Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 3 Inhaltverzeichnis I. Executive Summary ......................................................................................................................................... 4 II. Gesetzgebung, Regulierung und Normung in der EU und den USA: Ein Vergleich.................................... 7 III. Regulierungsphilosophien der EU und der USA: Vorsorgend versus nachsorgend?............................... 18 IV. Transatlantische Regulierungskooperation................................................................................................. 19 V. Chancen für eine bessere regulatorische Zusammenarbeit....................................................................... 33 VI. TTIP: Einfallstor für Deregulierung? ............................................................................................................ 58 VII. Empfehlungen: Grundsätze für die regulatorische Zusammenarbeit .................................................... 70 Abkürzungsverzeichnis......................................................................................................................................... 75 Weiterführende Quellen.........................................................................................................................................79 Impressum............................................................................................................................................................ 82 4 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel I. Executive Summary Täglich handeln die EU und die USA Waren und Dienstleistungen im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro miteinander. Die EU und USA sind damit füreinander die wichtigsten Handelspartner. Allerdings stellen nicht nur Zölle, sondern vor allem auch viele nicht-tarifäre Handelshemmnisse (NTBs) nach wie vor unnötige Barrieren im transatlantischen Handel dar. Zu den nicht-tarifären Handelshemmnissen gehören beispielsweise unterschiedliche technische Produktund Produktionsanforderungen. Oftmals garantieren sie zwar ein vergleichbares Niveau an Produktsicherheit und -qualität sowie an Verbraucher- und Umweltschutz. Die genauen Anforderungen an das Design von Produkten sowie an Test-, Prüf- und Zertifizierungsverfahren können sich jedoch gravierend unterscheiden. So entstehen aufwendige und redundante Prozesse, die den Zugang zum US-Markt für deutsche und europäische Unternehmen erschweren, die Produktion verteuern und die Preise für die Konsumenten erhöhen. Dasselbe gilt für US-Produkte und den Zugang zum europäischen Markt. Insbesondere der industrielle Mittelstand würde profitieren, wenn solche nicht-tarifären Handelshemmnisse und damit bürokratischer Aufwand abgebaut würden. Denn er wird durch doppelte Prozesse und Verfahren sowie die dadurch entstehenden administrativen Kosten in besonderer Form belastet. Nicht selten stellen diese Kosten Marktzutrittsbarrieren für kleine Unternehmen dar. Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) kann diese Kosten senken und Unternehmen neue Marktchancen eröffnen. Je nach Sektor oder Produkt könnten die EU und die USA dazu einzelne Regulierungen auf allen staatlichen Ebenen vereinheitlichen, gleichwertige Regeln gegenseitig anerkennen oder zukünftig Regeln gemeinsam entwickeln. Beispielsweise könnten doppelte Prüf- und Zertifizierungsverfahren abgeschafft werden, wenn diese auf äquivalenten Standards und Regeln der Konformitätsbewertung beruhen und einen vergleichbaren Marktzugang gewährleisten. Dies würde neben den Unternehmen auch die Regulierungsbehörden und die Verbraucher entlasten. In TTIP geht es somit nicht darum, Standards abzusenken. Die EU und die USA werden auch in Zukunft Umwelt-, Sicherheits- und Gesundheitsfragen so regeln können, wie sie es zum Schutz des Gemeinwohls für angebracht halten. Vielmehr geht es darum, die Vereinbarkeit der unterschiedlichen Systeme zu verbessern. Zudem bietet TTIP eine einmalige Chance, ein hohes Niveau an Umwelt- und Verbraucherschutz – auch mit Blick auf den Handel mit Drittländern – zu stärken. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass gerade der Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse zu mehr Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen führen kann – und zwar deutlich stärker als der Abbau von Zöllen. Eine bessere regulatorische Zusammenarbeit hat daher eine hohe Priorität für die deutsche Industrie. TTIP ist nicht der erste Versuch der transatlantischen Partner, enger bei regulatorischen Fragen zusammenzuarbeiten. Es gab bereits zahlreiche Initiativen mit dem Ziel, nicht-tarifäre Handelsbarrieren abzubauen: unter anderem die Neue Transatlantische Agenda von 1995, die Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft aus dem Jahr 1998, die 2005 ins Leben gerufene EU-US-Wirtschaftsinitiative und nicht zuletzt die auf dem EU-US Gipfel von 2007 getroffene neue Rahmenvereinbarung zur Vertiefung der Wirtschaftsintegration. Die gegenseitige Anerkennung von Regeln erfordert jedoch komplexe Prüfungen und Vereinbarungen auf beiden Seiten des Atlantiks, die ohne ein umfassendes Handelsabkommen bisher nicht umgesetzt werden konnten. Darüber hinaus fehlte in vielen Fällen das notwendige Engagement auf höchster politischer Ebene. Auch die Ergebnisse des 2007 gegründeten Transatlantischen Wirtschaftsrats (Transatlantic Economic Council, TEC) sind bisher überschaubar. TTIP bietet nun nicht nur die Chance, in einzelnen Branchen eine gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungsstellen, Konformitätsbewertungen und Produktstandards zu verhandeln, wenn sie ein vergleichbares Schutzniveau gewährleisten, miteinander kompatibel sind und eine Marktöffnung in beide Richtungen sicherstellen. Zudem könnte unter TTIP Regulierungskooperation transparenter, strukturierter und inklusiver gestaltet werden als dies in der Vergangenheit der Fall war, indem klare Regeln geschaffen und neue Gremien gegründet werden. Dabei sollten auch alle relevanten regelsetzenden Institutionen unterhalb der föderalen beziehungsweise der EU-Ebene einbezogen werden. Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 5 Welche Erwartung knüpft die deutsche Industrie an ein Regulierungskapitel unter TTIP? 1. Sektorspezifischen Unterschieden muss Rechnung getragen werden 5. EU-US Regulierungskooperation darf Schutzstandards nicht senken Durch die gegenseitige Anerkennung oder die Annäherung vergleichbarer Regeln können erhebliche Kosten im transatlantischen Handel eingespart werden. Dabei müssen die Verhandlungen jedoch sektorspezifischen Unterschieden Rechnung tragen. In manchen Branchen sind sowohl die Regulierungen als auch die Regulierungsstrukturen in den USA und der EU so unterschiedlich, dass eine gegenseitige Anerkennung nicht möglich ist und zu Nachteilen für die europäische Seite führen könnte. Dass im Rahmen von TTIP Verhandlungen über Sektorabkommen wie für die Automobilindustrie, die Chemieindustrie, den Maschinenbau, die Elektrotechnik oder auch für Arzneimittel und Medizinprodukte stattfinden, ist daher der richtige Ansatz In TTIP muss sichergestellt werden, dass das Abkommen nicht zu einer Senkung von Sicherheits-, Gesundheits-, Umwelt-, Verbraucher- oder auch Datenschutzstandards führt. Ein vergleichbares Schutzniveau ist neben der Beachtung der nationalen und europäischen gesetzlichen Vorgaben die Voraussetzung für die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen wie Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren. Ist dies allerdings gegeben, sind erhebliche Erleichterungen im transatlantischen Handel möglich, etwa, wenn die Konformität eines Produkts mit den Anforderungen des US-Marktes bereits in der EU von einer akkreditieren Stelle überprüft werden könnte. TTIP muss entsprechend die Kriterien und Methoden für die regulatorische Zusammenarbeit, etwa zur Feststellung zur Äquivalenz von Regulierungen und Standards, festlegen und diese transparent machen. 2. Erarbeitung technischer Normen auf Basis der anerkannten internationalen Normen Die gemeinsame Erarbeitung technischer Normen ist eine wichtige Voraussetzung für den Abbau von Handelshemmnissen. Diese muss auf Basis der anerkannten internationalen Normen unter anderem der Internationalen Organisation für Normung (International Organization for Standardization, ISO) und der Elektrotechnischen Kommission (International Electrotechnical Commission, IEC) geschehen. Auch Konformitätsbewertungs- und Zulassungsverfahren sollten auf Grundlage dieser Normen erfolgen. 3. EU und USA müssen den Prinzipien der guten Regulierungspraxis, good regulatory practice, folgen Die EU und die USA müssen bei der Regulierungstätigkeit die Grundsätze der guten Regulierungspraxis (good regulatory practice) anwenden, also Transparenz, Rechenschaft und Partizipation im gesamten Prozess gewährleisten. 4. EU-US Regulierungskooperation darf nicht zu Rechtsunsicherheit führen Eine gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen wie Test-, Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren darf nicht zu Rechtsunsicherheit, zusätzlichen Haftungsrisiken oder zur Auflösung von EU-weit geltenden Prinzipien, wie sie zum Beispiel im sogenannten New Legislative Framework verankert sind, führen. 6. TTIP muss Mechanismen für zukünftige Regulierungskooperation schaffen Eine engere regulatorische Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA – etwa der Austausch von Informationen über Regulierungsvorhaben oder auch Folgekostenabschätzungen von Regulierungen – kann verhindern, dass zukünftig neue nicht-tarifäre Handelshemmnisse im transatlantischen Markt entstehen. TTIP muss daher neue Kooperationsmechanismen etablieren. Dies ist gerade in den Branchen wichtig, in denen Regulierungen und Normen heute noch so weit auseinander liegen, dass eine gegenseitige Anerkennung nicht möglich ist. Aber auch in den Sektoren, in denen eine gegenseitige Anerkennung schon jetzt angestrebt wird, ist die zukünftige regulatorische Zusammenarbeit von großer Bedeutung, da sich nationale und europäische Regulierungen immer weiter entwickeln. TTIP muss die Verpflichtung zur Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden verbindlich festlegen. Diese Verpflichtung beinhaltet nicht automatisch eine Verpflichtung auf ein bestimmtes Ergebnis. Sie setzt vielmehr auf Vertrauen und den politischen Willen zur Zusammenarbeit. In bestimmten Sektoren müssen dabei die einzelstaatliche beziehungsweise lokale Verwaltungs- und Gesetzgebungsebene mit einbezogen werden, da Marktzugangsbeschränkungen teilweise erst auf diesen Ebenen geschaffen werden. Die Guidelines on Regulatory Cooperation and Transparency, auf die sich EU und USA bereits 2002 geeinigt hatten, die bisher aber nicht hinreichend umgesetzt wurden, könnten dafür eine gute Grundlage sein. 6 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik 7. Aufwertung des Transatlantic Economic Council (TEC) Ein aufgewerteter und in das Regelwerk von TTIP integrierter TEC kann eine zentrale Stellung in der transatlantischen Regulierungskooperation einnehmen. Er sollte die Umsetzung der in TTIP getroffenen Vereinbarungen überwachen und die regulatorische Zusammenarbeit koordinieren, jedoch keine Entscheidungsbefugnis erhalten. 8. TTIP darf die regulatorische Autonomie nicht unterminieren Die regulatorische Autonomie der EU und der USA muss trotz regulatorischer Zusammenarbeit immer gewahrt sein: Eine Regulierungskooperation kann weder die USA noch die EU und ihre Mitgliedstaaten zu bestimmten Ergebnissen verpflichten (obligation to cooperate, no obligation to results). Die Prinzipien der regulatorischen Arbeit, die Autonomie der Regulierer und deren demokratische Kontrolle dürfen durch ein Handelsabkommen nicht in Frage gestellt oder umgangen werden. Ein living agreement ist daher nicht die Fortsetzung von Verhandlungen außerhalb der demokratischen oder öffentlichen Kontrolle, sondern die Institutionalisierung einer engen Zusammenarbeit zur Umsetzung der im Abkommen beschlossenen Vereinbarungen. 9. Diskriminierung von Drittländern vermeiden Gerade für die deutsche Industrie, die wie keine andere weltweit in globale Wertschöpfungsketten eingebunden ist, darf TTIP keine neuen Handelsbarrieren gegenüber Drittländern aufbauen. Vielmehr sollte Regulierungskooperation so ausgestaltet sein, dass auch Drittländer davon profitieren. Viele Produzenten aus Entwicklungsländern müssen sich aus Kostengründen zurzeit aufgrund der unterschiedlichen Standards und Normen in den USA und der EU für einen Absatzmarkt entscheiden. Kommt es unter TTIP zu einer Harmonisierung von Standards oder werden international anerkannte Normen stärker von der EU und den USA angewandt, profitieren davon auch Produzenten aus Drittländern. Die Verhandlungspartner sollten zudem prüfen, wo eine Kooperation mit Drittländern sinnvoll und möglich ist. Dazu gehört, das Verhältnis von TTIP zu bereits bestehenden regulatorischen Übereinkommen mit Drittländern zu prüfen. Klar ist letztlich jedoch, dass Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Regulierungskooperation nur dann auf Drittländer ausgeweitet werden kann, wenn diese bestimmte Kriterien erfüllen und Gleichwertigkeit von Konformitätsbewertungsstellen, Prüfverfahren oder Produktstandards festgestellt werden kann. 10.Verbreitung hoher Standards weltweit Die Entwicklung gemeinsamer Regeln und technischer Normen im transatlantischen Markt sollte dazu genutzt werden, auch im multilateralen Rahmen und gegenüber Drittländern dieses Regelwerk zu stärken und weltweit ein hohes Niveau unter anderem an Produktsicherheit, Verbraucherschutz, Arbeitsschutz und Umweltschutz zu etablieren. Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 7 II. Gesetzgebung, Regulierung und Normung in der EU und den USA – ein Vergleich Um Vorschläge und Ansatzpunkte für eine bessere regulatorische Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA zu entwickeln, ist es zunächst hilfreich, die rechtlichen und politischen Voraussetzungen für die Gesetzgebung, Regulierung und Normung auf beiden Seiten zu vergleichen. Erklärung zentraler Begriffe Regulierung Eine verpflichtende staatliche Maßnahme, mit der privatwirtschaftliche Akteure wie Unternehmen an die Einhaltung bestimmter gesellschaftlicher Interessen gebunden werden, zum Beispiel mit Blick auf den Verbraucher- oder Umweltschutz. Eine Regulierung kann vom Gesetzgeber (Legislative) oder von der Exekutive erlassen werden. Beispiele sind Gesetze und Verordnungen. Regulierungsbehörde Eine staatliche, auf der Grundlage eines Gesetzes eingesetzte Einrichtung, deren Aufgabe es ist, die Einhaltung von Gesetzen zu überprüfen und Regeln für Marktteilnehmer zum Beispiel zum Schutz von Verbrauchern und der Umwelt zu erlassen. Regulierungsbehörden können in einem Ministerium eingegliedert oder einem Ministerium unterstellt sein. Beispiele für Regulierungsbehörden sind die Bundesnetzagentur (Deutschland), die European Medicines Agency (EU) oder auch die Food and Drug Administration (USA). In der EU kann auch die EU-Kommission Regulierungen erlassen (delegierte Rechtsakte). Norm Ziel einer Norm ist es, einheitliche Regeln für die Wirtschaft zu schaffen, den Austausch zwischen verschiedenen Märkten zu vereinfachen und dabei den Schutz der Allgemeinheit sicherzustellen. Eine Norm ist ein freiwillig anwendbares Dokument, das mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Institution angenommen wurde. Es legt für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse fest. Ziel ist, für einen gegebenen Zusammenhang einen optimalen Ordnungsgrad herzustellen.1 1 DIN EN 45020: Normung und damit zusammenhängende Tätigkeiten – Allgemeine Begriffe. Folgenabschätzung (impact assessment) Analyse, in der alle positiven und negativen Auswirkungen und Kosten eines Gesetzes- oder Regulierungsentwurfs untersucht und die voraussichtlichen Folgen für die Bereiche Wirtschaft, Umwelt und Soziales abgewogen werden. Eine Folgenabschätzung wird für alle gesetzgeberischen Initiativen durchgeführt, bei denen mit wesentlichen wirtschaftlichen, sozialen oder ökologischen Auswirkungen zu rechnen ist. Für welche Initiativen tatsächlich eine Folgenabschätzung durchgeführt wird, entscheidet zum Beispiel in der EU jährlich das Impact Assessment Board der EU-Kommission. Konformitätsbewertung Bewertung, ob ein Produkt, eine Dienstleistung, ein Prozess, ein System, eine Person oder eine Stelle Anforderungen erfüllt, die gesetzlich, vertraglich oder anderweitig festgelegt sind. Die Erklärung der Konformität erfolgt in der EU in vielen Fällen durch den Hersteller. Bei bestimmten Produkten muss eine Drittprüfung durch eine Benannte Stelle/ Konformitätsbewertungsstelle durchgeführt werden. Dies können staatliche Behörden sein (z.B. Eichbehörden), aber auch private Institutionen, die als Konformitätsbewertungsstellen akkreditiert sind (z.B. TÜV oder DEKRA). Konformitätsbewertungsstellen müssen von Akkreditierungsstellen akkreditiert werden. Laut Norm DIN EN ISO/IEC 17011 ist eine Akkreditierung eine „Bestätigung durch eine dritte Seite, die formal darlegt, dass eine Konformitätsbewertungsstelle die Kompetenz besitzt, bestimmte Konformitätsbewertungsaufgaben durchzuführen.“ 8 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Delegierter Rechtsakt Ein delegierter Rechtsakt beruht darauf, dass der EU-Gesetzgeber der EU-Kommission die Befugnis überträgt, Rechtsakte ohne Gesetzescharakter und mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung „nicht wesentlicher Vorschriften“ eines Gesetzgebungsakts (z.B. Richtlinie oder Verordnung) zu erlassen. Delegierte Rechtsakte bilden die Grundlage für viele regulatorische Maßnahmen, weil durch sie technische Einzelheiten festgelegt werden können. Der delegierte Rechtsakt kann erst in Kraft treten, wenn das Europäische Parlament oder der Rat innerhalb der im Gesetzgebungsakt festgelegten Frist keine Einwände erhoben haben (vgl. Art. 290 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV). Durchführungsrechtsakt In der EU sind die Mitgliedstaaten für die Umsetzung verbindlicher Rechtsakte verantwortlich. Sofern es einer einheitlichen Anwendung von Gemeinschaftsrecht in den Mitgliedstaaten bedarf, kann der Kommission die Befugnis zur Durchführung dieser Rechtsakte übertragen werden (vgl. Art. 291 AEUV). Die Mitgliedstaaten kontrollieren die Kommission bei der Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse. Dies geschieht in Ausschüssen mit Vertretern aus den Mitgliedstaaten. Dabei diskutieren diese unter Vorsitz der Kommission. Sie stellen vor der Annahme 2.1 Gesetzgebungsprozesse Auf beiden Seiten des Atlantiks können Regulierungen nur auf der Grundlage von Gesetzen erlassen werden.2 Europäische Union In der europäischen Gesetzgebung gibt es verschiedene Rechtsakte, die sich in erster Linie nach ihren Rechtswirkungen und nach ihren Adressaten unterscheiden. Eine Verordnung ist ein verbindlicher Rechtsakt der EU. Sie ist in allen Mitgliedstaaten in vollem Umfang direkt gültig und muss nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Eine Richtlinie 2 Richard Parker und Alberto Alemanno, Towards Effective Regulatory Cooperation under TTIP: A Comparative Overview of the EU and US Legislative and Regulatory Systems, Center for European Policy Studies Special Report, Mai 2014; Kommerskollegium National Board of Trade, Regulatory Cooperation and Technical Barriers to Trade within Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), 2014. Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel von Durchführungsmaßnahmen den Dialog zwischen Kommission und Mitgliedstaaten sicher. New Legislative Framework „Neuer Rechtsrahmen“ der EU aus dem Jahr 2008 über einheitliche Grundlagen für die Produktvermarktung und die Produktüberwachung in der EU (Verordnung (EG) Nr. 765/2008, Beschluss 768/2008/EG, Verordnung (EG) Nr. 764/2008). Das New Legislative Framework bildet einen allgemeinen umspannenden Rahmen für Rechtsvorschriften zur Harmonisierung des Binnenmarktes und enthält zudem verschiedene klare Definitionen für bestimmte grundlegende Begriffe, darunter gemeinsame Grundsätze und Musterbestimmungen für die Anwendung in allen sektoralen Rechtsakten (z.B. der Maschinenrichtlinie, Medizinprodukterichtlinie). Weiterhin werden in dem Beschluss allgemeine Verpflichtungen für die Wirtschaftsakteure wie Hersteller, Importeure und Händler beschrieben sowie die Vorschriften für die CE-Kennzeichnung festgelegt. Mit der CE-Kennzeichnung (conformité européenne) bescheinigt der Hersteller, dass sein Produkt mit allen europäischen Rechtsvorschriften übereinstimmt, die für dieses Produkt gelten und die eine CE-Kennzeichnung hierfür vorschreiben. Sie ist die verpflichtende Voraussetzung, um ein Produkt auf den Markt bringen zu können. ist ein Rechtsakt, in dem ein Ziel festgelegt wird, das alle EU-Länder verwirklichen müssen. Die genaue Ausgestaltung und die Wahl der Mittel (z.B. Gesetz oder nationale Verordnung) zur Erreichung des Zieles sind den Mitgliedstaaten jedoch freigestellt. Ein Beschluss ist für dessen Adressatenkreis verbindlich und unmittelbar anwendbar. Beschlüsse können sich beispielsweise an einzelne EU-Staaten oder auch an einzelne Unternehmen richten. Außerdem kann die Europäische Kommission unverbindliche Empfehlungen und Stellungnahmen aussprechen. Durch sie ergeben sich für den Adressaten allerdings keine Rechte und Pflichten. Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse werden von der Europäischen Kommission initiiert, da bei ihr das alleinige Initiativrecht liegt. Empfehlungen und Stellungnahmen können aufgrund ihres unverbindlichen Charakters von allen EU-Institutionen abgegeben werden. Am Anfang eines jeden bindenden Legislativvorschlags steht folglich die Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Kommission. Da ihre Arbeitsweise auf dem Kollegialitätsprinzip beruht, ist jedes Mitglied der Kommission gleichberechtigt an der Beschlussfassung beteiligt. Bei der Entwicklung eines Regulierungsvorhabens gehört dabei die ressortübergreifende Koordinierung aller Vorhaben zu den Grundprinzipien. Nach der Fertigstellung eines Richtlinienentwurfs wird dieser an das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union übermittelt. Während der Beratungsphase in Rat und Parlament versuchen alle Akteure, sich auf eine Beschlussfassung zu einigen, die sowohl den Interessen der Mitgliedstaaten als auch den Interessen des Parlaments gerecht wird. Hierfür sind formal eine Erste und Zweite Lesung sowie gegebenenfalls ein Vermittlungsausschuss vorgesehen. Für die Zweite Lesung und das Vermittlungsverfahren gelten strenge Fristen und Abläufe. In der Praxis hat sich in vielen Fällen eine sogenannte Erste-Lesungs-Einigung eingebürgert, also eine Kompromissfindung zwischen Kommission, Parlament und Rat im sogenannten informellen Trilog, um das Rechtsetzungsverfahren abzukürzen. In der Beratungsphase gibt es keine gesetzlich vorgeschriebenen öffentlichen Konsultationen, jedoch sind die beratenden Ausschusssitzungen des Parlaments überwiegend öffentlich. Berichterstatter und Ausschüsse organisieren häufig Workshops und Anhörungen. Ebenso führen die Mitgliedstaaten in dieser Phase oftmals informelle Beratungen mit nationalen Interessengruppen durch. Bei der Ausarbeitung eines Legislativvorschlags übernimmt zunächst eine Generaldirektion unter der Verantwortung des jeweiligen Kommissars die Federführung. Je nach Themenbereich können bereits an diesem Punkt weitere Generaldirektionen an der Formulierung eines Vorhabens beteiligt werden. In dieser Phase der Entwicklung erfolgen zahlreiche öffentliche Konsultationen mit Stakeholdern sowie die Erarbeitung einer Folgenabschätzung (impact assessment) der potenziellen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen der Initiative. Diese Folgeabschätzung wird daraufhin dem Impact Assessment Board vorgelegt, ein direkt dem Kommissionspräsidenten unterstelltes Gremium. Nur wenn dieses eine positive Stellungnahme abgibt, kann das Vorhaben der gesamten Kommission zur Annahme vorgelegt zu werden. Im weiteren Erstellungsverlauf des Entwurfs holt die federführende Generaldirektion im Rahmen dienststellenübergreifender Konsultationen (interservice consultations) die Meinungen aller Generaldirektionen ein, die ein berechtigtes Interesse am Themenbereich haben könnten. Die Konsultation mit dem juristischen Dienst der Kommission ist dabei obligatorisch. Am Ende dieser Konsultationsperiode muss die federführende Generaldirektion den Initiativtext überarbeiten, wobei sie mögliche Änderungsvorschläge berücksichtigen muss. Sollte dies nicht möglich sein oder ein Vorschlag abgelehnt werden, muss eine schriftliche Begründung an jene Stelle abgegeben werden, die den Vorschlag gemacht hatte. Sollte der Text wesentlich vom Ursprungstext abweichen, muss eine neue Konsultation erfolgen. Liegt schließlich eine endgültige Fassung des Legislativvorschlags vor, gelten unterschiedliche Annahmeprozedere je nachdem, wie weitreichend die Initiative und wie umstritten sie ist. Vorhaben mit wesentlichen Auswirkungen werden den Kommissaren zur mündlichen Diskussion und Abstimmung vorgelegt, während unstrittige Initiativen auch schriftlich, ohne Diskussion, verabschiedet werden können. Die jeweilige Entscheidung über das Verfahren trifft der federführende Kommissar.3 3 Europäische Kommission, How the Commission Decides, <http:// www.gie.eu/training/download/03%20Commission%20View_AC.pdf> (eingesehen am 09.02.2015). 9 USA In den USA liegt das Initiativrecht für die Gesetzgebung auf Bundesebene beim Kongress selbst. Gesetzesentwürfe (bills) können von einzelnen Abgeordneten oder Senatoren eingebracht werden, ohne dass eine vorherige Abstimmung mit der US-Regierung, Konsultationsverfahren oder Folgenabschätzungen stattfinden. Die Entwicklungsphase von Gesetzen ist daher in den USA im Vergleich zur EU weniger transparent. Nur ein sehr geringer Teil der Gesetzesentwürfe wird über die zuständigen Ausschüsse überhaupt in einer der beiden Kammern zur Abstimmung gebracht. Die Ausschussberatungen und Plenardebatten sind öffentlich und werden in der Regel im Fernsehen und Internet übertragen. Allerdings können dort nur geladene Experten Einschätzungen und Kommentierungen abgeben. Konsultationsverfahren finden im Gesetzgebungsprozess nicht statt. Abgeordnete können das Weiße Haus oder den Congressional Research Service um eine Folgenabschätzung des Gesetzesentwurfes bitten. Wenn ein Gesetzesentwurf durch den zuständigen Ausschuss freigegeben ist, folgt eine Debatte im Plenum der jeweiligen Kammer. Im Repräsentantenhaus sind die Redezeiten für die Abgeordneten begrenzt. Dies ist im Senat nicht der Fall. So haben die Senatoren die Möglichkeit, Gesetze durch Dauerreden aufzuhalten (filibuster). Mit einer Mehrheit von mindestens 60 Stimmen können die Senatoren Dauerreden jedoch beenden und die Abstimmung herbeiführen. In der Abstimmung über den Gesetzesentwurf haben 10 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik die Senatoren beziehungsweise die Abgeordneten folgende Möglichkeiten: Sie können für die Gesetzesvorlage stimmen, dagegen stimmen, sie ruhen lassen oder den Gesetzesentwurf zurück in den Ausschuss schicken. Wenn eine Kammer einem Gesetzesentwurf zugestimmt hat, wird er zur Bearbeitung in die zweite Kammer geschickt. Die zweite Kammer hat die Möglichkeit, den Gesetzesentwurf zu ändern. Lehnt die erste Kammer diese Änderungen wiederum ab, so wird ein Vermittlungsausschuss eingesetzt, welcher aus Mitgliedern beider Kammern besteht. Hat sich der Vermittlungsausschuss auf einen Kompromiss geeinigt, dann müssen noch einmal beide Kammern über die neue Fassung abstimmen. Falls die Abstimmung negativ ausfällt, kann ein neuer Vermittlungsausschuss einberufen werden. Bei keiner Einigung verfällt der Gesetzesentwurf. Ein von beiden Kammern verabschiedeter Entwurf wird dem Präsidenten vorgelegt. Dieser kann das Gesetz entweder unterzeichnen oder sein Veto einlegen. Ein vom Präsidenten abgelehntes Gesetz kann trotzdem in Kraft treten, wenn es von einer Zweidrittelmehrheit beider Kammern unterstützt wird. 2.2 Regulierung Europäische Union In der EU muss zwischen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten unterschieden werden (vgl. Art. 290 f., Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV).4 Bei delegierten Rechtsakten (Art. 290 AEUV) überträgt der Gesetzgeber der Kommission die Befugnis, Rechtsakte zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften eines Gesetzes zu erlassen. Die Kommission kann damit im Rahmen der Umsetzung und Durchführung von Gesetzen Regulierungen von allgemeiner Geltung erlassen. Durchführungsrechtsakte (Art. 291 AEUV) ermächtigen die Kommission, Durchführungsbefugnisse zu erlassen, die eine einheitliche Anwendung von EU-Rechtsakten in den Mitgliedstaaten sicherstellen. Dies können Gesetzgebungsakte, Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse sein.5 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, <https://dejure. org/gesetze/AEUV/288.html> (eingesehen am 27.6.2014). 5 Carl Otto Lenz und Klaus-Dieter Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, Kommentar, 6. Auflage 2012, S. 2837. 4 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Beispiel delegierter Rechtsakt In der EU-Richtlinie 2010/30/EU zur Kennzeichnung des Energieverbrauchs an energieverbrauchsrelevanten Produkten heißt es in Artikel 10: „Die Kommission legt Einzelheiten in Bezug auf das Etikett und das Datenblatt in delegierten Rechtsakten (…) fest. Bestimmungen in delegierten Rechtsakten (…) haben es dem Endverbraucher zu ermöglichen, Kaufentscheidungen besser informiert zu treffen, und haben den Marktaufsichtsbehörden die Prüfung zu ermöglichen, ob Produkte den Angaben entsprechen.“ Damit ermächtigen das Europäische Parlament und der Rat die Kommission, Einzelheiten der Richtlinie in einem delegierten Rechtsakt festzulegen und definieren zugleich das Ziel der Kommissionsentscheidungen. (Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010, <http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/ HTML/?uri=CELEX:32010L0030&from=EN> (eingesehen am 2.7.2014). Beispiel Durchführungsverordnung Die EU-Verordnung (EU) Nr. 528/2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten legt fest, dass zum Schutz von Gesundheit und Umwelt innerhalb der EU nur Biozidprodukte verwendet werden dürfen, deren Wirkstoffe offiziell EU-weit zugelassen wurden. Artikel 89(1) Abs. 3 der Verordnung bestimmt, dass die Kommission per Durchführungsverordnung entscheiden kann, ob und unter welchen Bedingungen ein bereits bekannter Wirkstoff verwendet werden darf. Auf Grundlage dessen sind derzeit 121 Stoffe durch unterschiedliche Durchführungsverordnungen von der EU-Kommission genehmigt, beispielweise die Wirkstoffe Tebuconazol, Benzoesäure, Bromessigsäure und Nonansäure. (Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012, <http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/HTML/?uri=CELEX:02012R0528-20140425&qid=1408617371282 &from=DE> (eingesehen am 21.8.2014), Durchführungsverordnungen (EU) Nr. 1032/2013, Nr. 1035/2013, Nr. 1038/2013 und Nr. 1039/2013). Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 11 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Parlament und Rat können Vorschläge für delegierte Rechtsakte innerhalb einer bestimmten Frist ablehnen. Im Parlament bedarf es hierzu einer absoluten Mehrheit, im Rat einer qualifizierten Mehrheit (vgl. Art. 290 AEUV). Bei Durchführungsrechtsakten werden die Mitgliedstaaten dahingehend einbezogen, dass sie in Ausschüssen unter Vorsitz der EU-Kommission Stellungnahmen zum Kommissionsentwurf abgeben. So soll die Kommission bei der Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse kontrolliert werden. Der Ausschuss kann den Entwurf des Durchführungsrechtsakts ablehnen. Dies ist aber nur in bestimmten Fällen bindend für die Kommission. Parlament und Rat können während des Verfahrens jederzeit darauf hinweisen, dass die Kommission die ihr im ursprünglichen Rechtsakt übertragenen Befugnisse überschreitet. Die Kommission prüft dies und entscheidet, ob sie den Entwurf beibehalten, ändern oder zurückziehen will. Konsultationen durchführen oder ein Beratungsgremium einsetzen, müssen dies aber nicht tun. Die Kommission muss für gesetzgeberische Initiativen, durch welche „mit erheblichen wirtschaftlichen, sozialen oder ökologischen Auswirkungen zu rechnen ist“, Folgenabschätzungen durchführen.6 Für welche Initiativen tatsächlich eine Folgenabschätzung durchgeführt wird, entscheidet jährlich das Impact Assessment Board.7 Ob im Falle eines delegierten Rechtsakts oder Durchführungsakts eine Folgenabschätzung vorgenommen wird, hängt somit vom Einzelfall ab. USA Grundlage für die Erarbeitung, Verabschiedung und Umsetzung von Regulierungen ist in den USA der Administrative Procedure Act von 1946.8 Demnach liegt in den USA die Regulierungshoheit bei den föderalen und bundesstaatlichen Regulierungsbehörden. Der Kongress schafft durch die Gesetzgebung den rechtlichen Rahmen für Regulierungen, kann diese aber selbst nicht verändern oder blockieren. Ihm steht es lediglich offen, durch ein neues Gesetz einen neuen Rechtsrahmen zu schaffen. Um Veränderungen bei Regulierungen zu erwirken, rufen Vertreter aus Unternehmen und der Zivilgesellschaft sowie einzelne Bürger daher regelmäßig Gerichte an, um die Rechtmäßigkeit von Regulierungen zu überprüfen. In der Phase, in der Regulierungen entwickelt werden, können die Regulierungsbehörden Anhörungen und Europäische Kommission, Impact Assessment, <http://ec.europa.eu/ smart-regulation/impact/index_de.htm> (eingesehen am 27.6.2014). 7 Europäische Kommission, Impact Assessment Guidelines, 15.1.2009, S. 6, <http://ec.europa.eu/smart-regulation/impact/commission_guidelines/ docs/iag_2009_en.pdf>. 8 Department of Justice, Administrative Procedure Act, <http://www. justice.gov/jmd/ls/legislative_histories/pl79-404/proceedings-05-1946. pdf> (eingesehen am 27.6.2014). 6 1993 wurde der Administrative Procedure Act durch Executive Order 12866 ergänzt: Demnach muss ein Regulierungsentwurf vor Veröffentlichung dem im Weißen Haus angesiedelten Office of Information and Regulatory Affairs (OIRA) zugestellt werden. OIRA prüft dann, ob die Regulierung dem Allgemeinwohl dient und wägt dabei den ökonomischen Nutzen sowie Auswirkungen für Umwelt, Gesundheit und Sicherheit gegeneinander ab.9 Darüber hinaus muss OIRA die Koordinierung mit anderen betroffenen Bundesbehörden sicherstellen. Aufgrund dieser Bewertung kann OIRA Änderungen vorschlagen. Nach der Veröffentlichung eines Regulierungsentwurfs werden im Rahmen des stark formalisierten Prozesses „Veröffentlichung und Kommentierung“ (notice-and-comment process) Anhörungen und Konsultationen durchgeführt, bei denen Vertreter aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft Gelegenheit zur Kommentierung haben. Der notice-and-comment-Prozess ist in §553 des Administrative Procedure Act festgelegt10 und wird in Executive Order 12866 aufgegriffen: „Behörden sollen der Öffentlichkeit die Möglichkeit einräumen, jede vorgeschlagene Regulierung zu kommentieren, was in den meisten Fällen einen Kommentierungszeitraum von nicht weniger als 60 Tagen einschließt“.11 Nach Ablauf der Kommentierungsfrist müssen die Regulierungsbehörden darlegen, welche Empfehlungen sie umgesetzt haben und begründen, warum sie andere Empfehlungen nicht berücksichtigen. Nach Abschluss der notice-and-comment-Periode sind keine Kommentierungen mehr möglich. In den USA gibt es zudem eine Folgenabschätzung bei allen wesentlichen Regulierungen. Dabei müssen die Notwendigkeit der Regulierung und das mit ihr verbundene Allgemeinwohlziel dargelegt sowie eine Kosten-Nutzen-Analyse der Regulierung und ihrer Alternativen auf der Basis wissenschaftlicher Daten durchgeführt werden.12 Im Mai 2012 erließ Präsident Barack Obama die Executive Order 13609 (Promoting International Regulatory The White House, Executive Order #12866, Regulatory Planning and Review, <http://govinfo.library.unt.edu/npr/library/direct/orders/2646. html> (eingesehen am 27.6.2014). 10 Congressional Research Service, A Brief Overview of Rulemaking and Judicial Review, 2011, S. 1, <http://www.wise-intern.org/orientation/ documents/CRSrulemakingCB.pdf> (eingesehen am 22.7.2014). 11 Übersetzung durch die Autoren. 12 The White House, Regulatory Impact Analysis: A Primer, <http://www. whitehouse.gov/sites/default/files/omb/inforeg/regpol/circular-a-4_ regulatory-impact-analysis-a-primer.pdf> (eingesehen am 2.7.2014). 9 12 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Cooperation), die alle US-amerikanischen Regulierungsbehörden auf Bundesebene dazu auffordert, unnötige Divergenzen mit Regulierungen anderer Staaten möglichst zu vermeiden. Dies kann durch bilaterale, regionale oder auch multilaterale Konsultationen und gegenseitigen Informationsaustausch geschehen. Die Executive Order sieht dazu auch die Arbeit von Regulierungsräten (Regulatory Cooperation Councils) vor. Sofern eine US-Regulierung internationale Auswirkungen – etwa mit Blick auf die Handelsbeziehungen – haben könnte, sollen die Behörden die Regulierungsansätze jener Staaten berücksichtigen, mit denen die USA einen sogenannten Arbeitsplan über Regulierungskooperation, Regulatory Cooperation Council Work Plan, vereinbart haben.13 2.3 Konsultationen und Transparenz bei Gesetzgebung und Regulierungen in EU und USA Sowohl die EU als auch die USA haben sich im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) verpflichtet, ihre Handelspartner über technische Regulierungsvorhaben zu informieren, sofern sie Auswirkungen auf den Handel haben könnten. Grundlage hierfür ist das WTO-Abkommen über technische Handelsbarrieren (WTO Agreement on Technical Barriers to Trade, TBT-Abkommen). Diese Informationen müssen im Entwurfsstadium erfolgen, wenn Kommentierungen und Änderungen noch möglich sind. Auch das WTO-Abkommen zu gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Fragen (WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures, SPS-Abkommen) sieht vor, dass Regierungen ihre Handelspartner über Veränderungen in ihren SPS-Anforderungen informieren und für weitere Informationen zur Verfügung stehen müssen, sofern die Handelsbeziehungen betroffen sind.14 Dies gilt beispielsweise für die Lebensmittelsicherheit und den Tierschutz. Während des Gesetzgebungsprozesses kommt die EU-Kommission ihren Informationspflichten gegenüber den Handelspartnern der EU nach, wenn das Kollegium der EU-Kommissare einen Gesetzesentwurf gebilligt hat oder wenn ein Rechtsakt verabschiedet worden ist. Der Kongress hingegen informiert Handelspartner nicht über Gesetzesentwürfe, möglicherweise, weil nur ein sehr geringer Teil von ihnen überhaupt zur Abstimmung gebracht wird. 13 14 The White House, Executive Order # 13906, Promoting International Regulatory Cooperation, <http://www.whitehouse.gov/the-pressoffice/2012/05/01/executive-order-promoting-international-regulatorycooperation> (eingesehen am 10.7.2014). World Trade Organization, Understanding the WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures, <http://www.wto.org/english/ tratop_e/sps_e/spsund_e.htm> (eingesehen am 25.6.2014). Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Bei der Entwicklung von Regulierungsvorhaben gibt es in der EU weitgehend informelle Konsultationsprozesse und Expertenanhörungen. US-Stakeholder können in der Regel erst Kommentierungen zu Regulierungsvorhaben abgeben, wenn die Kommission einen Entwurf gebilligt hat. US-Regulierungsbehörden informieren ihre Handelspartner hingegen zeitgleich mit der inländischen Öffentlichkeit im Rahmen der notice-and-comment-Periode. Die EU und die USA kommen ihrer Informationspflicht somit in unterschiedlichen Phasen und in unterschiedlicher Form im Regulierungsprozess nach. Da der Kongress vergleichsweise wenige Konsultationsmöglichkeiten zulässt, haben die EU und ihre Mitgliedstaaten nur informell die Chance, Gesetzesentwürfe in den USA zu kommentieren. Bei Regulierungsvorhaben ermöglicht der notice-and-comment-Prozess in den USA hingegen deutlich mehr Transparenz und Partizipation, als dies in der EU der Fall ist. TTIP könnte dazu führen, den Regulierungsprozess in der EU transparenter zu gestalten und so eine bessere Rechtssetzung zu ermöglichen. Davon könnte auch die Öffentlichkeit in der EU profitieren. Im Mai 2015 legte die EU-Kommission mit dem Papier Better Regulation for Better Results – An EU Agenda15 einen Vorschlag vor, der bereits in diese Richtung geht: Nach Vorstellung der Kommission sollen Vertreter aller gesellschaftlicher Gruppen künftig umfassendere Konsultations- und Kommentierungsmöglichkeiten bei EU-Gesetzgebung und -Regulierung erhalten. So soll bei der Erarbeitung von Gesetzgebungsentwürfen eine zwölfwöchige öffentliche Konsultation durchgeführt werden. Nach Annahme eines Entwurfs durch die Kommission soll die Öffentlichkeit weitere acht Wochen Zeit zur Kommentierung erhalten. Darüber hinaus fordert die Kommission das Europäische Parlament und den Rat unter anderem dazu auf, Folgenabschätzungen durchzuführen, wenn sich die von ihnen im Laufe eines Gesetzgebungsverfahren eingebrachten Änderungen signifikant vom ursprünglichen Entwurf der Kommission unterscheiden. 15 Europäische Kommission, Better Regulation for Better Results – An EU Agenda, <http://ec.europa.eu/smart-regulation/better_regulation/ documents/com_2015_215_en.pdf> (eingesehen am 22.5.2015). Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Agreement on Technical Barriers to Trade (TBT-Abkommen) Das im Rahmen der Uruguay-Runde des GATT ausgehandelte und am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT-Abkommen) der WTO schafft einen Regelungsrahmen für die Einführung technischer Vorschriften, Normen und Konformitätsbewertungsverfahren durch staatliche und nichtstaatliche Stellen auf nationaler Ebene. Unter diesem Abkommen behalten die WTO-Mitglieder die Souveränität, Maßnahmen zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit oder der Umwelt zu ergreifen. Dabei dürfen sie jedoch nicht zwischen den WTO-Mitgliedern diskriminieren. Technische Vorschriften und Konformitätsbewertungsverfahren sollen nicht handelsbeschränkender als notwendig sein. Die Prozesse sollen transparent gestaltet werden. Schließlich sind die Mitglieder angehalten, einschlägige internationale Normen als Grundlage für ihre technischen Vorschriften zu verwenden. Dies soll den Handel zwischen den WTO-Mitgliedern erleichtern. Agreement of the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures (SPS-Abkommen) Das „Abkommen über gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen“ (SPS-Abkommen) trat ebenfalls mit der Gründung der WTO am 1. Januar 1995 in Kraft. Das SPS-Abkommen schafft einen Regelungsrahmen für nationale Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit sowie zu Tier- und Pflanzengesundheit. Es verpflichtet die Mitglieder der WTO, internationale Standards wie etwa den Codex Alimentarius anzuwenden. Der Codex Alimentarius ist ein Normenkatalog zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher. Er wurde Positionspapier 13 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 1962 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen geschaffen. Die Standards werden von der Codex-Alimentarius-Kommission (CAC) gesetzt. Die CAC hat heute 186 Mitglieder, darunter auch die EU und die USA. Jedes WTO-Mitglied behält unter dem SPS-Abkommen die Souveränität, Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen zu ergreifen. Das Abkommen legt jedoch auch fest, dass die Maßnahmen wissenschaftlich begründet sein müssen und auf einer umfassenden und angemessenen Risikobewertung beruhen. Sie dürfen darüber hinaus nicht ungerechtfertigt zwischen verschiedenen WTO-Mitgliedern diskriminieren. Kann ein bestehendes Risiko nicht abschließend bewertet werden, erlaubt das Abkommen, vorläufige Maßnahmen unter dem Vorsorgegesichtspunkt zu ergreifen. Zudem sind WTO-Mitglieder zur Transparenz verpflichtet. SPS-Maßnahmen müssen vor ihrer Implementierung gemeldet werden, damit sich WTO-Mitglieder auf sie einstellen können. Quellen: Codex Alimentarius, <http://www.codexalimentarius.org> (eingesehen am 4.3.2015). Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Hintergründe zum SPS-Abkommen der World Trade Organization (WTO), <http://www.bmel. de/DE/Ernaehrung/SichereLebensmittel/Codex-Alimentarius/_Texte/ SPS-Abkommen-Hintergruende.html> (eingesehen am 6.2.2015). Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Welthandelsorganisation, <http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Handelspolitik/ wto,did=615546.html> (eingesehen am 6.2.2015). 14 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik 2.4 Entwicklung technischer Normen Durch Normung wird laut dem Deutschen Institut für Normung e.V. (DIN) die „gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit erreicht“.16 Normung erstreckt sich auf Produkte, Verfahren, Prozesse und Dienstleistungen. Die Normung soll den aktuellen Stand der Technik widerspiegeln und einheitliche Regeln für die Wirtschaft bieten, die sie in Selbstverwaltung erstellt. Dies gilt insbesondere für Bereiche, in denen die Kompatibilität und Interoperabilität mit anderen Produkten oder Systemen unerlässlich sind. Zugleich berücksichtigt die Normung die Belange des Schutzes von Verbrauchern, Arbeitnehmern und der Umwelt. Normen sind in der Regel freiwillig und nicht verpflichtend. In seltenen Fällen sind Normen durch die Bezugnahme des Gesetzgebers rechtlich verbindlich anzuwenden. In einigen Rechtsbereichen der Europäischen Union, die auf das New Legislative Framework zurückgreifen, spielen sogenannte harmonisierte Normen eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich um Normen, die aufgrund eines Mandats (Normungsauftrag der Europäischen Kommission beziehungsweise der European Free Trade Association, EFTA) an eine der europäischen Normungsorganisationen (European Committee for Standardization, CEN, European Committee for Electrotechnical Standardization, CENELEC, und European Telecommunications Standards Institute, ETSI) erstellt wurden und deren Fundstelle von der Europäischen Kommission im EU-Amtsblatt bekannt gegeben wurde. Normungsmandate werden mit Bezug auf grundlegende Anforderungen eines bestimmten EU-Harmonisierungsrechtsakts (Richtlinie, Verordnung) erteilt. Die harmonisierte Norm konkretisiert die gesetzlichen grundlegenden Anforderungen mit technischen Lösungen. Wendet ein Hersteller die harmonisierte Norm an, müssen Behörden vermuten, dass auch die durch sie abgedeckten gesetzlichen Anforderungen eingehalten sind („Vermutungswirkung“, Beweislast umkehr zugunsten des Herstellers). 16 Deutsches Institut für Normung (DIN), Fragen und Antworten, <http:// www.din.de/cmd?cmsrubid=47513&menurubricid=47513&level=tpl-rub rik&menuid=47391&languageid=de&cmsareaid=47391#Was ist Norm> (eingesehen am 26.6.2014) Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Internationale Normensetzung Auf internationaler Ebene ist es Aufgabe der International Organization for Standardization (ISO), der International Electrotechnical Commission (IEC) oder auch der United Nations Economic Commission on Europe (UN ECE)17, Normen zu entwickeln. ISO und IEC sind Nichtregierungsorganisationen, in denen nationale Normungsinstitutionen Mitglied sind (für Deutschland: DIN). Im DIN beteiligen sich etwa 33.000 Experten von Unternehmen, Verbänden, Behörden und Institutionen aus Wissenschaft, Handwerk und Handel an der Erarbeitung nationaler, europäischer und internationaler Normen.18 Gemäß dem nationalen Delegationsprinzip vertreten nationale Experten und Delegierte die vorher in Spiegelausschüssen abgestimmte nationale Meinung in den technischen Ausschüssen von ISO und IEC. Normen werden mit einer Mehrheit von 75 Prozent der Mitglieder verabschiedet, wobei jede nationale Mitgliedsorganisation über eine Stimme verfügt. In Deutschland entscheiden die entsprechenden Fachgremien, ob eine internationale Norm in das deutsche Normenwerk übernommen und im Gegenzug die deutsche Norm zurückgezogen wird. ISO- und IEC-Normen sind streng genommen Mustertexte zur Übernahme als nationale Norm, können aber auch direkt angewendet oder sogar von Gesetzen in Bezug genommen werden. Normensetzung in der Europäischen Union In der Europäischen Union sind harmonisierte Normen ein zentrales Element des Binnenmarktes. Gemäß EU-Verordnung 1025/2012 kann eine Europäische Norm (EN) nur von den drei von der EU anerkannten, privatrechtlich organisierten Normungsinstitutionen beschlossen werden: dem European Committee for Standardization (CEN), dem European Committee for Electrotechnical Standardization (CENELEC) und dem European Telecommunications Standards Institute (ETSI). Mitglieder bei CEN und CENELEC sind die nationalen Normungsorganisationen (für Deutschland: DIN), bei ETSI gibt es kein nationales Delegationsprinzip. Unternehmen können dort direkt Mitglied sein. Die Mitgliedschaft ist zudem für Universitäten, Forschungseinrichtungen, Verbände, Behörden und Beratungsunternehmen offen. Wenn eine dieser drei Institutionen eine Norm beschlossen hat, sind die nationalen Normungsinstitutionen der EU-Mitglieds,länder, der Staaten der European Free Trade Association (EFTA: Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz) sowie der Türkei und Mazedonien verpflichtet, 17 Siehe Kapitel zu Automobilhandel in dieser Studie. Deutsches Institut für Normung (DIN), Fragen und Antworten (eingesehen am 26.6.2014). 18 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 15 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel diese europäische Norm in das eigene Normenwerk unter Zurückziehung möglicherweise entgegenstehender nationaler Normen zu übernehmen. CEN und CENELEC haben zudem zur Vermeidung von Doppelarbeit Abkommen zur technischen Zusammenarbeit mit der ISO beziehungsweise IEC abgeschlossen (Wiener bzw. Dresdener Abkommen). Demnach wird eine ISO- oder IEC-Norm als EN übernommen, wenn sie die Erfordernisse des europäischen Marktes ausreichend erfüllt.19 Zudem besagen die Wiener und Dresdener Abkommen, dass neue Normen möglichst nur auf einer der beiden Ebenen (vorzugsweise der internationalen) erarbeitet werden sollen. Über das Ergebnis wird dann aber parallel in den internationalen und europäischen Gremien abgestimmt, sodass es zu einer schnellen Harmonisierung auf allen Ebenen kommt. Derzeit sind 31 Prozent der CEN-Normen identisch mit ISO-Normen20, bei CENELEC-Normen sind 75 Prozent identisch mit oder basieren auf IEC-Normen.21 Die Übernahme internationaler Normen ist ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. ist und den Markteintritt für EU-Unternehmen wegen der Komplexität schwierig macht.24 Normensetzung in den USA In den USA wird die Normensetzung dezentral und industriespezifisch durch eine Vielzahl von Institutionen vorgenommen, darunter die sogenannten Standard Development Organizations (SDOs), Fach- und Berufsverbände und wissenschaftliche Vereine. Insgesamt gibt es über 700 solcher Institutionen, die im US-Markt miteinander konkurrieren.22 Das American National Standards Institute (ANSI) ist die Akkreditierungsorganisation für SDOs. ANSI ist nationales Mitglied bei den internationalen Normungsorganisationen ISO und IEC.23 ANSI soll die Transparenz von Normungsaktivitäten verbessern, kann aber selbst keine Normen entwickeln. Durch dieses System gibt es in den USA kein prinzipiell widerspruchsfreies bundesweit harmonisiertes Normenwerk vergleichbar zu dem in der EU. Vielmehr entsteht in vielen Branchen ein hohes Maß an Fragmentierung, das für Unternehmen mit hohen Kosten verbunden Der Nachweis der Konformität kann in der EU auf unterschiedliche Weise erbracht werden. Weit verbreitet ist die Herstellerselbsterklärung (supplier’s declaration). In einigen Fällen wird auch eine Drittprüfung vorgeschrieben. Grundlage hierfür ist unter anderem die Verordnung 765/2008 und der Beschluss 768/2008. Der Hersteller kann zur Prüfung, ob die geltenden Anforderungen eingehalten werden, harmonisierte Normen heranziehen. Die Herstellererklärung wird durch die CE-Kennzeichnung (conformité européenne) des Produkts nach außen sichtbar und ist die verpflichtende Voraussetzung, um ein Produkt rechtskonform auf den Markt bringen zu können.25 Cen/Cenelec, International Cooperation, <http://www.cencenelec. eu/intcoop/StandardizationOrg/Pages/default.aspx (eingesehen am 26.6.2014). 20 European Committee for Standardization (CEN), Annual Report 2013, <https://www.cen.eu/news/brochures/brochures/AR2013_CEN_EN_ final.pdf> (eingesehen am 30.6.2015). 21 European Committee for Electrotechnical Standardization (CENELEC), Cooperation with IEC, <http://www.cenelec.eu/aboutcenelec/whoweare/ globalpartners/iec.html> (eingesehen am 30.6.2015). 22 Tim Büthe und Jan Martin Witte, Product Standards in Transatlantic Trade and Investment, American Institute for Contemporary German Studies, AICGS Policy Report 13, 2004, S. 34 f. 23 American National Standards Institute (ANSI), Standards Activities Overview, <http://www.ansi.org/standards_activities/overview/overview. aspx?menuid=3> (eingesehen am 26.6.2014). 19 Die im Markt entwickelten Normen sind zunächst freiwillig, werden aber verpflichtend, wenn sie Gegenstand einer Regulierung werden (incorporation by reference) oder wenn ein verpflichtend einzuschaltender Zertifizierer seinerseits eine bestimmte Norm verlangt. 2.5 Konformitätsbewertungen Durch Konformitätsbewertungen wird der Nachweis erbracht, ob ein Prozess oder Produkt bestimmte Anforderungen erfüllt, die sich durch Gesetze, Regulierungen oder Normen ergeben. Sie sind ein notwendiges Mittel der Qualitätsprüfung und wichtig für das Vertrauen der Wirtschaftsteilnehmer. Die Sicherheit und die Qualität europäischer Produkte sind neben der Wirtschaftlichkeit ihrer Herstellung der Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. In den USA müssen Hersteller zum Nachweis, dass ein Produkt die Vorgaben einer Norm erfüllt, oftmals Prüfzeichen eines unabhängigen Testlabors (Nationally Recognized Testing Laboratories, NRTLs) erwerben, die wiederum von der Occupational Health and Safety Organization (OSHA) anerkannt werden müssen. Die OSHA ist eine US-Bundesbehörde, die dem US-Arbeitsministerium unterstellt ist. Ihre Aufgabe ist es, die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu garantieren. Die NRTLs prüfen und zertifizieren ausschließlich nach nationalen US-amerikanischen Normen, wie beispielsweise dem National Electrical Code (NEC). Es 24 Büthe und Witte (2004), S. 34, 41. Europäische Kommission, CE-Kennzeichnung, <http://ec.europa. eu/enterprise/policies/single-market-goods/cemarking/index_de.htm (eingesehen am 22.5.2014). 25 16 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel gibt derzeit 15 NRTLs.26 Eine Verpflichtung der NRTLs, ihre Prüfergebnisse gegenseitig anzuerkennen, gibt es bis dato nicht. Dies führt für die Hersteller von Komponenten für zertifizierungspflichtige Endprodukte zu überflüssigen Mehrfachprüfungen oder zu dem Zwang, einen ganz bestimmten Zertifizierer wählen zu müssen. Dadurch hat sich im Bereich der Elektrotechnik bei den NRTLs ein Quasi-Monopol eines einzelnen Testlabors, des Underwriters Laboratories (UL), herausgebildet. Normung soll einheitliche Regeln für die Wirtschaft schaffen, um die Kompatibilität und Interoperabilität mit anderen Produkten oder Systemen, etwa im transatlantischen Markt, zu ermöglichen. Wenn Normen voneinander abweichen, erschwert dies folglich den Austausch von Waren und Dienstleistungen. Unterschiedliche Verfahren zur Konformitätsbewertung führen dazu, dass weder die Herstellerselbsterklärung europäischer Hersteller noch die für bestimmte Produktgruppen erforderlichen Konformitätsbewertungen durch Dritte (beispielsweise Zertifizierungsorganisationen) in den USA anerkannt werden.Eine Folge des strengen US-amerikanischen Haftungsrechts ist, dass selbst ohne eine gesetzliche Verpflichtung viele Produkte de facto eine solche Zertifizierung benötigen, um vermarktet werden zu können. Die Zertifizierung durch ein NRTL ist daher für fast jeden europäischen Anbieter im US-Markt de facto verpflichtend. Er muss somit zwei Prüfungen vornehmen. Verschiedene Normungssysteme In der EU gibt es drei zentrale Normungsinstitutionen (CEN, CENELEC und ETSI). Von ihnen veröffentlichte Europäische Normen haben im gesamten Binnenmarkt Gültigkeit. In diesen Institutionen ist, mit Ausnahme des ETSI, pro Mitgliedsland eine nationale Institution vertreten. Zentrale Prinzipien des europäischen Normungssystems sind Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit. Öffentliche Hand, Wirtschaft und Wissenschaft sind in die Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse kontinuierlich eingebunden. In den USA findet Normung hingegen dezentral statt. ANSI kann Empfehlungen für national gültige Normen aussprechen, was de facto jedoch nicht verhindert, dass sich eine Vielzahl regionaler und industriespezifischer Normen herausgebildet hat. In den USA können unterschiedliche Normen für ein und dasselbe Produkt gelten beziehungsweise genutzt werden. Im Gegensatz zu Europa wird dies nicht als Systemfehler, sondern als Entdeckungsverfahren angesehen, da man annimmt, dass sich die bessere Norm am Markt durchsetzt. Dies erschwert Unternehmen aus Europa jedoch, ihre Produkte auf dem US-Markt anzubieten. Darüber hinaus bestätigt die Herstellerselbsterklärung in Europa die Einhaltung allgemeiner Schutzziele von europäischen Gesetzen und Regulierungen. Die Konformität nach einer US-Norm besagt hingegen lediglich, dass das Produkt eine bestimmte Norm einhält. Das Prinzip der CE-Kennzeichnung verfolgt daher einen unter Umständen umfassenderen Präventionsansatz und ist vor allem flexibler als die US-Zertifizierung, weil auch die Abweichung von der Norm eigenverantwortlich möglich ist. Auf internationaler Ebene kooperieren nationale Akkreditierungsorganisationen innerhalb des International Accreditation Forums (IAF) und der International Laboratory Accreditation Cooperation (ILAC). Das IAF ist das globale Netzwerk von Akkreditierungsstellen, die Zertifizierungsstellen für Produkte, Managementsysteme und Personen akkreditieren. Im Gegensatz dazu umfasst ILAC weltweit Akkreditierungsstellen im Bereich Laboratorien und Inspektionsstellen. Durch ein System internationaler Vereinbarungen erhalten fachlich kompetente, akkreditierte Laboratorien so eine Form der internationalen Anerkennung, durch die ihre Daten leichter auf ausländischen Märkten akzeptiert werden können. Mit ILAC und IAF gibt es somit In stitutionen, die ein einheitliches Akkreditierungsregime und damit eine Grundlage für die Anerkennung von Prüfergebnissen gewährleisten sollen. Gleichwohl ist die Akkreditierung noch nicht in allen Regulierungen verankert und nicht alle von einem ILAC-Mitglied akkreditieren Laboratorien sind im jeweils anderen Markt anerkannt. 2.6 Zwischenfazit: Herausforderungen für den transatlantischen Handel United States Department of Labor, Nationally Recognized Testing Laboratory Program, <https://www.osha.gov/dts/otpca/nrtl/> (eingesehen am 2.9.2014). 26 Konkret ergeben sich folgenden Herausforderungen für den transatlantischen Handel: Unterschiedliches Verständnis von einer internationalen Norm Die EU-Verordnung 1025/2012 definiert ISO und IEC als anerkannte internationale Normungsinstitutionen. Das Wiener und das Dresdner Abkommen stellen sicher, dass keine neue Europäische Norm entwickelt wird, wenn eine ISOoder IEC-Norm die Erfordernisse des europäischen Marktes hinreichend erfüllt und somit als EN übernommen und Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 17 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel angewendet wird.27 In den USA gibt es keinen entsprechenden Mechanismus. Wie bereits beschrieben, wirken US-amerikanische SDOs über ANSI zwar bei der Erarbeitung von ISO- und IEC-Normen mit, und ANSI will diese grundsätzlich auch als American national standard übernehmen.28 Die USA sehen jedoch auch die Normen jeder nationalen Normenorganisation, wie der American Society for Testing and Materials (ASTM), des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) und anderer Institutionen als international an, sofern diese anhand internationaler Leitlinien wie dem TBT-Abkommen der WTO entwickelt werden und sie in verschiedenen Bundesstaaten Anwendung finden.29 Umgekehrt gibt es keinen Automatismus zur Übernahme von ISO/IEC-Normen in den USA. Somit gibt es in den USA keine einheitliche und ausschließliche Festlegung von ISOund IEC-Normen als internationale Normen. Transparenz bei der Bezugnahme auf Normen durch die Gesetzgebung In Europa vergibt die Europäische Kommission Aufträge an die anerkannten europäischen Normungsorganisationen, um Normen zur Konkretisierung und Untersetzung von Richtlinien und Verordnungen zu erarbeiten. Dies ermöglicht Transparenz. In den USA entscheidet der Gesetzgeber, welche der bereits am Markt befindlichen Normen im Gesetz referenziert werden. Beteiligung von Unternehmen US-Unternehmen mit Sitz in Europa können über die nationalen Normungsinstitutionen wie dem DIN an der europäischen Normung mitwirken. In den USA können EU-Unternehmen auch ohne Sitz in den USA in einigen Normungsorganisationen mitarbeiten und Kommentierungen abgeben. Die starke Fragmentierung des Systems macht dies jedoch insbesondere für den industriellen Mittelstand schwierig. Cen/Cenelec, International Cooperation, <http://www.cencenelec. eu/intcoop/StandardizationOrg/Pages/default.aspx> (eingesehen am 26.6.2014). 28 American National Standards Institute, ANSI Procedures for the National Adoption of ISO and IEC Standards as American National Standards, 2007, <http://publicaa.ansi.org/sites/apdl/Documents/Standards%20 Activities/American%20National%20Standards/Procedures,%20 Guides,%20and%20Forms/National_Adoption_Procedures_Jan3107. pdf> (eingesehen am 2.9.2014). 29 World Trade Organization, WTO Agreement on Technical Barriers to Trade, <http://www.wto.org/english/res_e/booksp_e/analytic_index_e/ tbt_01_e.htm> (eingesehen am 27.6.2014). 27 Konformitätsbewertungen In einigen Bereichen werden Drittprüfungsstellen zur Feststellung der Konformität sowohl in der EU als auch in den USA verlangt. Allerdings werden diese Prüfungen derzeit nicht gegenseitig anerkannt, teilweise fehlt diese Anerkennung sogar unter den Drittstellen innerhalb des US-Marktes. Dadurch ist es nicht möglich, die Konformität eines Produkts mit den Anforderungen des Zielmarktes bereits im Ursprungsland von einer dort ansässigen Stelle umfassend überprüfen zu lassen. 18 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel III.Regulierungsphilosophien der EU und USA: Vorsorgend versus nachsorgend? Grundlage von Regulierungen in der EU ist das Vorsorgeprinzip gemäß Art. 191 AEUV. Es erlaubt der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten präventive Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz der Umwelt sowie der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen sicherzustellen. Dem Vorsorgeprinzip nach darf die Regierung auch dann regulierend im Voraus eingreifen, um potenzielle Schäden zu vermeiden oder weitestgehend zu verringern, wenn eine unsichere Datenlage die genaue Bestimmung von Risiken nicht erlaubt. Das heißt jedoch nicht, dass die Risikoanalyse in der EU nicht wissenschaftlich ist: Präventive Maßnahmen können nur dann ergriffen werden, wenn mögliche negative Folgen ermittelt, die verfügbaren wissenschaftlichen Daten ausgewertet und der Grad der wissenschaftlichen Unsicherheit beschrieben worden sind. Die EU-Kommission weist daher zu Recht darauf hin, dass es sich nie um willkürliche Entscheidungen handelt. Zudem müssen die getroffenen Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen, das heißt, die mit ihnen verbundenen Kosten müssen im Verhältnis zum angestrebten Schutzniveau stehen. Weiterhin dürfen die Maßnahmen nicht diskriminierend angewendet werden. Schließlich müssen sie im Licht der wissenschaftlichen Entwicklung regelmäßig überprüft werden. Bei einer Maßnahme, die sich auf das Vorsorgeprinzip stützt, kann vom Erzeuger, Hersteller oder Importeur der Nachweis verlangt werden, dass keine Gefahr für die Verbraucher besteht. Dies gilt allerdings von Fall zu Fall und nicht für alle Zulassungsprozedere in der EU.30 Bei Arzneimitteln, Schädlingsbekämpfungsmitteln oder auch Lebensmittelzusätzen ist die Zulassung in der EU besonders streng. Die USA verfolgen in vielen Bereichen einen anderen Ansatz: Die Regulierungsbehörde muss aufgrund wissenschaftlicher Daten und Erkenntnisse den Nachweis dafür erbringen, dass ein Produkt unverhältnismäßige Risiken mit sich bringt. Risiken müssen also nachgewiesen werden. Die USA bezeichnen diesen Ansatz als science-based approach.31 Aus diesen unterschiedlichen Ansätzen kann jedoch nicht geschlossen werden, dass in der EU grundsätzlich ein höheres Schutzniveau als in den USA herrscht. Eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien ist der Frage nachgegangen, ob die EU tatsächlich vorsorgender reguliert als die USA, wie in der Öffentlichkeit oftmals suggeriert wird. Der US-amerikanische Wissenschaftler David Vogel und sein Team argumentieren beispielsweise, dass sich Regulierungsverhalten über die Zeit verändert. US-Amerikaner hätten von 1960 bis 1990 in den Bereichen Gesundheit, Verbrauchersicherheit und Umwelt Europäische Kommission, Zusammenfassung der EU-Gesetzgebung, <http://europa.eu/legislation_summaries/consumers/consumer_safety/ l32042_de.htm> (eingesehen am 2.7.2014). 31 Kommerskollegium National Board of Trade (2014), S. 63 f. 30 deutlich vorsorgender reguliert als Europäer. Erst in den frühen 1990er Jahren habe sich das Blatt gewendet. Seitdem regulierte die EU vorsorgender.32 Vogel basiert diese Aussage auf eine Untersuchung von zahlreichen Einzelfällen im Umweltund Gesundheitsbereich. Dazu gehören beispielsweise der Umgang mit krebserregenden Substanzen, mit Wachstumshormonen behandeltem Rindfleisch, gentechnisch verändertem Getreide und Antibiotika in Tiernahrung, die Regulierung von Chemikalien und Gefahrstoffen sowie die Regulierung von Fahrzeugabgasen. Jonathan Wiener et al. halten aber auch diese Charakterisierung des Regulierungsverhaltens der EU und USA noch für zu holzschnittartig. In einer umfassenden Studie, die sowohl auf qualitativen Fallstudien als auch auf einer quantitativen Analyse des Umgangs mit 100 ausgewählten Risiken basiert, finden sie viele Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten im Regulierungsverhalten der EU und der USA. Evidenz dafür, dass entweder die EU oder die USA grundsätzlich vorsorgender regulieren, fanden sie hingegen nicht.33 Sie identifizierten zahlreiche Fälle, in denen die USA vorsorgender regulieren als die EU, und solche, in denen die EU präventiver agiert. Ein Beispiel für die Anwendung des Vorsorgeprinzips in den USA ist die Reaktion auf BSE: Die US-Regierung verbot deutlich früher den Import von Rindfleisch aus Großbritannien als die EU und hielt dieses Verbot auch länger aufrecht. In den USA gilt zudem eine Reihe von Produkten als risikobehafteter als in der EU und ist somit verboten. Beispiele hierfür lassen sich im Kosmetikbereich (für Sonnencremes, Schminke)34 finden, aber auch bei der Zulassung von Arzneimitteln, Tabak und Alkohol. Auch bei Fruchtsäften gelten in den USA niedrigere Grenzwerte für Schadstoffe und Pestizide als in der EU.35 Die Wissenschaft beantwortet die Frage, wer von den transatlantischen Partnern vorsorgender reguliert, somit zwar nicht ganz eindeutig. Konsens ist jedoch, dass sich Regulierungsverhalten über die Zeit ändern und von Politikfeld zu Politikfeld, Sektor zu Sektor sowie Produkt zu Produkt variieren kann, unter anderem abhängig davon, welche Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht wurden und welche Institutionen mit der Regulierung betraut sind.36 David Vogel, The Politics of Precaution: Regulating Health, Safety, and Environmental Risks in Europe and the United States, New Jersey: Princeton University Press, 2012. 33 Jonathan B. Wiener (Hg.), The Reality of Precaution. Comparing Risk Regulation in the United States and Europe, Washington, DC/London: Resources for the Future (RFF) Press, 2011. 34 Der SPIEGEL, Im Säurebad, 26.5.2014, <http://www.spiegel.de/spiegel/ print/d-127194895.html> (eingesehen am 2.7.2014). 35 Wiener (2011). 36 Stormy-Annika Mildner/Sabine Mair/Wiebke Wodni, Risikofreudiges Amerika, risikoaverses Europa? Aus amerikanischen und europäischen Publikationen 2001-2012, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Mai 2012 (SWP-Zeitschriftenschau 02/2012). 32 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 19 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel IV. Transatlantische Regulierungskooperation Transatlantische Regulierungskooperation ist nicht neu. In der Vergangenheit gab es bereits zahlreiche Initiativen, um die transatlantische Kooperation zu stärken – allerdings mit gemischtem Erfolg. Formen der regulatorischen Kooperation Informationsaustausch Durch den Informationsaustausch zwischen Regulierungsbehörden können Unterschiede bei Regulierungsansätzen und technischen Fragen früh erkannt und erörtert werden. Der Informationsaustausch führt zu keinen bindenden Ergebnissen, kann aber das gegenseitige Verständnis fördern. Datenaustausch Wenn Regulierungsbehörden Daten, etwa bei der In spektion von Laboren, austauschen, kann vermieden werden, dass Daten doppelt erhoben werden müssen. Dabei muss das Einverständnis der betroffenen Unternehmen vorliegen und die Vertraulichkeit sensibler Informationen gewährleistet sein. Gegenseitige Anerkennung von Konformitätsprüfungsstellen (Mutual Recognition Agreement) Mit einem MRA werden die jeweiligen Rechtsvorschriften selbst nicht gegenseitig anerkannt und die Zulassungsvoraussetzungen für Produkte somit nicht verändert. Allerdings können nun die Konformitätsbewertungsstellen der Partnerländer den Nachweis führen, ob ein Produkt oder ein Prozess die Voraussetzungen im jeweils anderen Land erfüllt. Gegenseitige Anerkennung von Konformitätsprüfungen Durch Konformitätsbewertungen wird der Nachweis erbracht, ob ein Prozess oder Produkt bestimmte Anforderungen, die sich durch Gesetze, Regulierungen oder Normen ergeben, erfüllt. Voraussetzung für die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsprüfergebnissen ist, dass nach gleichwertigen Kriterien geprüft wird. Gegenseitige Anerkennung von Produktstandards Erkennen Länder Produktstandards gegenseitig an, darf ein Produkt, das in einem Land rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden ist, im jeweils anderen Land auf den Markt gebracht werden. Voraussetzung ist, dass die geltenden Vorschriften ein vergleichbares Schutzniveau gewährleisten. Das Bestimmungsland kann die Vermarktung eines Produkts verweigern, wenn dies zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit oder der Umwelt notwendig ist. Harmonisierung Die Harmonisierung von Produktanforderungen mittels gleicher Rechtsvorschriften und gemeinsamer Normen ist die weitreichendste Form der Kompatibilität. In der EU ist die Harmonisierung einer der Grundpfeiler des freien Warenverkehrs. In der internationalen Regulierungskooperation wird sie nur in den seltensten Fällen erzielt. 20 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 21 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 22 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik 4.1 Rückblick: Geschichte der transatlantischen Regulierungskooperation Die transatlantische Regulierungskooperation hat ihre Anfänge in der Transatlantischen Deklaration von 1990. Sie führte zu regelmäßigen Treffen zwischen dem US-Präsidenten, dem EU-Ratspräsidenten und dem Präsidenten der EU-Kommission. Sie brachte allerdings kaum konkrete Fortschritte, da sich die USA zunächst auf die Verhandlungen des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (North American Free Trade Agreement, NAFTA) konzentrierten. Erst nach dessen Abschluss rückte die transatlantische Partnerschaft mit der Neuen Transatlantischen Agenda (NTA) von 1995 wieder mehr in den Vordergrund.37 Ziele der NTA waren die Förderung von Frieden, Demokratie und Entwicklung in der Welt, die Ausweitung des Welthandels, die Stärkung der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen und der Ausbau der politischen Partnerschaft. Um die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen auszubauen, sollten Regulierungsbehörden enger mit ihren transatlantischen Counterparts zusammenarbeiten. Ziel war schon damals, technische und andere nicht-tarifäre Handelshemmnisse (NTBs), die auf unterschiedliche Regulierungen zurückgehen, abzubauen. Ebenfalls 1995 wurde der Transatlantic Business Dialogue (TABD) ins Leben gerufen. Durch ihn sollte die Expertise der Wirtschaft stärker in den Prozess einfließen. Auch wurde in der NTA das Ziel dargelegt, möglichst zügig Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsbewertungen in verschiedenen Sektoren zu schließen.38 1997 einigten sich beide Seiten auf ein Mutual Recognition Agreement (MRA) für sechs Bereiche: Telekommunikationsausrüstung, elektromagnetische Kompatibilität, elektrische Sicherheit, Sportboote, gute Herstellungspraxis (good manufacturing practice) für pharmazeutische Produkte sowie Medizinprodukte.39 Das MRA trat formal 1998 in Kraft. Darüber hinaus war in der NTA angekündigt worden, einen New Transatlantic Marketplace (NTM) zu schaffen, in dem tarifäre wie auch nicht-tarifäre Handelshemmnisse sowie Investitionsbarrieren abgebaut werden sollten. Diese Initiative führte jedoch zu keinen greifbaren Ergebnissen, da die Ziele weder durch konkrete Verpflichtungen noch einen Handelsblatt Research Institute, Wohlfahrtseffekte einer transatlantischen Freihandelszone, 2013, S. 6, <http://research.handelsblatt.com/wpcontent/uploads/2013/09/Beispiel-HRI-Dossier-TransatlantischeFreihandelszone-2.pdf>. 38 The New Transatlantic Agenda, 1995, S. 2, 5, <http://eeas.europa.eu/ us/docs/new_transatlantic_agenda_en.pdf>. 39 Agreement on Mutual Recognition between the United States of America and the European Community, <http://www.mac.doc.gov/mra/mra.htm> (eingesehen am 27.6.2014). 37 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Zeitplan flankiert worden waren.40 Auch das MRA war letztlich kein großer Erfolg: Von den sechs Sektorabkommen traten zwei – für elektrische Sicherheit und für Medizinprodukte – nie in Kraft. Bei Arzneimitteln wurde das MRA faktisch nicht angewendet. Hier findet die regulatorische Kooperation außerhalb des MRA statt. Nur beim Thema Telekommunikationsausrüstung funktioniert das Abkommen aus Sicht der EU-Kommission zufriedenstellend.41 Nach dem Scheitern des New Transatlantic Marketplace einigten sich die EU und die USA beim gemeinsamen Gipfeltreffen 1998 auf die weit weniger ambitionierte Transatlantic Economic Partnership (TEP). Ein TEP Action Plan sah bilaterale Konsultationen zu regulativen Prozessen in den Bereichen Landwirtschaft, geistiges Eigentum, öffentliche Auftragsvergabe und Wettbewerbspolitik vor. Hintergrund waren mehrere handelspolitische Streitigkeiten zwischen der EU und den USA, beispielsweise um das Einfuhrverbot von US-amerikanischem Rindfleisch in die EU, das mit Einsatz von Wachstumshormonen produziert worden war. Eine TEP Steering Group sollte die Implementierung des TEP Action Plan überwachen.42 1999 wurde im Rahmen der TEP ein Frühwarnsystem eingeführt. Damit wollten sich die EU und USA früher und besser über neue regulatorische Maßnahmen informieren, die den transatlantischen Handel erschweren könnten. Der Erfolg des TEP-Frühwarnsystems blieb allerdings überschaubar. Es half zwar, potenzielle Konflikte zu identifizieren, doch gelang es nicht, auch konkrete Lösungen für sie zu entwickeln.43 Die zahlreichen Handelsstreitigkeiten – beispielsweise über Subventionen in der Landwirtschaft und in der Flugzeugproduktion, über Zölle auf Stahl oder auch über Standards der Lebensmittelsicherheit – konnte es nicht verhindern. Nach Gründung des TABD im Jahr 1995 wurden in den folgenden Jahren noch weitere Dialogformate geschaffen: der Transatlantic Consumer Dialogue (TACD), der Transatlantic Labor Dialogue (TALD), der Transatlantic Environment Dialogue (TAED) und der Transatlantic Legislators’ Claudia Decker, „The Tension between Political and Legal Interests in Trade Disputes: The Case of the TEP Steering Group“, in: Tietje, Kraft, Sethe (Hg.), Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 43, August 2005, S. 10, <http://www2.jura.uni-halle.de/INSTITUT/Heft43.pdf>. 41 Europäische Kommission, Trade Issues… Technical Barriers to Trade. Mutual Recognition Agreements and Agreements on Conformity Assessment and Acceptance of Industrial Products. MRA Newsletter No. 8, April 2014, S. 3, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/april/tradoc_152342. pdf>. 42 Decker (2005), S. 10. 43 Decker (2005), S. 10; Europäische Kommission, The Transatlantic Economic Partnership. Overview and Assessment, Oktober 2000, S. 17, <http:// trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2003/october/tradoc_111712.pdf>. 40 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Dialogue (TLD). Sie begleiten die transatlantische Kooperation beratend. Diese Dialoge hatten jedoch unterschiedliche Wirkungskraft. Zu den aktivsten gehört der TABD. Der Umweltdialog TAED dagegen wurde nach seiner Gründung 1999 bereits Ende 2000 wieder aufgelöst. Um der transatlantischen Regulierungskooperation nach den diversen ungelösten Handelsstreitigkeiten einen neuen Impuls zu geben, wurde im Mai 2002 auf dem EU-US-Gipfeltreffen die Positive Economic Agenda (PEA) beschlossen. Diese sollte die bilaterale Kooperation in denjenigen Bereichen vorantreiben und dort Konflikte reduzieren, wo beide Seiten Chancen auf Erfolg sahen. Dies waren die Finanzmarktregulierung, Leitlinien für regulatorische Kooperation und Transparenz, gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, der Versicherungssektor, biologische Landwirtschaft und Bioprodukte, elektronische Systeme für öffentliche Ausschreibungen sowie elektronische Zollverfahren.44 Grundlage waren die Guidelines on Regulatory Cooperation and Transparency. In den Guidelines sind wesentliche Elemente der regulatorischen Zusammenarbeit angelegt. Dazu gehören unter anderem eine engere Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden bei der Entwicklung von Regulierungen, die Möglichkeit zur gegenseitigen Konsultation, der Austausch von Expertise sowie die Verpflichtung, Erklärungen zu Ziel und Inhalt von Regulierungen zu veröffentlichen. Zugleich sollen die Guidelines sicherstellen, dass die bilaterale Kooperation ein hohes Maß an Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutz gewährleistet und sowohl mit nationalem als auch internationalem Recht in Einklang steht (z.B. dem General Agreement on Tariffs and Trade, GATT, der WTO).45 Allerdings wurden die Guidelines nie mit Leben erfüllt. Umso mehr könnten sie nun die Grundlage für die in TTIP zu vereinbarende regulatorische Zusammenarbeit bilden. Auch die Positive Economic Agenda und die Guidelines on Regulatory Cooperation and Transparency konnten in den darauffolgenden Jahren nicht verhindern, dass es weiter zu Handelskonflikten kam und neue nicht-tarifäre Handelshemmnisse im transatlantischen Handel entstanden. 2005 starteten EU und USA dann die Initiative to Enhance Transatlantic Economic Integration and Growth. Um die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen zu stärken, Positionspapier 23 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel sollte erneut die Kooperation in einer Vielzahl von Bereichen intensiviert werden. Auch dieser Initiative mangelte es jedoch an politischem Willen. Fortschritte wurden nur sehr langsam erzielt. Beim EU-US-Gipfeltreffen im Jahr 2007 wurde schließlich der Transatlantic Economic Council (TEC) ins Leben gerufen. Auf der Basis einer Rahmenvereinbarung sollte die Kooperation in den Bereichen geistiges Eigentum, Finanzmärkte, regulatorische Zusammenarbeit, Investitionen, sicherer Handel sowie Innovationen und Technologie intensiviert und erweitert werden. Aufgabe des TEC ist es, Ziele zur regulatorischen Zusammenarbeit zu definieren, Zeitpläne festzulegen und halbjährlich über die Umsetzungsergebnisse zu berichten. Mitglieder im TEC sind hochrangige politische Vertreter aus EU-Kommission und US-Regierung.46 Der TEC hat auf seinen Treffen in den Jahren 2009 bis 2011 einige wichtige Beschlüsse zur Umsetzung der transat lantischen Rahmenvereinbarung gefasst. Für die Industrie wurden Fortschritte unter anderem in folgenden Bereichen erzielt: -- Einigung europäischer und US-amerikanischer Automobilhersteller, ein einheitliches Ladesystems für Elektro-Autos in der EU und in den USA zu fördern; -- Gegenseitige Anerkennung der EU- und US-Zollsicherheitsprogramme (AEO/C-TPAT Mutual Recognition Decision); -- EU-US-Kooperationsvereinbarung im Bereich Chemie; -- Gegenseitige Anerkennung der Rechnungslegungsstandards (IFRS und US GAAP); -- Einrichtung eines Frühwarnsystems für geplante Gesetzgebungsverfahren in der EU und den USA. Im November 2011 setzte der TEC schließlich die High Level Working Group on Jobs and Growth (HLWG) ein, die im Februar 2013 die Empfehlung gab, eine umfassende Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zu verhandeln.47 Europäische Kommission, Framework for Advancing Transatlantic Economic Integration between the European Union and the United States of America, 30.4.2007, <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/ international/files/tec_framework_en.pdf>. 47 Europäische Kommission, Final Report. High Level Working Group on Jobs and Growth, 11.2.2013, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/ february/tradoc_150519.pdf>. 46 Europäische Kommission, EU and US Agree To Launch Positive Economic Agenda at EU-US Summit, Pressemitteilung, 3.5.2002, <europa.eu/rapid/ press-release_MEMO-02-85_en.pdf>. 45 Europäische Kommission, Guidelines on Regulatory Cooperation and Transparency, April 2002, S. 2 f., <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/ international/files/guidelines3_en.pdf>. 44 24 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 4.2 Erfolgsgeschichten in der transatlantischen Regulierungskooperation Die Bilanz der transatlantischen Regulierungskooperation ist gemischt. Dennoch gibt es eine Reihe von Erfolgsgeschichten. Formen der gegenseitigen Anerkennung Gegenseitige Anerkennung kann in verschiedenen Formen beschlossen werden: Mutual Recognition Agreements (MRAs) sind staatliche Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungsstellen (Conformity Assessment Bodies, CAB). Diese CAB müssen in der Regel selbst staatlich oder staatlich akkreditiert sein. In der EU wird die Akkreditierung durch die EG-Verordnung 765/2008 geregelt. In Deutschland ist der alleinige Dienstleister für Akkreditierung die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS). Die DAkkS kann Dienstleister wie etwa die technischen Überwachungsvereine (TÜV) oder den Deutschen Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein (DEKRA) als Zertifizierungsstelle akkreditieren. Mit einem MRA werden die jeweiligen Rechtsvorschriften selbst nicht gegenseitig anerkannt und die Zulassungsvoraussetzungen für Produkte somit nicht verändert. Allerdings können nun die Konformitätsbewertungsstellen der Partnerländer den Nachweis führen, ob ein Produkt oder ein Prozess die Voraussetzungen im jeweils anderen Land erfüllt. Mit einem MRA wäre somit die Möglichkeit gegeben, ein Produkt, das in den US-amerikanischen Markt exportiert werden soll, in der EU prüfen zu lassen. MRAs sind im Anwendungsbereich sektoral begrenzt und bestehen aus einem Rahmenabkommen und mehreren sektoralen Anhängen. Die Rahmenvereinbarung legt die allgemeine Voraussetzung der gegenseitigen Anerkennung fest, während die sektoralen Anhänge sektorspezifisch für den bestimmten Produktbereich gelten. MRAs zu Konformitätsbewertungsstellen sind auch in Art. 6.3 des TBT-Abkommens der WTO angelegt und dienen damit auch der Umsetzung der multilateralen Handelsagenda. Weitergehende Formen der gegenseitigen Anerkennung sind die Anerkennung der Gleichwertigkeit (Recognition of Equivalence, Äquivalenzabkommen) und die gegenseitige Anerkennung gewerblicher Produkte (Mutual Acceptance of Industrial Products). In diesen Fällen erkennen die Partnerländer an, dass ihre Regulierungen die gleichen Ziele verfolgen und diese gleichermaßen erreichen, auch wenn die Regulierungen selbst voneinander abweichen. Durch die Anerkennung der Gleichwertigkeit und die gegenseitige Anerkennung gewerblicher Produkte kann ein Produkt somit ohne weitere Prüfschritte im jeweils anderen Markt in Verkehr gebracht werden. Durch diese Formen der gegenseitigen Anerkennung können aufwendige Prozesse vermieden und Zeit und Kosten für Unternehmen und für die Regulierungsbehörden gespart werden. Dies gilt auch für Testund Sicherheitskontrollen an Produktionsstandorten nach erfolgter Marktzulassung. Diese Maßnahmen dienen damit auch dem Bürokratieabbau. Diese Abkommen setzen nicht zwingend eine vorherige Harmonisierung oder Angleichung von Regulierungen voraus. Jeder Vertragspartei steht es weiterhin frei, ihre eigenen Regeln zu setzen. Allerdings muss ein hohes Maß an Kompatibilität bei den bestehenden Zulassungsprozessen und Zertifizierungssystemen gegeben sein, damit diese Abkommen von den Herstellern und den Regulierungsbehörden umgesetzt werden können. Aber auch wenn die relevanten Prozesse und Systeme bereits vollständig harmonisiert sind, hat eine gegenseitige Anerkennung Vorteile: Denn nur durch ein Abkommen wird sichergestellt, dass ein Produkt nicht doppelt, sondern nur einmal zugelassen werden muss. MRAs und Äquivalenzabkommen werden auf EU-Seite von der Europäischen Kommission verhandelt. Grundlage dazu ist der Beschluss des Rates vom 21. September 1992 (Ratsdokument 8300/92). Darin wird die Kommission vom Rat ermächtigt, Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Vereinbarungen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und bestimmten Drittländern über die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertungen auszuhandeln. Diese Ermächtigung wird durch Verhandlungsdirektiven von 1994 und 1998 ergänzt. In Art. 207 und Art. 218 AEUV werden ferner die Verfahren für Übereinkünfte zwischen der Europäischen Union und Drittländern beschrieben. Demnach müssen Abkommen, die die Handelspolitik der Europäischen Union betreffen, vom Rat (je nach Bereich mit qualifizierter Mehrheit oder einstimmig) sowie in der Regel vom Parlament angenommen werden. Der Rat ermächtigt dann die Kommission, alle erforderlichen Maßnahmen für die Durchführung eines Abkommens zu ergreifen. MRAs müssen nicht von den nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten bestätigt werden. Es handelt sich somit bei MRAs nicht um gemischte Abkommen. Da es sich um völkerrechtliche Verträge im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik der EU handelt, ist auch eine Zustimmung des Parlaments im Sinne der Art. 207 und 218 AEUV zumeist erforderlich. Mindestens aber muss das Europäische Parlament angehört werden. Die Europäische Kommission betont, dass Regulierungen Gemeinwohlinteressen wie Sicherheit, Gesundheit, Umweltschutz, Verbraucherschutz und Produktqualität verfolgen, deren Einhaltung sichergestellt werden muss. Voraussetzung für die Anerkennung der Gleichwertigkeit oder die gegenseitige Anerkennung gewerblicher Produkte ist daher, dass die Vorschriften und Prozesse im Partnerland ein vergleichbares Maß an Schutz gewährleisten. Positionspapier 25 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Auf US-Seite verhandelt die US-Bundesregierung Abkommen über die beschriebenen Formen der gegenseitigen Anerkennung. Sie werden als executive agreements eingeordnet. Diese Art von Abkommen benötigt keine Zustimmung durch den Kongress – eine deutliche Abweichung zur Ratifizierung anderer internationaler Abkommen (treaties). Treaties bedürfen der Zustimmung einer zweidrittel Mehrheit im Senat. Die meisten Handelsabkommen sind sogenannte congressional-executive agreements. Diese von der Exekutive ausgehandelten Abkommen müssen von beiden Kammern des Kongresses mit einfacher Mehrheit ratifiziert werden, um Gültigkeit zu erlangen. Quellen: Dimitropoulos, Georgios, Zertifizierung und Akkreditierung im Internationalen Verwaltungsverbund, 2012, S. 130 ff. Europäische Kommission, Commission Staff Working Paper, 28.9.2001, <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/single-market-goods/files/mra/ sec_2001_1570_en.pdf>. Europäische Kommission, Mutual Recognition Agreements, <http:// ec.europa.eu/growth/single-market/goods/international-aspects/mutualrecognition-agreements/index_en.htm> (eingesehen am 15.1.2015). Europäische Kommission, Mutual Recognition Agreements, Background Documents, <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/single-marketgoods/international-aspects/mutual-recognition-agreement/backgrounddocuments/index_en.htm#h2-1> (eingesehen am 15.1.2015). Europäische Kommission, Conformity Assessment and Designation of Conformity Assessment Bodies, <http://ec.europa.eu/enterprise/ policies/single-market-goods/international-aspects/mutual-recognitionagreement/conformity-assessment/index_en.htm> (eingesehen am 15.1.2015). Lenz, Carl Otto/ Klaus-Dieter Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, Kommentar, 6. Auflage 2012, S. 2474 ff. Transatlantic Consumer Dialogue, TACD Briefing Paper on Mutual Recognition Agreements (MRA’S), März 2001, <http://test.tacd.org/ wp-content/uploads/2013/09/TACD-TRADE-2001-Briefing-Paper-onMutual-Recognition-Agreements.pdf>. 26 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Luftverkehr Am Beispiel des Luftverkehrs zeigt sich, welches Potenzial transatlantische Regulierungskooperation birgt. Sowohl im Bereich Flugsicherheit (safety) als auch Gefahrenabwehr (security) haben die EU und USA in den vergangenen Jahren weitreichende Abkommen abgeschlossen, die zu einem reibungsloseren Luftverkehr führen. Auf Seiten der Europäischen Union ist der Schutz der zivilen Luftfahrt in Verordnung Nr. 300/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gemeinsamen Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt und den darauf basierenden Durchführungsverordnungen geregelt. Die gemeinsamen Vorschriften dieser Regelungen gelten sowohl für Flughäfen in EU-Mitgliedstaaten als auch für Luftfahrtunternehmen, die Dienstleitungen an EU-Flughäfen erbringen. Ebenso sind Bereiche wie Flughafensicherheit, Sicherheit der Luftfahrtzeuge, Fracht sowie Fluggäste von dieser Verordnung betroffen. Die EU-Mitgliedstaaten sind durch diese Regelung verpflichtet, eine nationale Behörde zu errichten, welche die Umsetzung und Einhaltung der Verordnung sicherstellt. Die Einhaltung der Grundstandards wird durch Inspektionen der EU-Kommission unter Beteiligung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (European Aviation Safety Agency, EASA) geprüft.48 Auf US-amerikanischer Seite sind die Federal Aviation Administration (FAA) und die Transportation Security Administration (TSA) für die Regulierung des zivilen Luftverkehrs zuständig. Die Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein Abkommen zur Flugsicherheit und Gefahrenabwehr dauerten fast zehn Jahre: 2003 verständigten sich die transatlantischen Partner erstmals, enger bei der Regelung der Sicherheit der Zivilluftfahrt zu kooperieren. In den folgenden Jahren fanden mehrere technische Beratungstreffen und neun Verhandlungsrunden statt.49 Beide Regulationssysteme wurden überprüft und verglichen. Im Mai 2011 trat das Abkommen zwischen der EU und den USA über die Zusammenarbeit bei der Regelung der Sicherheit der Zivilluftfahrt in Kraft (Agreement on Cooperation in the Regulation of Europäische Union, Zivilluftfahrt: gemeinsame Vorschriften, <http:// europa.eu/legislation_summaries/transport/air_transport/tr0028_de.htm > (eingesehen am 8.7.2014). 49 European Aviation Safety Agency, Information Note: Agreement between the United States of America and the European Union on Cooperation in the Regulation of Civil Aviation Safety, 2011, <http://easa.europa. eu/system/files/dfu/Information%20note%20-%20Agreement%20 EU-US.pdf>. 48 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Civil Aviation Safety). Darin einigten sich die Parteien auf die Anerkennung von Zertifizierungsfeststellungen in der Konstruktion, bei der Herstellung und Instandhaltung von Luftfahrtprodukten. Das Abkommen verringert den technischen und bürokratischen Aufwand erheblich. Zudem wurde der Austausch von verschiedenen Informationen zur Luftfahrtsicherheit vereinbart. So sollen unter anderem plötzlich auftretende Sicherheitsprobleme gemeinsam gelöst werden.50 Außerdem wurden mehrere Unterausschüsse eingeführt, um eine effektive Arbeitsweise zu gewährleisten. Ein Bilateral Oversight Board (BOB) evaluiert die Implementierung des Abkommens und entscheidet, ob Regelungen erweitert werden sollten. Im BOB werden die USA von der FAA, die EU von der Kommission und unterstützend von EASA und nationalen Flugsicherheitsbehörden vertreten. Das BOB trifft sich seit Inkrafttreten des Abkommens zwei Mal jährlich. Im Jahr 2012 vereinbarte das BOB, das Abkommen um neue Themen zu erweitern: die Zulassung der Flugbesatzung, Flugsimulationsübungsgeräte und Ausbildungseinrichtungen für Piloten.51 Im Jahr 2012 beschlossen die EU-Kommission und die TSA in einem weiteren Abkommen die Anerkennung ihrer Air Cargo Security Regime, also der Sicherheitsregeln zur Abwicklung von Frachtgut. Europäische Luftfahrtunternehmen müssen nunmehr lediglich EU-Rechtsvorschriften bezüglich des Screenings von Frachtladungen einhalten. Da Fracht nicht mehr nach TSA-Standards erneut überprüft werden muss, wird bei der Frachtabwicklung Zeit und Geld gespart ohne dass die Sicherheit gemindert wird. Umgekehrt akzeptiert die EU ebenfalls die in den USA geltenden Sicherheitsstandards.52 Bioprodukte Im Jahr 2012 einigten sich die EU und die USA auf die gegenseitige Anerkennung ihrer Zertifizierungen für Bioprodukte (organic food). Das Übereinkommen gilt Europäische Union, Bahnbrechendes Abkommen EU-USA über Sicherheit in der Zivilluftfahrt tritt in Kraft, Pressemitteilung, 1.5.2011, <http://europa.eu/rapid/press-release_IP-11-516_de.htm> (eingesehen am 24.2.2014). 51 Official Journal of the European Union, Report on the Annual Accounts of the European Aviation Safety Agency for the Financial Year 2012, 13.12.2013, <http://old.eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ. do?uri=OJ:C:2013:365:0066:0066:EN:PDF>. 52 Europäische Kommission, EU-US Security Agreement Allows Cheaper and Faster Air Cargo Operations, Pressemitteilung, 1.12.2012, <http:// europa.eu/rapid/press-release_IP-12-544_en.htm> (eingesehen am 20.3.2014). 50 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 27 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel für alle landwirtschaftlichen Produkte mit Ausnahme von Fisch und Meeresfrüchten sowie von Produkten, die Antibiotika enthalten.53 Diese gegenseitige Anerkennung erweitert den Markt für europäische wie für US-amerikanische Bioprodukte. werden.57 In der Beratergruppe sind fachliche und unternehmerische Interessengruppen vertreten, zum Beispiel der Internationale Verband der Vereinigungen für ökologischen Landbau (International Federation of Organic Agriculture Movements, IFOAM) oder auch das Europäische Büro der Verbraucherverbände (Bureau Européen des Unions de Consommateurs, BEUC).58 Auf europäischer Seite ist die EU-Verordnung (EG) Nr. 834/2007 die Rechtsgrundlage für Produktion, Vertrieb, Kontrolle und Kennzeichnung ökologischer/ biologischer Erzeugnisse.54 Neben der Verordnung des Rates wurden zusätzliche Verordnungen der Kommission angenommen: Insbesondere definiert Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 der Kommission Vorschriften zum Import von biologischen/ökologischen Erzeugnissen aus Drittländern.55 Zur Anerkennung von US-amerikanischen Bioprodukten im europäischen Markt wurde die Durchführungsverordnung Nr. 834/2007 von der EU-Kommission ergänzt und die USA in die Liste anerkannter Drittländer aufgenommen. In den USA hat das US-Landwirtschaftsministerium (U.S. Department of Agriculture, USDA) auf der Grundlage des Organic Foods Production Act (OFPA) von 1990 die Anerkennung von Bioprodukten aus der EU beschlossen.56 Das EU-Parlament und der Rat sind mit der Regulierung des ökologischen/biologischen Landbaus beauftragt. Die EU-Kommission entwickelt die EU-weiten Verordnungen in Zusammenarbeit mit dem Ständigen Ausschuss für den ökologischen Landbau und wird darüber hinaus von der Beratungsgruppe „Ökologischer Landbau“ fachlich unterstützt. Der Ausschuss besteht aus Vertretern aller EU-Länder. So soll eine enge Zusammenarbeit der verantwortlichen Behörden und eine einheitliche Anwendung der Verordnungen gewährleistet Laut EU-Verordnung muss jeder EU-Mitgliedstaat eine Behörde mit der Zertifizierung von Bioprodukten beauftragen. Diese Kontrollbehörde inspiziert Landwirte, Verarbeitungsbetriebe und Händler, um festzustellen, ob diese entsprechend den EU-Verordnungen arbeiten.59 Nach dieser Kontrolle kann die Behörde ein Zertifikat ausstellen, das die Konformität mit EU-Richtlinien bestätigt und den Betrieben erlaubt, Produkte als biologisch zu kennzeichnen. Diese Betriebe müssen mindestens zwei Mal jährlich von der Behörde kontrolliert werden. In den USA sind vom US-Landwirtschaftsministerium akkreditierte Stellen (National Organic Program Accredited Certifying Agents) mit der Zertifizierung von Bioprodukten beauftragt. Diese sind vom USDA autorisiert zu prüfen, ob Produkte und Betriebe mit den Richtlinien des Organic Foods Production Act of 1990 konform sind.60 Bevor das Abkommen geschlossen wurde, führten beide Verhandlungsparteien intensive örtliche Prüfungen durch, um die Kompatibilität der jeweiligen Regulierungen, Kontrollmaßnahmen, Kennzeichnungsverfahren und Zertifizierungsanforderungen zu gewährleisten. Zu den Zertifizierungsanforderungen für organic food Europäische Kommission, Ökologische Landwirtschaft – Ständiger Ausschuss für den ökologischen Landbau, <http://ec.europa.eu/ agriculture/organic/eu-policy/eu-legislation/regulatory-committee/ index_de.htm>. 58 Europäische Kommission, Ökologische Landwirtschaft – Beratungsgruppe „Ökologischer Landbau“, <http://ec.europa.eu/agriculture/organic/eupolicy/eu-legislation/advisory-group-on-organic-farming/index_de.htm> (eingesehen am 9.7.2014). 59 Europäische Kommission, Ökologische Landwirtschaft – Control System, <http://ec.europa.eu/agriculture/organic/consumer-trust/ certification-and-confidence/controls-and-inspections/control-system/ index_en.htm> (eingesehen am 9.7.2014). 60 United States Department of Agriculture, National Organic Program – International Trade Policies: European Union, <http://www.ams.usda. gov/AMSv1.0/NOPTradeEuropeanUnion> (eingesehen am 9.7.2014); United States Department of Agriculture, National Organic Program - USDA Accredited Certifying Agents (ACAs),<http://www.ams.usda. gov/AMSv1.0/ams.fetchTemplateData.do?template=TemplateJ&navID=NationalOrganicProgram&leftNav=NationalOrganicProgram&page=NOPACAs&description=USDA%20Accredited%20Certifying%20 Agents&acct=nopgeninfo> (eingesehen am 30.7.2014). 57 Europäische Kommission, European Union and United States agree to Historic New Partnership on Organic Trade, Pressemitteilung, 15.2.2012, <http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-138_en.htm> (eingesehen am 22.4.2014); „EU, US Deal Seen Boosting Trade in Organic Goods“, in: Reuters, 15.2.2012, <http://www.reuters.com/article/2012/02/15/ eu-us-organic-idUSL5E8DF22D20120215> (eingesehen am 22.4.2014). 54 Amtsblatt der Europäischen Union, Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen, <http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/ PDF/?uri=CELEX:32007R0834&from=EN>. 55 Europäische Kommission, Ökologische Landwirtschaft – Rechtsrahmen, <http://ec.europa.eu/agriculture/organic/eu-policy/eu-rules-onproduction/legal-frame/index_de.htm> (eingesehen am 9.7.2014). 56 Office of the United States Trade Representative, United States and European Union Agree on Historic New Partnership on Organic Trade, <http://www.ustr.gov/about-us/press-office/press-releases/2012/ february/united-states-and-european-union-agree-historic-n> (eingesehen am 10.9.2014). 53 28 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik in den USA gehört etwa die Verpflichtung zur Freilandhaltung von Tieren, der Verzicht auf gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und die Trennung von Nahrungsmitteln aus ökologischem und nicht-ökologischem Anbau im Produktionsprozess.61 Aufbauend auf dieser Prüfung erklärten die transatlantischen Partner die jeweiligen Voraussetzungen, um Bioprodukte auf den Markt zu bringen, für äquivalent. Es handelt sich damit um eine gegenseitige Anerkennung auf der Basis eines vergleichbaren Nahrungsmittel- und Verbraucherschutzniveaus. Die einzige Ausnahme bildet hierbei das Verbot von Antibiotika.62 Die Regulierungen des USDA erlauben den Gebrauch von Antibiotika nur bei bakteriellen Infektionen von Birnen und Äpfeln, während die EU den Gebrauch von Antibiotika nur bei erkrankten Tieren erlaubt. Daher müssen die Kontroll- und Zertifizierungsstellen auf US-amerikanischer und europäischer Seite bei allen Bioprodukten überprüfen und bestätigen, dass keine Antibiotika verwendet wurden. Diese Bestätigung erfolgt über das Organic Export Certificate, das allen Waren beigefügt werden muss, die nach Europa beziehungsweise in die USA ein- oder ausgeführt werden sollen. Diese Zertifikate werden von den jeweiligen nationalen Behörden ausgestellt und beinhalten Informationen über die Zertifizierungsbehörde sowie den Nachweis, dass keine verbotenen Substanzen wie Antibiotika verwendet wurden und das Produkt den vereinbarten Regulierungen entspricht.63 Das US-Landwirtschaftsministerium und die EU-Kommission haben zudem die Organics Working Group eingerichtet, die mindestens einmal jährlich zu gemeinsamen Gesprächen zusammenkommt. Die Gruppe überprüft die Einhaltung des Abkommens und lotet aus, wie die Kooperation gestärkt werden kann. Beispielsweise soll im Rahmen dieser Gespräche darüber beraten werden, ob die Exportzertifikate durch elektronische Zertifikate ausgetauscht oder ganz aufgehoben werden können.64 Mitglieder der Gruppe sind unter anderem auf US-amerikanischer Seite U.S. Department of Agriculture, Organic Agriculture, <http://www. usda.gov/wps/portal/usda/usdahome?contentidonly=true&contenti d=organic-agriculture.html> (eingesehen am 22.5.2014). 62 Europäische Kommission, European Union and United States Agree to Historic New Partnership on Organic Trade, <http://europa.eu/rapid/ press-release_IP-12-138_en.htm> (eingesehen am 9.7.2014). 63 United States Mission to the European Union, US-EU Organic Equivalency Agreement, <http://www.usda-eu.org/trade-with-theeu/trade-agreements/us-eu-organic-arrangement/> (eingesehen am 9.7.2014). 64 USDA National Organic Program, U.S-European Union Organic Equivalence Arrangement Questions and Answers, <http://www. ams.usda.gov/AMSv1.0/getfile?dDocName=STELPRDC5097061> (eingesehen am 9.7.2014). Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel das Büro des Handelsbeauftragten (United States Trade Representative, USTR), das Landwirtschaftsministerium, das National Organic Program und der Foreign Agricultural Service. Auf EU-Seite ist unter anderem die Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Kommission vertreten. EU-U.S. Veterinary Equivalency Agreement Im Jahr 1998 einigten sich die EU und USA auf das EU-U.S. Veterinary Equivalency Agreement, das den Handel mit lebenden Tieren und tierischen Produkten vereinfachen soll. Durch dieses Gleichstellungsabkommen im Veterinärbereich entfallen zum Beispiel für US-Exporteure Kontrollen an den sogenannten veterinary border inspection ports in der EU.65 Ziel des Abkommens ist die Feststellung der Äquivalenz von Rechtsvorschriften und Hygienemaßnahmen zum Schutz von Mensch und Tier. Das Gesundheitsschutzniveau muss also nicht durch identische, sondern durch gleichwertige Hygienemaßnahmen gewährleistet werden. Überprüft werden die Produkthygiene und ob ein effizientes Überwachungssystems besteht. Des Weiteren regelt das Abkommen die Anwendung des Grundsatzes der Regionalisierung sowie die Verbesserung des Informationsaustausches und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Hygienemaßnahmen. Ortskontrollen ermöglichen es den USA und der EU, die Einhaltung der Bestimmungen jederzeit zu überprüfen. Die veterinärrechtlichen Systeme der USA und der EU wurden im Vorfeld gründlich auf Gleichwertigkeit überprüft. Auf Seiten der EU war die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher (DG SANCO) für die Verhandlungen und Überprüfungen zuständig. Je nach Art des Produkts ist in den USA eine von neun verschiedenen Behörden für die Regulierung von im Inland produzierten und importierten tierischen Lebensmitteln verantwortlich. Die Verhandlungen über das Abkommen dauerten sechs Jahre. 61 65 Europäische Kommission, Health and Consumers – Veterinary Border Control, <http://ec.europa.eu/food/animal/bips/index_en.htm> (eingesehen am 15.7.2014); U.S. Department of Agriculture, Veterinary Equivalency Agreement, <http://www.usda-eu.org/trade-with-the-eu/ trade-agreements/veterinary-equivalency-agreement/>; U.S. Department of Agriculture, Trade Policy Monitoring: The US-EU Veterinary Equivalence Agreement: Content and Comparison, 2005, <http://apps.fas.usda. gov/gainfiles/200512/146131719.pdf> (eingesehen am 9.7.2014); Bettina Rudloff, TTIP muss nicht zum Blankoscheck für die Einfuhr von Chlorhühnern & Co. werden, 5.6.2014, <http://www.swp-berlin. org/de/publikationen/kurz-gesagt/ttip-muss-nicht-zum-blankoscheckfuer-die-einfuhr-von-chlorhuehnern-co-werden.html>. Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 29 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Elektromobilität und intelligente Netze Ende 2011 legten die EU und die USA mit einer gemeinsamen Absichtserklärung zur Kooperation im Bereich Elektromobilität und intelligente Stromnetze (smart grids) den Grundstein für die gemeinsame Entwicklung von Technologien in beiden Bereichen. Kommission in Ispra, Italien, und in Petten in den Niederlanden. Aufgabe dieser Forschungszentren ist es, die Kompatibilität bestehender Technologien zu prüfen, Lade- und Verbindungstechnologien zu entwickeln und gemeinsam Bereiche zu identifizieren, bei denen es neuer Technologien und Normen bedarf. 69 In der EU ist die Rechtsgrundlage für intelligente Stromnetzte die Renewables Directive (Art. 16 2009/28/EC). Diese verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, Übertragungsnetze und Stromnetzinfrastrukturen zu entwickeln, um die Nutzung erneuerbarer Energien zu steigern.66 Elektromobilität hat das Potenzial, wirtschaftliches Wachstum zu steigern und Energie im Transportsektor einzusparen. Umso wichtiger ist es, Technologien zu standardisieren sowie die Kompatibilität von elektrischen Fahrzeugen und Stromnetzen sicherzustellen. Nicht nur für die Automobilindustrie sind globale Standards von großer Bedeutung. Auch die Elektroindustrie und Netzwerkanbieter, die in intelligente Stromnetze investieren, drängen auf globale Standards.67 Gegenseitige Anerkennung von Zoll-Sicherheitspartnerschaften Im Mai 2012 unterzeichneten die EU-Kommission und die US-Regierung ein Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Zollsicherheitsprogramme (Decision on the Mutual Recognition of Trade Partnership Programmes). Auf EU-Seite ist dies der Authorised Economic Operator (AEO), auf US-Seite die Customs-Trade Partnership Against Terrorism (C-TPAT). Darüber hinaus haben sich führende Automobilhersteller aus der EU und den USA (unter anderem Audi, BMW, Daimler, Ford, General Motors und Volkswagen) 2011 zum Ladestandard CCS (Combined Charging System) für Elektroautos bekannt. CCS ist ein universelles Ladesystem, das nur eine einzige Schnittstelle am Fahrzeug benötigt, über die der Kunde mit allen verfügbaren Ladearten Strom entnehmen kann. Ziel der Nationalen Plattform Elektromobilität ist es, CCS gemeinsam mit den USA als globalen Ladestandard zu etablieren. So kann die Planungssicherheit für Automobilhersteller und Verkehrsplaner vergrößert und der Anreiz für Innovation und Investitionen im Bereich Elektromobilität erhöht werden.68 Um die Entwicklung von Technologien für Elektromobilität im transatlantischen Markt gemeinsam voranzutreiben, eröffneten die USA im Jahr 2013 das Electric Vehicle-Smart Grid Interoperability Center in Argonne im Bundesstaat Illinois. Zwei weitere Interoperability Center auf europäischer Seite gibt es in den Joint Research Centres der Europäischen Europäische Kommission, Smart Grids: From Innovation to Deployment, <http://www.unece.org/fileadmin/DAM/energy/se/pp/clep/eg7/Item6_ SmartGrids_Inov_Depl_EU.pdf> (eingesehen am 9.7.2014). 67 U.S. Energy Department, Energy Department Partners with EU on Electric Vehicle and Smart Grid Coordination, <http://energy.gov/ articles/energy-department-partners-eu-electric-vehicle-and-smartgrid-coordination>. 68 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Fortschrittsbericht der Nationalen Plattform Elektromobilität (Dritter Bericht) 2012, S. 27, 34, <http://www.bmbf.de/pubRD/NPE_Fortschrittsbericht_2012_ VorlageBarrierefreiheit_n_DNK84g.pdf> (eingesehen am 24.7.2014). 66 Um den Status eines AEO zu erhalten, müssen Unternehmen eine Reihe von Anforderungen erfüllen, die EU-weit gelten. Dazu gehören beispielsweise die Einhaltung der Zollbestimmungen, der Nachweis der Zahlungsfähigkeit, die ordnungsgemäße Buchführung sowie die Einführung und Beachtung ausreichender Sicherheitsstandards.70 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sollen dem Unternehmen gewisse Erleichterungen in der Zollabfertigung zugestanden werden. Die C-TPAT ist ebenfalls eine auf freiwilliger Basis beruhende Sicherheitspartnerschaft zwischen dem US‑Zoll (U.S. Customs and Border Protection, CBP) und der Privatwirtschaft. Im Rahmen von C-TPAT wird den zertifizierten Unternehmen eine beschleunigte Zollabfertigung beim Import gewährt. Voraussetzung ist, dass die Unternehmen nur mit sicheren Kunden und Lieferanten zusammenzuarbeiten. Zudem muss sich das Unternehmen verpflichten, seine Sicherheitsmaßnahmen gegenüber der Zollbehörde CBP offenzulegen sowie eventuelle Sicherheitslücken zu identifizieren und zu schließen. Mit der gegenseitigen Anerkennung von AEO und C-TPAT soll der transatlantische Warenhandel vereinfacht werden, indem Exporteure keine doppelte Zertifizierung mehr benötigen. Dazu haben die EU und die USA in einer EU-US Mutual Recognition Decision vereinbart, die dafür wesentlichen U.S. Energy Department, Energy Department Partners with EU on Electric Vehicle and Smart Grid Coordination, <http://energy.gov/ articles/energy-department-partners-eu-electric-vehicle-and-smartgrid-coordination> (eingesehen am 20.3.2015). 70 European Commission, Authorised Economic Operator (AEO), <http:// ec.europa.eu/taxation_customs/customs/policy_issues/customs_ security/aeo/index_en.htm> (eingesehen am 23.7.2014). 69 30 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Datensätze automatisch alle 24 Stunden zwischen den Behörden auszutauschen.71 Zu diesen Datensätzen gehören Name, Adresse und Status des Wirtschaftsbeteiligten, außerdem das Datum der Anerkennung, Mitteilungen über Einschränkungen des Status oder Suspendierungen sowie die jeweilige Kennnummer. In den USA ist die Kennnummer die entsprechende C-TPAT Account Number. In der EU ist es die EORI-Nummer. In der EU erfordern die Datenschutzbestimmungen eine gesonderte Autorisierung dieses transatlantischen Datenaustauschs durch den Wirtschaftsbeteiligten selbst. Die Antragsstellung und Entgegennahme der Zertifizierung autorisieren den Datenabgleich nur innerhalb der EU. Somit werden im transatlantischen Rahmen nur die Daten der Wirtschaftsbeteiligten ausgetauscht, die den Behörden eine entsprechende Autorisierung gegeben haben. In der Praxis hat die gegenseitige Anerkennung der Zollsicherheitsprogramme bisher noch keine spürbaren Erleichterungen im Handel gebracht. Dies liegt allerdings nicht an dem EU-US Abkommen, sondern vielmehr an Defiziten im AEO-Programm und bei C-TPAT selbst. So wurde das AEO-Programm noch nicht für alle Zollbereiche umgesetzt. In der EU fehlt es im Einfuhrverfahren etwa immer noch an einer wirklichen Gestellungsbefreiung – also an einer Befreiung von der Pflicht, die Importware zu einem festgelegten Zeitpunkt am oder außerhalb des Amtsplatzes dem Zoll vorzuführen oder bereitzuhalten, – und einer beschleunigten Zollabfertigung. Zudem gibt es keine reduzierte Meldedatenpflicht bei der summarischen Ausgangsanmeldung – eine notwendige Voraussetzung für echte Erleichterungen im Handel. Auf der anderen Seite ist die Einhaltung der AEO-Kriterien kosten- und verwaltungsintensiv. Dies ist insbesondere der Fall, wenn bauliche Maßnahmen ergriffen werden müssen (beispielsweise zur Zugangsbeschränkung) oder zusätzliches Personal für Sicherheitskontrollen erforderlich ist (etwa für Besucherscreenings). Auch im Rahmen der neuen EU-Zollgesetzgebung zeichnet sich ab, dass der Unionszollkodex dem AEO keine echten Erleichterungen bringen wird. Auf US-Seite wurde eine beschleunigte Zollabfertigung (fast lane) versprochen, aber nicht umgesetzt. Die US-Behörden sind bisher reduzierte Inspektionsquoten schuldig geblieben. Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Zollrisikomanagement voranzutreiben. Der jüngst von der Europäischen Kommission initiierte Aktionsplan zum verbesserten Zollrisikomanagement sollte deshalb für Nachbesserungen genutzt werden. Erfreulicherweise sieht die Kommission dort selbst eine weitere Stärkung des AEO vor, um die Kooperation mit der Wirtschaft im Sinne eines umfassenden Zollrisikomanagements zu festigen. Auch für den C-TPAT sollten weitere Erleichterungen geschaffen werden. Hohe Standards für Spielzeugwaren Ein Beispiel dafür, wie sich die transatlantische Zusammenarbeit auf Drittländer auswirkt, ist das gemeinsame Vorgehen der EU und der USA gegenüber China hinsichtlich giftiger Schadstoffe in Kinderspielzeug. 2008, 2011 und 2014 reisten Vertreter aus der EU und den USA gemeinsam nach Hongkong und China, um Hersteller über die gemeinsamen, in einer EU-U.S. Working Group on Toy Safety and Other Children’s Products entwickelten Sicherheitsauflagen aufzuklären. Grundlage dafür war auf Seiten der Europäischen Union die EU Toy Safety Directive 2009/48/EC.72 Auf US-Seite muss Kinderspielzeug entsprechend den Auflagen des Consumer Product Safety Improvement Act von 2008 hergestellt und nach der Norm ASTM F963-11 (American Society for Testing and Materials) zertifiziert werden.73 In beiden Märkten ist es demnach verboten, bestimmte giftige oder gefährliche Chemikalien oder Substanzen bei der Herstellung von Kinderspielzeug zu verwenden. Das Verbot erstreckt sich auf die gesamte Lieferkette. Auf dieser Grundlage haben die U.S. Consumer Safety Commission und die Generaldirektion Unternehmen und Industrie bei der EU-Kommission ihre chinesischen Counterparts in der General Administration of Quality Supervision, Inspection and Quarantine (AQSIQ) beraten und ausgebildet. Ziel ist es, dass die chinesische Produktion die notwendigen Standards erfüllt, damit Kinderspielzeug auf dem US- und dem europäischen Markt in Verkehr gebracht werden kann. Auf diese Weise konnten die Handelsbeziehungen mit China auf der Grundlage eines deutlich verbesserten Verbraucherschutzniveaus gestärkt werden.74 European Commission, Toy Safety Directive, <http://ec.europa.eu/enterprise/ sectors/toys/documents/directives/index_en.htm> (eingesehen am 23.7.2014). 73 United States Consumer Product Safety Commission, FAQs: Safety Standards for Childrens’ Toys, <http://www.cpsc.gov/Business-Manufacturing/Business-Education/Toy-Safety/FAQs-Safety-Standardfor-Childrens-Toys/> (eingesehen am 23.7.2014). 74 Europäische Kommission, Toys: International Aspects, <http:// ec.europa.eu/growth/sectors/toys/international-aspects/index_en.htm> (eingesehen am 2.7.2015). 72 Dennoch ist die gegenseitige Anerkennung der Zoll-Initiativen ein Schritt in die richtige Richtung, um ein modernes 71 European Commission, Frequently Asked Questions, EU – US Mutual Recognition, <http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/ documents/customs/policy_issues/customs_security/aeo_mra/faq. pdf> (eingesehen am 19.2. 2015). Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 31 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 4.3 Erfolgsfaktoren für die transatlantische Regulierungskooperation der EU und USA wurden zudem genau geprüft. Erst dadurch wurde eine gegenseitige Anerkennung möglich. Angesichts der zahlreichen Initiativen seit den 1990er Jahren, die Regulierungskooperation zwischen der EU und den USA zu stärken, fällt ihre Bilanz trotz der genannten (Teil-) Erfolgsbeispiele bestenfalls gemischt aus. Am Beispiel der gegenseitigen Anerkennung von Bioprodukten zeigt sich ein weiteres wichtiges Erfolgskriterium für Regulierungskooperation: die Verankerung internationaler Regulierungskooperation in Gesetzen und Regulierungsprozessen auf nationaler Ebene. So geben Durchführungsverordnungen der EU einen klaren Rahmen für den Import und die Anerkennung von Bioprodukten aus Drittländern vor. Die Erfolgsaussichten sind zudem höher, wenn die Faktenlage klar ist sowie die Beurteilung auf ähnlichen Kriterien und Methoden beruht. Auch dies war bei Bioprodukten der Fall. Die OECD identifiziert eine Reihe von Faktoren für erfolgreiche internationale regulatorische Kooperation.75 An erster Stelle steht der (wirtschaftliche) Nutzen.76 Regulierungskooperation ist beispielsweise umso attraktiver, je höher die Kosteneinsparungen im Handel sind oder auch umso mehr der Marktzugang verbessert wird. Dies wird am Beispiel der Elektromobilität deutlich: Von der Entwicklung kompatibler Technologien für Fahrzeuge und Stromnetze profitieren die Automobilhersteller, die Elektroindustrie und Netzwerkanbieter auf beiden Seiten des Atlantiks. Auch die gegenseitige Anerkennung der Zollsicherheitsprogramme bringt den Händlern handfeste Kosteneinsparungen. Das Beispiel der Elektromobilität zeigt ein weiteres Erfolgskriterium auf: Je früher im Regulierungsprozess international kooperiert wird, desto besser stehen die Chancen, dass sich die Handelspartner auf gemeinsame Regeln und Normen einigen. Wenn sich Regulierungen dagegen bereits sehr unterschiedlich entwickelt haben und seit Jahren, teilweise Jahrzehnten, etabliert sind, ist es schwierig, diese in Einklang zu bringen.77 Der wirtschaftliche Nutzen von Regulierungskooperation allein erklärt jedoch nicht, warum manche Initiativen gescheitert sind, während andere zum Erfolg gebracht werden konnten. Ein weiteres wichtiges Erfolgskriterium ist Vertrauen zwischen den Regulierern der Partnerländer. Voraussetzungen für gegenseitiges Vertrauen sind wiederum eine funktionierende Rechtsgrundlage und effektive Regulierungsbehörden.78 Dies zeigt sich beispielsweise bei der gegenseitigen Anerkennung von Bioprodukten. Die Zertifizierung von Bioprodukten beruht auf beiden Seiten des Atlantiks auf nationalen beziehungsweise europäischen Gesetzestexten und wird von Kontrollbehörden strikt überwacht. Die Äquivalenz und Kompatibilität der Regulierungen OECD, International Regulatory Cooperation: Addressing Global Challenges, 2013, S. 109 ff. 76 OECD (2013), S. 102 f. 77 OECD (2013), S. 104. 78 OECD (2013), S. 110 f. 75 Jede noch so gut gemeinte Initiative ist jedoch zum Scheitern verurteilt, wenn keine klaren Ziele vorgegeben und keine Institutionen mit ihrer Umsetzung betraut werden. Im Falle des Abkommen zwischen der EU und den USA über die Zusammenarbeit bei der Regelung der Sicherheit der Zivilluftfahrt stellt das Bilateral Oversight Board die Implementierung des Abkommens sicher. Dieses wertet den Implementierungsprozess aus. Die Auswertung des Implementierungsprozesses stellt selbst einen weiteren Erfolgsfaktor dar, denn so kann gegebenenfalls nachjustiert und die Zusammenarbeit verbessert werden. Hilfreich sind auch gemeinsame Arbeitsgruppen wie die EU-U.S. Working Group on Toy Safety and Other Children’s Products, auf die im konkreten Fall zurückgegriffen werden kann. Auch sie fördern den Austausch von Informationen und bauen Vertrauen auf. Grundsätzliche Voraussetzung für erfolgreiche Regulierungskooperation ist und bleibt jedoch der Wille auf höchster politischer Ebene, diese voranzutreiben. Rund 20 Jahre transatlantische Regulierungskooperation zeigen dies sehr deutlich. 32 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 4.4 Zwischenfazit Erfolgskriterien für Regulierungskooperation -- Engagement auf hoher politischer Ebene; -- Wirtschaflichter Nutzen; -- Ähnliche Problemwahrnehmung; -- Eine gemeinsame Sprache und Definition; -- Ausreichende Datenlage; -- Überwindung der Hürden für Informationsaustausch und Vorantreiben von Informationsaustausch; -- Verankerung internationaler Regulierungskooperation in Regulierungsprozessen auf nationaler Ebene; -- Einbindung flexibler Mechanismen, um Regulierungskooperation kontinuierlich an neue Marktstrukturen und andere Veränderungen anzupassen; -- Klare Ziele und Zeitpläne; -- Transparenz; -- Einbindung der Wirtschaft, Wissenschaft und anderer zivilgesellschaftlicher Gruppen. Seit den 1990er Jahren haben die EU und USA zahlreiche Deklarationen über die transatlantische Zusammenarbeit unterzeichnet, Dialoge ins Leben gerufen und Institutionen gegründet, mit dem Ziel, Barrieren im Handel abzubauen und den transatlantischen Markt zu stärken. Während es zwar vereinzelte Erfolgsbeispiele gibt, führten oft der Mangel an politischem Willen sowie die Unverbindlichkeit der Verpflichtungen und Zeitpläne dazu, dass Initiativen ergebnislos blieben. Die transatlantischen Dialogformate konnten weder verhindern, dass es wiederholt zu heftigen Handelsstreitigkeiten kam, noch dass neue Barrieren im transatlantischen Handel entstanden. Diese Erkenntnis war der Grund dafür, dass die transatlantischen Partner Ende 2011 die High Level Working Group on Jobs and Growth (HLWG) einsetzten und damit beauftragten, Empfehlungen für eine Stärkung der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen zu erarbeiten. Die Arbeitsgruppe empfahl den transatlantischen Partnern, ein umfassendes und ambitioniertes Handels- und Investitionsabkommen zu verhandeln. Dazu zählt auch die Empfehlung, Mechanismen für die regulatorische Kooperation in einem Handelsabkommen nachhaltig zu verankern.79 Seit Sommer 2013 laufen die Gespräche über TTIP; bis April 2015 fanden neun Verhandlungsrunden statt. TTIP wird sich deutlich von vorangegangenen transatlantischen Initiativen unterscheiden: Bei TTIP handelt es sich um ein internationales Abkommen, das von den Gesetzgebern auf beiden Seiten des Atlantiks ratifiziert werden muss. Somit wären die Vereinbarungen im Gegensatz zu vielen früheren Versuchen der transatlantischen Kooperation bindend. „The two sides should seek to negotiate a framework for identifying opportunities for and guiding future regulatory cooperation, including provisions that provide an institutional basis for future progress“, European Commission, Final Report High-Level Working Group on Jobs and Growth, 11.2.2013, S. 4, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/ docs/2013/ february/tradoc_150519.pdf>. 79 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 33 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel V. Chancen für eine bessere regulatorische Zusammenarbeit In den Verhandlungen über TTIP werden sowohl horizontale, also sektorübergreifende, Fragen der Regulierungskooperation besprochen als auch vertikale (sektorspezifisch) Themen behandelt. Die Verhandlungspartner orientieren sich dabei an den Empfehlungen der HLWG. In Bezug auf vertikale (sektorspezifische) Regulierungskooperation empfiehlt die HLWG, dass Vereinbarungen für einzelne Güter- und Dienstleistungssektoren getroffen werden. Der Abschlussbericht der HLWG selbst gibt keine Empfehlungen darüber, welche Sektoren dies sein sollen. Verhandelt wird zurzeit über Regulierungskooperation in den Branchen/Sektoren Chemie, Automobil, Kosmetika, Pharmazeutik, Textil und Bekleidung, Pestizide, Informations- und Telekommunikationstechnologie, Maschinenbau und Elektrotechnik sowie Medizinprodukte.80 Laut Aussage der EU-Kommission ist kein Sektor grundsätzlich von den Verhandlungen ausgenommen. Aber auch nicht für jeden Sektor ist ein eigenes Verhandlungskapitel geplant. Die EU-Kommission hat bisher Positionspapiere zur regulatorischen Zusammenarbeit in einzelnen Industriesektoren vorgelegt: Chemie, Automobil, Maschinenbau und Elektrotechnik, Medizintechnik, Kosmetika, Pharmazeutik, sowie Textil und Bekleidung.81 Als horizontales Element sollen Vereinbarungen über Kohärenz und Transparenz geschlossen werden. Ziel ist es, dass sich die EU und die USA besser über die Entwicklung und Implementierung von Regulierungen informieren und diese somit kompatibler gestalten können. Ein weiteres horizontales Element ist die Vereinbarung eines Rahmens für zukünftige regulatorische Zusammenarbeit. Die EU-Kommission schlägt dazu zum einen vor, die Transparenz bei der Erarbeitung von Gesetzen und Regulierungen insgesamt zu erhöhen, um allen potenziell betroffenen Wirtschaftsteilnehmern (z.B. Verbrauchern, Unternehmen, Verbänden, Handelspartnern) die frühzeitige Möglichkeit zu Konsultationen und Stellungnahmen zu geben. Dies soll nicht auf die transatlantischen Partner beschränkt sein. Zum anderen schlägt die EU-Kommission einen bilateralen Kooperationsmechanismus vor (Regulatory Cooperation Body), der den regelmäßigen Austausch Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, TTIP-Verhandlungen werden auf Maschinenbau ausgeweitet, <http://www.vdma.org/article/-/ articleview/3954755> (eingesehen am 7.7.2014). 81 Europäische Kommission, Now Online - EU Negotiating Texts in TTIP, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1230#regulatorycooperation> (eingesehen am 22.6.2015). der Regulierungsbehörden fördert, gemeinsame Regulierungsinitiativen entwickelt und die Umsetzung der in TTIP getroffenen Vereinbarungen überwacht. Dieses Gremium soll laut EU-Kommission keine Entscheidungsbefugnis haben und den Handlungsspielraum von Parlamenten und Regierungen auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten nicht einschränken. Darüber hinaus soll die geplante Regulierungskomponente in TTIP wie auch in anderen Freihandelsabkommen noch zwei weitere Bereiche umfassen: Zum einen soll ein Kapitel zu gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen in TTIP enthalten sein, das auf dem SPS-Abkommen der WTO basieren soll. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Handelsstreitigkeiten der EU und USA im Lebensmittelbereich soll dieses Kapitel den Dialog und die Kooperation in diesem Bereich verbessern. Zum anderen wird ein Kapitel zu technischen Barrieren verhandelt, welches auf dem TBT-Abkommen der WTO aufbauen soll. Auch hier ist das Ziel, die Regulierungskooperation zu verbessern.82 Im Folgenden werden einige ausgewählte Sektoren genauer beleuchtet, um Chancen für eine intensivierte Regulierungskooperation zu identifizieren: die Automobilindustrie, die chemische Industrie, der Maschinenbau, die Elektroindustrie, die medizintechnische Industrie, die Pharmaindustrie, die Textil- und Bekleidungsindustrie und die Informations- und Kommunikationstechnik. Die Reihenfolge spiegelt dabei keine Prioritätensetzung der deutschen Wirtschaft wider. Die Liste ist nicht erschöpfend. 80 Europäische Kommission, Final Report. High Level Working Group on Jobs and Growth, 11.2.2013, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/ docs/2013/february/tradoc_150519.pdf>. 82 34 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Abbildung 1: Außenhandel der EU. Ein- und Ausfuhren mit allen anderen Handelspartnern (Mrd. Euro) 1900 1700 1500 1300 1100 900 700 2002 2003 2004 2005 Warenexporte der EU (Gesamt, Mrd. Euro) 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Warenimporte der EU (Gesamt, Mrd. Euro) Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database> (eingesehen am 25.6.2015). Abbildung 2: Außenhandel EU - USA. Insgesamt (Mrd. Euro) 330 310 290 270 250 230 210 190 170 150 2003 2004 2005 2006 Wareneinfuhren in die EU aus den USA 2007 2008 2009 2010 Warenausfuhren aus der EU in die USA Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database> (eingesehen am 25.6.2015). 2011 2012 2013 2014 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 35 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Abbildung 3: Relative Bedeutung des US-Handels für die EU ist gesunken, zuletzt jedoch wieder gestiegen. Anteil EU-Handel mit den USA am gesamten Außenhandel der EU (Ex- und Importe in Prozent) 30 28 26 24 22 20 18 16 14 12 10 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Anteil der US-Exporte an gesamten Warenexporten der EU (Prozent) 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Anteil der US-Importe an gesamten Warenimporten der EU (Prozent) Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database> (eingesehen am 25.6.2015). Abbildung 4: Einfuhren der EU aus den USA. Ausgewählte Produktgruppen (Mrd. Euro) 50 Chemische Produkte Maschinen und Anlagen 40 30 20 Elektroprodukte Automobile 10 Medizintechnik Bekleidung 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>. SITC 5 (Chemie), SITC 70-75 (Maschinen und Anlagen), SITC 76-77 (Elektronikprodukte), SITC 78 (Automobile), SITC 872 (Medizintechnik), SITC 84-85 (Bekleidung und Schuhe) (eingesehen am 25.6.2015). 36 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Abbildung 5: Ausfuhren der EU in die USA. Ausgewählte Produktgruppen (Mrd. Euro) 70 Chemische Produkte Maschinen und Anlagen 60 50 Automobile 40 30 Elektroprodukte 20 Medizintechnik 10 Bekleidung 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>. SITC 5 (Chemie), SITC 70-75 (Maschinen und Anlagen), SITC 76-77 (Elektronikprodukte), SITC 78 (Automobile), SITC 872 (Medizintechnik), SITC 84-85 (Bekleidung und Schuhe) (eingesehen am 25.6.2015). Automobilindustrie Seit Ende der 1950er Jahren werden die technischen Vorschriften für Straßenfahrzeuge auf internationaler Ebene harmonisiert. Zuständig hierfür ist die Wirtschaftskommission für Europa bei den Vereinten Nationen (United Nations Economic Commission for Europe, UN ECE). Sie erarbeitet Regelungen zur internationalen Harmonisierung gesetzlicher Anforderungen und Regulierungen für Straßenfahrzeuge. Das Steuerungsgremium für diese Zulassungsregelungen ist der Arbeitskreis 29 (Working Party No. 29, UN WP.29), der dem Inland Transport Committee (ITC) der UN ECE zugeordnet ist. Die Mitglieder der UN WP.29 sind ausschließlich Regierungen.83 Dazu gehören nahezu alle Staaten weltweit, beispielsweise die EU und ihre Mitgliedstaaten sowie die USA, Japan und Russland.84 Grundlage für die Harmonisierungsbemühungen ist das am 20. März 1958 in der UN ECE beschlossene und mit Wirkung vom 16. Oktober 1995 geänderte Übereinkommen über die Annahme einheitlicher technischer Vorschriften für Radfahrzeuge, Ausrüstungsgegenstände United Nations Economic Commission for Europe, Vehicle Regulations, <http://www.unece.org/trans/main/welcwp29.html> (eingesehen am 1.9.2014). 84 United Nations Economic Commission for Europe, Member States, <http://www.unece.org/oes/nutshell/member_states_representatives. html> (eingesehen am 1.9.2014). 83 Transatlantisches Handelsvolumen im Automobilsektor -- Anteil des Sektors an den gesamten Warenimporten der EU aus den USA: 3,8 % (2014), Gesamtwert: 7,7 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Importe: 14,2 % (2013/2014) -- Anteil des Sektors an den gesamten Warenexporten der EU in die USA: 12,6 % (2014), Gesamtwert: 39,2 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Exporte: 7,4% (2013/2014) Kosten aller NTBs für den Sektor -- NTBs in der EU: 25,5% Zolläquivalent -- NTBs in den USA: 26,8% Zolläquivalent Quellen: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>, SITC 78 (Automobile) (eingesehen am 25.6.2015). Koen G. Berden et al. (Ecorys), Non-Tariff Measures in EU-US Trade and Investment – An Economic Analysis, 2009, S. 23-24, <http:// trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2009/december/tradoc_145613.pdf>. Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 37 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel und Teile, die in Radfahrzeuge(n) eingebaut und/oder verwendet werden können, und die Bedingungen für die gegenseitige Anerkennung von Genehmigungen, die nach diesen Vorschriften erteilt wurden. In dem Abkommen verpflichteten sich die Vertragsparteien, Typgenehmigungen von Fahrzeugen gegenseitig anzuerkennen. Zu den Vertragsparteien gehören unter anderem die EU und zahlreiche ihrer Mitgliedstaaten. Das Abkommen ist heute gewissermaßen Bestandteil der EU-Typgenehmigung. Die USA haben das Abkommen hingegen nicht unterzeichnet. Im US-Markt hingegen gelten trotz der Mitarbeit in der UN ECE neben den Umweltvorschriften der EPA (Environmetal Protection Agency) die Federal Motor Vehicle Safety Standards (FMVSS). Sie werden von der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA), einer Behörde des US-Verkehrsministeriums, erstellt und herausgegeben. Die NHTSA ist auch für die Implementierung und Durchsetzung der FMVSS 1998 wurde ein zweites, sogenanntes Parallelübereinkommen (auch Globalabkommen genannt) unterzeichnet. Es ermöglicht auch denjenigen Ländern, die sich nicht zu der im Übereinkommen von 1958 vorgesehenen gegenseitigen Anerkennung von Genehmigungen verpflichtet haben, an der globalen Harmonisierung teilzunehmen. In dem Parallelabkommen verpflichten sich die Vertragsparteien, gemeinsam entwickelte Globale Technische Regelungen (GTR) in den nationalen beziehungsweise regionalen Gesetzgebungsprozess einzubringen.85 Sowohl die EU als auch die USA haben dieses Abkommen unterzeichnet.86 Dennoch hat das Abkommen noch nicht zu konkreten Harmonisierungen im transatlantischen Markt geführt.87 Denn die Unterzeichner des Abkommens von 1998 müssen zwar den Umsetzungsprozess ins nationale Recht anstoßen, der Abschluss dieses Prozesses oder dessen Umsetzung wird jedoch nicht geregelt. In der EU regeln die EU-Richtlinie EC/2007/4688 sowie die Regulierungen der UN ECE die Zulassungsfähigkeit von Straßenfahrzeugen mit Blick auf die Sicherheit im Straßenverkehr sowie den Umwelt- und Klimaschutz. Zuständig in der EU ist die Generaldirektion Mobilität und Verkehr. VDA, Handelspolitische Prioritäten der deutschen Automobilindustrie, Berlin 2011. via <https://www.vda.de/de/services/Publikationen/ Publikation.~977~.html$> (eingesehen am 2.7.2015). 86 „Global Technical Regulations for Wheeled Vehicles, Equipment and Parts which Can Be Fitted and/or Be Used on Wheeled Vehicles“, 1998, UN Treaty Collection, <https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails. aspx?src=TREATY&mtdsg_no=XI-B-32&chapter=11&lang=en> (eingesehen am 2.2.2015). 87 Europäische Kommission, Die globale technische Harmonisierung von Fahrzeugen, <http://europa.eu/legislation_summaries/internal_market/ single_market_for_goods/motor_vehicles/motor_vehicles_technical_ harmonisation/l24471_de.htm> (eingesehen am 10.7.2014). 88 Rahmenrichtlinie zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, <http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/ PDF/?uri=CELEX:32007L0046&from=EN> (eingesehen am 2.9.2014). 85 Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Regulierung der Fahrzeugsicherheit des Automobilsektors EU USA Generaldirektion Mobilität und Verkehr National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) zuständig.89 Aus diesen Vorschriften ergeben sich im Vergleich zu den ECE-Regelungen abweichende Regeln für Fahrzeuge und Komponenten. Dazu gehören beispielsweise Anforderungen an hintere Blinkleuchten, Crashtest-Vorschriften, Insassenschutz, indirekte Sicht (u.a. Seitenspiegel), Anforderungen an Sicherheitsgurte und Gurtverankerungen oder auch Lenksysteme. Die Automobilhersteller auf beiden Seiten des Atlantiks sind der Überzeugung, dass die Regeln trotz zahlreicher Unterschiede zu einem vergleichbaren Sicherheitsniveau führen. Daher sollte es möglich sein, diese Regeln als gleichwertig anzuerkennen.90 Um nachzuweisen, dass Regulierungen in der Automobilindustrie äquivalent in ihrer Wirkung sind, haben die Branchenverbände European Automobile Manufacturers’ Association (ACEA) und der American Automotive Policy Council (AAPC) eine Studie bei einem US-amerikanischen und einem europäischen Institut in Auftrag National Highway Traffic Safety Administration, Federal Motor Vehicle Safety Standards and Regulations, <http://www.nhtsa.gov/cars/rules/ import/FMVSS/> (eingesehen am 28.7.2014). 90 Europäische Kommission, AAPC and ACEA Joint Submission in Support of an Automotive Regulatory Harmonization in a European Union – United States Trade and Investment Agreement, 7. 12.2012, <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/international/cooperatinggovernments/usa/jobs-growth/files/consultation/regulation/aapcacea-joint-submission-07-12-12_en.pdf> (eingesehen am 22.5.2014). 89 38 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik gegeben: Derzeit prüfen das Michigan Transportation Research Institute (UMTRI) und das Chalmers University’s SAFER Vehicle & Traffic Safety Centre in Schweden, ob eine solche Äquivalenz belegt werden kann. Dazu wird zunächst untersucht, ob die Datenbasis ausreichend ist, um eine verlässliche Bewertung vorzunehmen. Dies betrifft zum Beispiel Daten über zugelassene Autos oder auch Unfallstatistiken. Im nächsten Schritt werden die größten Unfallrisiken ermittelt. Schließlich sollen die Daten mit Blick auf die Frage ausgewertet werden, ob europäische und US-amerikanische Sicherheitsstandards im Ergebnis das gleiche Maß an Sicherheit gewährleisten (essentially equivalent real-world performance).91 Aus Sicht von Wolfgang Bernhard, Mitglied des Vorstands der Daimler AG, könnte TTIP zu erheblichen Entlastungen führen: „Im Ergebnis sind die Abweichungen bei der Sicherheitsausstattung unserer Autos winzig. Aber auf dem Weg dorthin verursachen sie riesigen Aufwand. Wir müssen doppelt forschen, doppelt entwickeln, doppelt beschaffen, ausrüsten und zertifizieren. Diese zusätzlichen Kosten sind schon für einen Konzern wie unseren eine Belastung. Für kleine und mittelständische Unternehmen werden sie leicht zur Überlastung.“92 Empfehlungen der Automobilindustrie -- Gegenseitige Anerkennung von UNECE- und FMVSS-Regulierungen sowie weiterer Regulierungen wie Umweltstandards als äquivalent, soweit Gleichwertigkeit nachgewiesen wurde; -- Kontinuierliche Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Regulierung neuer Technologien; -- Intensivierung der gemeinsamen Forschungs- und Regulierungsaktivitäten im Bereich Elektromobilität. Chalmers University’s SAFER Vehicle & Traffic Safety Centre, MRMD – Mutual Recognition Methodology Development, <http://www.chalmers. se/safer/EN/projects/traffic-safety-analysis/projects/mrmd-mutualrecognition> (eingesehen am 23.7.2014). 92 Wolfgang Bernhard, „Überfälliges Abkommen“, in: Handelsblatt, 13.6.2014. Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Chemische Industrie Die EU und die USA regeln den sicheren Umgang mit Chemikalien sehr unterschiedlich.93 In der EU ist REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) die rechtliche Grundlage, in den USA der Toxic Substances Control Act (TSCA). Unter REACH müssen Erzeuger, Hersteller und Importeure von chemischen Stoffen gemäß des Vorsorgeprinzips sicherstellen, dass sie keinen Schaden für die Gesundheit oder Umwelt verursachen. Hierzu müssen die Unternehmen für jeden Stoff ein Registrierungsdossier mit umfangreichen Informationen einreichen. Ohne eine vorherige Registrierung sind Herstellung oder auch Import verboten (no data – no market). Unter dem TSCA ist es die US-Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency, EPA), die den Test von Substanzen auf ihre Gesundheits- oder Umweltwirkung Transatlantisches Handelsvolumen im Chemiesektor -- Anteil des Sektors an den gesamten Warenimporten der EU aus den USA: 22,4% (2014), Gesamtwert: 45,9 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Importe: 5,4% (2013/2014) -- Anteil des Sektors an den gesamten Warenexporten der EU in die USA: 21,6% (2014), Gesamtwert: 67,3 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Exporte: 8,5% (2013/2014) Kosten aller NTBs für den Sektor -- NTBs in der EU: 23,9% Zolläquivalent -- NTBs in den USA: 21,0% Zolläquivalent Quellen: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>, SITC 5 (Chemie) (eingesehen am 25.6.2015). Koen G. Berden et al. (Ecorys), Non-Tariff Measures in EU-US Trade and Investment – An Economic Analysis, 2009, S. 23-24, <http:// trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2009/december/tradoc_145613.pdf>. 91 Verband der Chemischen Industrie, TTIP: Questions & Answers from the Chemical Industry, 1. 4.2014, S. 14, <https://www.vci.de/ Downloads/PDF/Questions%20and%20Answers%20from%20the%20 chemical%20industry%20regarding%20an%20EU-US%20free%20 trade%20agreement.pdf>. 93 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 39 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel veranlassen muss, um eine Substanz zu verbieten.94 Die beiden Regelwerke sind somit nicht vergleichbar. Vereinten Nationen sein (GHS: Globally Harmonized System). Durch das GHS-System werden physikalische Gefahren, Gesundheitsgefahren und Umweltgefahren, die von einem Produkt ausgehen, kenntlich gemacht. Die USA und die EU haben das GHS-System anerkannt, setzen es bislang jedoch noch unterschiedlich um, etwa mit Blick auf Gefährdungen für die Umwelt. Dies führt zu bürokratischem Mehraufwand für Hersteller und verringert die Transparenz für die Verbraucher. Im Chemiebereich ist eine gegenseitige Anerkennung der Registrierungs- und Zulassungsvorschriften von Chemikalien wegen der Unterschiedlichkeit der Regulierungen in den USA und der EU daher nicht machbar. Dennoch sollten Möglichkeiten geprüft werden, wie die transatlantischen Partner kooperieren können, um Doppelarbeit zu reduzieren und langfristig eine größere Vergleichbarkeit der Chemikalienregulierungen zu erreichen. TTIP darf dabei aber nicht dazu führen, die hohen chemikalienrechtlichen Standards in der EU abzusenken. Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Regulierung des Chemiesektors EU Generaldirektion Unternehmen und Industrie European Chemicals Agency (ECHA) USA Environmental Protection Agency (EPA) Consumer Product Safety Commission (CPSC) Food and Drug Administration (FDA) Department of Homeland Security (DHS) Occupational Safety and Health Administration (OSHA) Dazu sind folgende Schritte denkbar: Die Einstufung in Gefahrenklassen und die entsprechende Kennzeichnung von Chemikalien könnten zwischen der EU und den USA angeglichen und ähnlich gehandhabt werden. Grundlage dafür sollte das GHS-Klassifizierungs- und Kennzeichnungssystem der 94 Kommerskollegium National Board of Trade (2014), S. 61 ff. Die Behörden könnten ferner hinsichtlich der Priorisierung der zu bewertenden Chemikalien eine enge Zusammenarbeit beschließen, um so gemeinsam diesen von beiden Seiten durchzuführenden Bewertungsprozess bewältigen zu können. Gerade mit Blick auf Regulierungen für neue Technologien ist es sinnvoll, dass die transatlantischen Partner enger zusammenarbeiten. Nur so kann verhindert werden, dass in beiden Märkten unterschiedliche Regulierungen und Normen entstehen, obwohl vergleichbare Ziele verfolgt werden. Ein Beispiel sind Nanomaterialien: Hier könnten die Europäische Chemieagentur ECHA und die U.S. Environmental Protection Agency (EPA) zunächst eine einheitliche Definition dazu entwickeln, was Nanomaterialien sind. Die FDA ist die behördliche Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde in den USA und als solche dem Gesundheitsministerium (U.S. Department of Health and Human Services, HHS) unterstellt. Darüber hinaus könnten sich die Behörden darüber verständigen, wie bestehende Gesetze und Regulierungen auf Nanomaterialien angewendet werden sollten, um zu möglichst einheitlichen Regeln zu kommen. Empfehlungen der Chemieindustrie -- Harmonisierung bei der Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (z.B. für Warnhinweise und -symbole), um zu vermeiden, dass umverpackt oder umetikettiert werden muss; -- Intensivierung der Zusammenarbeit bei der Regulierung neuer Technologien, z.B. der Nanotechnologie. 40 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 41 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 42 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Maschinenbau Die EU-Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) stellt im Bereich der mechanischen Sicherheit die rechtliche Grundlage für das Inverkehrbringen von Maschinen im europäischen Binnenmarkt dar.95 Nach dieser muss ein Hersteller ein Konformitätsbewertungsverfahren durchführen, dessen Bestandteil unter anderem die Risikobeurteilung ist. Hier kann der Hersteller auf die Regelungen der EN ISO 12100 Sicherheit von Maschinen zurückgreifen. Nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens erstellt der Hersteller die EG-Konformitätserklärung. Durch diese erklärt er, mit welcher(n) Rechtsvorschrift(en) die Übereinstimmung des Produkts besteht. Der Hersteller ist nicht verpflichtet, hierfür die Maschine einer Konformitätsbewertung durch eine unabhängige Drittstelle zu unterziehen. Vielmehr können die Ausstellung der EG-Konformitätserklärung und die Anbringung der CE-Kennzeichnung in der Regel durch eine sogenannte Herstellerselbsterklärung auf der Grundlage der herstellereigenen Prüfungen erfolgen. Im Anschluss an diese Selbsterklärung des Herstellers muss die CE-Kennzeichnung (conformité européenne) des Produkts nach außen hin sichtbar erfolgen. Sie Transatlantisches Handelsvolumen im Maschinenbausektor -- Anteil des Sektors an den gesamten Warenimporten der EU aus den USA: 20,1 % (2014), Gesamtwert: 41,2 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Importe: 4,4% (2013/2014) Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel bestätigt die vollständige Einhaltung der grundlegenden (Sicherheits-) Anforderungen, die in den EU-Richtlinien konkret festgelegt sind. Die CE-Kennzeichnung ist die verpflichtende Voraussetzung, um ein Produkt auf dem europäischen Markt in Verkehr zu bringen.96 Für die elektrische Sicherheit sind darüber hinaus die Niederspannungsrichtlinie (2014/35/EU) sowie die EMV-Richtlinie (2014/30/EU) zur elektromagnetischen Verträglichkeit relevant. Auch hier gilt in der EU im Grundsatz das Prinzip der Herstellerselbsterklärung mit anschließender CE-Kennzeichnung des Produkts.97 In den USA existieren keine, an den Hersteller gerichtete verbindliche Regelungen zur Maschinensicherheit. Technische Sicherheitsanforderungen werden vielmehr durch entsprechende Arbeitsschutzvorschriften definiert. Die von der Occupational Safety and Health Administration (OSHA) erlassenen verbindlichen Regeln werden dann teilweise mit Abweichungen beziehungsweise Ergänzungen auf bundesstaatlicher Ebene umgesetzt. Im Unterschied zu Europa richten sich die OSHA-Regeln direkt an die Betreiber der Maschinen. Dabei beziehen sich die Regelungen der OSHA häufig auf US-amerikanische Normen. Somit werden diese Normen, die oft nicht mit internationalen ISO- oder IEC-Normen harmonisiert sind, rechtlich verbindlich.98 -- Anteil des Sektors an den gesamten Warenexporten der EU in die USA: 19,9 % (2014), Gesamtwert: 61,7 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Exporte: 11,5% (2013/2014) Der Nachweis, dass ein Produkt die Vorgaben zur elektrischen Sicherheit erfüllt, kann durch eine Zertifizierung relevanter elektrischer Komponenten durch privatwirtschaftliche, staatlich anerkannte Testlabore (NRTLs) erfolgen. Das anschließend vergebene Prüfzeichen wird von den jeweils lokal zuständigen Behörden (authority having jurisdiction, AHJ) als Nachweis für die Einhaltung der nationalen Sicherheitsnormen anerkannt. Die CE-Kennzeichnung wird von ihnen nicht akzeptiert. Kosten aller NTBs für den Sektor -- N/A Eine gegenseitige Anerkennung von Zertifikaten, Produkttests und -prüfungen würde die Produktion für den jeweils Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>, SITC 70-75 (Maschinen und Anlagen) (eingesehen am 25.6.2015). 96 Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., VDMA on Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), August 2013, <https://euro.vdma.org/documents/106103/960660/VDMA_PP_%20 on%20TTIP_09_2013/294b845b-6faa-4653-813a-5c13abe212bf> (eingesehen am 22.5.2014). 95 Europäische Kommission, CE-Kennzeichnung, <http://ec.europa.eu/ enterprise/policies/single-market-goods/cemarking/index_de.htm> (eingesehen am 22. Mai 2014). 97 VDMA, VDMA Comments on Sector Annex Engineering Industry of Transatlantic Trade and Investment Partnership, 9.7.2014, <http://www. vdma.org/documents/106103/4318571/VDMA%20comments%20 on%20sector%20annex%20TTIP/270b558a-6206-41bf-838bad487801e2c1> (eingesehen am 25.7.2014). 98 Glenn Demby, What’s the Difference Between an OSHA Rule and an ANSI Standard?, <http://webcache.googleusercontent. com/search?q=cache:9RZinsstcjEJ:https://www.asse.org/ publications/standards/docs/Dembystandardsarticle3-21-2006. doc+&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=de> (eingesehen am 26.6.2014). Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 43 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel anderen Markt und damit den transatlantischen Handel erheblich vereinfachen. TTIP könnte getreu dem Motto one standard, one test, accepted everywhere zu einer Angleichung der Regulierungen und Normen beitragen. Mehrkosten von bis 20 Prozent entstehen, um ein Produkt an die Vorschriften des US-amerikanischen Marktes anzupassen.100 Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Regulierung des Maschinenbaus EU Generaldirektion Unternehmen und Industrie USA Occupational Safety and Health Administration (OSHA) Generaldirektion Umwelt Environmental Protection Agency (EPA) Generaldirektion Energie National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) U.S. Coast Guard (USCG) Federal Communications Commission (FCC) Ein Wärme- und Heiztechnikanbieter berichtet beispielsweise, dass viele Standardkomponenten wie Gasarmaturen, Gasrohre, Kabelbäume, Sicherheitsventile oder auch Wärmeüberträger, die in Deutschland hergestellt werden, in den USA nicht verwendet werden können. Sie müssen daher durch Sonderbauteile mit identischer Funktion und gleichem Sicherheitsniveau ersetzt werden. Das verteuert die Herstellungskosten und damit den Preis für den Endverbraucher. Dies lässt sich am Beispiel der Alfred H. Schütte GmbH verdeutlichen, einem führenden Anbieter für industrielle Schleifmaschinen: Ihr Geschäftsführer erklärt, dass in Deutschland die Notabschaltknöpfe an seinen Maschinen in 1,10 bis 1,30 Metern Höhe montiert sein müssen, in den USA dagegen in 0,90 bis 1,10 Metern Höhe.99 Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) schätzt, dass einem Maschinenbauer heute „Auf Augenhöhe mit dem Chlorhühnchen“, in: Wirtschaftswoche, 26.5.2014, S. 20-26. 99 Ein weiteres Beispiel ist der Maschinenbauer Schubert und Salzer, der weltweit Ventiltypen etwa für druckbelastete Bauteile sowie für sterile und lebensmittelberührende Produkte liefert. Ein Viertel des Unternehmensumsatzes wird in den USA generiert. Um den US-Markt bedienen zu können, muss sich das Unternehmen einer Vielzahl von zusätzlichen, teuren Auditierungen unterziehen – obwohl in Deutschland und Europa bereits umfangreiche Prüfverfahren auf höchstem Niveau durchgeführt wurden. Um der Vielzahl der verschiedenen technischen Normen zu genügen, müssen zehntausende von technischen Zeichnungen geändert werden. Das verteuert die Produkte und schwächt die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber US-amerikanischen Anbietern. Als industrieller Mittelstand leidet das Unternehmen überproportional unter den administrativen Belastungen, weil die Erfüllung der Anforderungen viele Mitarbeiter bindet. Das Unternehmen erwägt in der Folge, einen zweiten Produktionsstandort in den USA aufzubauen.101 Die Vorsitzende der Geschäftsführung der Trumpf GmbH, Nicola Leibinger-Kammüller, unterstreicht daher die Chancen von TTIP: „Kosten für doppelte Zulassungsverfahren haben kleinere Unternehmen bisweilen davon abgehalten, in einen Markt einzutreten. (…) Wir weltweit agierende deutsche Mittelständler wünschen uns TTIP, wir brauchen TTIP, wir wollen TTIP.“102 Voraussetzung für eine gegenseitige Anerkennung von Zertifikaten, Produkttests und -prüfungen zwischen der EU und den USA ist allerdings, dass die einschlägigen Sicherheitsanforderungen einander angeglichen und die einschlägigen Normen auf Basis internationaler ISO/IEC-Normen harmonisiert werden. Um eine gleichwertige Kompetenz der Labore und Prüfeinrichtungen zu gewährleisten, sollte auf das international etablierte Akkreditierungssystem zurückgegriffen werden. In der Konsequenz würden sich alle Organisationen, die Akkreditierungen aussprechen, im Rahmen eines Mutual Recognition Agreements bei der Internationalen „Freihandel auch mit Maschinen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Mai 2014, S. 22. 101 VDMA, Erfolg für VDMA: Maschinenbau wird in TTIP aufgenommen, <http://www.vdma.org/article/-/articleview/3859967> (eingesehen am 22.5.2014). 102 Nicola Leibinger-Kammüller, „Der Freihandel hilft uns“, in: Handelsblatt, 23.6.2014, S. 48. 100 44 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Vereinigung für die Akkreditierung von Test- und Prüflaboren (International Laboratory Accreditation Cooperation, ILAC) und der Internationalen Vereinigung der Akkreditierer und Konformitätsbewertungsstellen (International Accreditation Forum, IAF) zur Einhaltung bestimmter Anforderungen verpflichten. Insbesondere wäre es wünschenswert, dass die OSHA ebenso wie das American National Standards Institute (ANSI) als Akkreditierer auftritt und das ILAC Mutual Recognition Agreement unterzeichnet. Denn damit müssten auch die von der OSHA anerkannten unabhängigen Testlabore (NRTLs) nicht nur ihre Prüfergebnisse und Zertifikate untereinander, sondern auch die Ergebnisse und Nachweise anderer nach ILAC akkreditierter Prüflabore anerkennen. Dies wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einem international einheitlichen Akkreditierungsregime. Empfehlungen des Maschinenbaus -- Engere Zusammenarbeit bei der Entwicklung neuer Regularien zur Produktsicherheit und bei deren Überarbeitung; -- Engere Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Normen unter dem Dach von ISO und IEC; Übernahme bestehender ISO/IEC-Normen in das jeweilige nationale Regelwerk; -- Harmonisierung technischer Sicherheitsanforderungen auf der Basis internationaler ISO/IEC-Normen; -- Gegenseitige Anerkennung von Prüfverfahren und Zertifikaten bei identischen Anforderungen; -- Nutzung der Herstellerselbsterklärung im US-amerikanischen Regelwerk; Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Elektroindustrie In der Elektroindustrie sind in erster Linie drei Richtlinien Grundlage für das Inverkehrbringen von Produkten im europäischen Markt: die Richtlinie 2011/65/EU zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, die Richtlinie 2004/108/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit sowie die Niederspannungsrichtlinie 2006/95/EG.103 Die Hersteller müssen anhand eines Konformitätsbewertungsverfahrens, der eigenverantwortlichen Herstellererklärung (Konformitätserklärung) und der CE-Kennzeichnung die Konformität der Produkte mit diesen Vorgaben nachweisen und erklären. Die technischen Normen (harmonized EN), auf die in den Richtlinien Bezug genommen wird, sind weitestgehend mit IEC-Normen identisch. Die verpflichtende Einbeziehung einer Drittprüfstelle (z.B. Zertifizierung) ist bei diesen Richtlinien nicht vorgesehen. Transatlantisches Handelsvolumen im Elektroindustriesektor -- Anteil des Sektors an den gesamten Warenimporten der EU aus den USA: 7,5% (2014), Gesamtwert: 15,3 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Importe: 5,7% (2013/2014) -- Anteil des Sektors an den gesamten Warenexporten der EU in die USA: 6,7% (2014), Gesamtwert: 20,8 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Exporte: 5,7% (2013/2014) Kosten aller NTBs für den Sektor -- NTBs in der EU: 6,5% Zolläquivalent -- NTBs in den USA: 6,5% Zolläquivalent -- Konsequente Nutzung des internationalen Akkreditierungssystems; -- Verbesserung der Transparenz und der Informationslage über Regulierungen in den USA auf Ebene des Bundes, der Einzelstaaten und der Kommunen. Quellen: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>, SITC 76-77 (Elektronikprodukte) (eingesehen am 25.6.2015). Koen G. Berden et al. (Ecorys), Non-Tariff Measures in EU-US Trade and Investment – An Economic Analysis, 2009, S. 23-24, <http:// trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2009/december/tradoc_145613.pdf>. Europäische Kommission, New Legislative Framework, <http://ec.europa. eu/enterprise/policies/single-market-goods/documents/internal-marketfor-products/new-legislative-framework/index_en.htm> (eingesehen am 23.7.2014). 103 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Regulierung der Elektronikindustrie EU Generaldirektion Energie Generaldirektion Unternehmen und Industrie USA Occupational Safety and Health Administration (OSHA) Environmental Protection Agency (EPA) National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) U.S. Coast Guard (USCG) Federal Communications Commission (FCC) Diverse einzelstaatliche oder locale Behörden (“AHJ“) In den USA unterliegen gewerblich genutzte Elektroprodukte, einschließlich Produkte für die Elektroinstallation, – ähnlich wie beim Maschinenbau – der Zertifizierungspflicht durch privatwirtschaftliche, staatlich anerkannte Testlabore (NRTLs). Diese müssen sich wiederum an die Arbeitsschutzvorschriften der OSHA halten. Die technischen Normen, die in den Prüfvorschriften als Grundlage herangezogen werden, wurden zum größten Teil außerhalb von ISO- und IEC entwickelt und weichen daher in weiten Teilen von den Europäischen Normen, die in der Regel identisch mit ISO und IEC-Normen sind, ab. Die Zulassung eines Produkts für den US-Markt wird daher in vielen anderen Ländern nicht anerkannt. Darüber hinaus sind, wie auch im Maschinenbau, in den USA Zusatzanforderungen durch einzelstaatliche und lokale Regulierungsbehörden (authority having jurisdiction, AHJ) möglich. Ferner sind weitreichende normative Anforderungen in einzelstaatlichen gesetzlichen Bestimmungen verankert. Eine wichtige Basis für elektrotechnische Anforderungen bildet der National Electrical Code (NEC). Er geht auf eine Norm zurück und bildet einen Mustertext für einzelstaatliche Gesetze. Er ist damit trotz USA-weiter Bedeutung kein Bundesgesetz. Ein Abkommen kann deshalb hier nur wirksam sein, wenn auch die Einzelstaaten und AHJ einbezogen werden. Positionspapier 45 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Aufgrund der unterschiedlichen Systeme kann derzeit auch hier keine gegenseitige Anerkennung der Prüfungen (Konformitätsbewertungen) und der Prüfergebnisse (Zertifikate) erfolgen. Zunächst sollten die im jeweiligen Markt geltenden Normen einander angeglichen werden. Auf beiden Seiten werden diese Normen von unabhängigen, dem Gesetzgeber nicht untergeordneten Standardisierungsorganisationen gesetzt und können daher nicht ohne weiteres in die regulatorische Zusammenarbeit einbezogen werden. Die Angleichung technischer Normen sollte durch die Vertragspartner auf Basis international anerkannter ISO- oder IEC-Normen gefördert werden. Wo Regulierung auf technische Normen Bezug nimmt, sollte dies vorzugsweise mit solcherart vereinheitlichten Normen geschehen. Darüber hinaus ist ohne Einbeziehung der einzelstaatlichen und lokalen Regulierungsebenen ein effektiv vergleichbarer Marktzugang nicht zu erreichen. Gelänge dies, wären auch in diesem Bereich erhebliche Kosteneinsparungen zu erwarten. ebm-papst, ein mittelständisches Unternehmen, das Ventilatoren für Kühlschränke und LED-Scheinwerfer herstellt, beschäftigt allein 15 Mitarbeiter für die Zertifizierung für den US-Markt. „Wir können viel Geld besser in die Entwicklung neuer Produkte stecken, damit hier Jobs sichern und unsere Wettbewerbsposition auf dem amerikanischen Markt stärken“, so der Geschäftsführer Rainer Hundsdörfer.104 Empfehlungen der Elektroindustrie -- Angleichung und gemeinsame Erarbeitung der technischen Anforderungen auf Basis internationaler ISO/ IEC-Normen; -- Gegenseitige Anerkennung von Prüfergebnissen als gleichwertig, sofern identische technische Normvorgaben vorliegen; -- Strukturelle Angleichung der Regulierungssysteme, sodass zusammen mit der Harmonisierung technischer Normen die Anerkennung von Konformitätsbewertungen aus dem jeweils anderen Marktgebiet möglich wird; -- Einbeziehung der Einzelstaaten und lokalen Behörden in den USA in die regulatorische Zusammenarbeit. „Auf Augenhöhe mit dem Chlorhühnchen“, in: Wirtschaftswoche, 26.5.2014, S. 20-26. 104 46 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Medizintechnische Industrie Das Spektrum der Medizinprodukte umfasst Geräte der bildgebenden Diagnostik wie Ultraschall- oder Röntgengeräte, aktive und nichtaktive Implantate, Verbandstoffe, Labordiagnostika, chirurgische Instrumente wie Katheter und Skalpelle sowie Hilfsmittel wie beispielsweise Prothesen oder Rollstühle. Transatlantisches Handelsvolumen im Sektor medizintechnische Industrie -- Anteil des Sektors an den gesamten Warenimporten der EU aus den USA: 2,8% (2014), Gesamtwert: 5,8 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Importe: 1,7% (2013/2014) -- Anteil des Sektors an den gesamten Warenexporten der EU in die USA: 1,4% (2014), Gesamtwert: 4,5 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Exporte: 12,3% (2013/2014) Kosten aller NTBs für den Sektor -- N/A Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>, SITC 872 (Medizintechnik) (eingesehen am 25.6.2015). Für die medizintechnische Industrie sind nicht-tarifäre Handelshemmnisse die größte Barriere im transatlantischen Handel. Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, aus denen die medizintechnische Industrie in Deutschland mehrheitlich besteht, stellen sie eine erhebliche Belastung dar. Die Exportquote der Branche liegt bei 68 Prozent. Das Hauptzielland für Exporte der Medizintechnikbranche sind die USA – dorthin werden 18 Prozent der deutschen Exporte geliefert.105 In der EU regeln folgende Richtlinien das Inverkehrbringen von Medizinprodukten, die in Deutschland über das Medizinproduktegesetz (MPG) national umgesetzt wurden: 93/42/EWG über Medizinprodukte, 90/385/ EWG über aktive implantierbare medizinische Geräte und 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika (IVD). Die SPECTARIS, TTIP: SPECTARIS fordert gegenseitige Anerkennung der Zulassungsverfahren bei Medizinprodukten, Pressemitteilung, 31.7.2014, <http://www.spectaris.de/verband/presse/artikel/seite/ttipspectaris-fordert-gegenseitige-anerkennung-der-zulassungsverfahrenbei-medizinprodukten/verband.html> (eingesehen am 8.8.2014). 105 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel drei genannten Richtlinien wurden bis heute mehrfach durch Änderungsrichtlinien und Verordnungen angepasst und ergänzt. Am 26. September 2012 legte die Europäische Kommission Verordnungsvorschläge zu Medizinprodukten106 und In-vitro-Diagnostika107 vor. Die Verordnungen sollen zum einen die EU-Richtlinien für Medizinprodukte sowie für aktive implantierbare medizinische Geräte und zum anderen die EU-Richtlinie für In-vitro-Diagnostika ersetzen. Während EU-Richtlinien in nationale Gesetze umzusetzen sind, wurde mit der Verordnung ein Rechtsakt gewählt, der in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar Geltung erlangt. Beide Verordnungsvorschläge durchlaufen derzeit noch das europäische Rechtsetzungsverfahren. Bevor ein Produkt im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in den Verkehr gebracht wird, prüft der Hersteller anhand der Zweckbestimmung und Wirkungsweise seines Produkts, ob es ein Medizinprodukt ist und somit dem Anwendungsbereich des Medizinproduktegesetzes (MPG) unterfällt. Medizinprodukte dürfen im EWR nur mit einer CE-Kennzeichnung und einer gesetzlich vorgeschriebenen EG-Konformitätserklärung des Herstellers nach den Bestimmungen des EU-Medizinprodukterechts auf den Markt gebracht werden. Für alle Medizinpro dukte bringt der Hersteller die CE-Kennzeichnung an, nach Durchführung eines gesetzlich vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsverfahrens. Dies geschieht in der Regel unter Beteiligung einer Benannten Stelle (Konformitätsprüfungsstelle) und nach Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen detaillierten EG-Konformitätserklärung. Mit der Konformitätserklärung erklärt der Hersteller die Übereinstimmung des Produkts mit den einschlägigen „Grundlegenden Anforderungen“. Diese dienen dem Nachweis der Sicherheit sowie der technischen und medizinischen Leistungsfähigkeit eines Medizinprodukts108. Der Hersteller muss eine Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte und zur Änderung der Richtlinien 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 – COM(2012) 542 final – 2012/0266 (COD), <http://ec.europa.eu/health/medical-devices/ files/revision_docs/proposal_2012_542_de.pdf>. 107 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über In-vitro-Diagnostika – COM(2012) 541 final – 2012/0267 (COD), <http://ec.europa.eu/health/ medical-devices/files/revision_docs/proposal_2012_541_de.pdf>. 108 Die Eignung eines jeden Medizinprodukts für den vorhergesehenen Zweck ist durch eine klinische Bewertung zu belegen (§ 19 MPG). 106 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 47 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel technische Dokumentation anfertigen und bereithalten, in der er darlegt, wie er die Grundlegenden Anforderungen erfüllt hat. oder die Produktdokumentation auf Übereinstimmung mit den Anforderungen der entsprechenden EU-Richtlinien. Zudem führen Benannte Stellen regelmäßig Überwachungsaudits bei den Medizinproduktherstellern und ihren wichtigen Lieferanten durch. Darüber hinaus sind von Benannten Stellen auch unangekündigte Audits durchzuführen, Für alle Medizinprodukte ist eine Risikoanalyse im Rahmen des Risikomanagementsystems (in der Regel nach EN ISO 14971:2012) und eine klinische Bewertung durchzuführen. Der Konformitätsnachweis wird im Rahmen von Konformitätsbewertungsverfahren erbracht. Bei den meisten Medizinprodukten (außer Produkten der Klasse I) erfolgt dieser Nachweis im Rahmen eines vollständigen Qualitätssicherungssystems (EN ISO 13485:2009), das (nur) bei Produkten der Klasse III zwingend die Prüfung der Produktauslegung mit umfasst. Wahlweise kann die Konformität auch im Rahmen einer EG-Baumusterprüfung erbracht werden. Bei dieser erfolgt der Nachbau repräsentativer Exemplare (Prototypen) meist im Rahmen eines QM-Systems oder seltener per EG-(Einzel)-Prüfung. Abhängig vom Risikopotenzial der Produkte sind Konformitätsbewertungsverfahren entweder in alleiniger Zuständigkeit des Herstellers oder mit steigendem Risiko auch unter Kontrolle einer Benannten Stelle vorgesehen. Zusammenfassend gilt: Je höher das Risikopotenzial des jeweiligen Medizinprodukts, desto höher ist der Umfang der externen Fremdkontrolle. Medizinprodukte gemäß Richtlinie 93/42/EWG werden in vier Klassen (Klassen I, IIa, IIb und III) eingeteilt und IVD nach Richtlinie 98/79/EG in vier Gruppen: Liste A nach Anhang II, Liste B nach Anhang II, Produkte zur Eigenanwendung, Allgemeine In-vitro-Diagnostika. Aktive Implantate nach Richtlinie 90/385/EWG entsprechen vom Gefährdungspotenzial her Medizinprodukten der Klasse III und unterliegen entsprechend ähnlichen Anforderungen. Verantwortliche Person für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten ist der Hersteller oder sein Bevollmächtigter. Werden Medizinprodukte nicht unter der Verantwortung des Bevollmächtigten eingeführt, ist der Einführer Verantwortlicher (§ 5 MPG). Bei einer Benannten Stelle handelt es sich um eine staatlich autorisierte und überwachte, unabhängige Prüf- und Zertifizierungsstelle, die im Auftrag des Herstellers die von ihm durchgeführte Konformitätsbewertung überprüft und deren Korrektheit nach einheitlichen Bewertungsmaßstäben bestätigt. Sie prüft die genannten Medizinprodukte, den Herstellungsprozess der Produkte und/ Mit der CE-Kennzeichnung ist das Produkt im europäischen Binnenmarkt grundsätzlich verkehrsfähig. Weiterhin bedarf es auf Basis der nationalen Bestimmungen der Kennzeichnung des Produkts (Gebrauchsanweisung) in der Amtssprache des jeweiligen EU-Bestimmungslands. Überdies muss das erstmalige Inverkehrbringen bei der national zuständigen Überwachungsbehörde, die die behördliche Marktüberwachung auslöst, angezeigt/regis- Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Regulierung der medizintechnischen Industrie EU Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU (DG GROW) Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DG SANTE) USA Department of Health and Human Services(HHS) Food and Drug Administration (FDA) / Center for Devices and Radiological Health (CDRH) triert werden. In den USA ist landesweit das Center for Devices and Radiological Health (CDRH) innerhalb der FDA für die Marktzulassung von medizintechnischen Produkten zuständig. Grundlage für die Arbeit ist der Medical Devices Regulation Act aus dem Jahr 1976. Dieses Gesetzt definiert drei Risikokategorien für Arzneiprodukte: Klasse I – geringes Risiko; Klasse II – moderates Risiko; Klasse III: hohes Risiko. Auf dieser Grundlage gibt es zwei unterschiedliche Verfahren für die Zulassung. Bei einigen medizintechnischen Produkten mit einem geringen bis mittleren Risiko für den Patienten muss die Äquivalenz mit einem bereits 48 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik auf dem US-amerikanischen Markt befindlichen Gerät oder Produkt nachgewiesen werden. Dieses Verfahren wird als Premarket Notification (510k = Section 510(k) of Federal Food, Drug, and Cosmetic Act) bezeichnet. Dieses Verfahren ist keine Produktzulassung, sondern eine Produktfreigabe. Viele Produkte der Klasse I und einige der Klasse II sind vom 510k-Verfahren ausgenommen; hier reicht eine Registrierung bei der FDA.109 Geräte, die ein potenziell hohes Risiko für den Patienten mit sich bringen (Klasse III), unterliegen in der Regel dem premarket approval (PMA), also einer behördlichen Zulassung. In diesem Verfahren müssen die (grundsätzlich für alle Produktklassen nachzuweisende) Sicherheit und Wirksamkeit wissenschaftlich durch klinische Studien nachgewiesen werden.110 Ein premarket approval erfolgt jedoch nur bei rund einem Prozent aller Produkte.111 Regulatorische Zusammenarbeit und Konvergenz Die regulatorische Zusammenarbeit zwischen dem europäischen und dem US-amerikanischen System sollte in der Medizintechnik unter Beibehaltung des europäischen Systems im Besonderen in drei Bereichen priorisiert werden: 1) bei Konformitätsnachweisen, die für den Marktzugang erforderlich sind, 2) beim Qualitätsmanagementsystem (QMS) sowie 3) beim Unique Device Identification-System. Eine bessere Zusammenarbeit in diesen Bereichen würde dazu beitragen, Produkte der Medizintechnik schneller auf den Markt zu bringen und für Patienten den Zugang zu innovativen und sicheren Technologien zu verbessern. Darüber hinaus würden Doppelprüfungen identischer Unterlagen vermieden und es könnten Kosten, die derzeit durch zwei unterschiedliche Marktzugangssysteme entstehen, gesenkt werden. Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Zudem könnte eine gemeinsame elektronische Plattform geschaffen werden, über die Unterlagen eingereicht werden können (regulatory product submissions, RPS). Diese könnte auch von anderen Ländern genutzt werden. Allerdings gilt sicherzustellen, dass das neue System auch tatsächlich dazu führt, dass der Verwaltungsaufwand für Regulierungsbehörden und Unternehmen sinkt. Das International Medical Device Regulators Forum (IMDRF), in dem die EU und die USA vertreten sind, arbeitet bereits an einer internationalen Lösung für den elektronischen Austausch solcher Informationen, da diese nicht gegenseitig anerkannt werden.112 2.Qualitätsmanagement Da das transatlantische Abkommen über gegenseitige Anerkennung (Mutual Recognition Agreement, MRA) im Bereich der medizintechnischen Produkte bisher nicht zufriedenstellend umgesetzt wurde, müssen bis heute Herstellungsstätten sowohl von FDA als auch von Benannten Stellen auditiert werden. Das Qualitätsmanagement erfolgt in den USA auf Basis der von der FDA entwickelten Regulierung 21 CFR 820 (Code of Federal Regulations Titel 21, Section 820), welche die Good Manufacturing Practice-Vorgaben an die Medizinproduktehersteller spezifiziert. Die meisten Inspektionen von Produktionsstätten führt die FDA selbst durch. Die FDA erlaubt jedoch auch bestimmten akkreditierten Stellen, ausgewählte Arten von Inspektionen durchzuführen. Die Benannten Stellen in der EU und die FDA erkennen die Berichte über Herstellerinspektionen nicht gegenseitig an. Auch die Zertifizierungen gemäß der Norm ISO 13485 beziehungsweise dem 21 CRF 820 werden nicht gegenseitig akzeptiert, da diese ähnlich, aber nicht identisch sind.113 1.Konformitätsnachweise Ein gemeinsamer Standard für Konformitätsnachweise, die für den Markzugang erforderlich sind, würde den administrativen Aufwand für Hersteller erheblich reduzieren. Sinnvoll wären nicht nur ein harmonisiertes Format und übereinstimmende Inhalte. Oliver v. Ruepprecht, Zulassung von Medizinprodukten via 510(k) – ein Überblick, Medizinproduktejournal, Heft 3, 21. Jahrgang, S. 211 -216. 110 Boston Consulting Group, Regulation and Access to Innovative Medical Technologies, Juni 2012, S. 2, <http://www.eucomed.org/ uploads/ModuleXtender/Newsroom/97/2012_bcg_report_regulation_ and_access_to_innovative_medical_technologies.pdf>; U.S. Food and Drug Administration, How to Market Your Device, <http:// www.fda.gov/MedicalDevices/DeviceRegulationandGuidance/ HowtoMarketYourDevice/default.htm> (eingesehen am 27.8.2014). 111 A. van Drongelen, J. Hessels und R. Geertsma, Comparison of Market Authorization Systems of Medical Devices in USA and Europe, National Institute for Public Health and the Environment, RIVM Letter report 2015-0001, 2015. Ziel der Verhandlungen sollte es sein, eine gegenseitige Anerkennung von Berichten über Herstellerinspektionen zu erreichen, die konform mit den regulatorischen Anforderungen beider Systeme sind. Dies entspricht dem single audit-Konzept, das auf internationaler Ebene vom IMDRF entwickelt und im Rahmen 109 AdvaMed, COCIR, EDMA, Eucomed, MITA, Joint EU-US Industry Contribution to EU and US Call for Input on Opportunities to Promote Greater Regulatory Compatibility in the Medical Technology Sector, 10.4.2013, <http://www.edma-ivd.be/uploads/PositionPapers/ EDMA_2013-04-12_US-EU-Trade-Joint-PP-PUB.pdf>. 113 AdvaMed, COCIR, EDMA, Eucomed (2013). 112 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 49 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel des medical device single audit program (MDSAP) getestet wird. Eine gegenseitige Anerkennung wäre nicht sofort möglich, jedoch könnten die Vorgaben schrittweise angeglichen werden. In der Folge würden Belastung und Kosten sowohl für Regulierungsbehörden als auch Produzenten, die in den jeweils anderen Markt exportieren, deutlich sinken. Wünschenswert wären zudem einheitliche Vorlagen für Inspektionsberichte, eine Vereinheitlichung der Inspektionskriterien sowie eine einheitliche oder gemeinsame Ausbildung der Inspekteure. Darüber hinaus sollte die EU dem MDSAP als Vollmitglied beitreten. 3. Unique Device Identification Bereits in Arbeit ist die Unique Device Identification (UDI). In Zukunft sollen Medizinprodukte eine weltweit eindeutige Produktnummer tragen, die maschinell lesbar – beispielsweise per Strichcode – auf dem Produkt oder der Verpackung hinterlegt wird. Mit Hilfe dieser Markierung soll man dann in einer UDI-Datenbank Informationen über das Produkt einsehen können. Dazu gehören beispielsweise Informationen darüber, wie das Produkt kontrolliert wird oder auch Lagerungs- und/oder Handhabungshinweise und wichtige Warnhinweise sowie Kontraindikationen. Die FDA erhielt bereits im Jahr 2007 den Auftrag, ein UDI-System zu entwickeln. Das Unique Device Identification System wurde 2013 verabschiedet.114 Für Produkte der Risikoklasse III gelten die UDI-Vorschriften seit dem 24. September 2014. Das IMRDF veröffentlichte im Dezember 2013 eine UDI Guidance, um eine möglichst einheitliche UDI-Entwicklung weltweit voranzutreiben. Die EU-Gesetzgebung zu UDI ist hingegen noch nicht so weit fortgeschritten.115 Die EU überarbeitet zurzeit ihre Rechtsvorschriften über Medizinprodukte. Die UDI sollen mit Inkrafttreten der neuen europäischen Gesetzgebung für Medizinprodukte eingeführt werden.116 Wann dies geschehen wird, ist noch ungewiss. Bei der Umsetzung in der EU könnte bereits das Ziel verfolgt werden, eine harmonisierte Federal Register, Unique Device Identification System, <https://www. federalregister.gov/articles/2013/09/24/2013-23059/unique-deviceidentification-system#h-8> (eingesehen am 3.9.2014). 115 BVMed, UDI - Unique Device Identification System. Was ist es? Wann kommt es? Was kann ich tun?, <http://www.bvmed.de/download/ bvmed-info-udi-papier> (eingesehen am 3.9.2014). 116 BVMed, Unique Device Identification System (UDI), <http://www.bvmed. de/de/versorgung/e-commerce/udi> (eingesehen am 3.9.2014). US-EU-Datenbank zu entwickeln. Auch kann die EU aus den Erfahrungen der FDA mit der Umsetzung von UDI lernen. Für Hersteller von Medizinprodukten wäre es beispielsweise hilfreich, wenn es einen gemeinsamen Standard für das Format und die geforderten Informationen gäbe, die sie im Rahmen der UDI angeben müssen.117 Empfehlungen der medizintechnischen Industrie -- Festhalten am derzeitigen europäischen Verfahren zum Inverkehrbringen von Medizinprodukten; -- Anwendung und Umsetzung des gegenseitigen Anerkennungsabkommens zwischen der EU und den USA aus dem Jahr 1998 durch die USA; -- Harmonisierung und Standardisierung der Anforderungen an den Marktzugang für Medizinprodukte; -- Harmonisierter elektronischer Austausch der Konformitätsnachweise, die für den Marktzugang erforderlich sind, sowie eine gemeinsame elektronische Plattform zur Einreichung der Nachweise; -- Einheitliche Qualitätsmanagementsysteme (QMS) durch einheitliche Vorlagen für Inspektionsberichte, Vereinheitlichung der Inspektionskriterien, einheitliche oder gemeinsame Ausbildung der Inspekteure; -- Einheitliche Umsetzung der Systeme zur Unique Device Identification (UDI) -- Nach Anpassung der technischen und klinischen Voraussetzungen - gegenseitige Anerkennung der Marktzugangsberechtigungen (Produktzulassungen). TTIP könnte diesen Prozessen wichtige Impulse geben.118 114 117 AdvaMed, COCIR, EDMA, Eucomed, MITA (2013). Die EU-Kommission hat am 15.4.2015 ein Positionspapier vorgelegt, das viele der hier genannten Punkte aufgreift. Europäische Kommission, The Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). Towards an EU-US Trade Deal. EU Position Paper on Medical Devices, 15.4.2015, <http:// trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/april/tradoc_153349.4.5%20 Med%20devices.pdf>. 118 50 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Pharmaindustrie In Deutschland ist das Arzneimittelgesetz (AMG) für die Zulassung von Medikamenten maßgeblich. Eine gegenseitige Anerkennung der finalen Produktzulassung wird in TTIP nicht angestrebt. Dennoch gibt es im komplexen Zulassungsverfahren und auch in der Kontrolle der Qualität von pharmazeutischen Produkten nach der Marktzulassung viele Verfahren, die bereits jetzt sehr vergleichbar geregelt sind. Es gilt, genau diese Bereiche zu identifizieren und Möglichkeiten zu diskutieren den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Regulierung der Pharmaindustrie EU European Medicines Agency (EMA) Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel USA Food and Drug Administration (FDA) Um ein Medikament in den Markt zu bringen, ist eine Zulassung erforderlich. Grundlage ist eine umfangreiche Dokumentation der Eigenschaften des Medikaments sowie der Resultate der präklinischen Tests und klinischen Studien, die von den dafür zuständigen Behörden vorgenommen wird. Inhalte und Struktur von Zulassungsunterlagen sowie die Regeln für die Tests und Studien wurden von der International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH) in zahlreichen wissenschaftlichen und technischen Leitlinien festgelegt. Die ICH wurde 1990 von der FDA, der EU-Kommission, dem japanischen Gesundheitsministerium und den Pharmaverbänden in Europa, den USA und Japan ins Leben gerufen. Sie schafft einen internationalen Rahmen für die Durchführung von klinischen Studien und für die Zulassung von Medikamenten. Zu den ICH-Leitlinien zählen beispielsweise die Richtlinie zur Good Clinical Practice (GCP) zur Durchführung von klinischen Studien sowie die Leitlinie zur Guten Herstellungspraxis (GMP) zur Qualitätssicherung bei Produktionsabläufen. Die Leitlinien der ICH wurden in den jeweiligen Märkten in nationales beziehungsweise europäisches Recht überführt. So wurde die ICH-GCP-Leitlinie in der EU durch EU-Richtlinie 2001/20/EG übernommen, die ICH-GMP-Leitlinie durch EU-Richtlinie 2003/94/EG. In der EU ist das Committee for Human Medicinal Products (CHMP) der European Medicines Agency (EMA) für die Erstellung von wissenschaftlichen Empfehlungen (opinions) zuständig, auf denen die Produktzulassung durch die EU-Kommission beruht. Jeder Mitgliedstaat hat einen Sitz im CHMP. Die eigentliche Bewertungsarbeit wird in der Regel von Zulassungsstellen in den Mitgliedstaaten geleistet. In Deutschland sind dies das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und für biologische Arzneimittel das Paul-Ehrlich-Institut (PEI); beide gehören zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Für den Großteil der Arzneimittel ist eine europäische Zulassung Voraussetzung. Lediglich für ein eingeschränktes Produktportfolio wird die Zulassung national erteilt In den USA ist die FDA die relevante Zulassungsbehörde. Ziel beider Behörden ist es, die Wirksamkeit, die Sicherheit (z.B. das Nebenwirkungsprofil) und die pharmazeutische Qualität eines neuen Medikaments zu prüfen. Beide Behörden prüfen die Zulassungsdokumente nach eigenen Regeln und Richtlinien, die zwar auf den ICH-Leitlinien beruhen, aber in Einzelheiten voneinander abweichen können. Generell wird anerkannt, dass die Standards für die Prüfung in beiden Behörden beider Regionen sehr hoch sind. Schon heute arbeiten die EU und die USA eng zusammen, um die Medikamentenprüfungen weiter zu vereinheitlichen und die Zahl von benötigten Tests und Studien zu reduzieren. Denn zum einen sollte insbesondere die Durchführung klinischer Studien mit gesunden Probanden oder an Patienten allein aus ethischen Gründen auf ein Minimum beschränkt werden. Zum anderen ist die Durchführung der Studien sehr teuer und führt zu höheren Transaktionskosten im transatlantischen Handel. So schätzt der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), dass der Mehraufwand durch unterschiedliche Anforderungen und für die Erstellung unterschiedlicher Dossiers für den europäischen beziehungsweise den US-amerikanischen Markt etwa zehn Prozent der Gesamtkosten ausmacht. Dieser Mehraufwand hat keine positiven Effekte auf die Patientensicherheit – es handelt sich lediglich um unterschiedliche Wege zum selben Ziel. Neben dem zusätzlichen finanziellen Aufwand für die Durchführung eigentlich nicht notwendiger klinischer Tests und Studien verzögert sich Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 51 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel zudem oftmals die Marktzulassung. Dadurch gelangt das Medikament später auf den Markt als eigentlich notwendig. Nach Schätzungen des vfa sind bei manchen Produktionsanlagen Inspektoren bis zu 40 bis 50 Prozent der Betriebszeiten in den Anlagen anwesend. TTIP würde die Möglichkeit eröffnen, die Vereinheitlichung der Anforderungen an die Zulassungsdossiers weiter voranzutreiben. Beispielsweise gibt es bei den Prüfkonzepten für notwendige klinische Studien an Kindern unterschiedliche Zeitvorgaben zu deren Einreichung. Dies führt teilweise dazu, dass Studien doppelt durchgeführt werden, um die Zeitvorgaben für die Studienergebnisse im jeweils anderen Markt zu erfüllen. Durch eine Vereinheitlichung der Prüfkonzepte könnte dies vermieden werden. Auch könnten EMA und FDA ihre Methodik bei der Durchführung von Nutzen-Risiko-Bewertungen bei der Prüfung von Arzneimitteln und deren Zulassungsverfahren harmonisieren. Dabei würde ihre Autorität, in den Zulassungsverfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen zu kommen, nicht in Frage gestellt werden. Da die GMP-Standards vergleichbar sind, könnten EMA und FDA ihre jeweiligen Prüfungen gegenseitig als gleichwertig anerkennen. Dies würde die Hälfte der Inspektionen unnötig machen, ohne dass Einbußen bei der Prüfungsqualität zu befürchten wären. Dadurch würden nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Regulierungsbehörden entlastet. Die Mitarbeiter von Zulassungs- beziehungsweise Überwachungsbehörden könnten wegen der geringeren Zahl von zu inspizierenden Unternehmen die Inspektionen gründlicher und sorgfältiger durchführen beziehungsweise sich intensiver um Herstellungsstätten in anderen Ländern kümmern, aus denen vermehrt Wirkstoffe und Arzneimittel sowohl in die USA als auch in die EU exportiert werden. Voraussetzung ist, dass bei der weiteren Harmonisierung der Zulassungsanforderungen für neue Medikamente die Zulassungsstandards nicht gesenkt werden. Insbesondere muss das Patientenwohl weiterhin oberste Priorität haben. Zulassungsentscheidungen von EMA und FDA selbst sollten nicht vereinheitlicht werden. EMA und FDA sollten auch in Zukunft ihre Zulassungsentscheidungen eigenständig fällen. Neben einer engeren Kooperation bei Zulassungsdossiers wäre es zudem sinnvoll, bei der Inspektion von Fertigungsbedingungen und -abläufen sowie Qualitäts- und Risikomanagementsystemen in den Produktionsstätten von Medikamenten stärker zusammenzuarbeiten. Wenn ein Hersteller Wirkstoffe oder Medikamente für den europäischen und den US-Markt produziert, werden seine Labore und Herstellungsstätten derzeit sowohl von der europäischen Behörde EMA beziehungsweise der nationalen Überwachungsbehörde als auch von der FDA inspiziert, um sicherzustellen, dass die jeweiligen Produktionsanforderungen erfüllt sind. In der EU werden den Inspektionen die Regeln der Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice) zugrunde gelegt, die in der EU-Richtlinie 2003/94 definiert sind. In den USA findet die Current Good Manufacturing Practice der FDA Anwendung. Diese Standards sind vergleichbar, da sie von der eingangs erläuterten ICH entwickelt wurden. Die Inspektionen sind für das inspizierte Unternehmen sehr aufwendig und stellen aufgrund ihrer Häufigkeit eine erhebliche Belastung dar. Empfehlungen der Pharmaindustrie -- Vereinheitlichung von Prüfkonzepten für klinische Studien mit Kindern; -- Einheitliche Regeln bei der Inspektion von Fertigungsbedingungen und -abläufen, Qualitäts- und Risikomanagementsystemen in den Produktionsstätten von Medikamenten auf Grundlage der Good Manufacturing Practice; -- Gegenseitige Anerkennung von GMP- und GCP-Inspektionen durch EMA und FDA; -- Harmonisierung der Methodik zur Nutzen-Risiko-Bewertung bei der Prüfung von Arzneimitteln und deren Zulassungsverfahren; -- Intensivierter Austausch von Datenfeldern aus Ergebnissen von klinischen Prüfungen sowie Harmonisierung der Veröffentlichungsregeln dieser Datenfelder. 52 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Textil- und Bekleidungsindustrie Die Textil- und Bekleidungsindustrie stellt vielfältige Vorerzeugnisse und Endprodukte für höchst unterschiedliche Anwendungsbereiche her. Diese erstrecken sich von klassischen Konsumgütern wie Bekleidung oder auch Heim- und Haustextilien, über Funktionsund Berufsbekleidung bis hin zu innovativen technischen Textilien, die in industriellen Abnehmerbranchen (unter anderem dem Flugzeug- und Automobilbau, dem Bauwesen oder auch der Medizintechnik) Einsatz finden. Die Vielfalt an regulatorischen Vorgaben im Textil- und Bekleidungssektor ist entsprechend groß. Im Folgenden werden nur einige Beispiele exemplarisch genannt. Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Textil- und Bekleidungsindustrie EU Generaldirektion Unternehmen und Industrie USA Consumer Product Safety Commission (CPSC) Nationale Behörden der EU-Mitgliedsstaaten National Institute of Standards and Technology (NIST) Federal Trade Commission (FTC) Transatlantisches Handelsvolumen im Textilund Bekleidungssektor -- Anteil des Sektors an den gesamten Warenimporten der EU aus den USA: 0,3% (2014), Gesamtwert: 0,6 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Importe: -1,1% (2013/2014) -- Anteil des Sektors an den gesamten Warenexporten der EU in die USA: 1,4 % (2014), Gesamtwert: 4,3 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Exporte: 13,0% (2013/2014) Kosten aller NTBs für den Sektor -- NTBs in der EU: 19,2% Zolläquivalent -- NTBs in den USA: 16,7% Zolläquivalent Quellen: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>, SITC 84-85 (Bekleidung und Schuhe) (eingesehen am 25.6.2015). Koen G. Berden et al. (Ecorys), Non-Tariff Measures in EU-US Trade and Investment – An Economic Analysis, 2009, S. 23-24, <http:// trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2009/december/tradoc_145613.pdf>. In der EU schreibt die Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 gesetzliche Etikettierungs- und Kennzeichnungspflichten vor, um den Verbraucher über die Faserzusammensetzung von Textilerzeugnissen wie Bekleidung, Bodenbelege und Möbel zu informieren. Zudem regelt die Verordnung Pflichtangaben über nicht-textile Teile tierischen Ursprungs, die in Textilerzeugnissen enthalten sind. American Society for Testing and Materials (ASTM) Für viele Textilien, die mit Haut in Kontakt kommen, allen voran Bekleidung, gelten zudem gesetzliche Verbote und Beschränkungen zum Schutz des Verbrauchers. Hiervon sind vor allem chemische Substanzen betroffen. Neben nationalen Regelungen, darunter die Chemikalienverbotsverordnung und das Produktsicherheitsgesetz, bildet auf EU-Ebene die Chemikalienverordnung REACH die regulative Grundlage, die von allen Herstellern und Importeuren eingehalten werden muss.119 In den USA setzt in erster Linie der Consumer Product Safety Improvement Act (CPSIA) vielfältige Standards für Bekleidung, bestimmte Heimtextilien und andere Verbraucherprodukte (z.B. hinsichtlich der Entflammbarkeit von Textilien). Zudem enthält er Test-, Zertifizierungs- und Kennzeichnungspflichten.120 Der Importeur muss unter anderem durch ein Allgemeines Konformitätszertifikat (General Certificate of Conformity, GCC) EU-Chemikalienverordnung REACH. Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals, <http://www.reach-info. de/verordnungstext.htm> (eingesehen am 5.2.2015). 120 Consumer Protection Safety Commission, Consumer Product Safety Improvement Act (CPSIA), <http://www.cpsc.gov/en/Regulations-Laws-Standards/Statutes/The-Consumer-Product-Safety-Improvement-Act/> (eingesehen am 5.2.2015). 119 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 53 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel die Einhaltung der Standards nachweisen. Auch der Einsatz chemischer Subtanzen in Textilien, Bekleidung und Schuhen ist durch den CPSIA beziehungsweise andere Gesetze wie den Federal Hazardous Substances Act (FHSA) auf US-Bundesebene streng geregelt. Die US-amerikanischen Verbrauchstandards im Textilund Bekleidungssektor sind dabei in vielen Fällen transparenter gestaltet als die der EU. Auch das gesetzlich geregelte Schutzniveau für den Verbraucher ist in den USA nicht nur mit dem in der EU vergleichbar, sondern teilweise deutlich höher. In der Textil- und Modeindustrie sind die Produktionsstandards und -verfahren in der EU und in den USA vergleichbar. Entsprechend könnten durch eine Harmonisierung oder – falls dies nicht möglich ist – eine gegenseitige Anerkennung von Produktionsvorschriften und -verfahren sowie durch die gegenseitige Anerkennung von akkreditierten Prüflaboren Handelshemmnisse abgebaut werden. Am bestehenden Informations- und Schutzniveau für den Verbraucher würde dies nichts ändern. Davon würden sowohl Hersteller als auch Verbraucher profitieren. Gerade bei der Pflegekennzeichnung von Bekleidung gibt es viele unterschiedliche Anforderungen für den US- und EU-Markt. In den USA richten sich diese nach dem Standard ASTM D5489-14, der von der American Society for Testing and Materials (ASTM) festgelegt wird,121 während in der EU der ISO Standard 3758:2012 der International Association for Textile Care Labelling (GINETEX) zum Tragen kommt.122 Im Rahmen von TTIP hat die US-Industrie bereits ihre Bereitschaft zu einer möglichen Übernahme des ISO-Standards signalisiert. Eine weltweit einmalige Besonderheit stellt in den USA die Pflicht gemäß dem Textile Fiber Products Identification Act dar, Etiketten im Nackenbereich von Bekleidungsgütern anzubringen. Aus Sicht deutscher Bekleidungshersteller erfordert diese Bestimmung zwangsläufig eine aufwendige und separate Produktion. Bezüglich textiler Bodenbeläge sind die Sicherheitsstandards und Testmethoden in der EU und den USA nahezu identisch. Trotzdem werden Testberichte häufig nicht gegenseitig anerkannt. Grund hierfür ist, dass nicht alle seitens der International Laboratory Accreditation Cooperation (ILAC)123 akkreditierten Laboratorien der USA von der bei der EU-Kommission geführten Datenbank der europäischen New Approach Notified and Designated Organisations (NANDO) erfasst und demnach anerkannt sind.124 Eine EU-seitige Anerkennung der ILAC-Liste wäre wünschenswert und könnte eine regulatorische Handelshürde beseitigen. American Society for Testing and Materials (ASTM), Standard Guide for Care Symbols for Care Instructions on Textile Products, <http:// www.astm.org/Standards/D5489.htm> (eingesehen am 5.2.2015). 122 International Organization for Standardization, ISO 3758:2012, Textiles - Care Labelling Code Using Symbols, <http://www.iso.org/ iso/catalogue_detail?csnumber=42918> (eingesehen am 5.2.2015). 123 International Laboratory Accreditation Cooperation, <www.ilac.org> (eingesehen am 5.2.2015). 124 New Approach Notified and Designated Organisations, <http://ec.europa. eu/enterprise/newapproach/nando/> (eingesehen am 5.2.2015). 121 Empfehlungen der Textil- und Modeindustrie -- Harmonisierung beziehungsweise gegenseitige Anerkennung von Verbraucherschutzstandards; -- Gegenseitige Anerkennung von Test- und Zertifizierungsverfahren; -- Gegenseitige Anerkennung von akkreditierten Prüflaboren; -- US-seitige Übernahme der Pflegekennzeichnung nach ISO-Standard. 54 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik IKT-Wirtschaft Die IKT-Wirtschaft (IKT: Informations- und Kommunikationstechnologie) hat in den vergangenen fünfzehn Jahren einen radikalen Wandel durchlebt. Derzeit dominierende Unternehmen wie Google, Facebook oder Amazon waren vor wenigen Jahren noch Startups oder noch gar nicht gegründet. Das Internet hat aber nicht nur eine eigene, neue Branche geschaffen. In der gerade beginnenden Ära des internet of things wird das Internet fast alle Bereiche der Wirtschaft beeinflussen und teilweise massiv verändern. Die ITK-Branche ist wie keine zweite Branche durch das globale Internet geprägt. Gemeinsame Regeln sind deshalb für die ITK-Branche von besonderer Bedeutung. Gleichzeitig ist festzustellen, dass sich kurz- und mittelfristig nicht in allen zentralen Bereichen gemeinsame Standards finden lassen. Exemplarisch sei nur der Umgang mit personenbezogenen Daten genannt – hier unterscheiden sich das europäische und das US-amerikanische Recht in vielerlei, mitunter fundamentaler Hinsicht. Dies soll aber nicht den Blick dafür verstellen, dass in anderen Bereichen eine bessere Zusammenarbeit, Anerkennung und Angleichung möglich sind. Am aussichtsreichsten erscheinen dabei die folgenden drei Bereiche: 1. Gegenseitige Anerkennung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen Die IKT-Industrie arbeitet sowohl in der EU als auch in den USA seit Langem eng mit Regierungsstellen und internationalen Normungsgremien zusammen. Zu den Normungsgremien im IKT-Bereich gehören in Deutschland die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE), auf europäischer Ebene ETSI, CEN und CENELEC und auf international Ebene die Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunications Union, ITU), die IEC sowie die ISO. Ziel ist es, in Bereichen wie Produktsicherheit oder auch störungsfreiem elektromagnetischen Betrieb anerkannte Standards für eine Vielzahl von Geräten (z.B. Computer, Monitore, Speichermedien, Telekommunikationskomponenten (TK-Komponenten)) zu entwickeln, die die Unbedenklichkeit der Produkte sicherstellen. Diese Standards werden weltweit von einer Vielzahl von nationalen Regulierungsstellen akzeptiert, was den globalen Handel mit diesen Produkten deutlich erleichtert hat. Inzwischen sind jedoch in zahlreichen Ländern unterschiedliche Anforderungen im Hinblick auf Zertifikate und Zertifizierungen, mit denen die Einhaltung der Standards dokumentiert wird, in Kraft. Dadurch Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel werden die Vorteile der globalen Standardisierung teilweise wieder aufgehoben. Insbesondere werden in vielen Ländern jeweils eigene Zertifikate und Zertifizierungen gefordert, die die Produkte in vergleichbarer Weise schon in anderen Ländern vorweisen. Diese wiederholenden Anforderungen verteuern letztlich die Produkte, verringern die Produktauswahl und verzögern den Markteintritt. Dies ist insbesondere angesichts der Dynamik der IKT-Produktzyklen bedenklich. Deshalb sollte im Rahmen von TTIP Wert darauf gelegt werden, eine größtmögliche Anerkennung von Herstellerselbsterklärungen anzustreben. Dabei ist es unabdingbar, dass auf die weltweit einheitlichen beziehungsweise anerkannten Standards verwiesen wird. 2 Einführung beziehungsweise Anerkennung von E-Labeling Konformitätszeichen wie das CE-Kennzeichen in der EU oder auch das FCC-Kennzeichen in den USA haben eine wichtige Funktion: Sie erklären, dass Produkte die auf dem jeweiligen Markt geltenden Vorschriften erfüllen und damit sicher im Gebrauch sind. Das Ziel von E-Labeling besteht darin, Aufwand zu reduzieren. E-Labeling erlaubt es den Herstellern, Konformitätszeichen und -erklärungen nicht mehr zwingend physisch auf dem Produkt anzubringen, sondern die Informationen etwa auf einem Display bei Bedarf anzuzeigen. Hersteller haben dadurch größere Freiheit beim Produktdesign, geringere Produktionskosten und können Märkte schneller erschließen. In den USA gibt es im Telekommunikationssektor bereits erste Schritte hin zu einem E-Labeling. Dies sollte zum Anlass genommen werden, um im Rahmen von TTIP gemeinsame Regelungen zugunsten eines größeren Einsatzes von E-Labeling zu beschließen. Dabei ist E-Labeling aber immer als freiwilliges alternatives Instrument zur Produktkennzeichnung zu betrachten. Es darf weder verpflichtend werden noch der Wiederholung bereits anders angebrachter Produktkennzeichnungen dienen. 3. Unbeschränkter Marktzugang für Produkte, die Verschlüsselungstechnologien nutzen: IKT-Produkte nutzen immer stärker kryptografische Elemente, um die über sie vermittelten Informationen sicher und vertraulich zu halten. Auf diese Vertraulichkeit sind eine Vielzahl von Branchen und Unternehmensprozessen (z.B. E-Mail- und Datenbanksicherheit, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) angewiesen. Auch Verbraucher legen Wert auf einen Schutz ihrer Aktivitäten und persönlichen Informationen. Verschlüsselung Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik ist eine der wirksamsten Methoden, mit denen sich staatliche Stellen, Unternehmen und Verbraucher vor unberechtigten Zugriffen schützen können. Sie dient auch dazu, verlorengegangenes Vertrauen in digitale Anwendungen und die digitale Wirtschaft wiederherzustellen. Aus diesem Grund sollten sich die USA und die EU im Rahmen von TTIP zu einem Recht auf unbeschränkten Import, Gebrauch und Verkauf von IKTund sonstigen Industrieprodukten mit kryptografischen Elementen bekennen. Dadurch erhalten US-amerikanische und europäische Unternehmen und Verbraucher optimalen Zugang zu den besten Produkten und Technologien in diesem Bereich. 4. Konvergenz der Märkte – Divergenz der Regeln: Die in den letzten Jahren zu beobachtende Konvergenz der Märkte stellt die IKT-Industrie vor zahlreiche neue Herausforderungen. Im Bereich der Telekommunikation führt die Internet-Protokoll-basierte (IP-basierte) Übertragung aller Daten (Bild, Ton, Video, Schrift) zu einer zunehmenden Aufhebung der traditionell getrennten Medien und ihrer Übertragungskanäle (analoge Telefonleitungen für Sprache; Satelliten-, Kabelund Rundfunkanlagen für Ton und Video; Telefax für Schrift etc.). Das Internet ist zu einem Medium geworden, über das Kommunikations- und Inhaltedienste von klassischen Telekommunikationsunternehmen ebenso wie von neuen Dienste-Anbietern und Plattform-Betreibern übertragen werden. Die neuen Anbieter unterliegen in der Regel allerdings nicht denselben regulatorischen Vorschriften wie die traditionellen Telekommunikationsunternehmen. Diese wenig regulierten sogenannten Over the top (OTT)-Anbieter Positionspapier 55 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel ermöglichen ihren Kunden beispielsweise die Übermittlung von Text-, Video- und Audioinhalten über Telekommunikationsnetze. Die EU reagiert auf die Konvergenz der Märkte sowie die parallel verlaufende sektor-übergreifende Digitalisierung der Industrie mit einer neuen Strategie für den digitalen Binnenmarkt (DSM). Diese Initiative umfasst so zentrale Pfeiler wie den regulatorischen Rechtsrahmen für die Infrastrukturbetreiber und Dienste-Anbieter, Datenschutz, Cyber-Sicherheit sowie den Verbraucherschutz. Da die Vollendung des DSM in naher Zukunft absehbar ist, sollte es daher das Ziel der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft sein, auf eine transatlantische Konvergenz der regulatorischen Rahmenbedingungen hinzuwirken und erste Grundlagen dafür zu schaffen. Für alle Marktteilnehmer in der digitalen Wertschöpfungskette sollte im Sinne des fairen Wettbewerbs das Prinzip der „Same Services, Same Rules“ gelten – dies gleichermaßen für alle Anbieter aus der EU und den USA, unabhängig davon, ob sie ihren Sitz dies- oder jenseits des Atlantiks haben. Mit der Verankerung dieses Prinzips kann die Grundlage für mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und Verbraucher im EU-Binnenmarkt geschaffen werden. Marktwirtschaft und Innovationen leben von einem funktionierenden, offenen und fairen Wettbewerb. Dieser braucht transparente, verlässliche und für alle verbindliche Regeln. Die TTIP-Verhandlungen sollten als Chance genutzt werden, die Rahmenbedingungen für alle Anbieter der digitalen Wertschöpfungskette langfristig zu harmonisieren. Hierzu sollte TTIP ein einheitliches Kapitel für IKT-Dienste enthalten, um zu gewährleisten, dass der „gleiche Dienste, gleiche Regeln“-Ansatz für alle Anbieter der Wertschöpfungskette gestärkt wird. Verantwortliche Institutionen und Behörden für der Textil- und Bekleidungsindustrie EU Europäische Kommission (Generaldirektion Connect) USA Federal Communications Commission (FCC) Empfehlungen der IKT-Industrie -- Eigenes IKT-Kapitel im TTIP: Rahmenbedingungen für alle Anbieter der digitalen Wertschöpfungskette langfristig harmonisieren; -- Gegenseitige Anerkennung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen; -- Entwicklung gemeinsamer Regeln für E-Labeling; Nationale Regulierungsbehörden der Mitgliedsstaaten -- Unbeschränkter Marktzugang für Produkte, die Verschlüsselungstechnologien nutzen. 56 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 57 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 58 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel VI. TTIP: Einfallstor für Deregulierung? TTIP ist in der deutschen Bevölkerung umstritten. Eine Umfrage des Pew Research Center und der Bertelsmann Stiftung ergab, dass 36 Prozent der Deutschen, die Ende Februar 2015 befragt wurden, TTIP ablehnen.125 Viele befürchten, dass das Abkommen europäische Standards verwässern und die Prozesse der demokratischen Regelsetzung aushöhlen könnte. Gerade das geplante Regulierungskapitel weckt Ängste: Harmonisierung von Standards und Normen, so die Kritiker, könnte zu einem race to the bottom – also sinkenden Schutzstandards – führen. Außerdem wird befürchtet, Übereinkünfte zur gegenseitigen Anerkennung von Produktstandards (Äquivalenzabkommen) könnten die Handelspartner daran hindern, in Zukunft zum Wohle der Allgemeinheit regulierend tätig zu werden (Stichwort regulatory chill/freeze). Auch steht die Behauptung im Raum, dass sich neue transatlantische Gremien, beispielweise ein Regulierungsforum (Regulatory Cooparation Forum), nach Abschluss von TTIP auf weitere Maßnahmen der Regulierungskooperation verständigen und dabei die demokratisch legitimierten Entscheidungsprozesse unterlaufen könnten. Dahinter steckt die Sorge, dass sich die Vertragsparteien bindend auf die gegenseitige Anerkennung von Produktstandards einigen könnten, auch wenn das entsprechende Produkt zunächst nicht unter TTIP behandelt worden war – und zwar ohne dass Rat und Parlament der EU darüber befinden müssten. Und Investitionsschutz in TTIP könnte ein Einfallstor für Unternehmen sein, mit Klagen Regierungen zu zwingen, Standards zu senken. Sind diese Befürchtungen berechtigt? Argumente“.126 Die folgende Analyse wird sich daher auf die Regulierungskooperation konzentrieren. Aushebelung demokratischer Entscheidungsprozesse durch Regulierungskooperation? Regulierungskooperation folgt demokratisch legitimierten Entscheidungsprozessen. Ratifizierung des Abkommens; Mitbestimmungsrecht des Parlaments TTIP wird, wie alle EU-Handelsabkommen, gemäß Art. 206, 207 und 218 AEUV von der EU-Kommission verhandelt, und zwar auf der Grundlage eines Verhandlungsmandats des Rates der Europäischen Union. Dieses Mandat hat der Rat der Kommission 2013 erteilt.127 Im Verhandlungsmandat sind die Leitlinien für die Verhandlungen festgelegt, an welche sich die Kommission halten muss. Die Kommission informiert die Mitgliedstaaten und den Handelsausschuss des Europäischen Parlaments vor und nach jeder Verhandlungsrunde. Dem Verhandlungsmandat zufolge darf TTIP weder zu sinkenden Standards noch zu einer Einschränkung der Regulierungsautonomie der Staaten führen. Ein Blick auf die Verhandlungsvorschläge für TTIP, europäische Rechtsgrundlagen und auf Vertragstexte bestehender Freihandelsabkommen zeigt, dass die genannten Sorgen eines race to the bottom und regulatory freeze ebenso unbegründet sind wie die Angst, dass TTIP der Demokratie schadet. Eine ausführliche Diskussion des Investitionsschutzes und Investor-Staat-Schiedsverfahren bietet die BDI-Publikation „Investitionsschutzabkommen und Investor-Staat-Schiedsverfahren: Mythen, Fakten, Stormy-Annika Mildner und Christoph Sprich, Investitionsschutzabkommen und Investor-Staat-Schiedsverfahren: Mythen, Fakten, Argumente, BDI, Februar 2015, <http://www.bdi.eu/download_content/ GlobalisierungMaerkteUndHandel/Investitionsschutzabkommen_ und_ISDS.pdf>. 127 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Unkommentierte deutsche Fassung des TTIP-Verhandlungsmandats, 9.10.2014, <http:// www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/S-T/ttip-mandat,property=pdf, bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf>. 126 Pew Research Center, Germany and the United States: Reliable Allies, 7.5.2015, <http://www.pewglobal.org/2015/05/07/germany-and-theunited-states-reliable-allies/> (eingesehen am 19.6.2015). 125 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Auszüge aus dem Verhandlungsmandat des Rates der Europäischen Kommission zu TTIP „8. In dem Abkommen sollte anerkannt werden, dass die Vertragsparteien den Handel oder ausländische Direktinvestitionen nicht dadurch fördern werden, dass sie das Niveau der internen Rechtsvorschriften und Normen in den Bereichen Umweltschutz, Arbeitsrecht oder Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz senken oder die Kernarbeitsnormen oder die Politik und die Rechtsvorschriften zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt lockern. […] 25. […] Die regulatorische Kompatibilität lässt das Recht, Vorschriften nach Maßgabe des von der jeweiligen Seite für angemessen erachteten Schutzniveaus in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Verbraucher, Arbeit und Umwelt sowie kulturelle Vielfalt zu erlassen oder auf andere Weise legitime Regulierungsziele zu erreichen, unberührt und steht im Einklang mit den unter Nummer 8 dargelegten Zielsetzungen.“ Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Unkommentierte deutsche Fassung des TTIP-Verhandlungsmandats, S. 4, 11, <http:// www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/S-T/ttip-mandat,property=p df,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf> (eingesehen am 19.1.2015). Wenn es gelingt, sich in TTIP auf eine gegenseitige Anerkennung in bestimmten Sektoren zu einigen, müssen diese Bestimmungen als Teil des gesamten Abkommens vom Rat der Europäischen Union und dem EU-Parlament angenommen werden. Im Rat ist in der Regel eine qualifizierte Mehrheit erforderlich, also die Zustimmung von mindestens 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der EU ausmachen. Für bestimmt Aspekte ist jedoch Einstimmigkeit erforderlich. So gibt Art. 207 Abs. 4 AEUV vor: „Über die Aushandlung und den Abschluss eines Abkommens über den Dienstleistungsverkehr, über Handelsaspekte des geistigen Eigentums oder über ausländische Direktinvestitionen beschließt der Rat einstimmig, wenn das betreffende Abkommen Bestimmungen enthält, bei denen für die Annahme interner Vorschriften Einstimmigkeit erforderlich ist. Der Rat beschließt ebenfalls einstimmig über die Aushandlung und den Abschluss von Abkommen in den folgenden Bereichen: a) Handel mit Positionspapier 59 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen, wenn diese Abkommen die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union beeinträchtigen könnten; b) Handel mit Dienstleistungen des Sozial-, des Bildungs- und des Gesundheitssektors, wenn diese Abkommen die einzelstaatliche Organisation dieser Dienstleistungen ernsthaft stören und die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für ihre Erbringung beinträchtigen könnten.“ Das EU-Parlament muss TTIP mit einfacher Mehrheit annehmen. Handelt es sich bei TTIP um ein gemischtes Abkommen (also ein Abkommen, das sowohl in die Zuständigkeit der EU als auch ihrer Mitgliedstaaten fällt), sind nach dem einstimmigen Beschluss des Rates der Europäischen Union zudem Ratifikationsprozesse in allen 28 EU-Mitgliedstaaten nach Maßgabe der jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften erforderlich. Ein im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstelltes Gutachten zu CETA kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass es sich bei CETA um ein „gemischtes Abkommen“ handelt, weil in den Bereichen Investitionsschutz, Seeverkehrsdienstleistungen, Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz Materien geregelt werden, die nicht der ausschließlichen Zuständigkeit der EU unterliegen. Damit müsste CETA auch von den Mitgliedstaaten der EU, wie der Bundesrepublik Deutschland, ratifiziert werden.128 In den USA muss ein Freihandelsabkommen vom Kongress (beiden Kammern) mit einfacher Mehrheit angenommen werden. Vorläufige Anwendung des Abkommens Würde eine vorläufige Anwendung eines Handelsabkommens, das in die gemischte Zuständigkeit von EU und ihren Mitgliedstaaten fällt, die demokratischen Entscheidungsprozesse unterlaufen? Nein, das Prozedere ist gesetzlich geregelt und damit durch demokratisch gefasste Beschlüsse vorgegeben. In der politischen Praxis wird die vorläufige Anwendung durch einen vorgezogenen Parlamentsentscheid noch weiter legitimiert. Zum Verfahren: Nachdem ein Freihandelsabkommen ausgehandelt worden ist, findet eine Rechtsförmlichkeitsprüfung der Europäischen Kommission und der Partnerseite statt (eine Paraphierung des Vertragstextes durch die Verhandlungsführer kann, aber muss nicht stattfinden). Auf EU-Seite wird das Abkommen dann Franz C. Meyer, Stellt das geplante Freihandelsabkommen der EU mit Kanada ein gemischtes Abkommen dar? Rechtsgutachten für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, August 2014. 128 60 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik in alle Amtssprachen übersetzt. Anschließend übermittelt die Kommission dem Ministerrat der Europäischen Union eine Entscheidungsvorlage zur Unterschrift des Abkommens und zum Abschluss des Abkommens. Zeitgleich wird das Abkommen bereits dem Handelsausschuss im Europäischen Parlament übermittelt. Im Rat folgt eine eigene Rechtsförmlichkeitsprüfung. Bei einem Abkommen, das in die gemischte Zuständigkeit von EU und Mitgliedsstaaten fällt, werden bereits bilaterale Vereinbarungen zur vorläufigen Anwendung berücksichtigt. Diese sehen unter anderem vor, dass jede Seite ihre internen Verfahren für die vorläufige Anwendung zunächst abschließen und dies der anderen Seite formell mitteilen muss. Erst dann kann nach einer festgesetzten Frist die vorläufige Anwendung stattfinden. Während auf der Partnerseite die volle Ratifizierung des Abkommens notwendig sein kann, sieht das Verfahren in der EU wie folgt aus: Nach Beratung des Handelspolitischen Ausschusses und des Ausschusses der Ständigen Vertreter autorisiert der Ministerrat die Unterschrift des Abkommens und entscheidet über die vorläufige Anwendung. In der Entscheidung des Rates zur vorläufigen Anwendung wird klargestellt, welche Teile des Abkommens nicht vorläufig angewendet werden, da sie gemischte Zuständigkeiten betreffen (z.B. im Abkommen mit Südkorea: die strafrechtliche Durchsetzung bei geistigem Eigentum und die kulturelle Zusammenarbeit). Diese Klarstellung wird später im Amtsblatt zusammen mit dem Freihandelsabkommen veröffentlicht.129 Über die vorläufige Anwendung eines Abkommens entscheidet der Ministerrat der EU allein.130 In der Praxis hat das Europäische Parlament allerdings durchgesetzt, dass es vor der vorläufigen Anwendung dem Abkommen zustimmt.131 Nach den Entscheidungen im Rat wird das Handelsabkommen von den Vertragspartnern formell unterzeichnet. Vor der Unterzeichnungszeremonie unterschreiben bereits alle Mitgliedsstaaten der EU, sofern sie offizieller Vertragspartner sind (so der Fall z.B. bei den EU-Abkommen mit Korea, Kolumbien und Peru). Für die EU-Ebene unterzeichnen in der Regel der Handelskommissar und ein Vertreter Official Journal of the EU, Volume 54, 14 May 2011, S. 1 ff. <http:// eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=OJ:L:2011:127:TOC>. 130 Art. 218 (5) AEUV. 131 BMWi, Häufig gestellte Fragen zum EU-Kanada-Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA), S. 3, <http://m.bmwi.de/BMWi/Redaktion/ PDF/F/faq-ceta,property=pdf,bereich=bmwimobile2012,sprache=de ,rwb=true.pdf>. Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel der Ratspräsidentschaft. Anschließend sendet der Rat den vollständigen Vertragstext offiziell zur Annahme an das Europäische Parlament. Nach der Abstimmung im federführenden Ausschuss für internationalen Handel wird das Freihandelsabkommen dem Plenum des Parlaments zur Zustimmung vorgelegt. Erst nach dieser Zustimmung wird die Entscheidung zur vorläufigen Anwendung im Amtsblatt veröffentlicht. Sobald alle Seiten ihre internen Verfahren abgeschlossen haben und eine gegenseitige Notifizierung stattgefunden hat, kann das Abkommen nach der vorgesehenen Frist angewendet werden. Nun findet die Ratifizierung des gesamten Freihandelsabkommens nach den jeweiligen nationalen Verfahren in den Mitgliedsstaaten der EU statt. Wenn der Prozess erfolgreich abgeschlossen ist, nimmt der Ministerrat die Entscheidung zur Annahme des Abkommens an. Das gesamte Abkommen wird im Amtsblatt veröffentlicht und tritt vollständig in Kraft.132 Gemeinsamer TTIP-Ausschuss (TTIP Joint Committee) und Fachausschüsse Könnten ein gemeinsamer TTIP-Ausschuss und mögliche Fachausschüsse die demokratischen Entscheidungsprozesse in der EU unterlaufen und die Mitbestimmungsrechte der Parlamente beschneiden? Könnten sich beispielsweise die Vertragsparteien auf die gegenseitige Anerkennung einer Produktzulassung verständigen, die im Vertragstext bei Unterzeichnung nicht enthalten war – ohne dass die EU-Kommission das Parlament einbeziehen muss? Nach Ratifizierung von TTIP sind sowohl die USA als auch die EU an den völkerrechtlichen Vertrag gebunden und dürften keine Vorschriften erlassen, die gegen ihn verstoßen. Dies gilt gleichwohl nur für Themen, die tatsächlich vom Vertrag abgedeckt und vor allem bindend und vor dem Streitschlichtungsmechanismus des Abkommens einklagbar sind. In CETA ist ein CETA Joint Committee vorgesehen (Chapter X: Administrative and Institutional Provisions Article X.01: The CETA Joint Committee)133. Dieser Ausschuss, in dem unter anderem hochrangige 129 European Commission, Trade Negotiations Step by Step, September 2013, S. 7, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2012/june/ tradoc_149616.pdf>. 133 Zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Studie (Juni 2015) lag der CETAVertragstext noch nicht in seiner endgültigen Fassung vor. Entsprechend sind die Artikel im Vertrag noch nicht abschließend durchnummeriert. 132 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 61 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel handelspolitische Repräsentanten beider Seiten vertreten sein sollen, besitzt nach Art. X.01 Abs. 3 eine generelle Zuständigkeit für alle Fragen im Zusammenhang mit CETA und soll nach Abs. 4.b die Arbeit der Fachschüsse (specialized committees) überwachen. Dazu gehören beispielsweise der Fachausschuss für Warenhandel (Committee on Trade in Goods), der Fachausschuss für Regulierungskooperation (Regulatory Cooperation Forum), der Fachausschuss für Dienstleistungen und Investitionen (Committee on Services and Investment) oder auch der Fachausschuss für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Committee). Geregelt sind die Aufgaben und die Ausgestaltung der Fachausschüsse in Kapitel 30 und in den jeweiligen Kapiteln, die die Sachbereiche betreffen, die unter die Zuständigkeit des jeweiligen Ausschusses fallen. Die Fachausschüsse können dem CETA Joint Committee Entwürfe für Entscheidungen vorschlagen und Entscheidungen in den Fällen treffen, wo der Vertragstext dies vorsieht. Zur Entscheidungskompetenz des Joint Committee hält der Vertragstext in Article X.03: Decision Making Folgendes fest: „Das CETA Joint Committee soll, um die Ziele des Abkommens zu erreichen, die Kompetenz haben, Entscheidungen in Bezug auf alle Themen, in den Aufgaben des CETA Joint Committee (Chapter X: Administrative and Institutional Provisions Article X.01: The CETA Joint Committee) Der CETA-Ausschuss soll: -- die Umsetzung und Anwendung von CETA beobachten und unterstützen sowie die allgemeinen Ziele befördern; die Arbeit aller Fachausschüsse und anderer unter CETA eingesetzter Gremien überwachen; ohne Entscheidungen der Kapitel „Streitbeilegung“, „Arbeit“, „Umwelt“, „Nachhaltige Entwicklung“ und „Investitionen“ vorwegzunehmen, nach angemessenen Möglichkeiten und Methoden suchen, Problemen vorzubeugen, die in den von CETA abgedeckten Bereichen entstehen könnten, oder Streitigkeiten beilegen, die in Bezug auf die Auslegung oder Anwendung von CETA entstehen können; -- Änderungen nach Maßgabe des Vertrags erwägen oder beschließen; -- sich eine eigene Geschäftsordnung geben; -- Geeignete Empfehlungen geben, um die Ausweitung von Handel und Investitionen, wie im Abkommen vorgesehen, zu fördern; -- Entscheidungen nach Article X.03: Decision Making treffen; -- sich mit allen Belangen auseinandersetzen, die im Zusammenhang mit den unter CETA behandelten Themen entstehen; Der CETA Ausschuss kann: -- Fachausschüsse gründen und Aufgaben an diese delegieren; -- mit allen interessierten Parteien kommunizieren, einschließlich des Privatsektors und der Zivilgesellschaft; -- die Entwicklung des Handels zwischen den Vertragsparteien untersuchen und Möglichkeiten einer weiteren Vertiefung der Handelsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien erwägen; -- Auslegungen der Bestimmungen von CETA annehmen, die bindend für Streitbeilegungspanel sein sollen, die unter den Kapiteln „Streitbeilegung“ und „Investitionen“ eingerichtet werden (bzgl. der Investor-Staat-Streitbeilegung); -- Weitere Maßnahmen im Rahmen seiner Aufgaben ergreifen, auf die sich die Vertragsparteien verständigen; -- die an einen Fachausschuss zugewiesenen Aufgaben ändern, übernehmen oder Fachausschüsse auflösen; andere Ausschüsse, Fachausschüsse und Dialoge einsetzen, um ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Consolidated CETA Text, 26.9.2014, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/ docs/2014/september/tradoc_152806.pdf> (Übersetzung durch Autoren). 62 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik vom Abkommen vorgesehenen Fällen, zu treffen“.134 Die Entscheidungen sind für die Vertragsparteien bindend. Die Vertragsparteien sollen für die Umsetzung geeignete Maßnahmen ergreifen; das CETA Joint Committee kann Empfehlungen diesbezüglich geben. Unter Final Provisions, Article X.02: Amendments heißt es zudem, dass die Vertragsparteien schriftlich übereinkommen können, das Abkommen abzuändern: „Eine Abänderung soll in Kraft treten, nachdem die Vertragsparteien schriftliche Notifizierungen ausgetauscht haben, in denen sie bestätigen, dass sie ihre jeweils geltenden internen Anforderungen und Verfahren abgeschlossen haben.“135 Von Kritikern werden folgende Kompetenzen des Joint Committee als besonders problematisch bemängelt: 1. Annahme der Auslegung von Bestimmungen, die für die Streitbelegung und Investor-Staat-Schiedsverfahren bindend sind; 2. Änderung oder Übernahme der an einen Fachausschuss übertragenen Aufgaben; 3. Treffen bindender Entscheidungen zu allen Themen, für die dies das Abkommen vorsieht. Ebenso kritisch wird die Möglichkeit der Vertragsparteien bewertet, die Annexe, Anlagen, Protokolle und Vermerke des Abkommens zu verändern.136 Lässt sich von den gennannte Bestimmungen ableiten, dass die Vertragsparteien in den neuen CETA-Gremien rechtwirksame Akte zur Regulierungskooperation erlassen können, die das Abkommen verändern, ohne dass die nationalen Entscheidungsgremien einbezogen werden müssen? Consolidated CETA Text, 26.9.2014, <http://trade.ec.europa.eu/ doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf> (Übersetzung durch Autoren). 135 Ebd. 136 Vgl. beispielsweise: Andreas Fischer-Lescano und Johan Horst, Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben für das Comprehensive Economic and Trade Agreement der EU und Kanada (CETA), Juristisches Kurzgutachten im Auftrag von attac/München, 2014, S. 15, < http:// www.no-ttip.de/Material/CETA-Gutachten.pdf>; Thilo Bode, Die Freihandelslüge. Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet, München 2015; Christoph Scherrer und Stefan Beck, Einschätzung der Umweltrisiken des Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union, Gutachten im Auftrag des World Wide Fund For Nature Deutschland, <http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/CETA_ Gutachten_lang__deutsch_.pdf>; Peter Stoll, Stellungnahme für die 12. Sitzung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zur öffentlichen Anhörung „Geplantes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement - CETA), 2.6.2014, <http://www.bundestag.de/blob/281880/ d4375b8f94cb408465653cb47aa5d696/a_drs--18-10-103-d-data.pdf> (eingesehen am 12.6.2015). 134 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Im Kapitel Final Provisions, Article X.02 wird festgehalten, dass Abänderungen erst möglich sind, nachdem die jeweils geltenden internen Anforderungen und Verfahren abgeschlossen sind. Der Handelsausschuss kann daher grundsätzlich keine bindenden Beschlüsse zur Regulierungskooperation treffen, welche CETA ändern und somit potenziell die Kompetenzordnung der EU verfälschen würden. Darüber hinaus muss zur Beantwortung der Frage ein Blick in das entsprechende Sachkapitel sowie die Regeln für den Fachausschuss für Regulierungskooperation geworfen werden. Fachausschuss Regulierungskooperation (Regulatory Cooperation Forum/Body, RCF/RCB137) Völkerrechtliche Verträge dürfen die europäische Kompetenzordnung nicht verfälschen. Dies wäre jedoch der Fall, wenn beispielsweise TTIP ein Unionsorgan wie das Parlament in den ihm nach Unionsrecht zukommenden Kompetenzen beschneiden würde.138 Jeder Handelsvertrag muss dem unionsrechtlichen Kompetenzrahmen und der darin enthaltenen Kompetenzzuweisung Rechnung tragen. Ein mit Entscheidungskompetenz ausgestatteter Regulierungsrat in einem Handelsabkommen würde dem zuwiderlaufen, da für den Erlass von Regulierungen eine klare Aufgabenzuweisung an Parlament und Kommission vorliegt. Das Gremium kann in TTIP daher keine Entscheidungskompetenz zugesprochen bekommen. Sollten sich die EU und die USA in einem Regulierungsgremium darauf verständigen, Standards zu harmonisieren oder gegenseitig anzuerkennen, gelten die beschriebenen nationalen Verfahren. Für Verhandlungen über Äquivalenzabkommen, die nach den TTIP-Verhandlungen beginnen und über die es in TTIP selbst keine Einigung gab, bedürfte es eines neuen Mandats des Rates. Die begrenzte Rolle des RCB drückt auch der Verhandlungsvorschlag der EU-Kommission deutlich aus: „Der RCB wird nicht die Kompetenz haben, Rechtsakte anzunehmen (‚The RCB will not have the power to adopt legal acts‘).“139 In CETA wird der Fachausschuss zur Regulierungskooperation Regulatory Cooperation Forum (RCF) genannt, im Vorschlag der EU-Kommission zur regulatorischen Zusammenarbeit in TTIP ist von einem Regulatory Cooperation Body (RCB) die Rede. 138 Fischer-Lescano und Horst (2014), S. 15. 139 Europäische Kommission, Initial Provisions for Chapter [ ] Regulatory Cooperation, 10.2.2015, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/ february/tradoc_153120.pdf>. 137 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 63 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Auszug aus „Detailed Explanation on the EU Proposal for a Chapter on Regulatory Cooperation” „Die EU hat ein Gremium für Regulierungskooperation ‚Regulatory Cooperation Body‘ vorgeschlagen (…). Seine Kernfunktionen wären, die Arbeit in den Sektoren zu überwachen und neue Möglichkeiten für Kooperation zu identifizieren. Es wäre eine Plattform, wo die Parteien Prioritäten für Regulierungskooperation diskutieren und erwägen können, wobei es Input von interessierten Gruppen berücksichtigen kann, unter der vollständigen Beteiligung von Regulierern und den zuständigen Autoritäten auf beiden Seiten. Der Schwerpunkt der Arbeit wäre, Prioritäten für Regulierungskooperation zu identifizieren. Im Gegensatz dazu wäre der RCB nicht beauftragt, Regulierungsentwürfe zu prüfen, die von einer der beiden Seiten erwägt werden. (…) Das Gremium hätte keine Regulierungs- und Regelsetzungskompetenz, wie auch in Artikel 14, Abs. 2, Unterabsatz c des EU-Vorschlags (Article 14 ‚Establishment of the Regulatory Cooperation Body‘) klar gestellt wird. Der RCB wäre kein gemeinsames Entscheidungsgremium, hätte aber eine beratende Rolle. Die Annahme von Regulierungen läge weiterhin in den Händen der heimischen Regulierungs- und Legislativ gremien. Jegliche zukünftige Initiative, um die regulative Kompatibilität voranzubringen, würde den demokratischen Prozessen auf beiden Seiten folgen und auf der EU-Seite die Rolle der EU-Mitgliedstaaten, des Rates und Parlamentes vollständig respektieren. (…) Der RCB wird sich nicht in interne Regulierungsentscheidungen auf beiden Seiten einmischen, da es nicht seine Rolle ist, Regulierungsentwürfe zu überprüfen.” Europäische Kommission, Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) Chapter on Regulatory Cooperation. Detailed Explanation on the EU Proposal for a Chapter on Regulatory Cooperation, 6.5.2015, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/may/tradoc_153431.1.1%20 Detail%20explanation%20of%20the%20EU%20proposal%20for%20a%20Chapter%20of%20 reg%20coop.pdf> (Übersetzung durch die Autoren). Dem Ausschuss für Regulierungskooperation (Regulatory Cooperation Forum, RCF) im EU-Kanada Abkommen CETA sind ebenso enge Grenzen gesetzt. Der entsprechende Artikel im Vertragstext „Rolle und Zusammensetzung des Forums für Regulierungskooperation” (Role and Composition of the Regulatory Cooperation Forum) hält die Aufgaben des Forums fest. Legislative Kompetenzen hat dieses Gremium nicht zugesprochen bekommen. 64 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Aufgaben des Forums für Regulierungskooperation in CETA -- Erstens soll das Forum eine Plattform für die Diskussion von Regulierungen schaffen, die im gemeinsamen Interesse der Vertragsparteien sind. Um diese Maßnahmen zu identifizieren, kann das Forum interessierte Parteien konsultieren, darunter Vertreter der Wissenschaft, von Forschungsinstituten, Nicht-Regierungsorganisationen, Wirtschaft, Konsumenten und anderen Gruppen. -- Zweitens soll das Forum Regulierer unterstützen, passende Partner zu identifizieren, und Instrumente zur Verfügung stellen, wie beispielsweise Modellverträge für Vertraulichkeitsabkommen. -- Drittens soll das RCF laufende oder antizipierte Regulierungsinitiativen überprüfen, für die eine der Parteien Kooperationspotenzial sieht. Diese Überprüfungen (reviews), die unter Konsultation der Regulierungsbehörden vorgenommen werden, sollen die Implementierung des Kapitels zur Regulierungskooperation unterstützen (rechtlich bindend sind diese Überprüfungen hingegen nicht). -- Viertens soll das RCF die Entwicklung bilateraler Kooperationsaktivitäten fördern, auf der Basis von Informationen, die es von Regulierungsbehörden, und durch eine Überprüfung (review) des Fortschritts, der Ergebnisse und der Best Practices von Regulierungskooperation in spezifischen Sektoren. -- Das RCF soll zudem: -- nach dem Inkrafttreten des Abkommens, während seiner ersten Sitzung, Regeln über seine Arbeitsweise und Prozesse sowie einen Arbeitsplan beschließen; -- innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Abkommens zusammenkommen und sich in Folge wenigsten einmal pro Jahr treffen – außer die Vertragsparteien entscheiden sich anders; -- über die Implementierung des Kapitels zur Regulierungskooperation Bericht erstatten. Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), 26.9.2014, <http:// www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Freihandelsabkommen/ ceta.html> (Übersetzung und Zusammenfassung durch die Autoren). Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass in TTIP eine Übertragung von Entscheidungskompetenzen an Gremien nicht möglich ist, wenn diese ein Unionsorgan wie das Parlament in den ihm nach Unionsrecht zukommenden Kompetenzen beschneiden würde. Entsprechend ist ein mit bindenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattetes Gremium für Regulierungskooperation nicht zu erwarten. Auch CETA und der EU-Textvorschlag für Regulierungskooperation in TTIP bieten keine Anhaltspunkte, dass die EU ein Gremium mit Entscheidungsbefugnis plant. Ganz im Gegenteil finden sich zahlreiche Textstellen im EU-Vorschlag sowie in den begleitenden erklärenden Texten, in denen die EU eine solche Entscheidungskompetenz explizit ablehnt. Race to the Bottom und Regulatory Freeze? Regulierungskooperation schränkt den Spielraum von Regierungen, im öffentlichen Interesse zu regulieren, nicht ein. Rahmen der Regulierungskooperation in TTIP Laut dem Textvorschlag der EU-Kommission zum Regulierungskapitel in TTIP, Artikel 1 (Article 1 – General Objectives and Principles) gehören zu den Zielen der Regulierungskooperation die Erleichterung von Handel und Investitionen sowie die Stimulierung von Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen. Gleichzeitig soll ein hoher Schutz unter anderem von Tieren, Pflanzen und der Umwelt, von Konsumenten, Gesundheit, Arbeitsbedingungen, sozialer und menschlicher Sicherheit, persönlicher Daten, Cybersicherheit, kultureller Vielfalt oder auch der Finanzstabilität sichergestellt werden.140 Artikel 3 zufolge würden folgende Regulierungen unter TTIP fallen: 1. Regulierungen, die konkrete Anforderungen an das Design von Produkten stellen, die in der EU und den USA vermarktet und genutzt werden; 2. Regulierungen, die konkrete Bedingungen an die Bereitstellung von Dienstleistungen stellen, einschließlich beispielsweise Lizenzen und Qualifikationen von Dienstleistungsanbietern. Im Gegensatz dazu soll Regulierungskooperation typischerweise nicht 140 Ebd. Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 65 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Gesetzgebungen umfassen, die sektorübergreifende Rahmen oder Prinzipien schaffen (darunter beispielsweise Konsumentens- oder Datenschutz).141 Regulierungspraxis beibehalten würde. Dies wäre laut Kommission beispielsweise für Chemikalien der Fall. Aber auch bei solchen Themen, bei denen sich die EU und die USA entschließen, eine größere Kompatibilität ihrer Regulierungen herzustellen (beispielsweise gegenseitige Anerkennung von Sicherheitsstandards für Automobile oder gegenseitige Anerkennung von Produktionsstandards, Good Manufacturing Practices, für Pharmaprodukte) kann jede Vertragspartei nach wie vor strengere Maßnahmen ergreifen. In diesem Fall gilt es, die andere Seite zu informieren und zu konsultieren – aber jede Seite würde ihre eigene Entscheidung treffen können, wie sie ihre Bürger schützen möchte. Zudem macht der Text explizit deutlich, dass die Vertragsparteien auch in Zukunft in Übereinstimmung mit ihrem eigenen Regulierungsrahmen sowie ihren Regulierungsprozessen und -philosophien regulieren können. Dies bedeutet, dass das Vorsorgeprinzip vom TTIP-Regulierungskapitel unberührt bleibt.143 Sektion II, Artikel 5-7, des EU-Vorschlags betrifft die sogenannte Gute Regulierungstätigkeit (good regulatory practices). Demnach würden die EU und die USA übereinkommen, Transparenz, Rechenschaft und Partizipation im gesamten Prozess zu gewährleisten. Unter anderem sollen die Vertragspartner so früh wie möglich über konkrete Regulierungsvorschläge informieren. Sektion III, Artikel 8-13, des EU-Vorschlags schafft einen Rahmen für Regulierungsaustausch. Ziel ist unter anderem, dass sich Regulierer gegenseitig über Regulierungsinitiativen informieren. Zudem soll der Weg für Regulierer geebnet werden, gemeinsam angemessene Mittel zu eruieren, um die Kompatibilität von Regulierungen zu stärken. Dazu gehört beispielsweise die gegenseitige Anerkennung von Regulierungen oder auch ihre Harmonisierung. Der Kommissionsvorschlag sieht in diesem Zusammenhang eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit vor, nicht aber eine Verpflichtung, sich auf ein bestimmtes Ergebnis zu einigen: „Der Kooperationsmechanismus – während er ergebnisorientiert ist – schreibt kein bestimmtes Ergebnis vor. Es läge an den Regulierern während ihres Austauschens zu entscheiden, ob und zu welchem Maße ein bestimmtes gemeinsames Ergebnis erzielt werden kann oder nicht“.142 Der EU-Textvorschlag (general notes) stellt entsprechend auch ausdrücklich in Frage, ob es in diesem Bereich eine Streitbeilegung geben soll, da es sich hier nicht um inhaltliche, sondern um prozedurale Verpflichtungen handelt. Der EU-Vorschlag bestätigt zudem das Recht beider Vertragsparteien, in einer Art und Weise zu regulieren, die dem von ihnen als notwendig erachteten Schutzniveau entspricht (Art. 1 Abs. 3). Dieses Prinzip ist auch im Verhandlungsmandat der EU eindeutig verankert. Das bedeutet, dass die EU und die USA auf Gebieten, wo sich die Systeme unterscheiden oder ein unterschiedliches Schutzniveau besteht, jede Seite ihre Europäische Kommission, Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) Chapter on Regulatory Cooperation. Detailed Explanation on the EU Proposal for a Chapter on Regulatory Cooperation, 6.5.2015, S. 5, <http:// trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/may/tradoc_153431.1.1%20 Detail%20explanation%20of%20the%20EU%20proposal%20for%20 a%20Chapter%20of%20reg%20coop.pdf>. 142 Ebd., S. 5. Auch das Kapitel zur Regulierungskooperation in CETA zeigt die begrenzte Reichweite des Abkommens (Regulatory Cooperation Article X.2: Principles). Unter CETA wird ein bilateraler Informations-, Gedanken- und Wissensaustausch über geplante und laufende Regulierungsaktivitäten eingerichtet. Konkrete Regulierungsvorschläge sollen rechtzeitig öffentlich gemacht werden. Gemeinsame Risikobewertungen und Folgenabschätzungen werden angestrebt. Standards und Prüfungen sollen durch diese Zusammenarbeit harmonisiert und in einzelnen Fällen gegenseitig anerkannt werden. Gemeinsame Aktivitäten bei Forschung und Entwicklung werden ermutigt und der Austausch über die Entwicklung von Normen gefördert. Gleichzeitig hält der CETA-Vertragstext explizit fest: „Die Vertragsparteien können auf freiwilliger Basis Maßnahmen zur Regulierungskooperation ergreifen. Zur Klarstellung: Keine Vertragspartei ist verpflichtet, in eine bestimmte regulatorische Zusammenarbeit einzutreten, und jede Vertragspartei kann sich weigern, zu kooperieren oder aus der Zusammenarbeit zurückzuziehen. Wenn sich eine Partei der Regulierungskooperation verwehrt oder sich aus dieser Zusammenarbeit zurückzieht, sollte sie bereit sein, die Gründe für ihre Entscheidung der anderen Partei darzulegen.“ 144 141 Ebd., S. 9-10; 11. Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), 26.9.2014, <http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/ Freihandelsabkommen/ceta.html> (Übersetzung durch die Autoren). 143 144 66 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Voraussetzungen für gegenseitige Anerkennung in TTIP Bevor Konformitätsbewertungsstellen, Regeln und Produkte gegenseitig anerkannt werden (wie durch MRAs, Abkommen über die Anerkennung der Gleichwertigkeit oder auch über die gegenseitige Anerkennung gewerblicher Produkte), wird eine umfassende Prüfung der Gleichwertigkeit vorgenommen. Nur wenn eine Gleichwertigkeit festgestellt werden kann, ist gegenseitige Anerkennung möglich. Dies war sowohl beim Abkommen zwischen der EU und den USA über die Zusammenarbeit bei der Regelung der Sicherheit der Zivilluftfahrt als auch beim Abkommen über die Zertifizierung von Bioprodukten der Fall. Bevor das Abkommen über Bioprodukte geschlossen wurde, führten beide Verhandlungsparteien intensive örtliche Prüfungen durch, um die Kompatibilität der jeweiligen Regulierungen, Kontrollmaßnahmen, Kennzeichnungsverfahren und Zertifizierungsanforderungen zu gewährleisten. Federführend waren die EU-Kommission und das US-Landwirtschaftsministerium. Wer die Gleichwertigkeit von Konformitätsbewertungsstellen prüft, wird im MRA selbst auch festgelegt. Da es hier nur um die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertungsstellen, nicht aber um die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertungen oder der ihnen zugrunde liegenden Regeln geht, bedarf es für MRAs nicht der Zustimmung des Gesetzgebers. Im Fall von Äquivalenzabkommen (Recognition of Equivalence) ist dies einzelfallspezifisch festgelegt. In der Regel muss die jeweils zuständige Regulierungsbehörde die Äquivalenz feststellen und erklären. In der Automobilindustrie wären dies auf EU-Seite die Generaldirektion Mobilität und Verkehr und für die USA die US-amerikanische National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA). Bieten Regeln oder Standards nicht denselben Schutz für den Konsumenten, Arbeitnehmer oder die Umwelt, so ist eine gegenseitige Anerkennung nicht möglich. TTIP ist ein Freihandelsabkommen und kein Binnenmarktprojekt wie die EU. Eine pauschale gegenseitige Anerkennung aller Waren und Dienstleistungen wird nicht angestrebt. Auch in Zukunft können nur solche Produkte und Dienstleistungen aus den USA in die EU exportiert werden, die den europäischen Regeln und Normen entsprechen. Dies gilt andersherum genauso. Das EU-Parlament hat in seiner Resolution von 2013 deutliche rote Linien gezogen: Einem TTIP, das Standards senkt oder die Regulierungshoheit des Staates Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel einschränkt, werden die Parlamentarier nicht zustimmen. Dies gilt gleichermaßen für den US-Kongress. Auch die EU-Kommission145, die Bundesregierung146 und die US-Regierung147 schließen ausdrücklich aus, dass Standards im Rahmen der TTIP-Verhandlungen gesenkt werden. Bezugnahme auf bestehende Rechtsrahmen Übereinkünfte zur gegenseitigen Anerkennung können bestehende Gesetze nicht aushebeln. Ganz im Gegenteil schafft das bestehende EU- und US-amerikanische Recht erst den Rahmen für Regulierungskooperation. Im Fall des Abkommens über Bioprodukte wurde beispielsweise zur Anerkennung von US-amerikanischen Bioprodukten im europäischen Markt die Durchführungsverordnung Nr. 834/2007 von der EU-Kommission ergänzt und die USA in die Liste anerkannter Drittländer aufgenommen. Ist eine Anpassung eines delegierten Rechtsakts notwendig, kann die Kommission diese nur im Rahmen des ihm zugrundliegenden Gesetzes für nicht wesentliche Vorschriften vornehmen. Parlament und Rat können Vorschläge für delegierte Rechtsakte innerhalb einer bestimmten Frist ablehnen. Im Parlament bedarf es hierzu einer absoluten Mehrheit, im Rat einer qualifizierten Mehrheit. Bei Durchführungsrechtsakten kontrollieren die Mitgliedstaaten die Kommission in der Wahrnehmung ihrer Durchführungsbefugnisse, indem sie in Ausschüssen Stellungnahmen zum Kommissionsentwurf abgeben. Gibt es keine rechtliche Grundlage, müsste diese zunächst geschaffen werden. Dafür gilt der übliche Gesetzgebungsprozess in der EU: Die Kommission schlägt vor; das Europäische Parlament und der Ministerrat entscheiden. Dabei gelten die gängigen Pflichten von Konsultationen und Folgeabschätzungen. Europäische Kommission, EU-US-Handelsabkommen: Hier sind die Fakten, 18.2.2014, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/ december/tradoc_152030.pdf>. 146 Bundeskanzleramt, Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der U.S. Chamber of Commerce am 2. Mai 2014, <http://www.bundeskanzlerin. de/Content/DE/Rede/2014/05/2014-05-02-merkel-usa-handelskammer. html> (eingesehen am 22.5.2014). 147 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, U.S.-Handelsbeauftragter Michael Froman zum Dialog über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), 5. Mai 2014, <http://www.bmwi.de/ DE/Presse/reden,did=637368.html> (eingesehen am 22.5.2014). 145 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 67 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Zudem muss das New Legislative Framework über einheitliche Grundlagen für die Produktvermarktung und die Produktüberwachung in der EU (Verordnung (EG) Nr. 765/2008, Beschluss 768/2008/EG, Verordnung (EG) Nr. 764/2008) berücksichtigt werden. Dieses bildet einen allgemeinen umspannenden Rahmen für Rechtsvorschriften zur Harmonisierung des Binnenmarkts. Es enthält überdies klare Definitionen für bestimmte grundlegende Begriffe, darunter gemeinsame Grundsätze und Musterbestimmungen für die Anwendung in allen sektoralen Rechtsakten (z.B. der Maschinenrichtlinie, Medizinprodukterichtlinie). Auch werden allgemeine Verpflichtungen für die Wirtschaftsakteure wie Hersteller, Importeure und Händler beschrieben sowie die Vorschriften für die CE-Kennzeichnung festgelegt. Jede Regulierungskooperation muss diesen Regeln Rechnung tragen. internationalen Handels dienen dürfen.“148 Auch wenn die Präambel nicht rechtsverbindlich ist, schafft sie doch wichtige Leitlinien für das Abkommen. Schließlich können Übereinkommen zu Regulierungskooperation nicht grundsätzliche Regulierungsprinzipien in der EU außer Kraft setzen. Das in Art. 191 AEUV festgeschriebene Vorsorgeprinzip kann als EU-Primärrecht nicht durch einen völkerrechtlichen Vertrag außer Kraft gesetzt werden und muss in jedem Fall eingehalten werden. Auch in den USA kann Regulierungskooperation Gesetzgebungsprozesse nicht aushebeln. Zudem müssen bei der regulatorischen Zusammenarbeit mit einem internationalen Partner die im Administrative Procedure Act und in der Executive Order 12866 festgelegten Prozesse Anwendung finden. Wahrung der Regulierungshoheit des Staates Der Staat muss in der Lage sein, im öffentlichen Interesse, unter anderem zum Schutz der Umwelt und des Klimas, zum Schutz des Verbrauchers und der Gesundheit oder auch zum Schutz der kulturellen Vielfalt sowie öffentlicher Sicherheit und Ordnung, gesetzgeberisch und regulierend tätig zu werden. Neuere Freihandelsabkommen der EU halten dies explizit fest, darunter beispielsweise das FTA mit Südkorea. In der Präambel des Abkommens heißt es bezüglich des folgenden Vertragstextes: „In Anerkennung des Rechts der Vertragsparteien, Maßnahmen zur Erreichung legitimer öffentlicher Ziele auf dem ihnen notwendig erscheinenden Schutzniveau zu ergreifen, wobei derartige Maßnahmen im Sinne dieses Abkommens nicht der ungerechtfertigten Diskriminierung oder verdeckten Beschränkung des Auszug aus der Präambel von CETA „Die Parteien beschließen (…) Anerkennend, dass die Bestimmungen dieses Abkommens ihr Recht auf Regulierung in ihrem Hoheitsgebiet bewahren, und beschließend ihre Flexibilität zu erhalten, um legitime politische Ziele wie öffentliche Gesundheit, Sicherheit, Umwelt, öffentliche Moral und die Förderung und den Schutz der kulturellen Vielfalt zu erreichen; Bekräftigung ihrer Verpflichtungen als Vertragsparteien des UNESCO Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen und in Anerkennung, dass Staaten das Recht haben, ihre Kulturpolitik zu erhalten, zu entwickeln und umzusetzen, und ihre Kulturwirtschaft zu unterstützen, um die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu stärken, und ihre kulturellen Identität zu erhalten, unter anderem durch den Einsatz von Regulierungsmaßnahmen und finanzielle Unterstützung.“ Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), 26.9.2014, <http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/ Freihandelsabkommen/ceta.html> (Übersetzung durch die Autoren). Zudem erlauben die FTAs der EU (wie auch das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen, engl.: Agreement on Tariffs and Trade, GATT, der WTO) Ausnahmen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter. Das Abkommen zwischen der EU und Südkorea bezieht sich beispielsweise in Abschnitt D, Besondere Ausnahmen in Bezug auf Waren, Artikel 2.15, explizit auf GATT-Artikel XX. Demnach sind nationale Bestimmungen etwa zum Schutz der öffentlichen Moral, des Lebens und der Gesundheit von Tieren, Menschen und Pflanzen, des Kulturguts oder natürlicher Ressourcen zulässig, soweit sie nicht diskriminieren oder verschleierte „Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits“, in: Amtsblatt der Europäischen Union, 54. Jahrgang, 14.5.2011, <http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/ PDF/?uri=OJ:L:2011:127:FULL&from=EN> (eingesehen am 5.2.2015). 148 68 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Handelshemmnisse darstellen. Dabei ist auch die Auslegung von Artikel XX von erheblicher Bedeutung. Hier zeigt sich beispielsweise, dass Umwelt- und Tierschutz unter dem multilateralen Handelsrecht eine deutliche Stärkung erfahren haben. Auch Übereinkommen zur gegenseitigen Anerkennung schränken das Recht von Staaten nicht ein, regulierend tätig zu werden. Durch MRAs über Konformitätsbewertungsstellen werden lediglich Bewertungsstellen des Partnerlandes anerkannt. Diese können somit den Nachweis für das Partnerland führen, ob ein Produkt oder ein Prozess die Voraussetzungen im jeweils anderen Land erfüllt. Die jeweiligen Rechtsvorschriften selbst, die der Prüfung zugrunde liegen, werden hingegen nicht gegenseitig anerkannt und können somit geändert werden, ohne in Konflikt mit dem Abkommen zu geraten. Sollte festgestellt werden, dass Konformitätsbewertungsstellen nicht gleichwertige Arbeit leisten, kann das MRA ausgesetzt werden. In Übereinkommen über die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Produktions- und Produktstandards (Äquivalenzabkommen) erkennen die Partnerländer an, dass ihre Regulierungen die gleichen Ziele verfolgen und diese gleichermaßen erreichen, auch wenn die Regulierungen selbst voneinander abweichen. Durch die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Produktstandards kann ein Produkt somit ohne weitere Prüfschritte im jeweils anderen Markt zugelassen werden. Das Bestimmungsland kann jedoch die Vermarktung Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel eines Produkts in dessen derzeitiger Form verweigern, wenn es nachweisen kann, dass dies zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit oder der Umwelt notwendig ist. Es gilt zudem der regulatorische Vorbehalt: Entschließt sich eine Regierung, ein Produkt strenger im öffentlichen Interesse zu regulieren – beispielsweise aufgrund von Gesundheitsbedenken – so ist dies trotz Äquivalenzabkommen möglich. Das Übereinkommen müsste für die betreffenden Regulierungen dann nachverhandelt oder ausgesetzt werden. Der CETA-Vertragstext hält zudem ausdrücklich fest, dass die Vertragsparteien auch nach Abschluss des Handelsabkommens voneinander abweichende Regulierungen ergreifen können. Der entsprechende Artikel zur Kompatibilität der Regulierungen (Regulatory Cooperation Article X.5: Compatibility of Regulations) besagt diesbezüglich: „Im Hinblick auf die Verbesserung der Konvergenz und Kompatibilität zwischen Regulierungsmaßnahmen der Vertragsparteien solle jede Vertragspartei, wenn angemessen, die Regulierungsmaßnahmen oder -initiativen der anderen Vertragspartei bei gleichen oder verwandten Themen berücksichtigen. Diese Berücksichtigung hindert keine der Vertragsparteien daran, abweichende Maßnahmen anzunehmen oder unterschiedliche Ansätze zu verfolgen aus Gründen wie verschiedener institutioneller und rechtlicher Ansätze oder Rahmenbedingungen, Umstände, Werte oder Prioritäten, die für die Vertragspartei von Bedeutung sind.“149 Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), 26.9.2014, <http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/ Freihandelsabkommen/ceta.html> (Übersetzung durch die Autoren). 149 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 69 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 70 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel VII. Empfehlungen: Roadmap für eine bessere regulatorische Zusammenarbeit „ Es gibt nicht nur die ‚eine‘ richtige Art und Weise, wie man bei der Regulierung vorgehen sollte, und es gibt keine allgemeingültige Einheitslösung. Aber die Grundsätze der Transparenz, Partizipation und Rechenschaftspflicht sind schließlich nicht rein amerikanische Prinzipien. Sie bilden die Grundlage des Regulierungsprozesses in vielen europäischen Ländern, sie sind bereits auf der regulatorischen Reformagenda der EU, und sie genießen breiten öffentlichen Zuspruch. 150 US-Handelsbeauftragter Michael Froman „ Um Unternehmen, Verbraucher und öffentliche Hand zu entlasten, sollten in TTIP nicht-tarifäre Handelsbarrieren abgebaut und eine bessere regulatorische Zusammenarbeit vereinbart werden. Zugleich muss sichergestellt sein, dass Regulierungen weiterhin am Gemeinwohlinteresse ausgerichtet werden. Dazu sollten die folgenden zehn Prinzipien und Mechanismen zentrale Bestandteile eines Abkommens sein: 1. Handelsbarrieren sollten durch den Austausch von Informationen und Daten sowie – sofern möglich – durch die Angleichung oder die gegenseitige Anerkennung von Regulierungen, Standards, Konformitätsbewertungen und Prüfergebnissen abgebaut werden. Eine stärkere regulatorische Zusammenarbeit lohnt sich in allen Industriebranchen. Sie sollte daher breit angelegt sein. Gleichwohl gibt es in der regulatorischen Zusammenarbeit keine one size fits all-Lösungen. Daher müssen die Verhandlungen sektorspezifischen Unterschieden Rechnung tragen: Während in der Automobilindustrie eine gegenseitige Anerkennung von Produktstandards und Zulassungsverfahren denkbar ist, sind die Regulierungen und Normen im Maschinenbau, in der Chemieindustrie und in der Elektronikindustrie derzeit noch zu unterschiedlich, um eine gegenseitige Anerkennung zu ermöglichen. Hier geht es zunächst darum, die Kompatibilität der unterschiedlichen Systeme zu verbessern. Daher sollte branchenspezifisch entschieden werden, welcher Ansatz sinnvoll ist und welche Akteure eingebunden werden müssen. 2. Technische Normen sollten auf der Basis internationaler Normen wie denen wie denen der ISO, IEC oder UN ECE gemeinsam erarbeitet und angeglichen werden. Sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch die USA arbeiten in den Gremien der internationalen Normungsorganisationen ISO und IEC sowie in der UN ECE mit. Eine einheitliche Umsetzung der auf internationaler Ebene vereinbarten Normen durch die nationalen Normungsinstitutionen würde den transatlantischen und internationalen Handel erheblich erleichtern. Idealerweise sollten auch Konformitätsbewertungen auf der Basis internationaler Normen erfolgen. Davon würden auch Drittländer profitieren. Positionspapier 71 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 3. EU und USA müssen bei der Regulierungstätigkeit die Grundsätze der Guten Regulierungstätigkeit (good regulatory practice) anwenden, also Transparenz, Rechenschaft und Partizipation im gesamten Prozess gewährleisten. 150 Nur auf der Basis eines offenen und transparenten Regulierungsprozesses können andere Regierungen sowie Interessengruppen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft Regulierungsentwürfe sinnvoll kommentieren. Die EU-Kommission sollte daher prüfen, inwieweit sie bei der Erarbeitung delegierter Rechtsakte mehr Transparenz und Partizipation, etwa durch offizielle Anhörungen und Konsultationen, zulassen kann 4. In TTIP muss sichergestellt werden, dass das Abkommen nicht zu einer Senkung von Sicherheits-, Gesundheits-, Umwelt- Verbraucheroder Datenschutzstandards führt. Voraussetzung für eine Angleichung oder gegenseitige Anerkennung von Prozessen, Regeln oder auch Produkten ist ein vergleichbares Niveau an Produktsicherheit, Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltschutz sowie Datenschutz und Datensicherheit. Dieses muss unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften der Vertragsparteien auf der Basis intensiver Prüfungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen werden. Der Erfolg der deutschen Industrie im In- und Ausland beruht auf qualitativ hochwertigen und sicheren Produkten made in Germany. Eine Absenkung von Standards würde daher deutschen Unternehmen wie auch den Verbrauchern schaden. In TTIP sollten daher eine Methodologie entwickelt werden, nach welchen Kriterien die Äquivalenz von Regulierungen und Standards als Grundlage für die regulatorische Zusammenarbeit festgestellt werden kann. Diese Kriterien müssen veröffentlicht und transparent gemacht werden. Zudem sollten Verfahren klar beschrieben und die involvierten Akteure identifiziert werden. 5. Eine gegenseitige Anerkennung von Regulierungen, Normen oder auch Konformitätsbewertungen darf nicht zu Rechtsunsicherheit und zusätzlichen Haftungsrisiken für Unternehmen führen. Wenn eine gegenseitige Anerkennung einer Regulierung aufgrund ihrer Gleichwertigkeit möglich ist, muss gewährleistet sein, dass sich daraus keine zusätzlichen Risiken mit Blick auf eine Produkt- oder Produzentenhaftung im US-amerikanischen Markt ergeben. Im Schadensfall müssen die europäischen Produkte und Dienstleistungen wie US-amerikanische Produkte und Dienstleistungen behandelt werden. 150 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), U.S.-Handelsbeauftragter Michael Froman zum Dialog über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), 5.5.2014, <http://www.bmwi.de/DE/Presse/reden,did=637368.html> (eingesehen am 1.8.2014). „ Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Bei TTIP geht es für den BDI nicht darum, die hohen Umweltschutz-, Arbeits- und Sozialstandards in Europa zu senken. Gegenseitige Anerkennung von Standards ist nur da möglich, wo sie dasselbe Schutzniveau garantieren. Dann könnten allerdings erhebliche Kosten eingespart werden. „ BDI-Präsident Ulrich Grillo 72 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel 6. Neben sektorspezifischen Vereinbarungen muss TTIP zudem Mechanismen für die zukünftige regulatorische Zusammenarbeit schaffen. Eine engere regulatorische Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA – der Austausch von Informationen über Regulierungsvorhaben sowie Folgeabschätzungen von Regulierungen – kann verhindern, dass zukünftig neue nicht-tarifäre Handelshemmnisse im transatlantischen Markt entstehen. TTIP muss die Verpflichtung zur Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden verbindlich festlegen. Diese Verpflichtung beinhaltet allerdings nicht automatisch eine Verpflichtung auf ein bestimmtes Ergebnis. TTIP sollte entsprechend neue Kooperationsmechanismen etablieren. Dies ist gerade in den Branchen wichtig, in denen die regulatorischen Rahmenbedingungen heute noch so weit auseinander liegen, dass eine gegenseitige Anerkennung nicht möglich ist. Aber auch in den Sektoren, in denen gegenseitige Anerkennung schon jetzt möglich ist, ist die künftige regulatorische Zusammenarbeit wichtig, da sich nationale Regulierungen immer weiter entwickeln. Ziel muss ein effektiv vergleichbarer Marktzugang sein. Dafür sollten alle hoheitlichen Ebenen einbezogen werden. Andernfalls würden durch die unabhängige Regelsetzung auf einzelstaatlicher und lokaler Ebene Markthindernisse faktisch bestehen bleiben. Dazu gehört, dass der Dialog zwischen den Regulierungsbehörden intensiviert wird (regulator-to-regulator dialogue). Da Regulierungen und Regulierungsprozesse je nach Branche voneinander abweichen, sollten die Dialoge branchenspezifisch geführt werden. Die Dialoge zwischen den Regulierungsbehörden sollten regelmäßig stattfinden. Dabei sollten die Regulierungsbehörden Vereinbarungen zum Austausch von Daten und vertraulichen Unternehmensinformationen treffen. Zudem sollten sie sich auf Arbeitsprogramme mit klaren Prioritäten und Fristen verständigen. Bei der Entwicklung von neuen Regulierungen sollte eine Folgenabschätzung mit Blick auf die Auswirkungen auf den transatlantischen Handel durchgeführt werden. Die Regulierungsbehörden sollten frühzeitig die Möglichkeit bekommen, Regulierungsentwürfe und Folgenabschätzungen der anderen Seite kommentieren zu können. Zudem sollten die transatlantischen Partner die Möglichkeit haben, Folgenabschätzungen selbst zu initiieren, wenn der transatlantische Handel von einer Regulierung der jeweils anderen Seite betroffen ist. 7. Ein aufgewerteter und in TTIP eingebetteter Transatlantic Economic Council, der die Rolle eines Regulatory Forum/Body übernimmt, kann eine zentrale Stellung in der transatlantischen Regulierungskooperation einnehmen. Der TEC könnte ein wichtiges Gremium sein, um die regulatorische Zusammenarbeit zu stärken. Voraussetzung für einen erfolgreichen TEC ist es, dass sich die Regulierungsbehörden auf beiden Seiten zu einer engen Zusammenarbeit verpflichten. Denn nur sie können etwa die Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 73 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Äquivalenz von Standards verbindlich feststellen. Der TEC sollte daher umstrukturiert werden und aus Vertretern der relevanten US-amerikanischen und europäischen Regierungsinstitutionen bestehen (z.B. OIRA und Generalsekretariat der EU-Kommission). Die bestehenden und neuen Dialogformate sollten in die Arbeit des TEC integriert werden. Der TEC kann zudem durch branchenspezifische Arbeitsgruppen unterstützt werden. Darüber hinaus sollte er regelmäßig Vertreter der Wirtschaft, von Verbraucherschutz- und Umweltverbänden, Gewerkschaften sowie andere Vertreter der Zivilgesellschaft wie der Wissenschaft konsultieren. Zu diesem Zweck könnte ein Beirat eingerichtet werden. Der TEC darf auch in Zukunft keine Entscheidungskompetenz haben, sondern sollte eine Koordinierungs- und Vermittlungsfunktion einnehmen. Die letztlichen Entscheidungen über Regulierungen müssen nach wie vor entsprechend europäischem, nationalem beziehungsweise US-amerikanischem Recht getroffen werden. Welche Aufgaben sollte der TEC erfüllen? -- Der TEC sollte regelmäßig überprüfen, ob die in TTIP vereinbarten Verpflichtungen eingehalten und umgesetzt werden. -- Er sollte gemeinsam mit den Regulierungsbehörden einen Fahrplan für die regulatorische Zusammenarbeit und branchenspezifische Arbeitsprogramme erstellen. -- Der TEC sollte zudem Informationen über Initiativen im Regulierungsprozess zur Verfügung stellen. -- Er sollte Partnerinstitutionen für einen regulator-to-regulator-Dialog identifizieren und diesen Dialog moderieren. -- Der TEC sollte Standardisierungs- und Normungsorganisationen in die regulatorische Zusammenarbeit integrieren. -- Der TEC sollte die Möglichkeit haben, Folgenabschätzungen (impact assessments) in Auftrag zu geben, die die Auswirkungen von geplanten Regulierungen auf den transatlantischen Handel sowie die Folgen für Verbraucher- und Umweltschutz untersuchen. -- Der TEC sollte regelmäßig Stakeholder-Dialoge durchführen und fachlichen Input von Experten aus Wirtschaft und Industrie, Verbraucherund Umweltverbänden, Gewerkschaften und weiteren interessieren Organisationen berücksichtigen. -- Schließlich sollte er Beratung in rechtlichen und technischen Fragen leisten. 74 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel „ 8. TTIP darf die regulatorische Autonomie nicht unterminieren. Die Debatten zur Liberalisierung des Handels werden sich in Zukunft im Wesentlichen um Normen, Standards und Regulierungen drehen, nicht mehr um Zölle. Um die Handelsfragen der Zukunft mitzugestalten und europäische Interessen zu wahren, muss die EU aktiv an der Erarbeitung globaler Standards mitwirken. Dafür bietet TTIP gute Chancen. 151 „ Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Entscheidend ist, dass die regulatorische Autonomie der EU und der USA gewahrt wird: Eine Regulierungskooperation kann weder die USA noch die EU und ihre Mitgliedstaaten zu bestimmten Ergebnissen verpflichten (obligation to cooperate, no obligation to results). Die Prinzipien der regulatorischen Arbeit, die Autonomie der Regulierer und deren demokratische Kontrolle dürfen durch ein Handelsabkommen nicht in Frage gestellt oder umgangen werden. Ein living agreement ist daher nicht die Fortsetzung von Verhandlungen außerhalb der demokratischen oder öffentlichen Kontrolle, sondern die Institutionalisierung einer engen Zusammenarbeit zur Umsetzung der im Abkommen beschlossenen Vereinbarungen. 9. Diskriminierung von Drittländern vermeiden. Die USA sind ein wichtiger Handelspartner für Deutschland – der wichtigste außerhalb der EU. Gerade für die deutsche Industrie, die wie keine andere weltweit in globale Wertschöpfungsketten eingebunden ist, darf TTIP jedoch keine neuen Handelsbarrieren gegenüber Drittländern aufbauen. TTIP darf keine Festung werden. Vielmehr sollte Regulierungskooperation so ausgestaltet sein, dass auch Drittländer davon profitieren. Viele Produzenten aus Entwicklungsländern müssen sich aus Kostengründen zurzeit aufgrund der unterschiedlichen Standards und Normen in den USA und der EU für einen Absatzmarkt entscheiden. Kommt es unter TTIP zu einer Harmonisierung von Standards oder werden international anerkannte Normen stärker von der EU und den USA angewandt, profitieren davon auch Produzenten aus Drittländern. Die Verhandlungspartner sollten zudem prüfen, wo eine Kooperation mit Drittländern sinnvoll und möglich ist. Dazu gehört, das Verhältnis von TTIP zu bereits bestehenden regulatorischen Übereinkommen mit Drittländern zu prüfen. 151 Planen die EU oder die USA ein MRA mit einem Drittland, sollte zudem geprüft werden, ob das MRA auf den TTIP-Partner ausgedehnt werden kann. Die Entwicklung gemeinsamer Regeln und Normen sollte dazu genutzt werden, auch im multilateralen Rahmen und gegenüber Drittländern für diese hohen Standards zu werben. Ein Ziel der regulatorischen Zusammenarbeit ist es, zu gemeinsamen Ansätzen bei der Entwicklung internationaler technischer Normen und Regulierungen zu kommen. Diese Ansätze sollten dann die Grundlage für Gespräche im multilateralem Rahmen (etwa bei der WTO) oder in bilateralen Verhandlungen sein. Dies könnte einen Beitrag dazu leisten, auch weltweit ein hohes Niveau an Produktsicherheit, Verbraucherschutz und Umweltschutz zu etablieren. BMWi, Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA. Fakten und Informationen, häufig gestellte Fragen und Antworten, Januar 2015, S. 22, <http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/transatlantische-handels-undinvestitionspartnerschaft-ttip,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf>. 151 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 75 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Abkürzungsverzeichnis AAPC American Automotive Policy Council ACEA European Automobile Manufacturers’ Association AEO Authorised Economic Operator AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AHJ authority having jurisdiction AMG Arzneimittelgesetz ANSI American National Standards Institute APHIS Animal and Plant Health Inspection Service AQSIQ General Administration of Quality Supervision, Inspection and Quarantine ASTM American Society for Testing and Materials BEREC Body of European Regulators of Electronic Communications BEUC Bureau Européen des Unions de Consommateurs BfArM Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BMG Bundesministeriums für Gesundheit BOB Bilateral Oversight Board BVE Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie CAB Conformity Assessment Bodies CBP U.S. Customs and Border Protection CCS Combined Charging System CDRH Center for Devices and Radiological Health CE-Kennzeichnung conformité européenne CEN European Committee for Standardization CENELEC European Committee for Electrotechnical Standardization CETA Comprehensive Economic and Trade Agreement ChemVerbotsV Chemikalienverbotsverordnung CPSC Consumer Product Safety Commission CPSIA Consumer Product Safety Improvement Act CRS Congressional Research Service C-TPAT Customs-Trade Partnership Against Terrorism DAkkS Deutsche Akkreditierungsstelle DEKRA Deutscher Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein DG SANCO Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher DHS Department of Homeland Security DIN Deutsches Institut für Normung EASA European Aviation Safety Agency ECHA European Chemicals Agency EFSA European Food Safety Authority EFTA European Free Trade Association 76 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel EMA European Medicines Agency EMV elektromagnetische Verträglichkeit EN Europäische Norm EORI Economic Operators´ Registration and Identification number EPA Environmental Protection Agency ETSI European Telecommunications Standards Institute EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft FAA Federal Aviation Administration FCC Federal Communications Commission FDA Food and Drug Administration FHSA Federal Hazardous Substances Act FMVSS Federal Motor Vehicle Safety Standards FSIS Food Safety and Inspection Service FSMA Food Safety Modernization Act FSVP Foreign Supplier Verification Program FTC Federal Trade Commission GATT General Agreement on Tariffs and Trade GCC General Certificate of Conformity GCP Good Clinical Practice GHS Globally Harmonized System GINETEX International Association for Textile Care Labelling GMP Good Manufacturing Practice GRCT Guidelines on Regulatory Cooperation and Transparency GTR Globale Technische Regelungen GVO Gentechnisch veränderte Organismen HHS Department of Health and Human Services HLWG High Level Working Group on Jobs and Growth IAF International Accreditation Forum ICH International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use IEC International Electrotechnical Commission IEEE Institute of Electrical and Electronics Engineers IFOAM International Federation of Organic Agriculture Movements IFRS International Financial Reporting Standards IKT Informations- und Kommunikationstechnologie ILAC International Laboratory Accreditation Cooperation IMDRF International Medical Device Regulators Forum ISDS Investor-State Dispute Settlement Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 77 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel ISO International Organization for Standardization ITC Inland Transport Committee MRA Mutual Recognition Agreement NAFTA North American Free Trade Agreement NANDO New Approach Notified and Designated Organisations NEC National Electrical Code NHTSA National Highway Traffic Safety Administration NIST National Institute of Standards and Technology NRTL Nationally Recognized Testing Laboratories NTA Neue Transatlantische Agenda NTB Non-tariff barrier to trade NTM New Transatlantic Marketplace OECD Organisation for Economic Co-operation and Development OFPA Organic Foods Production Act OIE World Organisation for Animal Health OIRA Office of Information and Regulatory Affairs OSHA Occupational Safety and Health Administration OTT Over the top PEA Positive Economic Agenda PMAPremarket approval ProdSG Produktsicherheitsgesetz QMS Qualitätsmanagementsystem RCC Regulatory Cooperation Council REACH Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals RPS Regulatory Product Submission SDO Standard Development Organization (PLURAL) SDoC Self-Declaration of Conformity SPS Agreement Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures SPS Sanitary and Phytosanitary Measures TABD Trans-Atlantic Business Dialogue TACD Transatlantic Consumer Dialogue TAED Transatlantic Environment Dialogue TALD Transatlantic Labor Dialogue TBT Agreement Agreement on Technical Barriers to Trade TEC Transatlantic Economic Council TEP Transatlantic Economic Partnership TKTelekommunikation TLD Transatlantic Legislators’ Dialogue 78 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel TSA Transportation Security Administration TSCA Toxic Substances Control Act TTIP Transatlantic Trade and Investment Partnership TÜV Technischer Überwachungsverein UDI Unique Device Identification UL Underwriters Laboratories UMTRI University of Michigan Transportation Research Institute UN ECE United Nations Economic Commission for Europe UN WP United Nations Working Party UNCTAD United Nations Conference on Trade and Development USDA U.S. Department of Agriculture US GAAP U.S. Generally Accepted Accounting Principles USFWS U.S. Fish and Wildlife Service VCI Verband der Chemischen Industrie VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau vfa Verband Forschender Arzneimittelhersteller WCO World Customs Organization WTO World Trade Organization Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Außenwirtschaftspolitik Positionspapier 79 Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel Weiterführende Quellen Besuchen Sie uns auf: Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), BDI Webpage, <http://www.bdi.eu/TTIP.htm>. Facebook: Pro TTIP – Deutsche Industrie für transatlantischen Freihandel, <https://de-de.fa- cebook.com/industrieprottip>. Twitter: Industrie pro TTIP, <https://twitter.com/bdi_ttip>. Positionspapiere unserer Partner American Chamber of Commerce, Regulatory Component in the TTIP – Key to Success, 2014, <http://www.amcham.de/fileadmin/user_upload/Policy/TTIP_Info_Desk/TTIP_News/Business_Alliance_-_ Regulatory_Component_in_the_TTIP_-_September_30_2014.pdf>. BUSINESSEUROPE, Advancing Regulatory Cooperation in the Transatlantic Trade and Investment Partnership, 2013, <http://www.businesseurope.eu/content/default.asp?PageID=568&DocID=32393>. 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(BDI) Breite Straße 29 10178 Berlin T: +49 30 2028-0 www.bdi.eu Redaktion Dr. Stormy-Annika Mildner, Abteilungsleiterin Abteilung Außenwirtschaftspolitik Fabian Wendenburg, Referent Abteilung Außenwirtschaftspolitik Julia Howald, Referentin Abteilung Außenwirtschaftspolitik Konzeption & Umsetzung Sarah Pöhlmann Abteilung Marketing, Online und Veranstaltungen Druck Das Druckteam Berlin www.druckteam-berlin.de Bildnachweis Cover: © 75187249 / kamonrat / Fotolia.com Seite 20: © 77323536 / industrieblick / Fotolia.com Seite 40: © 64343779 / kamonrat / Fotolia.com Seite 56: © 82796060 / donvictori0 / Fotolia.com Seite 69: © 69267109 / ARTENS / Fotolia.com Verlag Industrie-Förderung GmbH, Berlin Layout Michel Arencibia www.man-design.net Stand Dezember 2015 BDI-Publikations-Nr.: 0035 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel
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