RUB50: Zentraler Festakt im Audimax Samstag, 6. Juni 2015, 11 Uhr

RUB50: Zentraler Festakt im Audimax
Samstag, 6. Juni 2015, 11 Uhr
Rede von Prof. Dr. Elmar W. Weiler, Rektor der RUB
Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, sehr geehrte Frau
Ministerpräsidentin, sehr geehrte Landtagspräsidentin, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
geehrte Festversammlung!
Fünfzig Jahre Ruhr-Universität Bochum und von midlife crisis keine Spur: Vielmehr eine jung
gebliebene Universität, die rasch ihren Platz unter den weltweit führenden jungen Universitäten
gefunden hat, obwohl die Voraussetzungen dazu anfangs eher ungünstig schienen.
Mit dem Gründungsbeschluss des Landtags NRW am 18. Juli 1961 als erste Neugründung der
Bundesrepublik Deutschland auf den Weg gebracht, mit ihrem Standort Bochum im Zentrum des
Ruhrgebiets, der Region von Kohle und Stahl, dem industriellen Herzen Deutschlands inmitten
einer Arbeitergesellschaft, dafür aber vor den Toren der Stadt auf grüner Wiese errichtet, war
nämlich keineswegs ausgemacht, dass dieses neue Kind des Ruhrgebiets, die erste
Akademikerschmiede im Reigen von Stahlschmieden, sich so entwickeln würde, wie es dann
gekommen ist.
Der viel beschworene Pioniergeist der Gründergeneration, die wir liebevoll die
„Gummistiefelgeneration“ nennen, ist legendär. Eine Professorenschaft im durchschnittlichen
Alter von etwa 40 Jahren, alle mit wissenschaftlichen Erfahrungen im Ausland, überwiegend in
den USA, baut eine Universität der offenen Türen. Offen schon deshalb, weil die Büros oft noch
gar keine Türen hatten, schließlich war der RUB-Campus zu Zeiten der Eröffnung und in den
Jahren danach die größte Baustelle Europas, und die Erstberufenen der Jahre 1963 und 1964
fanden wahrlich Rahmenbedingungen vor, die sich bisweilen nur mit Gummistiefeln bewältigen
ließen.
Universität der offenen Türen aber auch deshalb, weil das Strukturkonzept der Ruhr-Universität
bewusst Abstand nahm von der elitären deutschen Heroen-Universität klassischen Zuschnitts mit
großen, mächtigen, hierarchischen Fakultäten. Stattdessen wurden 20 Fachabteilungen nach dem
Vorbild der amerikanischen Department-Universität aufgebaut, disziplinär geschnitten, wenig
hierarchisch, den Studierenden zugewandt, mit einer kooperativen Kollegenschaft.
Wir dürfen unser 50jähriges Bestehen in dem Bewusstsein begehen, den uns gegebenen
politischen Auftrag (nämlich „Entlastungsuniversität“ für die traditionellen Universitäten des
Landes angesichts seinerzeit bereits rasant steigender Zahlen Studierwilliger zu sein), nicht
einfach bloß erfüllt zu haben, das auch, sondern selbstbewusst weit darüber hinaus gegangen zu
sein.
Die universitas, die hier entstanden ist, wächst und gedeiht. Niemand kennt die exakte Zahl, aber
überschlägig geschätzt, dürften mehr als 130.000 Absolventen und Absolventinnen die RuhrUniversität seit ihrer Eröffnung am 30. Juni 1965 verlassen haben.
Unsere Alumni finden wir auf der ganzen Erde, sie tragen unsere Werte in die Welt, sie sind und
sie bleiben Teil unserer universitas studiorum und wir sind stolz auf sie alle.
Unsere Alumni sind der wahre Schatz, den wir haben heben dürfen. Die Bodenschätze an der
Ruhr sind allesamt gehoben, Kohle gibt es keine mehr. Die Schätze, die wir an der RuhrUniversität heben, werden aber nie versiegen: Es sind die Talente junger Menschen, zurzeit fast
43.000, von denen 3.400 keinen deutschen Pass besitzen und aus 130 Ländern der Erde zu uns
gekommen sind. Sie alle bereichern unsere Universität und machen sie zu dem, was sie ist:
menschlich – weltoffen – leistungsstark!
Daher bin ich besonders glücklich, dass Studierende die Moderation dieses Festakts übernommen
haben: ein ganz großes Dankeschön an unsere Studierenden!
Die Institution Universität, wie wir sie heute kennen, entstand im Hochmittelalter als
ökumenische, d. h. seinerzeit paneuropäische, „Bewegung von unten“ in den aufstrebenden
Stadtgesellschaften. Um die Ehre der ersten Universität konkurrieren, wie wir wissen, Bologna
und Paris. Die Universität Bologna wurde geboren aus einer universitas scholarium, einer
Korporation der Schüler, die sich ihre Lehrer wählten und sie besoldeten, ja, die sogar das
Studienprogramm festlegten. Die Pariser Universität entstand als universitas magistrorum.
Der ökumenische Charakter der Universität verlor sich im 15. Jhdt. zunehmend mit dem
wirtschaftlichen Niedergang der Städte, dem Heraufziehen der von Grenzbäumen abgeschotteten
Nationalstaaten und infolge der langen Kriege. Zunehmende staatliche Kontrolle machte aus dem
Campus der ‚Freien Künste‘ ein reguliertes Erziehungsinstrument; die Universitäten erlebten
einen Niedergang und erst die Aufklärung leitete auch für die Universitäten eine Renaissance ein.
Den ökumenischen – d. h. heute: globalen – Charakter der Wissenschaft wie der Institution
Universität bewahren wir Wissenschaftler in der auch heute nationalstaatlich straff ‚geordneten‘
Welt durch grenzüberschreitendes Miteinander, durch universale Wissenschaftssprachen und
nicht zuletzt auch durch feste Universitätspartnerschaften. So auch die Ruhr-Universität. Bereits
während der Aufbauphase wurden erste, zum Teil bis heute haltende, Partnerschaften
geschlossen: als allererste die bis heute produktive mit der Universität Kabul im Bereich der
Wirtschaftswissenschaften, danach zahlreiche weitere.
Mit der Ehrung„Pro Societate Multorum Annorum Colendis Studiis Aucta Atque Firmata“ (FÜR
LANGJÄHRIGE PARTNERSCHAFT, DURCH PFLEGE DER WISSENSCHAFT AUSGEBAUT
UND GEFESTIGT) zeichnen wir langjährige und zugleich sehr produktive Partneruniversitäten
aus: heute die Jagiellonen Universität Krakau für die seit 1979 bestehende Partnerschaft.
Zuvor haben bereits die University of Tokyo, die Université Francois Rabelais de Tour, die Tongji
University Shanghai und die Universität Wroclaw die Pro Societate-Ehrung empfangen.
Wir sind besonders glücklich über alle unsere Partner, und ich begrüße sehr herzlich die
Delegationen unserer Partneruniversitäten. Wir freuen uns sehr, dass sie uns die Ehre ihrer
Teilnahme erweisen.
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Ich wünsche mir, dass unsere Partnerschaften auch in Zukunft ein prägendes Element für uns als
Mitglied der Ökumene der Universität bleiben werden.
Dies geschieht nicht von selbst, benötigt vielmehr stets erneut engagierte Persönlichkeiten, denen
der Wert dieses Miteinanders ein besonderes Anliegen ist. Unseren zahlreichen
Partnerschaftsbeauftragten sei an dieser Stelle herzlich gedankt für ihren unverzichtbaren Einsatz.
Einerseits ist die Ruhr-Universität in kurzer Zeit zu einer anerkannten internationalen
Forschungsuniversität herangewachsen, andererseits ist sie zugleich heute Bochums größte
Arbeitgeberin und größter Ausbildungsbetrieb: ein Förderturm Zukunft für Stadt und Region.
Und sie ist glücklicherweise dabei längst nicht mehr auf sich allein gestellt, denn an der Ruhr
haben wir heute 20 Hochschulen mit über 200.000 Studierenden (in Bochum allein sind es 7
Hochschulen mit fast 55.000 Studierenden). Das ist einzigartig in Europa, vor allem, wenn man
bedenkt, dass das Ruhrgebiet kaum größer ist als etwa Greater London oder Pudong, ein Stadtteil
Shanghais.
Wir verfolgen seit etwa dem Jahr 2000 ein auf 25 Jahre angelegtes strategisches Konzept zur
Weiterentwicklung unserer Universität in allen Bereichen: Lehre – Forschung und Transfer–
Internationalität – Campus der Zukunft. Zu meinen positivsten Erfahrungen als Rektor gehört, zu
erleben, wie engagiert, ideenreich und kollegial dieser Prozess verläuft, auf wievielten Schultern
und in wievielten Köpfen er getragen wird.
„Einer allein kann kein Dach tragen“, sagt ein afrikanisches Sprichwort.
Dafür, dass wir dies und vieles mehr in 50 Jahren gemeinsam erreicht haben, möchte ich mich bei
allen Mitgliedern und Angehörigen unserer Universität, unseren Partnern, Förderern und
Wegbegleitern und besonders auch bei unseren Alumni ganz herzlich bedanken.
An dieser Stelle möchte ich auch besonders die Leistungen unserer Studierenden, ob im Studium,
ob in der Selbstverwaltung oder in ihrem vielfältigen ehrenamtlichen Engagement, ausdrücklich
würdigen.
Und schließlich lebt unsere Universität nicht zuletzt vom tagtäglichen Einsatz aller ihrer
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Unsere universitas, verstanden als Gemeinschaft der mit- und voneinander Lernenden, ist sehr
lebendig, eben „menschlich – weltoffen – leistungsstark“, wie unser Motto lautet. Das ist und
bleibt das tragende Fundament für die Gestaltung unserer Zukunft.
Bauen wir daran weiter!
Ich danke Ihnen.
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