REPORTAGE Retter in der Not Sie sind zur Stelle, wenn sie gebraucht werden. Überall dort, wo Not am Mann ist – so schnell wie möglich. Das Salzburger Notfall-System macht’s möglich. Die Einsatzfahrzeuge: großteils VW Passat. W enn in der Notrufzentrale des Österreichischen Roten Kreuzes in Salzburg unter 144 ein Anruf eingeht, dann heißt es schnell handeln. Innerhalb kürzester Zeit ist das Notarzt-Team zum Ort des Geschehens unterwegs und wird auf der Fahrt mittels Funk und einer Display-Anzeige im Auto über Adresse und Sachverhalt der Situation informiert. Es darf keine Zeit verloren werden. Jede Minute, in der die Helfer früher am Ziel sind, zählt – und entscheidet über den Zustand des Patienten bzw. des Unfallopfers. „Das Notfall-System für das Bundesland Salzburg ist ein Bestandteil des Rettungssystems des Roten Kreuzes und wurde Anfang der 80er-Jahre mit dem Vorsatz gegründet, so schnell wie möglich mit dem Notarzt vor Ort beim Patienten zu sein und nicht umgekehrt den Patienten so schnell wie möglich ins Spital zu bringen. Das ist in vielen Fällen ein lebenswichtiger Unterschied“, erklärt Bernd Petertill, Dienststellenleiter des Salzburger Roten Kreuzes und Abteilungsleiter des Notfall-Systems, das als eines der ersten in Österreich entstand und flächendeckend arbeitet. Die Salzburger Landeskrankenanstalten sind die zweiten im Bunde, vertreten durch Primar Dr. Franz Chmelizek, der seit ’83 Bernd Petertill. 22 auto 4/02 Prim. Franz Chmelizek. REPORTAGE Dr. Thomas Michalski ist mit Leib und Seele Notarzt und nimmt die nervliche wie körperliche Belastung eines anstrengenden Dienstes gerne in Kauf, um Menschen zu helfen. Leiter des Notfall-Systems von medizinischer Seite ist. Er leitet auch das spezifische Ausbildungsprogramm der Ärzte, das mit dem Notarzt-Diplom abgeschlossen wird. „Voraussetzung um Notarzt zu werden, ist zum einen eine fertige Facharzt-Ausbildung. Zum anderen eine dementsprechende Konstitution, da dieser Beruf nichts für schwache Nerven ist. Wer ständig mit Notfällen zu tun hat, muss belastbar sein. Gefordert sind schnelle Entscheidungen im richtigen Moment auch unter extremen Bedingungen.“ Spricht Dr. Chmelizek aus Erfahrung, war er doch z.B. ärztlicher Einsatzleiter als sich das Seilbahnunglück in Kaprun ereignete. Im Einsatz Notärzte sind auch nur Menschen, weshalb neben der fachlichen Ausbildung auch die psychologische Betreuung eine Rolle spielt. Psychologen helfen nicht nur Betroffenen und Angehörigen von Unglücksfällen das Geschehene zu verarbeiten, sondern auch den Einsatzhelfern, also Ärzten und Sanitätern. In der Gruppe oder in Einzelgesprächen wird versucht, dramatische Ereignisse soweit in den Griff zu bekommen, dass traumatische Folgen ausbleiben. „Bei tragischen Fällen ist es nur natürlich, wenn Gefühle hochkommen. Tränen gehören dazu“, meint Primar Chmelizek. „So spektakulär wie es oft in den Medien dargestellt wird, geht es Gott sei Dank nicht jeden Tag zu“, klärt uns Notarzt Dr. Thomas Michalski auf. „Am häufigsten haben wir es mit akuten internen Erkrankungen zu tun, wie wir es im medizinischen Jargon nennen – mit Herzproblemen älterer Menschen hauptsächlich. Weniger mit Verkehrsunfällen. Vor allem am Montag werden wir vermehrt zu Herzinfarkten gerufen, bei Wetterumschwüngen häufen sich die Kreislaufbeschwerden. Verkehrsunfälle ereignen sich verstärkt zu den Stoßzeiten, in der Nacht oder am Wochenende. Bei schönem Wetter sind es die Freizeitunfälle, die uns in Atem halten.“ Seit Anfang des Jahres ist der gebürtige Berliner Notarzt in Salzburg. Sein Beruf ist ihm Berufung: Den ersten Einsatz absol- Zur bestmöglichen Versorgung: Im Notarztwagen ist das notwendige medizinische Equipment verstaut wie EKG, Beatmungsgerät oder Notfallkoffer für die verschiedenen Einsatzbereiche. vierte er 1993 in Deutschland – seitdem ist er Notarzt und möchte es auch bleiben. „Ich bin gerne draußen bei meinen Patienten. Es ist ein schönes Gefühl, Menschen in Notlagen rund um die Uhr helfen zu können.“ Da wird die Anstrengung eines 12-, 24- oder gar 36Stunden-Dienstes zur Nebensächlichkeit. Außerdem: Nach eineinhalb Tagen Einsatzbereitschaft gibt’s drei Tage Auszeit. Zur Erholung und um abzuschalten. Teamwork Ideal findet Dr. Michalski auch die Zusammenarbeit mit den Notfallsanitätern des Roten Kreuzes. „Wir können uns aufeinander verlassen, sind ein tolles, eingespieltes Team.“ Das Salzburger Landeskrankenhaus stellt die Notärzte bereit, das Österreichische Rote Kreuz u.a. die Notfallsanitäter, das Equipment sowie die Einsatzfahrzeuge, zu denen auch eine Flotte an VW Passat zählt. Vor Jahren mit dem Passat G60 begonnen, ist es mittlerweile die neueste Dr. Michalski zeigt uns die Ausrüstung. Passat-Generation mit V6-TDI-Motor und 4MOTION-Allradantrieb, mit der das Notfallteam unterwegs ist. „Der Allrad ist besonders wichtig. Wir können es uns nicht leisten, wertvolle Zeit zu verlieren, um z.B. Schneeketten anzulegen.“ Innen sind die Fahrzeuge den medizinischen Anforderungen entsprechend umgerüstet. Unter anderem immer mit dabei: EKG, Beatmungsgerät, Herzschrittmacher und verschiedene Notfallkoffer, mit der b auto 4/02 23 • REPORTAGE Das Salzburger Notfallteam im Dienst: Notfallsanitäter und Fahrzeuglenker Manfred Breitfuß vom Roten Kreuz sowie Dr. Michalski, Facharzt für Innere Medizin und seit fast 10 Jahren Notarzt. Aufschrift „Intern“, „Trauma“ oder „Kinder“ zum Beispiel, in denen der Arzt für den jeweiligen Fall gleich alles griffbereit hat. Außerhalb der Stadt ermöglicht die Zusammenarbeit mit den jeweiligen örtlichen Krankenhäusern sowie mit niedergelassenen Ärzten eine flächendeckende Notfallversorgung der Bevölkerung. Sieben Notarzt-Stützpunkte sind im Bundesland Salzburg eingerichtet. Ebenso im Einsatz: Eine Hubschrauberflotte. Rund 6000 Einsätze im Bundesland Salzburg werden pro Jahr verzeichnet, jene mit Hubschrauber nicht mitgerechnet. In das Notfall-System ist auch der Rettungswagen miteingebunden, welcher die Patienten nach der Erstversorgung – entweder gemeinsam mit oder ohne Notarzt – in das nächstliegende Krankenhaus transportiert. 24 auto 4/02 Ob die Helfer nicht selbst oft gefährdet seien, fragen wir nach. Im Vergleich zur Einsatzzahl passiere zum Glück sehr wenig, meint Notfallsanitäter Manfred Breitfuß. „Wir fahren zwar sehr zügig, aber mit Vorsicht. Unvorstellbar wäre, bei Rot in eine Kreuzung einzufahren, ohne sich vorher zu vergewissern, dass einen die anderen Verkehrsteilnehmer bemerkt haben. Spezielle Fahrtrainings und Schulungen, bei denen zum Beispiel das Aussteigen aus einem am Dach liegenden Auto geübt wird, tragen zur maximalen Sicherheit des Notfall-Teams bei.“ der Betriebskosten für das Notfall-System deckt das Land Salzburg aus dem so genannten ‚Salzburger Krankenanstalten Zusammenarbeitsfond’. Rund 1 Million Euro müssen zur Zeit noch durch das Salzburger Rote Kreuz durch eigene Finanzierungsmittel aufgebracht werden – dazu zählen auch unterstützende Mitglieder.“ Für den guten Zweck des flächendeckenden Notfall-Systems unterstützen wir bestimmt gerne weiterhin das Österreichische Rote Kreuz. Denn die Hilfe, die jeder Einzelne geben kann, kommt in Summe vielen zugute. Finanzierung auch durch Spenden Wie sich dieses großangelegte, bestens organisierte Notfallsystem denn finanzieren lasse, wollen wir vom Salzburger NotfallChef des Österreichischen Roten Kreuzes, Bernd Petertill, wissen. „Personalkosten für die Notfall-Mediziner sowie einen Großteil Und wer sich vielleicht schon einmal über die spiegelverkehrte Aufschrift auf der Motorhaube des Notarztwagens gewundert hat, dem sei schnell erklärt: Im Rückspiegel des vorderen Autos betrachtet, liest sich das Wort, wie es sich gehört: NOTARZT. ✖
© Copyright 2024 ExpyDoc