So ermitteln Sie die Mitarbeiterzahl für den Dienstplan

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HEIME
Freiheitseinschränkende Maßnahmen
Leitlinie wird in der Praxis erprobt
Die Leitlinie zur Vermeidung freiheitseinschränkender
Maßnahmen soll Heimen eine Hilfe an die Hand geben,
Alternativen zur Fixierung zu finden. Aktuell wird sie in
einem Praxistest geprüft und wurde in der Zwischenzeit
bereits aktualisiert.
VON JENS ABRAHAM & RALPH MÖHLER
erstellt. Im Rahmen eines formalen
Verfahrens wurden auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien von
einer Expertengruppe Empfehlungen für die Praxis zu verschiedenen
möglicherweise hilfreichen Maßnahmen zur Vermeidung von FEM
entwickelt. Die Expertengruppe
wurde von der Initiative „Mehr Freiheit wagen“ (Projekt mehrere Universitäten) ins Leben gerufen und
setzte sich aus Vertretern verschiedener Berufsgruppen zusammen,
z. B. aus der Pflegewissenschaft, der
Pflegepraxis, Medizin, Ethik, Recht,
des MDS und jeweils einer Vertreterin von Bewohnern und Betreuten.
Halle-Wittenberg // Freiheitseinschränkende Maßnahmen (FEM)
wie Bettgitter und Gurte im Bett
oder Stuhl sind in der Altenpflege
seit vielen Jahren ein viel diskutiertes Thema. Auch wenn die Häufigkeit von FEM in den vergangenen
Jahren tendenziell abgenommen
hat und das Bewusstsein für das
Thema bei vielen Beteiligten gewachsen ist, ist ihre Anwendung
nach wie vor gängige Praxis in Pflegeheimen. FEM werden vor allem
eingesetzt, um Bewohner vor Stürzen und daraus resultierenden Verletzungen zu schützen. Viele Studienergebnisse weisen jedoch darauf
hin, dass FEM nicht geeignet sind,
Stürze zu vermeiden und den Bewohner sogar eher schaden als dass
sie ihnen nützen.
Um Pflegende und Einrichtungen dabei zu unterstützen, soweit
wie möglich auf FEM zu verzichten,
wurde im Jahr 2009 die erste evidenzbasierte Praxisleitlinie zur Vermeidung von FEM in der Altenpflege
Wirksamkeit der Leitlinie
überprüft
Auf Basis der Leitlinie wurde ein
Programm zur Vermeidung von
FEM entwickelt und in einer randomisierten kontrollierten Studie
mit 36 Pflegeheimen hinsichtlich
der Wirksamkeit und Sicherheit
untersucht. Hierfür wurden 18 Pflegeheime einer Interventionsgruppe
und 18 Heime einer Kontrollgruppe
zufällig zugeteilt. In den Einrichtungen der Interventionsgruppe wurden Kurzschulungen für alle Pflegenden auf Grundlage der Leitlinie
durchgeführt und darüber hinaus
sogenannte FEM-Beauftragte als
Multiplikatoren intensiv geschult.
Zusätzlich wurden neben der Leitlinie verschiedene Informationsmaterialien für Bewohner, Angehörige,
Betreuer und Pflegende sowie verschiedene Imagematerialien (Poster,
Kaffeebecher, etc.) bereitgestellt. Die
Einrichtungsleitungen versicherten
mit einer schriftlichen Deklaration,
sich für die Reduktion von FEM einzusetzen. Die Kontrollgruppe erhielt
eine kurze schriftliche Information
zum Thema FEM.
Nach der sechsmonatigen Beobachtungszeit hatte sich die Häufigkeit von FEM in der geschulten
Gruppe deutlich reduziert. So war der
Anteil der Bewohner, bei denen FEM
angewendet wurden, in den Heimen
der Interventionsgruppe von 31,5
Prozent auf 22,6 Prozent gesunken,
in der Kontrollgruppe blieb die Zahl
dagegen nahezu unverändert (30,6
Prozent bei Studienbeginn und 29,1
Prozent bei Studienende). Zu unerwünschten Auswirkungen wie einer
Zunahme von Stürzen und sturzbedingten Verletzungen oder einer
vermehrten Verordnung von Psychopharmaka kam es dabei nicht.
Im vergangenen Jahr hat ein
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes
Folgeprojekt begonnen, das gemeinsam von den Universitäten Lübeck,
Halle (Saale), Hamburg und Witten/
Herdecke durchgeführt wird. Ziel
dieser Studie ist es, zwei Varianten
des leitlinienbasierten Programms
in einer großen Stichprobe (120 Pflegeheime) zu implementieren und
hinsichtlich der Wirksamkeit zu
untersuchen. Neben dem aktualisierten Original-Programm wird in
der Studie ein weniger aufwändiger
Ansatz überprüft. Dabei entfällt die
Kurzschulung aller Pflegenden und
stattdessen werden die FEM-Beauftragten befähigt, selbstständig
Schulungen in ihren Einrichtungen
durchführen zu können. In der Kontrollgruppe werden lediglich schriftliche Informationsmaterialien bereitgestellt. Die Hauptstudienphase
hat im Februar 2015 begonnen und
wird voraussichtlich bis Oktober/
November 2016 andauern. Die Ergebnisse der Studie werden voraussichtlich Frühjahr 2017 vorliegen.
Ähnlich wie in der ersten Leitlinienfassung zeigte sich, dass FEM in
der Regel mehr Schaden als Nutzen
bringen. FEM sind also nicht geeignet, um Stürze zu vermeiden. Sie
erhöhen sogar die Sturzgefährdung,
da sich die zeitweise Bewegungseinschränkung bei den Bewohnern
negativ auf ihre Mobilität und
auf die Gangsicherheit auswirken
kann. Einfach gesagt: Wer fixiert
wird, weil er sich unsicher bewegt,
hat durch die Fixierung letztlich
eine noch schlechtere Mobilität
und hat daher ein höheres Risiko in
FEM-freien Phasen zu stürzen. Die
Hauptempfehlung der Leitlinie ist
also, FEM grundsätzlich zu vermeiden und stattdessen für die individuellen Gefährdungen einzelner
Bewohnern spezifische Lösungen
zu finden. Die beste Alternative zu
FEM ist, diese nicht einzusetzen und
stattdessen die Mobilität zu fördern
und stutzbedingten Verletzungen
vorzubeugen. Und zwar nicht durch
Mobilitätseinschränkung sondern
spezifische Maßnahmen, wie etwa
den Einsatz von Hilfsmitteln.
Leitlinie aktualisiert
 Die Autoren sind wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts
für Gesundheits- und Pflegewissenschaft an der Martin- LutherUniversität Halle-Wittenberg.
Weitere Informationen unter
www.leitlinie-fem.de
Bereits im vergangenen Jahr wurde
in einem ersten Schritt die Leitlinie
mit allen Studienmaterialien (Broschüren für Pflegende, Betreuer, Angehörige sowie Ärzte) aktualisiert.
Serie Dienstplanmanagement
So ermitteln Sie die Mitarbeiterzahl für den Dienstplan
Um vom Pflegeschlüssel zur tatsächlichen Besetzung des Dienstplanes zu kommen,
muss der Taschenrechner gezückt werden. So gehen Sie dabei am besten vor.
VON MICHAEL WIPP
Die einrichtungsbezogene Mitarbeiteranzahl ist durch gesetzliche,
aber überwiegend vertragliche
Regelungen mit den Pflegekassen
festgelegt. Die Umsetzung und
Einhaltung dieser Regelungen
wird seitens der Vertragspartner
(Pflegekassen), aber auch der Heimaufsichtsbehörden
kontrolliert.
Grundlage der Dienst- und Einsatzplanung stellen bis heute die
Pflegeschlüssel dar. Diese variieren
nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern auch oft zwischen
den Einrichtungen bei identischer
Bewohnerstruktur. Nicht wenige
Mitarbeiter sind der Meinung, dass
die Besetzung der Dienste durch
die Pflegedienstleitung festgelegt
wird. Tatsächlich ist es aber so, dass
eine direkte Verbindung zwischen
Bewohnerstruktur, Pflegeschlüssel
und Dienstplanbesetzung besteht
Lediglich die tageszeitliche Lage
der Dienste sowie Dienstbeginn
und -ende sind letztlich wirklich
variabel.
Der Pflegeschlüssel selbst
kommt durch eine Mischung
aus historischer Entwicklung, Erfahrungswerten,
tatsächlichen
Kalkulationen und Fortschreibungen zustande. Zu bedenken
ist, dass der Pflegeschlüssel – je
nach Bundesland variierend – folgende Anteile enthalten kann:
JJ
JJ
JJ
JJ
Pflegemitarbeiter für Tag- und
Nachtdienst,
Direkte und indirekte Pflegeleistungen,
Pflegedienstleitung (in den
meisten Bundesländern),
Mitarbeiter Soziale Betreuung/
Ergotherapie (nicht in allen
Bundesländern),
Beispielrechnung für einen fiktiven Wohnbereich
Pflegestufen
JJ
Urlaub, Fortbildung und
Krankheit.
Um die Besetzung der Dienste
grob zu ermitteln kann folgende Rechenformel herangezogen
werden: Bewohnerstruktur nach
Pflegestufen geteilt durch die Pflegeschlüssel abzüglich der nicht
einzuplanenden
Stellenanteile
multipliziert mit der Nettowochenarbeitszeit, geteilt durch die
überwiegende Dienstlänge = Besetzung der Dienste im Früh- und
Spätdienst.
Und so geht es: Ermittlung des
gesamten Stellenkontingents
Aus der Bewohnerstruktur (= Bewohneranzahl nach Pflegestufen)
in Verbindung mit den Pflegeschlüsseln errechnet sich die Mitarbeiteranzahl. Eine einfache Mög-
Bewohner
Rechenweg
Pflegeschlüssel
0
1
Geteilt durch
10,2
=
Mitarbeiter-Anzahl in Vollkraft-Stellen
0,10
1
10
Geteilt durch
3,31
=
3,02
2
15
Geteilt durch
2,36
=
6,40
3
4
Geteilt durch
1,74
=
2,30
Anzahl Bewohner:
30
Verfügbare Stellen:
11,82
lichkeit für jeden Pflegemitarbeiter
die Mitarbeiteranzahl positiv mit
zu beeinflussen ist auf die korrekte
Einstufung der Bewohner zu achten. Für den fiktiven Wohnbereich
„Großer Anker“ mit 30 Bewohnern
und folgender Stufenverteilung
stehen 11,82 Vollkraft-Stellen (VK)
zur Verfügung.
S
erie
Dienstplanmanagement
Nicht einzuplanende
Stellenanteile berücksichtigen
Nachdem die zu verfügbaren Stellen ermittelt sind – in unserem Beispiel 11,82 VK-Stellen – gilt es, diejenigen Stellenanteile abzuziehen,
welche nicht für die Besetzung der
Dienste in der Dienstplanung des
Tagdienstes zur Verfügung stehen.
Mitarbeiterbedarf für den Nachtdienst: In der gesamten Einrichtung leben 60 Bewohner auf zwei
Wohnbereichen. Im Nachtdienst
sind jede Nacht zwei Mitarbeiter mit jeweils zehn Stunden im
Dienst. Der Bedarf zur Nachtdienstdienstplanung entspricht
4,375 VK-Stellen.
Der Stellen-Anteil für den Wohnbereich Großer Anker berechnet
sich also: 11,82 VK-Stellen minus
0,50 VK-Stellen anteilig für PDL minus 2,19 VK-Stellen anteilig für den
Nachtdienst minus 0,50 VK-Stellen
anteilig für Sozialen Dienst = 8,63
VK-Stellen für diesen Wohnbereich
(Berechnungsgrundlage: 40 Wochenstunden/Ausfallzeit: 20 Prozent) (siehe Teil 1 dieser Serie in der
CAREkonkret 37/2015).
Die Dienstplanbesetzung entspricht demnach bei gleicher Besetzung an sieben Tagen pro Woche und beispielhafter Dienstlänge
von sieben Stunden: Frühdienst ca.
3,5 Mitarbeiter und Spätdienst ca. 2
Mitarbeiter. Kürzere Dienstlängen
erhöhen die Besetzung (sofern die
Teilzeitanzahl an Mitarbeitern dies
zulässt). Längere Dienste reduzieren die Besetzung. (Rechenweg:
8,62 VK-Stellen x 32 Netto-Stunden
geteilt durch 7 Tage und 7 Stunden
Dienstlängen).
 Lesen Sie mehr zu diesem Thema in Michael Wipp,
Peter Sausen, Dirk Lorscheider:
Der Regelkreis der Einsatzplanung, 2012, Vincentz Network.
Michael Wipp ist Geschäftsführer der Haus Edelberg Dienstleistungsgesellschaft für Senioren. Alle Serienteile können auf
seiner Homepage nachgelesen
werden: http://vinc.li/1STbcsm