h, das ist also der Range Rover, 250 km/h, nur so will man sterben. In nur 4,7 Sekunden poltert der Gigant auf 100 km/h, straft sein Gewicht und sein etwas prolliges Aussehen Lügen und prescht gegen jeden Widerstand los. Der Wagen beginnt zu schlingern, wir sind zu schnell, um noch dem Tachometer groß Beachtung zu schenken, und bremsen ab. Als sich der Puls langsam wieder beruhigt, sind wir schon in Bayern. Die Landschaft rebelliert gegen alles Glatte, wird rissiger, erhebt sich, und dann sind wir auf dem Irschenberg, und vor uns nur noch Postkarte. Berge recken sich lächerlich majestätisch dem Himmel entgegen, berühren ihn fast. Ich hole aus, will meinen Freunden klarmachen, dass wir gerade den schönsten Teil Deutschlands erreichen, da schreckt mein Beifahrer hoch. „Wahnsinn!“, wird er sagen, denke ich. „Was für ein Panorama!“, wird er sagen, denke ich. Er reibt sich ungläubig die Augen. „Geil, McDonald’s!“, sagt er stattdessen. Kulturpessimistisch steuere ich den Rasthof Irschenberg an. Wir steigen aus und werden erschlagen von der Hitze, die Klimaanlage täuschte milde 20 Grad vor, aber Bay- SEITE 15 ir nehmen gern jeden Leserkommentar entgegen und beantworten ihn auch brav. Was wir aber in den Papierkorb werfen (und vorher zerknüllen), sind neunmalkluge Hinweise, dass wir als PS WELT schon deshalb völlig aus der Zeit gefallen seien, weil man PS ja gar nicht mehr sagen dürfe. Stimmt, die Pferdestärke ist tot, seit fast 40 Jahren schon. Leistung sollen die Deutschen seit dem 1. Januar 1978 einheitlich in Watt angeben, und wenn mehr davon da ist (wie bei Autos), dann eben in Kilowatt. Das Problem ist: Außer denen, die von Gesetzes wegen gehorchen müssen (Schulbuchverlage, Autohersteller, Behörden), gehorcht niemand. Keiner kennt irgendjemanden, der über seinen BMW sagen würde: „Alter, mein neuer M3: 317 kW.“ Nein, 431 PS hat die Karre, nur so wissen alle anderen auch zu würdigen, was da los ist unter der Haube. Und überhaupt, wie sich das schon anhört: ka-weh. So lang und lahm, auslaufend in leichtem Jammerton. Nichts gegen einen langgezogenen E-Laut, der steckt ja auch im „pee“ von PS. Aber, und darauf kommt es an, er wird aggressiv abgeschnitten durch ein zackiges „ess“. Pee-ess, da weiß man doch gleich, wo der Hammer hängt, selbst wenn es nur 50 PS sind wie im ersten Golf Diesel. Küchenpsychologisch ist natürlich leicht zu erklären, warum niemand zum Kilowatt gewechselt ist: Das Auto wird dadurch gefühlt schwächer. 100 PS sind leider nur 74 kW – wäre es umgekehrt, würden die Menschen sicher W Nieder mit dem Kilowatt! Ronja von Rönne Johannes Puch/ORF Man soll nicht mehr PS sagen. Wissen wir, ignorieren wir. Für immer Zum Bachmannpreis in Klagenfurt kommen die Dichterinnen selten mit dem Auto. Der Range Rover Sport SVR ist ein mächtiger Gegenentwurf. Eine Huldigung ern brennt. Wir kaufen Burger, die Hitze knallt auf den Asphalt, wir sitzen auf dem Boden vor dem Wagen und kauen hastig. Wir wollen weiter. Immer weiter. Nach einer Dreiviertelstunde erreichen wir den Chiemsee. Wir halten am Ufer und baden. Das blaue Wasser wirkt blass gegen den Range Rover, alles wirkt blass gegen den Range Rover. Ich freue mich auf die nächste Etappe mit dem überflüssigsten und aufregendsten Auto, das ich je gefahren bin. Morgen fahren wir weiter, über die österreichische Grenze, 250 Kilometer liegen noch vor uns, dann tauschen wir das bayerische Meer gegen den Wörthersee. 250 Kilometer bis nach Klagenfurt. Viel zu wenig. Mit diesem Wagen immer viel zu wenig. RANGE ROVER SPORT SVR Was die anderen sagen: Gier, sabber, geifer, 550 PS, lechz, brauche ich, morgen nehme ich einen Kredit auf. Was wir sagen: Irre Idee, der König der Geländewagen wird zum Sportwagen. Aber der Motor ist zu laut. Leistung: 550 PS, Hubraum: 5,0 l, Motor: V8-Benziner mit Kompressor, 0-100 km/h: 4,7 s., Vmax: 260 km/h, Grundpreis: 126.400 Euro Die Autorin on the road zum wichtigsten deutschsprachigen Literaturpreis. Ohne ein obligatorisches Bad im Wörthersee geht es auch für die Klasse von 2015 nicht. Die Lesung selbst bestreitet sie im schicken Bubikragenkleid. Später wird in der Klagenfurter Innenstadt anerkennend der voluminöse Kofferraum überprüft eher mit sich reden lassen. Und wer weiß, vielleicht wären wir heute die KW WELT. Na ja, man kann es auch mit Peer Steinbrück sagen: hätte, hätte, Fahrradkette. Das Kilowatt ist in Sachen Auto schon deshalb eine Totgeburt, weil es von oben verordnet wurde. Nicht so schlimm, dass der Verfassungsschutz unsere E-Mails mitlesen würde deswegen, aber es haben sich eben ein paar Physiker mit ein paar Regierungsvertretern zusammengetan und die neue Einheit festgelegt. Was sie nicht bedacht hatten, und was alle PS-Kritiker bis heute nicht verstehen: PS ist gar keine Einheit, PS ist ein Wort. Es gehört zu unserer Sprache, seit wir mit acht, neun Jahren das erste Autoqartett in der Hand gehalten haben. Und man kann den Menschen nicht einfach ein Wort ihrer Sprache wegnehmen, das wäre ja noch schöner. Ein Beleg für die Sprachthese ist die Tatsache, dass sich hinter der Abkürzung PS das schöne Wort Pferdestärke verbirgt, während kW tatsächlich nur für Kilowatt steht, Einheit bleibt Einheit. Auch wenn die meisten Menschen nicht genau wissen, wieso ausgerechnet ein Pferd etwas mit ihrem Auto zu tun haben soll, ist es doch sehr anschaulich, die Leistung einer Maschine mit der von Pferden zu vergleichen. James Watt höchstselbst hat das getan, der Mann, der mit der Weiterentwicklung der Dampfmaschine so viel für die Industrialisierung getan hat, dass 1889 sein Name zur Einheit für Leistung erhoben wurde. Das hätte Watt (der 1819 starb) wohl gefallen, doch wollte er den Menschen verständlich machen, was die Dampfmaschine leistete. Also suchte er nach einer Umrechnung, die sich auf das Tier bezog, was bis dato Maschinen angetrieben hatte: das Pferd. Die Formel für das Watt’sche PS ist hier nicht Thema, nur die Idee dahinter: Gebt den Leuten, was sie verstehen, und versucht nicht, sie zu bekehren. Einmal schrieb uns ein Leser, dessen E-Mail wir tatsächlich nicht zerknüllt, sondern aufbewahrt haben: Die Menschen müssten endlich an die neue Einheit Kilowatt gewöhnt werden, und diesen Bildungsauftrag hätten wir als Zeitung. Da wir ihn nicht erfüllten, wolle er sein Abonnement kündigen. Wir konnten ihn nicht davon abhalten. Denn die vornehmste Aufgabe des schreibenden Menschen ist nicht die Erziehung seines Lesers. Es geht darum, ihm ungetrübtes Lesevergnügen zu bereiten, weil er nur in sympathisierender Grundstimmung bereit ist, unsere Inhalte zu erfassen, sie am Ende sogar im Gedächtnis zu behalten. Das Kilowatt in Autotexten ist allerdings, auch wenn es begleitet wird von einer in Klammern gesetzten PS-Zahl, ein dieses Bemühen störendes Element: Unvertraut und mit dem Geruch der Besserwisserei versehen, zermürbt es die gute Laune des Lesers. Weshalb wir das schlimme Wort nur noch in diesem einen Satz verwenden wollen: Nieder mit dem Kilowatt! Stefan Anker DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 20. SEPTEMBER 2015 SEITE 16 [IAA 2 015 ] TURBO ? TURBO! W Begegnung mit einer Legende. Zur IAA zeigt Porsche erstmals den überarbeiteten 911. Wir haben bereits eine Rennrunde gedreht und fühlten uns ein wenig wie in Le Mans omit beginnen? Mit der abenteuerlichen Anreise bis tief in die Nacht und dem verwunschenen Hotel direkt an der Autobahn? Mit dem ersten Blick auf den neuen Elfer auf einem etwas ranzigen Hotelparkplatz? Der Fahrt zur Rennstrecke? Der Runde mit Mark Webber über den Formel-1-Kurs? Meinen drei Runden um den Kurs? Der Fahrt über die Landstraßen in den Bergen um Barcelona? Der Begegnung mit dem legendären Fritz Enzinger, dem Vater des Le-Mans-Erfolgs von Porsche? Fangen wir einfach an mit der eigenen Rennrunde im neuen Elfer. Noch mit abgeklebten Rücklichtern steht das Auto da, und ich bin einer der ersten Journalisten, wenn nicht der erste Journalist, der den neuen Carrera S fahren darf. Was ist neu? Von außen gar nicht so viel, hinten, wo beim Elfer nun seit 52 Jahren der Motor anzutreffen ist, ziemlich viel. Der Trend zum Downsizing erreicht die legendären Sportwagen, und nach Ferrari mit dem 488 präsentiert nun auch Porsche weniger Hubraum, aber mehr PS und Drehmoment bei seinem Elfer. Statt 3,8 wirken nun fast bescheidene 3,0 Liter Hubraum, wie zuletzt vor knapp 40 Jahren beim luftgekühlten 911 SC. Doch weder akustisch noch in der Performance macht sich der Mangel an Hubraum bemerkbar. Im Gegenteil. Der Verbrauch kann um knapp zwölf Prozent gesenkt werden, und die Leistungswerte sind beeindruckend. Erstmals gelingt einem Mitglied der CarreraFamilie der Sprint von null auf 100 km/h in weniger als vier Sekunden. Das Downsizing stellt Porsche vor kleine- Von ULF POSCHARDT re Herausforderungen als die Konkurrenz. Anders als Ferrari hat Porsche eine lange Serienerfahrung mit dem turbogeladenen Sechszylinder-Boxer, seit über 40 Jahren gelten die Elfer-Turbos als Benchmark-Agilitätstiere. Der Serien-Elfer enttäuscht auf der Rennstrecke nicht. Lässig und souverän fliegt er durch Kurven, drischt auf den Geraden Geschwindigkeiten von 245 km/h, wo die LMP1-Fahrzeuge auch nur 290 hinstellen können, lenkt, bremst und verbeißt sich in den Teer, das es eine Freude ist. Dass das hohe Drehmoment von 500 Newtonmetern schon bei kommoden 1700 Umdrehungen anliegt, sorgt dafür, dass beim Fahren auf der Rennstrecke der Wagen nahezu kein einziges Mal aus dem Drehmoment-Hochplateau stolpert. Er schiebt von unten und zieht mit herrlichem Fauchen auch über 7000 Umdrehungen. Der Formel-1-Kurs suggeriert dem euphorisierten, adrenalingedopten Fahrer: Der Motor will das sogar. Die verschiedenen Fahrwerks- und Getriebeabstimmungen bieten drei Einstellungen an – und damit eigentlich zwei ziemlich unterschiedliche Fahrzeuge. Auf der einen Seite ein komfortables Sportcoupé für den urbanen Alltag, auf der anderen Seite, in Sport-Plus-Einstellung, einen trackday-kompatiblen Tourenwagen. Beide Identitäten verfügen über eine extrem harmonische, ja feine Abstimmung zwischen Fahrwerk, Bremsen und Antriebsstrang. Das Auto serviert dem zügigen Fahrer Selbstbewusstsein, mit jeder Runde mehr, reagiert ruhig auf kleine Drifts am Heck, gibt exzellente Rückmeldung über Fahrbahnbeschaffenheit und Grip. Fotos CHRISTOPH BAUER Bei dem exklusiven Preview auf der Rennstrecke, voller Respekt vor Kurs und Karre, kam ich nicht einmal in die Nähe des Limits. Der Vollprofi tut dies nahezu intuitiv, die Rennstrecke kennt er fast auswendig. Mark Webber ist sichtlich beeindruckt. Er, der 15 Jahre Formel 1 gefahren ist und nun Porsche zurück an die Spitze des Langstreckensports bringen will, hat einen Turbo S als Daily Driver und findet, dass der Carrera S jetzt erst komplett ist, weil er den richtigen Bums von unten aus dem Drehzahlkeller heraus anzubieten hat. Webber setzt das Auto mit dem Verlassen der Boxengasse sofort ans Limit und fliegt Runde für Runde aggressiver und brutaler durch die Kurven, dabei plaudernd und scherzend, die neuen Pirelli P Zero 305-Hinterreifen zum Glühen bringend. Diese erzeugen, obwohl Serienexemplare, einen Megagrip. Die Bedeutung der Reifen für die Entwicklung des Sportwagenbaus kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Um ehrlich zu sein, so erklärt der Baureihenchef August Achleitner in der für Techniker so üblichen Mischung zwischen Klarheit und Ruhe, markiert die Beschaffenheit der Pneus gerade für die Hinterachsbelastung des Elfers ein Limit für die Weiterentwicklung des Sportwagenklassikers. Dadurch, dass die Reifen vorne und hinten breiter geworden sind, kann die neue Leistungsdynamik noch unpathetischer auf die Straße gebracht werden. Dabei hilft auch die serienmäßige Tieferlegung um zehn Millimeter. In die mittlerweile weltweit als Benchmark ge- handelte Rundenzeit auf dem Nürburgring übersetzt heißt das: Der Carrera S ist acht Sekunden schneller als der Vorgänger. Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass dieser 991 Mk II weniger eine Evolution denn ein echter Sprung in der Entwicklung ist. Mit der optionalen Hinterachslenkung und dem racigeren GT-Lenkrad wird die Verbindung zwischen Serienmodell und Rennsport beziehungsweise den Supersportlern wie dem 918 Spyder gestärkt. Diese schadet auch nicht im automobilen Alltag, als wir nach dem Vormittag auf der Rennstrecke die Berge um den Circuit de Catalunya erkunden. Auch in Tempo-20-Zonen, in verkehrsberuhigten Dorfdurchfahrten mit geteerten Barrikaden und Plastikschikanen wirkte der Elfer selten sportlich overdressed. Ganz in seinem Element ist das viersitzige Coupé auf den kurvigen Landstraßen, die millimetergenau ausgefahren werden können. Die 420 PS muten hier fast luxuriös und üppig an, wer sollte an einem sonnigen Augusttag in Spanien mehr benötigen? Nur erahnen lässt sich der Sprung der neuen TurboTurbos und -Turbo S, die Anfang nächsten Jahres präsentiert werden. Galt schon der aktuelle Turbo S als bestes Auto der Welt („Auto, Motor und Sport“), könnte der nächste Turbo S erstmals an der 600-PS-Grenze nagen – und was das für die Performance bedeuten könnte, mag sich der Petrolhead gerne vorstellen. Fragt man Achleitner danach, schmunzelt er und schweigt beredt. Wenn dann in maximal vier Jahren der Nachfolger des 991 vorgestellt wird, dürften weitere Bestmarken purzeln. SEITE 17 PS WELT-Autor Ulf Poschardt (l.) im Gepräch mit 911-Chef August Achleitner und als Beifahrer bei Mark Webber – kann es einen besseren Nachmittag geben im Leben eines Petrolheads? Der Fortschritt hört nicht auf. Auch nicht bei einem Auto, das mit seiner Heckmotorkonstruktion einen eigentlich untilgbaren Makel besitzt. Überhaupt ist der Besuch an der Rennstrecke eine Impfung gegen Kulturpessimismus und Technikverdrossenheit. Alles wird gut. In der Boxengasse steht der aerodynamisch optimierte LMP1-Rennwagen, mit dem Porsche dieses Jahr in Le Mans einen spektakulären Doppelsieg eingefahren hat. Dort sorgt ein Zweiliter-Vierzylinder in Kombination mit einem basketballgroßen Elektromotor für 1000 PS Leistung, die höchst effizient mithilfe von Rekuperation und NutMark Webber, Rennfahrerlegende zung des Abgasstroms erzeugt werden. Diese nur 870 Kilo schweren Le-Mans-Rennmaschinen sind rollende Grundlagenforschung, deren Ergebnisse eher früher als später auch in den Serienbetrieb eingespeist werden. Deswegen sind für Porsche, das sein Marketing stets am liebsten mit seinen Rennerfolgen betrieben hat, diese jüngsten Triumphe ermutigend und markenbildend. Kaum ein Elferpurist wird sich irgendwann noch auf- regen wollen, wenn die Hochleistungs-Hybridtechnologie auch den vielleicht nur mehr zwei Liter großen Sechszylinder-Boxer im Heck antreibt, und zwar so, das auch in den Serienmodellen ganz andere Verbrauchsund Beschleunigungswerte denkbar sind. Es wird so kommen, und man darf sich darauf freuen. Auch wenn man in der Garage weiterhin seine luftgekühlten Schätze hortet. Ein Tag an der Rennstrecke macht einem Lust auf morgen, auf die Zukunft des Autos, dieses international agierende Exzellenzkollektiv von Ingenieuren, die vor ihren Laptops sitzen und auf bunte, wüste, an abstrakte Malerei erinnernde Grafiken blicken. Oder sie mustern mit den Mechanikern eine streng riechende, ganz offensichtlich zerstörte Batterie. Zu beobachten ist hier die seltene Kombination zwischen Weltklasse-Forschung und kindlichem Spieltrieb am Rande der Möglichkeiten der Physik. Die Dinge wiegen nichts mehr. Ein Außenspiegel ist schwerer als ein iPhone, die hintere Karosserieabdeckung aus Kohlefaser fühlt sich leichter an als eine Kiste Bier. Eine Box weiter bewachen die Mitarbeiter von Michelin die Rennreifen wie ein Kultobjekt ihrer schwarzen Magie. Werden die Reifen getauscht, werden die abgenutzten Pneus sofort von den Michelin-Mitarbeitern entfernt. Selbst im gemeinsamen Rennteam gibt es strengste Innovationscopyrights. Okay, zurück zum Elfer. Neu sind zudem: ein ziemlich multimediales Connectivity-System (da war Porsche lange etwas – nun ja – zurückgeblieben), ein paar frische optische Details beim Lufteinlass, den Türgriffen und den Leuchten und jede Menge neu zu ordernde Assistenzsysteme. Für den Petrolhead müsste das alles nicht sein. Nach den Runden auf dem Rennkurs wünscht der sich nichts mehr als eine gnadenlose Size-0-Diät. Weg mit all dem elektronischen Tand! Weg mit dem Komfort, den digitalen Helferlein, den Sitzverstellern und Mittelkonsolen! Weg mit den Uhren im Armaturenbrett, weg mit – was auch immer! Nichts killt Leistung mehr als Gewicht, und da ist bei diesem Auto noch einiges vorstellbar. Bei den leichteren GT3-Varianten, den RS-Modellen und vielleicht auch bei einem wieder angebotenen puren, ja puristischen Elfer für die leistungsgierigen Fanatiker, die jene archaische Urwüchsigkeit der Luftgekühlten auch bei den nun turbobeflügelten Wassergekühlten wiederfinden wollen. Am Ende des Tages, wenn der Vorserien-Elfer wieder auf dem Tieflader geparkt wird, sehen die Pirelli heruntergewirtschaftet aus. Sie haben ordentlich Gummi auf der Rennstrecke gelassen. So muss das sein. ›› Jetzt hat der Carrera den richtigen Punch ‹‹ Christoph Bauer/ Porsche AG Gas, Gas, Gas auf dem Formel-1-Kurs von Barcelona. Mark Webber, früher selbst in der Formel 1 aktiv und heute Porsche-Werksfahrer in der LangstreckenWeltmeisterschaft, diskutiert seine Eindrücke vom neuen Elfer mit Chefingenieur August Achleitner. Der freut sich extrem über das Lob des Rennfahrers PORSCHE 911 CARRERA S Was die anderen sagen: Hm, da sind wir skeptisch, ob der Elfer mit dem Turbomotor noch ein echter Elfer ist. Was wir sagen: Ferrari kann es beim 488, also kann Porsche es auch beim 911. Der Wagen fährt unfassbar gut. Leistung: 420 PS, Hubraum: 3,0 l, Motor: Sechszylinder-Boxer mit Turbo, 0-100 km/h: 3,9 s., Vmax: 308 km/h, Grundpreis: 110.766 Euro DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 20. SEPTEMBER 2015 SEITE 18 Audi A4, bist du wirklich neu? is das erste Serienauto des neuen Designchefs auf die Straße kommt, dauert es noch zwei, drei Jahre. Der neue A4 ist also noch vom alten Schlag und sieht – trotz Knick im Scheinwerfer – nicht wesentlich anders aus als sein Vorgänger. Dafür haben die Ingenieure gewütet und Unglaubliches geleistet: Der Mittelklassewagen fährt sich sanft und leise, man könnte glauben, eine Liga höher unterwegs zu sein. Dennoch hat der Wagen noch an Agilität gewonnen – wenn man nicht wüsste, dass Audi auf Frontantrieb setzt, der Lenkung würde man es kaum anmerken. Den Inneneindruck dominiert das neue virtuelle Cockpit, das allerdings nur gegen Aufpreis zu haben ist. Tacho und Drehzahlmesser sind nicht real, sondern virtuell und verkleinern sich bei Bedarf, um der Navigationskarte Platz zu verschaffen. Ganz großer Sport – diese Technologie schafft es, den ohnehin grandiosen Qualitätseindruck im Inneren noch zu verbessern. Tipp unter den Motoren ist der Zweiliter-Benziner mit 190 PS. Er heißt intern B-Cycle, nach dem Ingenieur Ralf Budack, der das Gemischbildungsprinzip konstruiert hat, was wiederum dem Atkinson-Cycle ähnelt, mit dem der Toyota Prius fährt. Ergebnis beim A4 ist – ohne Hybridtechnik – ein Normverbrauch von nur 4,8 Litern. Es hätte schlimmer kommen können. B Was die anderen sagen: Ist technisch mal wieder perfekt, hat aber keinen Fortschritt im Design gemacht. AUDI A4 2.0 TFSI Was wir sagen: Die Bemerkung zum Design stimmt, ist aber Jammern auf hohem Niveau. Technik: großartig. U LT R A IA A 2 015 Illustrationen 7er, du voll krass autonomer BMW anchmal steht ja auch etwas Interessantes in der Zeitung. Zum Beispiel, dass der neue VW-Chef Herbert Diess den Start des nächsten VW Phaeton verschoben habe. Nicht gut genug schien ihm das Auto, das 2017 auf den Markt kommen sollte. Diess konnte das beurteilen, weil er zuvor BMW-Entwicklungsvorstand gewesen war – und den neuen 7er bis in die letzte Schraube kannte. Was da jetzt aus München den Weg in die Frankfurter Messehallen findet, hat tatsächlich das Zeug dazu, das Oberklassefahren neu zu definieren. Zwar sieht die S-Klasse von Mercedes nicht alt aus, doch rückt der 7er ihr dicht auf den Pelz – in Sachen Raumangebot, Sicherheitssysteme, Fahrkomfort. Und natürlich: Die gesammelten Proteste aller Petrolheads können nicht verhindern, dass wir Basistechniken des autonomen Fahrens auch im 7er finden. Man muss allerdings zugeben: So souverän wie der Lenkassistent den 7er selbst bei hohem Tempo (bis 210) in der Spur hält, kann es der beste Chauffeur nicht. Andere Zeiten brechen an, das Auto macht sich unabhängig von seinem Fahrer. Dereinst am Kamin werden wir uns erzählen, dass es Autos wie der 7er von 2015 waren, mit denen alles angefangen hat. M BMW 750I XDRIVE Was die anderen sagen: Neues Statement in der Oberklasse, große Schritte hin zum autonomen Fahren. Was wir sagen: Der Ex-BMW-Technikchef ist heute VW-Chef und stoppte den neuen Phaeton. Kein Wunder. Leistung: 190 PS, Hubraum: 2,0 l, Motor: Vierzylinder-Benziner mit Turbo, 0-100 km/h: 7,3 s., Vmax: 210 km/h, Grundpreis: 37.350 Euro Leistung: 450 PS, Hubraum: 3,0 l, Motor: Reihensechszylinder mit Turbo, 0-100 km/h: 6,2 s., Vmax: 250 km/h, Grundpreis: 107.500 Euro Leistung: 180 PS, Hubraum: 2,0 l, Motor: Vierzylinder-Turbodiesel, 0-100 km/h: 8,0 s., Vmax: 230 km/h, Grundpreis: 42.560 Euro Jaguar XF, du musst jetzt mal was reißen eichtfüßigkeit und Fahrkomfort sind zwei Eigenschaften, die einander ausschließen, die aber auch von der Kundschaft gefordert werden. Ein Auto der oberen Klassen muss ein hohes Maß an Sanftheit bieten, ohne dem Fahrer das Gefühl zu geben, es lenke nur unwillig und gerate beim Federn ins Schaukeln. Wie immer die Ingenieure das machen: Bei allen Autos auf dieser Seite ist es ihnen gelungen, und den größten Anlass zur Freude gibt in diesem Zusammenhang der neue Jaguar XF. War die erste Generation noch ein netter Versuch, ohne die Klasse der deutschen Hersteller erreicht zu haben, darf der neue XF als ernsthafte Alternative erwogen werden; denn die leichte Alu-Karosserie beeinflusst die Fahreigenschaften extrem positiv. Und auch wenn das nicht in jedermanns Wertung so wichtig ist: Man setze sich mal auf die Rückbank – wie eine Bewerbung bei der Taxi-Innung wirkt der XF da, er bietet den Insassen im Fond jedenfalls mehr Platz als eine E-Klasse. Vorne brummelt leise ein Zweiliter-Diesel, den man mit 180 und mit 163 PS haben kann. Die schwächere Variante vernascht nach Norm nur 4,0 Liter auf 100 Kilometer. Klappt im Alltag natürlich nie, klingt aber gut. Die 180-PSVersion liegt mit 4,3 Litern nur unwesentlich drüber und ist daher ebenso eine Kaufempfehlung. (Jedenfalls so lange, bis man den XF 30d mal gefahren hat. Sechs Zylinder sind eben sechs Zylinder, und 300 PS sind 300 PS.) L JA G U A R XF 20D Was die anderen sagen: Weiterentwicklung mit großem Innenraum, gutem Infotainment, feinen Motoren. Was wir sagen: Stimmt alles, aber der XF muss sich jetzt auch Marktanteile von 5er, A6 und E-Klasse holen. Anleitung zum Messebesuch ugegeben: Wir Motorjournalisten haben uns heute, da Sie diese PS WELT in Händen halten, vornehm zurückgezogen von der IAA. Die weltweit bedeutendste Automesse (so sagen wir es gern in Deutschland) ist für uns seit Mittwochabend Geschichte, Donnerstag und Freitag waren die Fachbesucher da (und Sie auch, wenn Sie es geschickt angestellt haben), nun gucken halt die Normalsterblichen. Keine Häppchen an den Ständen, wie wir vermuten, keine kostenlosen Getränke und vor allem: Alfa Giulia keine Presse-Shuttles. Die IAA mit ihren langen Wegen ist ein Eldorado für Elektroautos, die von den Herstellern eingesetzt werden, um müde Berichterstatter von Halle zu Halle zu bewegen. Infiniti Q30 Zahlende Besucher müssen selber laufen, und die Wege sind weit in Frankfurt. Gut, wenn man einen Plan hat, denn 210 Weltpremieren schafft man sowieso nicht an einem Tag. Unser Vorschlag für eine Basisrunde auf der IAA lautet also wie folgt: Beginnen Sie, von der Innenstadt kommend, in der Festhalle. Auch wenn Sie Mercedes nicht mögen, die Tatsache, dass eine einzige Marke diese Peugeot 308 Racing Cup Megahalle bespielt, ist immer wieder beeindruckend. Und wenn Sie schon da sind, sehen Sie sich das SKlasse Cabrio an. Porsche 911, VW Tiguan und Bentley Bentayga (Monster-SUV) finden Sie nebenan in Halle 3, danach schauen Sie auf der Agora bei Audi und dem neuen A4 vorbei. In Halle 5 lüften Sie das Geheimnis um die chinesischen Borgward-Modelle, nehmen außerdem die Jaguar-Neuheiten XF und F-Pace (SUV) mit und sehen im Infiniti Q30 das interessanteste Kompaktwagendesign der letzten Jahre. Danach treffen Sie in Halle 6 auf den/die neue/n Alfa Romeo Giulia. Den geflügelten Peugeot 308 Racing Cup, Motorsport-Variante des ebenso neuen 308 GTi, finden Sie in Halle 8, und wenn Sie die endlich erreicht haben, werden Sie sich wünschen, es hätte auch für Sie ein PresseShuttle gegeben. Dafür können Sie in dieser Halle etwas verschnaufen, weil Sie hier auch die Neuauflagen von Opel Astra und Renault Mégane finden. Kann es sein, dass Sie den Toyota Prius mögen? Hybrid und so? Dann sehen Sie das neueste Modell ebenOpel Astra falls in Halle 8. Halle 9 kann, aber muss nicht – Mazda-MX5Fans sollten vorbeischauen, der Rest macht sich sofort auf den langen Marsch zu Halle 11. Hier wohnt der BMW-Konzern, und der hat den neuen 7er dabei, den neuen Mini Clubman und das Luxuscabrio Rolls-Royce Dawn. Sie sind nun locker vier Stunden unterwegs gewesen, haben dabei ein großes U beschrieben und können entweder das Messegelände am Portalhaus wieder verlassen oder schreiten munter fürbass Richtung Festhalle, um dort aufzuhören, wo Sie angefangen haben. Die Frage ist: Haben Sie alles gesehen, was Sie wollten? Woher sollen wir das wissen – aber dieser Rundgang zeigt Ihnen, was wichtig ist. Wenn Sie aber ganz als Petrolhead leben und so etwas wie Astra, Prius und Mégane nicht mal im Ansatz zur Kenntnis nehmen, dann sparen Sie doch für ein Ticket zum Genfer Salon, wo im März immer die exotischsten Sportwagenmarken ausstellen. Oder Sie machen sich in Frankfurt auf die Power-Tour: Festhalle nur wegen der AMG-Neuheiten (CKlasse Coupé zum Beispiel), in Halle 3 nur den Porsche und den Bugatti Vision Gran Turismo angucken. Ihre eigentlichen WallRenault Mégane fahrtsorte aber sind die Hallen 5 und 6: Hier finden Sie Alpina, Brabus, Mansory und Startech (Halle 5) sowie Abarth, Ferrari und Maserati. Bleiben Sie lange hier, etwa beim neuen Ferrari 488 Spider. Nutzen Sie das neue SUV Hyundai Tucson, das sich seltsamerweise auch in Halle 6 verirrt hat, um sich dahinter zu verstecken, bis der Wachschutz das Licht ausmacht. Und Sie die italienischen Schönheiten eine Nacht für sich allein haben. Z SEITE 19 Auf Nässe fängt man an, wenn man ein Auto in den kontrollierten Drift bringen will, denn dann kann man bei geringeren Geschwindigkeiten üben. Schwierig ist es trotzdem „Ich kann nicht lenken“ Eigentlich hält sich Ulf Poschardt für einen großen Autofahrer und will am liebsten Rennfahrer werden. Höchste Zeit für einen Realitycheck – auf der Trainingsstrecke von BMW in Maisach Fotos QUIRIN LEPPERT Florian Staiger, jeweils links im Bild, nahm sich einen Tag Zeit, um PS WELT-Autor Ulf Poschardt in die Geheimnisse des dynamischen BMW-Fahrens einzuweihen. Die Hände sprechen immer mit D er zeitgenössische Kapitalismus bringt es mit sich, dass wir Werktätigen uns Zeit unseres Lebens als Lernende verstehen müssen. Das traditionelle „Man lernt nie aus“ ist durch ein „Lerne!“ ersetzt worden. Das ist schön und macht das Altern zu einer dynamischen und überraschenden Angelegenheit. Aber auch in den Leidenschaften gibt es pädagogische Optimierung. Ich zum Beispiel wollte schon als Dreijähriger Rennfahrer werden, und nun will ich es einfach mal versuchen, vorsichtig. Die vier Tage Mille Miglia (siehe „PS-Welt“ 2/15) haben mir unmissverständlich zu verstehen gegeben: Du musst da weitermachen. Es ist, mehr als du dachtest, dein Ding. Deswegen tat es um 5 Uhr 11 auch gar nicht weh, als der Wecker klingelte, damit ich den ersten Flieger nach München bekomme. BMW hat in Maisach bei München eine Driving Academy eingerichtet. Der Name gibt dem Verbrennen von Gummi und Benzin einen hübschen akademischen Anstrich. Freude am Lernen. Und damit der Name nicht blufft, gibt es zur Begrüßung im Schulungsraum erst einmal „Theorie zur Fahrdynamik“. Mein Lehrer heißt Florian Staiger, und der gebürtige Münchner ist nicht nur ein geduldiger Pädagoge und pointensicherer Ermutiger, sondern hat als Entwicklungsingenieur jahrzehntelang für die M-Abteilung von BMW gearbeitet; dort war er vor allem für das Fahrwerk zuständig. Wie wertvoll diese Arbeit war, konnte der Schüler schnell erfahren. Die Theorie wurde im Schulungsraum kompakt gehalten, aber auch für jemanden, der glaubt, alles über das Autofahren zu wissen, ist es noch einmal mehr als sinnvoll, über die richtige Sitzposition, die Verstellung des Lenkrads und den Scheitelpunkt von Kurven informiert zu werden. Wenig später steigen wir in die beiden frisch gewaschenen M3 und rollen zum Aufwärmen zu einem kleinen Pylonenfeld, wo ich nach genau 30 Jahren Führerschein (und 25 ›› Buchen Sie sofort den Drift-Kurs ‹‹ Florian Staiger, Instruktor Driving Academy Jahre nach Erwerb des ersten Elfers) lerne, dass ich nicht lenken kann. Also eigentlich gar nicht. Wie ich bisher gelenkt habe, es hat wohl auch viel mit den Old- und Youngtimern in der Garage zu tun, ist für die anstehende Profiarbeit ungenügend. Der Befund hat für einen stolzen Petrolhead etwas Niederschmetterndes, und für den Protestanten im Petrolhead etwas extrem Aktivierendes: Der Ehrgeiz ist geweckt. Ich lerne das Übergreifen und die ständige Kontrolle des Lenkrads vor allem bei extrem engen Kurvendurchfahrten. Mit bayerisch-elegantem Spott ruft mich der Instruktor zur Konzentration, und weil er ein guter, erfahrener Lehrer ist, wird es zusehends besser und macht dann beim ersten brutalen Durchtreten des Gaspedals auf der Nano-Geraden richtig Spaß. Dann lernen wir das Notbremsen, das rechtzeitige Ausweichen vor Hindernissen und das Finden des richtigen Bremspunktes. Das geht ziemlich gut, und auch hier ist der Ertrag für den Petrolhead-Alltag im Berufsverkehr extrem nützlich: das Fokussieren des Blicks auf die Ausweichgasse statt auf das Hindernis und vor allem das Erkennen des mörderischen Unterschieds zwischen Tempo 30 und Tempo 60 beim Bremsweg. Schockierend. Seitdem fahre ich in Tempo-30Zonen noch zivilisierter. Schließlich kommen wir zum ersten Höhepunkt, der mein totales Desaster werden sollte: dem Driften. Dazu wechseln wir das Auto, und ich darf in den metallic-gelben M4 umsteigen, der noch einen Tick leichter ist als der M3 und deswegen noch mehr Agilität verspricht. Staiger stellt grinsend das Wasser an, die beiden Kreisel werden nass, und schon zirkelt er den beeindruckten Beifahrer mit ausgestrecktem Auto-Po durch den Parcours. Zu sehen ist: Auch er hat zu tun, er muss sich richtig konzentrieren und ein, zwei Pirouetten sind auch dabei. Das lässt meinen Respekt vor der Aufgabe weiter wachsen. Als Fan von Chris Harris und anderen Petrolhead-Videobloggern freue ich mich darauf besonders. Das Ausbrechen bekomme ich mit dem M4 ganz gut hin, aber das sofortige Loslassen des Gaspedals und das rasante, kontrollierte (!) Gegenlenken läuft am Anfang chaotisch ab, dann hektisch, dann irgendwann ein wenig intuitiv und schließlich – deutlich geknickt vom eigenen Unvermögen – ein wenig desillusioniert. Ein paar Mal gerät der M4 in den Drift, Staiger lobt, was das Funkgerät hergibt, aber am Ende bleibt die Erkenntnis: Nur eine dreiviertel Runde gedriftet, keine ganze geschafft. Dafür jede Menge Pirouetten, automobile Breakdance- Einlagen, Pylonen-Kegeln etc. Es ist ein heißer Münchner Sommertag und trotz Klimaanlage fließt der Schweiß in Strömen. In einer deutschen Schuleinrichtung wäre meine Leistung mit der Note 4- bewertet worden. Für einen Petrolhead wie mich: eine Art Weltuntergang. Aber dann erklärt Staiger, dass die richtige Driftschule eigentlich aus vier Stunden Driften bestehe. Ich war da eben Anfänger. Doch der Tag in Maisach endet glorreich und für den Piloten erhebend. Auf der Rundstrecke. Wir heizen, was die M4 hergeben, und erst als Bremsen und Reifen ihren bitteren Duft des Verglühens in unsere Nasen aufsteigen lassen, werden wir langsamer. Die zügigen Kurvendurchfahrten, das brachiale Einbremsen von gut 200 km/h auf Tempo 80 vor einer scharfen Linkskurve re-etabliert das vom Driften geschundene Selbstbewusstsein des Piloten. Meine wahre Berufung ist der Rennkurs, weniger der Drift. Aber ich werde das Driften lernen. Als mir der grinsende Instruktor meine Urkunde über das bestandene Akademie-Seminar überreicht, ergänzt er freundlich: „Sie können den Drift-Kurs sofort buchen.“ Er kennt Blicke wie meine. Er weiß, da hat einer Blut geleckt. Er hat mich durchschaut. Ich werde das lernen. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe der PS WELT. Es wäre doch gelacht ... BMW M3 UND M4 Was die anderen sagen: Auch wenn sie keinen V8-Motor mehr haben, sind das die perfekten Fahrmaschinen. Was wir sagen: Auch wenn das die perfekten Fahrmaschinen sind, haben sie doch keinen V8-Motor mehr. M3 Leistung: 431 PS, Hubraum: 3,0 l, Motor: Reihensechszylinder mit Turbo, 0-100 km/h: 4,3 s., Vmax: 250 km/h, Grundpreis: 71.800 Euro M4 Leistung: 431 PS, Hubraum: 3,0 l, Motor: Reihensechszylinder mit Turbo, 0-100 km/h: 4,3 s., Vmax: 250 km/h, Grundpreis: 72.500 Euro DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 20. SEPTEMBER 2015 SEITE 20 Echter Freund und Helfer Große Aufgaben brauchen große Kofferräume. Bei einer Hilfsaktion für Flüchtlinge lernten wir das Raumangebot des Skoda Superb zu schätzen Geht viel rein: Der Skoda Superb Combi hat den größten Innenraum und den größten Kofferraum seiner Klasse M ensch Mama, Du checkst das einfach nicht.“ Ja, stimmt. Ich checke es nicht. Wo ist dieser blöde Griff? Ich will den Fahrersitz nach vorne schieben, taste kurz auf dem Boden herum, ziehe überall, ist doch in jedem Auto so. Mein neunjähriger Sohn Noah seufzt tief, öffnet meine Tür und drückt einen Hebel an meiner linken Seite. Ich schwebe praktisch nach oben und vorne. „Siehst Du, so geht das.“ Irgendwie stressen mich fremde Autos. Dennoch, als die E-Mail über den Redaktionsverteiler kam, man würde Foto AMIN AKHTAR Ich versuche zumindest ein wenig diese Mischung aus Mitleid, Hilflosigkeit und Resignation zu bekämpfen, die mich bei den Reportagen über die Flüchtlingssituation in Berlin befällt. Der eigenen Apathie, diesem „Istschon-schlimm-da-draußen“ irgendetwas entgegenzusetzen. Und sei es auch nur, um unseren Kindern klar zu machen, dass es uns verdammt gut geht. Doch die sind ohnehin weiter. Mein fünfjähriger Sohn auf meine Frage, ob ihm denn aufgefallen sei, dass auch Flüchtlingskinder aus dem Irak und Syrien im Ferienhort gewesen seien: „Nee Mama, da waren einfach nur ein paar Kinder mehr.“ Von KERSTIN MUENSTERMANN S KO D A S U P E R B COMBI 2.0 TSI 4X4 L&K Was die anderen sagen: Größter Kombi seiner Klasse, dabei gut aussehend. Mit VW-Technik, nur billiger. Haus Leo Was wir sagen: Der Weise weiß, wann er sich dem Mainstream zu beugen hat – die anderen haben Recht. Leistung: 280 PS, Hubraum: 2,0 l, Motor: Vierzylinder-Turbobenziner, 0-100 km/h: 7,1 s., Vmax: 243 km/h, Grundpreis: 44.750 Euro demjenigen Kollegen kurzfristig einen großen „Luxuskombi“ zu Testzwecken zur Verfügung stellen, der ihn für eine sinnvolle Aktion benötige, hatte ich mich kurzerhand beworben. Denn in meinen geliebten Fiat 500 passen nämlich leider maximal zwei Wasserkästen, und das auch nur gekonnt miteinander verkeilt. Doch diesmal habe ich mehr zu transportieren. Mein Mann und ich sind vor ein paar Tagen unsere Kleiderschränke durchgegangen, unsere Söhne Noah und Niklas haben in ihren übervollen Kinderzimmern aussortiert. Puzzles, Würfelspiele, Malsachen, Bälle – wir haben so vieles und vieles auch doppelt und dreifach. Kinderwagen, Reisebett und Roller stehen ewig im Keller, schon lange wartend auf Verwandte, Nachbarn oder Freunde. Allerdings kommt nie jemand, um etwas abzuholen. Das Haus Leo ist eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlingsfamilien, das den Menschen eigene Wohnungen für ein eigenständiges und privates Leben bietet. Telefon: 030 323 04-021 [email protected] Spenden: IBAN DE63 1002 0500 0003 1555 00 Bank für Sozialwirtschaft, Verwendungszweck „Haus Leo“ Also, E-Mail zurück an die Chefredaktion, ich würde den Kombi gerne ausleihen. Kurze Info an die Kollegen, dass ich schnell einen Autoschlüssel abholen muss. Wieso, fragt einer zurück, was genau ich denn wohin fahren wolle. Ich hole den Flyer vom „Haus Leo“ der Berliner Stadtmission hervor, den mir eine Bekannte schon vor Wochen in die Hand gedrückt hatte. Ein Heim, besonders für Flüchtlingsfamilien. Dort freut man sich, wie an vielen solcher Orte in Berlin, über gut erhaltene, saubere Kleidung, Haushaltswaren, Spielzeug für Kinder. Es scheint, als hätte ich einen Knopf gedrückt: Ich schleppe eine Woche lang täglich Tüten, Taschen und Koffer in die Garage, von Kollegen, die aussortieren, was sie eh nicht mehr brauchen – und noch viel mehr. Ich gebe die Adresse vom „Haus Leo“ weiter, verweise auf Webseiten anderer Hilfsorganisationen und darauf, dass oft auch gezielt Dinge wie Kochgeschirr oder Bettwäsche gesucht würden. Darauf, dass dringend Übersetzer notwendig sind. Und im Bekanntenkreis Lesezirkel für Kinder organisiert werden. Nun sind wir endlich auf dem Weg zur Berliner Stadtmission. Kinderwagen, Reisebett, Spielsachen und jede Menge Männer-, Frauen-, Kinder- und Babykleidung im riesigen Kofferraum. Noah hat Schilder geschrieben und ausgedruckt, „Haus Leo“ steht darauf und die verschiedenen Kleidergrößen. Der Empfang ist herzlich, die Mitarbeiter freuen sich über die Sachspenden. Tja, und das Auto? In dem wären wir alle am liebsten sitzen geblieben. Panoramafenster über dem Kopf, 280 PS unter der Motorhaube, 660 Liter Fassungsvermögen im Kofferraum. Selbst mein PS-hungriger, automarkenfetischistischer Mann gibt nach einer Probefahrt zu, dass „der ja einiges drauf hat“. Und erzählt lange und ausführlich, dass die Namen Laurin & Klement auf der Mittelkonsole für die beiden SkodaGründer stehen, dass sich der Superb mit dem VW Passat die ganze Plattform teilt und der Motor („erstaunlicherweise, bei dem Sound“) ein Vierzylinder ist. Und dass das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe Serie ist. Und dass Laurin & Klement die Topversion mit einem starken Soundsystem ist. Ist mir alles nicht so wichtig. Ich finde, der steuert sich super durch die Stadt, ein bisschen wie ein Schiff, trotzdem unauffällig elegant. Die Kinder finden es großartig, die Beine ausstrecken zu können. Und sie finden den Fernseher in der Konsole vorne stark, der zwar beim Fahren sein Bild abschaltet, dessen Ton aber zu hören ist. „Mama, ist in der Torstraße wieder Stau? Hoffentlich.“ Dann läuft nämlich „Wickie“ weiter – mit Bild. Bürgerlichkeit Dickeres PS-Logo, grüne Schrift – unser Blog (ps.welt.de) springt nun noch stärker ins Auge. Damit sich keiner vertut: Das Grün ist nicht wirklich grün gemeint. Eher giftgrün. auf vier Rädern N ach den großformatigen und übergroßformatigen SUV ist seit einiger Zeit in den gutbürgerlichen Vierteln der Republik ein neuer automobiler Trend zu beobachten: schöne Busse. Dort, wo man auch gerne mehr als zwei Kinder in die Welt setzt, stehen sie in den Einfahrten: VW Bulli und Mercedes Viano beziehungsweise dessen Nachfolger, die V-Klasse. Natürlich voll ausgestattet und in geschmackvollen Farben. Dazu dezent getönte Scheiben, sorgfältig ausgewählte Felgen und bequeme Lederpolster – damit kann man sich auch vor Jachthäfen und Tennisklubs sehen lassen. Die Auswahl in der Bus-Oberklasse auf dem deutschen Markt ist allerdings verbesserungswürdig, nur zwei Modelle sind auf Dauer einfach zu langweilig. Liebe Hersteller, bitte nachlegen. Danke. IMPRESSUM Chefredakteur Jan-Eric Peters Redaktionsleitung Dr. Ulf Poschardt (V.i.S.d.P.) Redaktion Stefan Anker, Guido Bellberg, Ralf Niemczyk Artdirektion André M. Wyst Bildredaktion Stefan Runne Layout Katja Fischer Schlussredaktion Bettina Schneuer Ein Bus namens Bulli, oben abgebildet das aktuelle Modell VW T6 Multivan. Unten ein silbernes Exemplar der Mercedes V-Klasse Die Reisen zu den Präsentationen von Audi A4, BMW 7er, Jaguar XF und Porsche 911 wurden von den jeweiligen Autoherstellern unterstützt.
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